Frau dich - The Boston Consulting Group

FRAU DICH!
Das schlummernde Potenzial der Frauen
für die deutsche Wirtschaft
The Boston Consulting Group (BCG) ist eine
internationale Managementberatung und weltweit
führend auf dem Gebiet der Unternehmensstrategie. BCG unterstützt Unternehmen aus allen
Branchen und Regionen dabei, Wachstumschancen zu nutzen und ihr Geschäftsmodell an
neue Gegebenheiten anzupassen. In partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Kunden
entwickelt BCG individuelle Lösungen. Gemeinsames Ziel ist es, nachhaltige Wettbewerbsvorteile
zu schaffen, die Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu steigern und das Geschäftsergebnis
dauerhaft zu verbessern. BCG wurde 1963 von
Bruce D. Henderson gegründet und ist heute an
82 Standorten in 46 Ländern vertreten. Für weitere
Informationen: bcg.com.
FRAU DICH!
Das schlummernde Potenzial der Frauen
für die deutsche Wirtschaft
Rocío Lorenzo, Heinrich Rentmeister, Karin Schetelig, Annika Zawadzki,
Dr. Susanne Dyrchs
Februar 2016
MANAGEMENT-SUMMARY
Quoten, Mentoring-Programme, Coaching – seit vielen Jahren debattieren Unternehmen
und Gesellschaft Ideen, wie Frauen ins Management zu bringen sind. Das Resultat ernüchtert: Heute besetzen anteilig weniger Frauen Führungspositionen als noch vor 20 Jahren.
Zwar stieg der Anteil weiblicher Hochschulabsolventen signifikant an, der Anteil der Frauen
im Management nahm jedoch kaum zu. Auf dem Karriereweg arbeiten zu viele weibliche
Talente dauerhaft in Teilzeit und werden so beim Aufstieg ausgebremst, auch ist die
Chance auf eine Führungsaufgabe für Frauen ohne Kind dreimal höher als mit Nachwuchs.
Außerdem fehlt vor allem ein Kulturwandel in den Unternehmen. Das enorme Arbeits­
kräftepotenzial von Frauen ist eine immense Gelegenheit für die deutsche Wirtschaft:
Stärkere Partizipation von Frauen am Arbeitsmarkt könnte die deutsche Wertschöpfung
um rund 200 Milliarden Euro steigern.
Es ist Zeit zum Umdenken. Unternehmen können von Vielfalt profitieren, indem sie sich
implizite Hindernisse in ihrer Firmenkultur bewusst machen, die strukturelle Basis für
einen Wandel schaffen, ihn durch konsequentes und glaubwürdiges Vorleben des Top­
managements festigen sowie Fortschritte beim Kulturwandel wirksam kommunizieren.
2
Frau dich!
Die Mär vom Bildungsvorteil
Ein Studium allein reicht nicht mehr zum Aufstieg
Angesichts ihrer hohen Qualifikationen müssten die Karrierechancen von Frauen
sehr gut sein – immerhin stellen sie heute rund 55 Prozent der Hochschulabsolventen in Deutschland. Die Wirklichkeit sieht aber anders aus – und ernüchternd
schlechter als noch vor Jahrzehnten. „Wenn mehr Frauen studieren, kommen auch
mehr Frauen in Führungspositionen“, lautete einst die eingängige Regel. Tatsächlich aber sinkt die Chance von Frauen, in Führung zu kommen – selbst mit Studium. Im Jahr 1994 lag der Frauenanteil unter den Führungskräften mit 25 Prozent
sogar 3 Prozent über dem Frauenanteil bei den Hochschulabsolventen, die mindestens zehn Jahre Berufserfahrung mitbrachten.1 Dieses Verhältnis hat sich radikal
geändert. Zurzeit sind 29 Prozent der Führungskräfte im privaten Sektor Frauen.
Der Anteil weib­licher Hochschulabsolventen mit mindestens zehn Jahren Berufserfahrung liegt jedoch bei deutlich höheren 35 Prozent (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1 | Bildung ist nicht alles
Ein Studium allein bringt Frauen nicht in Führungspositionen
Jährliches Wachstum der Frauenquote bei kumulierten Hochschulabsolventen1 liegt mit 2,4 % deutlich
über jährlichem Wachstum bei Frauenquote in Führung: 0,7 %
Frauenanteil (1994 = 100)
160
150
Positiver Start 1994
Führungsquote: 25 %
Frauenquote im Absolventenreservoir2: 22 %
140
130
Divergierende Entwicklung
Führungsquote: 29 %
Frauenquote im Absolventenreservoir2: 35 %
+2,4 %
120
110
+0,7 %
100
1994
1996
1998
2000
2002
2004
2006
Frauenanteil an den Absolventen mit mindestens 10 Jahren Berufserfahrung1
2008
2010
2012
2014
Frauenanteil an den Führungskräften
Ohne Lehramt 2Annahmen: Studium wird mit 25 Jahren beendet, Arbeitstätigkeit bis zum 65. Lebensjahr; Kumulierung der Absolventen, deren
Abschluss mindestens 10 Jahre zurückliegt
Quelle: Destatis; Eurostat; BCG-Analyse
1
Hochschulabschlüsse exklusive Lehramt betrachtet; Annahmen: Akademikerarbeitslosigkeit vernachlässigt – ab
Ende des Studiums wird Berufserfahrung gesammelt; Studium wird mit 25 Jahren beendet, Arbeitstätigkeit bis zum
65. Lebensjahr  40 Jahre Berufstätigkeit; Kumulierung der Absolventen, deren Abschluss mindestens 10 Jahre
zurückliegt
1
The Boston Consulting Group
3
Innerhalb der vergangenen 20 Jahre haben Frauen beim Aufstieg in Führungspositionen kaum weiteres Terrain gutgemacht, obwohl sie häufiger Studienabschlüsse
vorweisen. Von 1994 bis 2014 stieg der Frauenanteil an der Grundgesamtheit der
Hochschulabsolventen mit mindestens zehn Jahren Berufserfahrung jährlich um
durchschnittlich 2,4 Prozent.2 Dagegen stagnierte die Frauenquote in Führungspositionen beinahe, erreichte lediglich einen Zuwachs von jährlich durchschnittlich 0,7
Prozent.3 Die Folge: Bereits 2001 kehrte sich der einst positive Trend um; erstmals
war die Frauenquote unter Akademikern mit mindestens zehn Jahren Berufserfahrung größer als die Quote an weiblichen Führungskräften.
Das verschärfte Problem für Frauen zeigt sich auch im direkten Vergleich mit Männern. Ob Mann oder Frau: Längst ist ein Studium keine Garantie mehr für den Aufstieg auf der Karriereleiter. Denn immer mehr junge Menschen absolvieren ein
­Studium. Daher sinkt die Zahl der Führungskräfte pro Akademiker4 unabhängig
vom Geschlecht – bei Frauen allerdings mit einer jährlichen Durchschnittsrate von
minus 7,4 Prozent5 weit schneller als bei Männern mit minus 5,2 Prozent. Vor
20 Jahren stellten Frauen noch mehr Führungskräfte pro potenzielle Führungskraft
als Männer; heute liegen sie deutlich zurück (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2 | Verhältnis von Akademikern zu Führungskräften sinkt – für Frauen
noch schneller
Anzahl der Führungskräfte/Anzahl der Absolventen (ohne Lehramt) mit Abschluss vor mindestens 10 Jahren
Führungskräfte pro potenzielle Führungskraft1
2,0
Guter Start:
Wenige Frauen mit Studium,
aber vergleichbar hohe Zahl
an weiblichen FK
1,5
Negative Entwicklung:
Jetzt viele Frauen mit
Studium, aber Männer stellen
mehr FK pro Akademiker
Mehr Akademikerinnen bedeutet NICHT
mehr Chefinnen
-7,4 %
1,0
0,5
-5,0 %
0
1994
Frauen
1996
1998
2000
Männer
2002
2004
x%
2006
2008
2010
2012
2014
Kumulierte jährliche Wachstumsrate
Potenzielle Führungskraft = Akademiker (ohne Lehramt) mit mindestens 10 Jahre zurückliegendem Abschluss
Anmerkung: FK = Führungskraft; Annahmen: Studium wird mit 25 Jahren beendet, Arbeitstätigkeit bis zum 65. Lebensjahr; Kumulierung der
Absolventen, deren Abschluss mindestens 10 Jahre zurückliegt
Quelle: Destatis; Eurostat; BCG-Analyse
1
Quelle: Destatis; Eurostat; BCG-Analyse
Quelle: Eurostat; BCG-Analyse
4
Potenzielle Führungskräfte: Kumulierte Absolventen, deren Abschluss mindestens 10 Jahre zurückliegt.
Quelle: Eurostat; Destatis; BCG-Analyse
5
CAGR von 1994 bis 2014
2
3
4
Frau dich!
Endstation mittleres Management
Trotz jahrelanger Debatte über die Vorteile der Diversität der Geschlechter in
Unternehmen bleiben die Managementpositionen vorrangig Männern vorbehalten.
Dies gilt nicht nur für die Privatwirtschaft, sondern ebenso für den öffentlichen
Sektor, obwohl staatliche Organisationen dem gesellschaftlichen Wandel noch stärker verpflichtet sein müssten. Ob private Unternehmen oder öffentliche: Lediglich
29 Prozent6 der Führungskräfte7 im jeweiligen Bereich sind derzeit Frauen.
Mit jeder Hierarchiestufe, die Frauen erklimmen, verschlechtert sich ihre Situation
dramatisch. Im mittleren Management ist für sie oft Endstation. Über alle Branchen hinweg sinkt der Frauenanteil um etwa 40 Prozent beim Sprung vom mittleren zum Spitzenmanagement. So sind magere 5 Prozent8 der Vorstandspositionen
in den 200 größten deutschen Unternehmen mit Frauen besetzt. Im öffentlichen
Sektor sieht das Bild im Vergleich zum Privatsektor etwas besser aus: Hier sind
18 Prozent9 der Spitzenpositionen mit Frauen besetzt. Aber auch hier gibt es noch
deutlich Luft nach oben.
Abbildung 3 | Endstation mittleres Management
Konsistente Unterrepräsentation im Spitzenmanagement
Repräsentation im mittleren Management
zum großen Teil ausgewogen ...
Frauenanteil: Mittleres Management
Frauenanteil: Spitzenmanagement
100 %
l
ei
nt
l
i
te
n
rA
e
ich
e
Gl
75 %
50 %
40 %
fehlender
Anteil
50 %
In der Finanzbranche
haben es Frauen
besonders schwer
25 %
0%
0%
100 %
rA
e
ich
e
Gl
75 %
... jedoch starke Unterrepräsentation
im Spitzenmanagment
25 %
50 %
75 %
100 %
25 %
0%
0%
25 %
Frauenanteil: Alle Beschäftigte
Gesundheit, Erziehung und Unterricht
Einzelhandel
Gastgewerbe und sonst. Dienstleistungen
Finanz- und Versicherungsdienstleistungen
Wirtschaftl., wissenschaftl., freiberufl. Dienstleistungen
Information und Kommunikation
Großhandel, Kfz-Handel und -Reparatur
Verarbeitendes Gewerbe
50 %
100 %
Verkehr und Logistik
Energie, Wasser, Abfall und Bergbau
Baugewerbe
Quelle: Destatis; IAB Betriebspanel; Kohaut/Möller 2013; BCG-Analyse
Quelle: Destatis; BCG-Analyse; DIW-Führungskräfte-Monitor 2015
Definition FK: öffentlicher Sektor: Besoldungsgruppen B, C, A15; außertariflich Angestellte und E15; Privatwirtschaft (Definition nach SOEP): Angestellte mit hochqualifizierter Tätigkeit, Leitungsfunktion oder umfassenden
Führungsaufgaben
8
Quelle: DIW-Führungskräfte-Monitor 2015
9
Quelle: Destatis; BCG-Analyse
6
7
The Boston Consulting Group
75 %
Frauenanteil: Alle Beschäftigte
5
In fast allen Branchen sind Frauen an der Spitze unterrepräsentiert.10 Selbst ein
von Frauen dominiertes Segment wie Gesundheit, Erziehung und Unterricht mit
76 Prozent Frauenanteil unter den Beschäftigten erreicht nur 46 Prozent an weiblichen Führungskräften. Die Finanzbranche sticht besonders heraus: Dort stellen
Frauen zwar die Mehrheit der Beschäftigten (55 Prozent), doch führen nur 27 Prozent von ihnen Mitarbeiter; Spitzenpositionen erreichen lediglich 11 Prozent.
Lebenslange Babypause
Mythos Rückkehr in Vollzeit
Politik und Wirtschaft schrieben sich jahrelang die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf ihre Fahnen. Die Realität zeigt: Bessere Aufstiegschancen haben
nach wie vor kinderlose Frauen. Der Anteil der Führungskräfte unter Frauen ohne
Kinder ist dreimal so hoch wie unter denen mit Kindern.11
Zur Tatsache, dass sich karriere- und für Familiengründung relevante Phasen überschneiden, wirkt verschärfend, dass der Einstieg in Teilzeit oft den dauerhaften
Ausstieg aus der Vollzeitarbeit bedeutet: Ab dem Alter von 40 Jahren stagniert die
Teilzeitquote auf sehr hohem Niveau bei derzeit 54 Prozent12 aller erwerbstätigen
Frauen. Für Frauen, die nach einer Babypause im Job kürzer treten, zieht sich dies
häufig über das restliche Arbeitsleben hin (siehe Abbildung 4).
Abbildung 4 | Lebenslange Babypause: Einmal Teilzeit, immer Teilzeit
Teilzeitanstieg führt zu Rückkehrproblemen  Stagnation auf hohem Niveau
Teilzeitquote
60
Bereits früh
hohe TZ-Quote
bei Frauen
Massiver TZ-Anstieg von Frauen in
karriererelevanter
Phase
Stagnation bei über 50 % bis zur Rente
50
40
30
20
10
0
10
20
30
Erwerbstätige Frauen
40
50
60
Erwerbstätige Männer
70
Lebensjahre
Anmerkung: TZ = Teilzeit
Zwischen 18 und 27 Jahren sowie zwischen 32 und 41 Jahren steigt die Teilzeitbeschäftigung von Frauen sprunghaft an: jeweils von 4 auf 29 Prozent
und von 35 auf 56 Prozent. Bei Frauen über 42 stagniert sie bei rund 50 Prozent.
Quelle: Destatis; Sonderauswertung aus dem Mikrozensus; BCG-Analyse
IAB-Betriebspanel, Kohaut/Möller 2013; BCG-Analyse
Quelle: Destatis; BCG-Analyse
12
Quelle: Bundesagentur für Arbeit: Arbeitsmarkt in Zahlen – Beschäftigungsstatistik 2014
10
11
6
Frau dich!
Die Diskrepanz von Frauen und Männern in Teilzeitbeschäftigung ist frappierend:
Im Durchschnitt arbeiteten rund 46 Prozent13 der deutschen Frauen im Jahr 2014 in
Teilzeit, unter den Männern sind es lediglich 9,3 Prozent14. Die jeweils genannten
Gründe für Teilzeitarbeit bieten eine mögliche Erklärung dieses Phänomens:
••
76 Prozent der Frauen argumentieren, aufgrund familiärer Verpflichtungen oder
der Versorgung von Kindern oder Senioren in Teilzeit zu gehen.
••
81 Prozent der Männer hingegen stecken bei der Arbeitszeit nur dann zurück,
wenn es nicht anders geht, etwa weil keine Vollzeitstelle zu finden ist oder
aufgrund von Krankheit oder Ausbildung.15
Der Einstieg in die
Teilzeitarbeit bedeutet oft den dauer­
haften Ausstieg aus
der Vollarbeitszeit
Eine Chance, dass Frauen ihre Wochenarbeitszeit steigern, um qualitativ höherwertige Aufgaben ausführen zu können und dennoch genügend Zeit für die Familie
erübrigen, bietet unter anderem die Flexibilisierung von Arbeitszeiten. Gerade
Frauen mit Karriereanspruch schätzen individuell gestaltbare Arbeitszeiten.
Eine Befragung von The Boston Consulting Group unter rund 6.800 deutschen
Frauen16 ergab, dass mehr Frauen mit als jene ohne Führungsambition flexible
Arbeitszeiten für sehr wichtig halten.
Der notwendige Schock
Männlich geprägte Normen halten Frauen fern
Angesichts des Spagats zwischen Verpflichtungen im Job und in der Familie
­drängen Führungskräfte auf eine Lösung für dieses Thema – sie machen jedoch ein
weiteres Problemfeld aus: Im Rahmen einer Befragung17 von 36 großen deutschen
Unternehmen, die im DAX oder MDAX gelistet sind, benennen Führungskräfte
zwar die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als ein zentrales Hindernis für den
Aufstieg von Frauen im Management, genauso stark machen sie aber eine „männlich geprägte Unternehmenskultur“ dafür verantwortlich, dass Frauen auf dem Weg
zur Spitze ausgebremst werden.
In diesem Zusammenhang fallen Gründe wie Unternehmenswerte und -normen,
männlich geprägte Arbeitsbeziehungen und Netzwerke sowie eine in Unternehmen
vorherrschende Präsenz- und Anwesenheitskultur (siehe Abbildung 5).
Quelle: Bundesagentur für Arbeit: Arbeitsmarkt in Zahlen – Beschäftigungsstatistik 2014
Quelle: Bundesagentur für Arbeit: Arbeitsmarkt in Zahlen – Beschäftigungsstatistik 2014
15
Quelle: BMFSFJ: Bilanz Chancengleichheit; angegebene Gründe: Vollzeittätigkeit nicht zu finden, noch in Bildung/Ausbildung, Krankheit/Unfallfolge
16
Quelle: Globale BCG-Studie 2014 mit rund 200.000 Teilnehmern im arbeitsfähigen Alter; befragt wurden alle Altersklassen, Beschäftigungstypen, Erfahrungsniveaus, Bildungsstände, Positionen im Beruf von Handarbeit bis Manager, alle Branchen. Hier gezeigt: alle befragten deutschen Frauen (rund 6.800).
Sehr wichtig = Antwort mit 10 von 10 Punkten auf die Frage: „Wie wichtig sind Ihnen im Beruf flexible Arbeitszeitmodelle (z. B. Teilzeit, Arbeit von zu Hause)?“; mit Führungsambition: Antwort mit 10 von 10 Punkten auf die Frage:
„Wie wichtig ist Ihnen im Beruf die Gelegenheit, zu führen und Verantwortung zu übernehmen?“; ohne Führungsambition: Antwort mit 6 von 10 Punkten oder weniger
17
Quelle: bcg.perspectives: Shattering the Glass Ceiling: An Analytical Approach to Advancing Women into Leadership R
­ oles
(2012). Befragung von 44 multinationalen Unternehmen. Hier Fokus auf deutschen Unternehmen
13
14
The Boston Consulting Group
7
„Männlich geprägte
Unternehmenskultur“
bremst Frauen auf
dem Weg zur Spitze
aus
Abbildung 5 | Unternehmenskultur behindert den Aufstieg von Frauen
Maßnahmen zur Kulturveränderung stehen aber nicht im Fokus
Männlich geprägte Unternehmenskultur
neben Vereinbarkeit von Beruf und Familie
größtes Hindernis für Aufstieg
% der befragten Unternehmen
56 %
56 %
Gründe für die
Unterrepräsentanz von Frauen
in Führungspositionen1
Konkrete Maßnahmen zur Veränderung der Kultur
bisher selten von Unternehmen geplant
% der befragten Unternehmen
50 %
38 %
33 %
U. a. männlich geprägte
Unternehmenswerte,
Normen, männlich
geprägte Beziehungen,
Netzwerk, Präsenzkultur
Männlich
EingeVereingeprägte barkeit von schränkter
UnterFamilie Talentpool
nehmens- und Beruf
kultur
28 %
Konkrete Maßnahmen
zur Verringerung
der Unterrepräsentanz1
U. a. Informationsund Sensibilisierungsmaßnahmen
22 %
19 %
22 %
13 %
Arbeitszeiten
Fehlende
operative
Frauenförderungsmaßnahmen
Betreuungsmöglichkeit
Flexible
Arbeitszeiten
NachVerände- Coaching
wuchsförrung
für Frauen
derungsUnterprogramm nehmenskultur
BCG-Befragung der Führungskräfte von 36 deutschen Unternehmen (DAX und MDAX) im Jahr 2012
Quelle: BCG-Umfrage 2012
1
Auf diese wichtige Hürde für aufstiegswillige Frauen gehen Unternehmen kaum
ein; Strategien für einen Kulturwandel sind momentan selten zu finden. Lediglich
22 Prozent der befragten Unternehmen haben Maßnahmen zur Veränderung der
Kultur geplant.
Wir haben die Unternehmenskommunikation der DAX-30-Konzerne (Firmen-Web­
sites, Pressemitteilungen und Reports) sowie unabhängige Studien zu Frauenförderungsprogrammen der Unternehmen analysiert, um aufzuzeigen, ob und wie Unternehmen ihr Engagement bezüglich Gender-Diversity darstellen.
Unternehmen
präsentieren vor
allem operative
Programme zur
Frauenförderung
Potenzielle Mitarbeiter werden solche Informationen ebenfalls nutzen, um sich ein
Bild über das jeweilige Unternehmen zu machen und auf dieser Basis eine Entscheidung für einen Unternehmenswechsel zu treffen (siehe Abbildung 6).
Ziel war es, einen Blick von außen auf die untersuchten Unternehmen zu werfen
und so eine Einschätzung zur Positionierung des Unternehmens im Hinblick auf
Gender-Diversity zu erhalten. Interne Kommunikation zum Thema Gender-Diversity wurde naturgemäß nicht berücksichtigt.
Unsere Analyse zeigt, dass die betrachteten Unternehmen vor allem operative Programme zur Frauenförderung sichtbar positionieren:
••
8
Rund 60 Prozent der Konzerne stellen dar, wie sie die Karriereentwicklung von
Frauen vorantreiben.
Frau dich!
Abbildung 6 | Rahmen für die Analyse des sichtbaren Engagements der Unternehmen
Kategorien und Kriterien
1. Information
Gender-Diversity-Bereich auf
der Unternehmens-Website
Publikationen
Unterzeichnung der Charta
der Vielfalt
2. Operative Maßnahmen
Rekrutierung
Programme zur Rekrutierung
von Frauen
Elemente eines Gender-neutralen Rekrutierungsprozesses
Freiwillige Quoten für Rekrutierung von Frauen
Bindung
Flexible Arbeitszeitmodelle
Flexible Arbeitsortmodelle
Kontakthalteprogramme
Wiedereinstiegsprogramme
3. Strategie und
Management
4. Kontrolle
Strategie und Senior Management
Gender-Diversity Teil des
externen Berichtswesens
Gender-Diversity als Teil der
Diversity-Strategie
Diversity-Strategie Teil der
Unternehmensstrategie
Engagement des CEO
Diversity-Beauftragte
Nennung konkreter Quoten
Berichterstattung über
Fortschritt bei der Zielerreichung
Führungskräfte
Sensibilisierung/Information
Weiterbildung
Steuerung durch KPIs
Förderung
Elemente eines Gender-neutralen Beförderungsprozesses
Freiwillige Quoten für Beförderungsentscheidungen
Freiwillige Quoten für Führungspositionen
Frauennetzwerk
Frauen-Mentoring
Frauen-Coaching
Anmerkung: Die Analyse erfolgte auf Basis von 4 wesentlichen Kategorien: Information, operative Maßnahmen zur Frauenförderung, Strategie
und Management sowie Kontrolle. Für jede Kategorie wurde eine Auswahl an Kriterien getroffen, anhand deren die externe Unternehmens­
kommunikation sowie unabhängige Studien zu Frauenförderungsprogrammen der Unternehmen untersucht wurden.
Quelle: BCG-Analyse
••
Auf Programme zur Bindung weiblicher Mitarbeiter, etwa flexible Modelle für
Arbeitszeit und -ort, verweisen immerhin noch ein Drittel der betrachteten
Unternehmen.
••
Maßnahmen zur Rekrutierung von Frauen werden lediglich von 7 Prozent der
betrachteten Unternehmen deutlich gezeigt – ein Zeichen, dass das nachhaltige
­Füllen der HR-Pipeline eine Herausforderung sein kann.
Erste Konzerne
leisten bereits
­erkennbar Pionier­
arbeit, um das
brachliegende
­Potenzial zu heben
Strategische Hebel, die auf einen Wandel der Firmenkultur abzielen, werden v
­ on
den betrachteten Unternehmen deutlich seltener präsentiert:
••
Nur 33 Prozent der Vorstände zeigen ein deutlich erkennbares Engagement
beim Thema Gender-Diversity.
••
Lediglich 23 Prozent der Konzerne stellen Diversity als Thema des Topmanagements
heraus und lassen Status sowie Fortschritt dabei direkt an den Vorstand berichten.
••
Gerade einmal 37 Prozent der betrachteten Unternehmen haben ihre Diver­sityStrategie erkennbar auf die Konzernstrategie abgestimmt – ein Indiz dafür, dass
das Thema Gender-Diversity als ein Thema unter vielen gesehen wird, jedoch
nicht als zentraler Baustein des Geschäftserfolgs.
The Boston Consulting Group
9
••
90 Prozent der betrachteten Unternehmen berichten zwar sichtbar über kon­
krete Ziele bei der Besetzung von Führungspositionen mit Frauen, allerdings
zeigen nur wenige Unternehmen, wie sie die dafür notwendige HR-Pipeline mit
detaillierten Maßnahmen für die Rekrutierung und Beförderung von Frauen
hinterlegt haben ( jeweils 7 Prozent).
Erste Konzerne heben das Potenzial
Von Pionieren und Spätzündern
Als gute Nachricht lässt sich festhalten: Alle Konzerne des DAX 30 haben die
Bedeutung von Frauen im Management erkannt. Allerdings divergiert der tatsäch­
liche Umgang mit dem Thema noch enorm. Nur bei wenigen der betrachteten
Unternehmen ist ein schlüssiges Gesamtkonzept sichtbar, durch das dem Mangel
an Frauen in Führungsetagen begegnet wird. Diese Konzerne leisten bereits
erkennbar Pionierarbeit, um das brachliegende Potenzial zu heben (siehe Abbildung 7).
Auf Basis der DAX-30-Analyse haben wir drei wesentliche Unternehmensgruppen
identifiziert:
Die Spitzenreiter (17 Prozent): Sie sehen das Thema Gender-Diversity als strategischen Wettbewerbsvorteil. Um ihn zu nutzen und das Potenzial von Frauen im
Management zu erschließen, haben sie das Thema Kulturwandel aufgegriffen.
50 Prozent der
Konzerne haben
Gender-Diversity
als wichtiges
Personal­thema
erkannt
••
Ziele für Gender-Diversity werden im Einklang mit der Unternehmensstra­tegie
definiert; zum Teil wird das Erreichen dieser Ziele auch schon nachverfolgt.
••
Vorstände wie Führungskräfte haben das Thema Gender-Diversity verinnerlicht
und beziehen es systematisch in die tägliche Arbeit ein. Dadurch sind sie
Vorbilder und Katalysatoren für eine Veränderung im Konzern.
••
Der Bereich Human Resources hat Gender-Diversity als strategisches Talent-­
Management-Instrument erkannt. Potenzielle Führungskräfte – oftmals Männer
und Frauen – werden in die Förderung eingebunden.
Die Durchstarter (50 Prozent): Sie haben Gender-Diversity als ein wichtiges
Personalthema erkannt und greifen insbesondere die operativen Maßnahmen
Rekru­tie­rung, Bindung und Karriereentwicklung von Frauen auf.
••
Es sind Ziele für Gender-Diversity festgelegt, diese sind jedoch oftmals recht
allgemein gehalten. Ihnen fehlt eine sichtbare Anbindung an die Unternehmensstrategie.
••
Die Vorstände der betrachteten Unternehmen zeigen erkennbares Commitment,
allerdings wurden die Führungskräfte noch nicht sichtbar eingebunden.
••
Innerhalb von Human Resources sind für die Rekrutierung, die Bindung und die
Karriereentwicklung von Frauen größtenteils Maßnahmen vorgesehen.
10
Frau dich!
Abbildung 7 | Übersicht Gesamtklassifizierung1 der DAX-30-Unternehmen
Rang
Information
Operative
Strategie und
Maßnahmen Management
Kontrolle
Gesamt
Spannbreite
1 Unternehmen 1
2 Unternehmen 2
87,85 – 77,14
Punkte
3 Unternehmen 3
4 Unternehmen 4
5 Unternehmen 5
6 Unternehmen 6
7 Unternehmen 7
8 Unternehmen 8
9 Unternehmen 9
10 Unternehmen 10
11 Unternehmen 11
12 Unternehmen 12
74,76 – 52,14
Punkte
13 Unternehmen 13
14 Unternehmen 14
15 Unternehmen 15
16 Unternehmen 16
17 Unternehmen 17
18 Unternehmen 18
19 Unternehmen 19
20 Unternehmen 20
21 Unternehmen 21
22 Unternehmen 22
23 Unternehmen 23
24 Unternehmen 24
25 Unternehmen 25
48,81 – 7,14
Punkte
26 Unternehmen 26
27 Unternehmen 27
28 Unternehmen 28
29 Unternehmen 29
30 Unternehmen 30
Spitzenreiter (≥ 75 Punkte)
Durchstarter (≥ 50 Punkte)
Spitzenreiter ≥ 75 Punkte, Durchstarter ≥ 50 Punkte, Nachzügler < 50 Punkte
Quelle: BCG-Analyse (2015)
1
The Boston Consulting Group
11
Nachzügler (< 50 Punkte)
Die Nachzügler (33 Prozent): Für sie ist Gender-Diversity nur ein Thema von vielen; lediglich punktuell wird das Vorgehen bei Rekrutierung, Bindung und Karriere­
entwicklung weiblicher Führungskräfte sichtbar auf operativer Ebene festgelegt.
••
Gender-Diversity wird eher als weiches Exotenthema behandelt und unab­
hängig von der Geschäftsentwicklung gesehen.
••
Im Topmanagement ist Gender-Diversity eingeschränkt verankert und wird dort
als eines von vielen Themen begriffen.
••
Innerhalb von Human Resources wurden die Rekrutierung, die Bindung und
die Karriereentwicklung von Frauen nur punktuell mit operativen Vorgaben
hinter­legt. Ein Gesamtkonzept lässt sich meist von extern nicht erkennen.
Frischekur für die Kultur
Wie Unternehmen sich wandeln
Einige DAX-30-Konzerne nutzen Diversity erfolgreich als Treiber ihrer Wettbewerbsfähigkeit, das heißt, sie setzen Mitarbeitervielfalt bereits gewinnbringend für
das Unternehmen ein. Sie verändern ihre Kultur, sodass die Potenziale aller Mitarbeiter – unabhängig davon, ob Männer oder Frauen – zielgerichtet erschlossen
­werden können und Frauen dieselben Chancen erhalten, in eine Führungsposition
zu gelangen. Die Voraussetzungen dafür zu schaffen, kann jedem Unternehmen
­ge­­lingen.
Vier Handlungsfelder
für Unternehmen, mit
denen sich die
Potenziale von Frauen
mithilfe eines
­durchgreifenden
Kulturwandels
erschließen lassen,
um brachliegendes
­Potenzial zu heben
Wir haben vier Handlungsfelder für Unternehmen identifiziert, mit denen sich die
Potenziale von Frauen in Führungspositionen mithilfe eines durchgreifenden Kulturwandels erschließen lassen:
1. Die Unternehmenskultur erlebbar machen
Eher durch Zufall als geplant entwickelte sich die Kultur in den meisten Unter­
nehmen über viele Jahre hinweg und ist auch heute noch von ihrer Geschichte
bestimmt. Wo Männer in der Vergangenheit die Führung innehatten, ist die Kultur
oft immer noch männlich geprägt. Die so entstandenen Unternehmenswerte und
-normen sind Mitarbeitern in der Regel nicht bewusst. Für einen durchgreifenden
Kulturwandel benötigt man Transparenz hinsichtlich dieser impliziten Unternehmenswerte und -­normen sowie die Einsicht, dass sie zu Hindernissen für Frauen in
Führungspositionen werden können.
Der Lösungsansatz:
••
Implizite Unternehmenswerte und -normen transparent und begreifbar machen.
••
Unbewusste Vorurteile den Geschlechtern gegenüber bewusst machen (z. B.
über Gender-Bias-Tests).
••
Beitrag von Frauen und Männern zum Unternehmenserfolg sichtbar heraus­
stellen.
12
Frau dich!
••
Führungskräfte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das Thema
Gender-Diversity sensibilisieren.
2. Eine strukturelle Basis für den Kulturwandel schaffen
Um einen Wandel der Kultur anzustoßen, müssen Unternehmen die erforder­lichen
Voraussetzungen nachhaltig schaffen. Hierzu gehört auch das Verständnis, ob die
genutzten Instrumente überhaupt geeignet sind, eine ausreichende Anzahl von
Frauen mit Führungsqualifikationen und der Chance zum Aufstieg zu rekrutieren
und nachhaltig zu binden. Oftmals ist den Mitarbeitern auch nicht klar, welchen
Beitrag Gender-Diversity zum Unternehmenserfolg leistet.
Der Lösungsansatz:
••
Organisatorische und personelle Voraussetzungen bei Rekrutierung (z. B.
Sensibilisierung von Interviewern), Bindung (z. B. flexible Arbeitszeit- und
Arbeitsortmodelle) sowie Karriereentwicklung (z. B. Nachfolgeplanung) schaffen, um die Pipeline für den Nachschub an Führungskräften langfristig auch mit
Frauen zu füllen.
••
Einen auf das Unternehmen zugeschnittenen Businesscase für Gender-Diversity
erarbeiten und auf jeden Bereich des Unternehmens herunterbrechen; gleichzeitig den Businesscase für alle Mitarbeiter und Führungskräfte sichtbar und
greifbar machen, sodass jedem Einzelnen der Beitrag von Gender-Diversity zum
Unternehmenserfolg bewusst wird.
3. Den Kulturwandel anstoßen und verstetigen
Meist empfinden Mitarbeiter Gender-Diversity als Exotenthema für Randgruppen,
das nicht unbedingt etwas mit der täglichen Arbeit jedes Einzelnen und dem Unternehmenserfolg zu tun hat. Um einen durchgreifenden Wandel zu erreichen, muss
das Topmanagement die gewünschte Vielfalt vorleben und aufzeigen, wie relevant
sie für den Unternehmenserfolg sein kann.
Der Lösungsansatz:
••
Sichtbare und glaubhafte Unterstützung durch das höhere Management sicher­
stellen.
••
Führungskräfte als Vorbild und zugleich als Treiber der Veränderung etablieren.
••
Weibliche wie männliche Mitarbeiter in den Veränderungsprozess ein­b eziehen.
4. Die Fortschritte transparent und messbar machen
Wie oft im Unternehmensalltag wird nur erreicht, was auch gemessen wird. Das
Management darf seine Ziele über die oft jahrelange Entwicklungszeit einer neuen
Firmenkultur nicht aus den Augen verlieren.
The Boston Consulting Group
13
Deutschland könnte
gesamtwirtschaftlich
von einem stärkeren
Einsatz von Frauen in
der Arbeitswelt und
einer höheren
­Wochenarbeitszeit
weiblicher Mitarbeiter
profitieren
Der Lösungsansatz:
••
Konkrete Ziele für das Thema Gender-Diversity festlegen und eine Verbindung
mit der Unternehmensstrategie herstellen.
••
Den Grad der Zielerreichung kontinuierlich messen.
••
Fortschritte den Mitarbeitern durchgehend kommunizieren und Good Practices
hervorheben.
••
Durch ein Tracking-System Frauenkarrieren systematisch nachverfolgen und
mögliche Hindernisse verstehen und Lösungen entwickeln.
Das Wirtschaftswunder
Deutschland profitiert von Frauen
Immer mehr Unternehmen klagen über
einen Mangel an
Führungskräften
Die Mühe lohnt sich, das brachliegende Arbeitskräftepotenzial zu nutzen – sowohl
für die Wirtschaftskraft der Konzerne als auch für das gesamte Land. Eine Hochrechnung von BCG zeigt, wie Deutschland gesamtwirtschaftlich profitieren könnte:
Ein stärkerer Einsatz von Frauen in der Arbeitswelt sowie eine höhere Wochen­
arbeitszeit weiblicher Mitarbeiter könnten die deutsche Wertschöpfung um 8 Prozent steigern. Das entspräche einem Anstieg von rund 200 Milliarden Euro.
Zugleich ließe sich die zu erwartende Arbeitskräftelücke um 35 Prozent verringern. Blieben die derzeitigen Arbeitstrends konstant, würden der deutschen Wirtschaft im Jahr 2030 rund 5,8 bis 7,7 Millionen Arbeitskräfte fehlen.18
Durch ein resolutes Umschwenken bei der Frauenförderung könnten rund 2,2 Millionen zusätzliche weibliche Arbeitskräfte19 in den Arbeitsmarkt integriert und
der künf­tige Fachkräftemangel deutlich gedrosselt werden.
BCG zeigt vier Hebel
auf, die eine direkte
positive Auswirkung
auf die gesamte
deutsche Wert­
schöpfung haben
Schon jetzt klagen immer mehr Unternehmen über einen Mangel an Führungskräften: Weltweit halten 24 Prozent der Firmen das Fehlen von adäquatem Führungspersonal für eine ihrer größten Herausforderungen.20
Eine verstärkte Teilnahme von Frauen am Arbeitsmarkt kann einen deutlich positiven Effekt auf die Gesamtwertschöpfung haben.21 BCG zeigt vier Hebel auf, die
sich direkt darauf auswirken:
1. Höherer Anteil erwerbstätiger Frauen
Steigt die Erwerbstätigenquote der Frauen in Deutschland von 69,5 Prozent im
Jahr 2014 auf die der Schweizer Frauen in Höhe von 75,1 Prozent, bringt dies ein
Quelle: BCG-Studie: Die halbierte Generation: Die Entwicklung des Arbeitsmarktes und ihre Folgen für das Wurtschaftswachstum in Deutschland (2015).
18
Arbeitskräfte mit Wochenarbeitszeit von 35,3 Stunden (entspricht deutschem Durchschnitt)
Andere oft genannte Gründe: fehlende Arbeitnehmerloyalität, Mangel an adäquater Technologie. Quelle: Oxford Economics: Workforce 2020
21
Annahme für die im Folgenden genannten Hebel 1, 2 und 4: Arbeitsnachfrage passt sich vollständig dem Angebot an.
19
20
14
Frau dich!
Plus für die Wertschöpfung von 55 Milliarden Euro und 0,7 Millionen mehr vollzeitäquivalent Beschäftigte.22
Abbildung 8 | Mehr Frauen – mehr Wertschöpfung
1
Höherer Anteil
erwerbstätiger Frauen
2
Längere
Wochenarbeitszeit
3
4
Produktivere
Branchen
€
Mehr Frauen in Arbeit
Aufstockung
Wochenstunden
Zusätzliche
Vollzeitkräfte
0,7 Mio.
Zusätzliche
Vollzeitkräfte
1,2 Mio.
Zusätzliche
Wertschöpfung
€ 55 Mrd.
Zusätzliche
Wertschöpfung
€ 90 Mrd.
Ausbildungsadäquate
Beschäftigung
€
€
€
€
€
€
€
€
€
€
€
€
€
Verlagerung in
produktivere Branchen
mit Fachkräftemangel
Verringerung des
überqualifizierten
Einsatzes
Zusätzliche
Wertschöpfung
€ 6 Mrd.
Zusätzliche
Wertschöpfung
€ 47 Mrd.
= € 197 Mrd. zusätzliche Wertschöpfung = 8 % der deutschen Wertschöpfung1
Destatis – Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen 2015
Quelle: BCG-Analyse 2015
1
2. Längere Wochenarbeitszeit
Arbeiteten teilzeitbeschäftigte Frauen in Deutschland statt derzeit durchschnittlich
19 Stunden pro Woche so lange wie schwedische Frauen in Teilzeit, nämlich
25 Stunden (was einem Plus von 1,2 Millionen vollzeitäquivalenten Stellen entspricht), würde dies die Wertschöpfung um 90 Milliarden Euro erhöhen.23
3. Einsatz in produktiveren Branchen
Würden Frauen stärker in produktiveren Branchen24 mit Fachkräftemangel arbeiten – etwa in MINT-Berufen25 –, könnte die Wertschöpfung um weitere 6 Milliarden Euro gesteigert werden.26 Dies wäre beispielsweise möglich durch einen
Hebel 1: Wertschöpfung pro Frau bestimmt durch Verteilung der Gesamtwertschöpfung und der Arbeitszeiten von
Frauen und Männern auf die Wirtschaftszweige nach WZ 2008. Annahmen: Keine Veränderung bei der durchschnittlichen Wertschöpfung pro Person durch die Anhebung; Wochenarbeitszeit der Frauen, die neu in den Arbeits­markt
eintreten: 20 Stunden.
23
Hebel 2: Annahmen: Keine Veränderung bei der durchschnittlichen Wertschöpfung pro Person durch die Anhebung; Wochenarbeitszeit eines Vollzeitäquivalents (VZÄ): 40 Stunden.
24
Bezogen auf durchschnittliche Produktivität pro VZÄ.
25
Quelle: DIW, MINT-Herbstreport 2015; MINT-Fachkräftelücke: Anzahl der Stellen, die eine Qualifikation in den Bereichen Mathematik, Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften oder Technik voraussetzen und nicht besetzt werden können, da die Arbeitsnachfrage das Angebot übersteigt.
26
Hebel 3: Quelle für aktuelle MINT-Fachkräftelücke: DIW, MINT-Herbstreport 2015; konservative Annahme: Fachkräfte in den produktiveren Branchen erzielen Durchschnittsproduktivität der Branche; Verteilung der 165.000 Frauen
proportional zur derzeitigen Gesamtbeschäftigung der Branchen.
22
The Boston Consulting Group
€
15
€
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€
Transfer von 165.00027 Frauen aus dem Segment öffentliche Dienstleister, Gesundheit und Erziehung in die produktiveren Wachstumsbranchen des produzierendes
Gewerbes (ohne Baugewerbe), der Informations- und Telekommunikationstechnologie.
4. Mehr ausbildungsadäquate Beschäftigung
Deutlich mehr Frauen als Männer sind derzeit für ihre Positionen überqualifiziert. Sänke dieser Anteil auf das Niveau der Männer, würden 500.000 Frauen
eine höherwertige Tätigkeit verrichten; dadurch entstünde eine zusätzliche Wert­
schöpfung in Höhe von 47 Milliarden Euro.28
Deutsche Unternehmen haben großen
Aufholbedarf im
Vergleich zum
EU-Durchschnitt
Deutsche Unternehmen haben großen Aufholbedarf, wollen sie Frauen adäquat
in Führungspositionen bringen; Deutschland hinkt vielen anderen Ländern Europas weit hinterher. Würde die Frauenquote im Management deutscher Unter­
nehmen den relativen EU-Durchschnitt29 erreichen, gäbe es 90.000 mehr weibliche
Chefs – ein Anstieg um 17 Prozent.30
Es zeigen sich viele
Chancen, weibliche
Talente in die
Führungsetagen zu
bringen
Diese Diskrepanz offenbart sich besonders bei Spitzenpositionen: Wollten die 200
größten deutschen Unternehmen31 die Frauenquote im Topmanagement auf Höhe
des relativen EU-Durchschnitts bringen, brauchten sie zusammen 250 zusätzliche
Frauen in ihren Vorständen. Damit würde sich die Zahl der heutigen weiblichen
Vorstände versechsfachen.
Enstpricht derzeit publiziertem Fachkräftemangel im Bereich MINT, Hochqualifizierte.
Hebel 4: Lediglich Betrachtung von Frauen mit Meister-/Techniker-/Fachschulabschluss sowie (Fach-)Hoch­
schulabschluss; Annahme: Wochenarbeitszeit der Frauen, die adäquat beschäftigt werden sollen: 30 Stunden; Produktivitätsanstieg bei adäquater Beschäftigung proportional zum Gehaltsanstieg (57 %, Quelle: Mercer’s Global Pay
Summary 2013; BCG-Analyse).
29
Anhebung auf den EU-Durchschnitt der Differenz zwischen Frauenanteil an den Erwerbstätigen und Frauenanteil
in Führung; Definition Führungskraft: ISCO1, Quelle: Eurostat; BCG-Analyse.
30
Quelle: DIW, Führungskräfte-Monitor 2015; BCG-Analyse.
31
Quelle: DIW, Führungskräfte-Monitor 2015; BCG-Analyse.
27
28
16
Frau dich!
Zusammenfassung
Beim Thema Frauen in Führungspositionen besteht für deutsche Unternehmen
noch immer enormes Potenzial, welches es zu nutzen gilt. Ausbildungsunterschiede
sind heute kein Thema mehr, im Gegenteil: Frauen stellen mehr als die Hälfte aller
Hochschulabsolventen. Trotzdem stagniert die Zahl der Frauen in Führungsposi­
tionen, und im mittleren Management ist meist Endstation. Abwarten, dass zu­­
nehmende Qualifizierung zu automatischer Steigerung der Frauenquote im
Topmanage­­ment führt, ist daher zu wenig. Zudem kehrt die Mehrheit der Frauen
nach der Babypause nie mehr in eine Vollzeitbeschäftigung zurück.
Umdenken ist nötig
Das darf nicht so bleiben, denn die Förderung von Frauen zahlt sich aus. Vielfalt in
Unternehmen ist Triebkraft für Innovation und trägt zur Steigerung der Bruttowertschöpfung bei. Viele Firmen handeln bereits. Die Spitzenreiter unter den analysierten Unternehmen zeigen, wie es geht. Mit schlüssigen Gesamtkonzepten nutzen sie
das große Potenzial von Frauen. Doch es gibt noch viel Luft nach oben: 80 Prozent
der Unternehmen haben noch großen Handlungsspielraum, um mehr Frauen in
Führungsetagen zu bringen.
Kulturwandel ist zentral
Wenn Unternehmen wirklich von der Vielfalt ihrer Mitarbeiterschaft profitieren
wollen, müssen sie „Gender-Diversity“ bewusst als strategischen Wettbewerbsvorteil nutzen und fest in ihrer Unternehmenskultur verankern. „Gender-Diversity“
muss gezielt gefördert werden, damit Frauen nach der Babypause langfristig wieder
in Vollzeit und mit klaren Karriereperspektiven arbeiten. Und es braucht vor allem
Veränderung in den Köpfen, genauer gesagt in Managerköpfen: Sie müssen den
Kulturwandel gezielt anstoßen, sich messbare Ziele setzen, die notwendige institu­
tionelle Basis schaffen, Prozesse verändern und Fortschritte transparent machen.
Und vor allem: Sie müssen in der eigenen Topetage Vielfalt bewusst vorleben.
Jetzt handeln lohnt sich
Würden wir Frauen verstärkt und besser im Arbeitsmarkt einsetzen, würde auch
die Gesamtwirtschaft profitieren: Durch Erhöhung der Wochenarbeitszeit, Beschäftigung in produktiveren Branchen und ausbildungsadäquate Jobs für Frauen ließe
sich der Wohlstand in Deutschland erheblich steigern. Das Potenzial, die Wertschöpfung Deutschlands um 200 Milliarden Euro zu erhöhen, ist Anreiz genug, jetzt
zu handeln.
The Boston Consulting Group
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Über die Autoren
Rocío Lorenzo ist Partner and Managing Director im Münchner Büro der Boston Consulting
Group und Leiterin der Women’s Initiative von BCG in München. Sie erreichen sie unter
[email protected].
Heinrich Rentmeister ist Partner and Managing Director im Berliner Büro der Boston Consulting
Group und Leiter der Praxisgruppe Öffentlicher Sektor in Deutschland und Österreich. Sie erreichen ihn unter [email protected].
Karin Schetelig ist Project Leader im Wiener Büro der Boston Consulting Group. Sie erreichen sie
­unter [email protected].
Annika Zawadzki ist Project Leader im Kölner Büro der Boston Consulting Group. Sie erreichen
sie ­unter [email protected].
Dr. Susanne Dyrchs ist Project Leader im Kölner Büro der Boston Consulting Group. Sie erreichen
sie unter [email protected].
Danksagung
Für wertvolle inhaltliche Hinweise und Anregungen danken wir Carsten Kratz, Dr. Christian
­Krammer, Prof. Dr. Rainer Strack und Andreas Renz. Für die redaktionelle Mitarbeit und grafische
Umsetzung danken wir Birgit Dengel, Katharina Sacken und Ellen Felder.
Kontakt
Für weitere Diskussionen zu dieser Studie kontaktieren Sie bitte einen der Autoren oder Katharina
Sacken unter [email protected].
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Frau dich!
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02/2016