FRAU DICH! Das schlummernde Potenzial der Frauen für die deutsche Wirtschaft The Boston Consulting Group (BCG) ist eine internationale Managementberatung und weltweit führend auf dem Gebiet der Unternehmensstrategie. BCG unterstützt Unternehmen aus allen Branchen und Regionen dabei, Wachstumschancen zu nutzen und ihr Geschäftsmodell an neue Gegebenheiten anzupassen. In partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Kunden entwickelt BCG individuelle Lösungen. Gemeinsames Ziel ist es, nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu schaffen, die Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu steigern und das Geschäftsergebnis dauerhaft zu verbessern. BCG wurde 1963 von Bruce D. Henderson gegründet und ist heute an 82 Standorten in 46 Ländern vertreten. Für weitere Informationen: bcg.com. FRAU DICH! Das schlummernde Potenzial der Frauen für die deutsche Wirtschaft Rocío Lorenzo, Heinrich Rentmeister, Karin Schetelig, Annika Zawadzki, Dr. Susanne Dyrchs Februar 2016 MANAGEMENT-SUMMARY Quoten, Mentoring-Programme, Coaching – seit vielen Jahren debattieren Unternehmen und Gesellschaft Ideen, wie Frauen ins Management zu bringen sind. Das Resultat ernüchtert: Heute besetzen anteilig weniger Frauen Führungspositionen als noch vor 20 Jahren. Zwar stieg der Anteil weiblicher Hochschulabsolventen signifikant an, der Anteil der Frauen im Management nahm jedoch kaum zu. Auf dem Karriereweg arbeiten zu viele weibliche Talente dauerhaft in Teilzeit und werden so beim Aufstieg ausgebremst, auch ist die Chance auf eine Führungsaufgabe für Frauen ohne Kind dreimal höher als mit Nachwuchs. Außerdem fehlt vor allem ein Kulturwandel in den Unternehmen. Das enorme Arbeits kräftepotenzial von Frauen ist eine immense Gelegenheit für die deutsche Wirtschaft: Stärkere Partizipation von Frauen am Arbeitsmarkt könnte die deutsche Wertschöpfung um rund 200 Milliarden Euro steigern. Es ist Zeit zum Umdenken. Unternehmen können von Vielfalt profitieren, indem sie sich implizite Hindernisse in ihrer Firmenkultur bewusst machen, die strukturelle Basis für einen Wandel schaffen, ihn durch konsequentes und glaubwürdiges Vorleben des Top managements festigen sowie Fortschritte beim Kulturwandel wirksam kommunizieren. 2 Frau dich! Die Mär vom Bildungsvorteil Ein Studium allein reicht nicht mehr zum Aufstieg Angesichts ihrer hohen Qualifikationen müssten die Karrierechancen von Frauen sehr gut sein – immerhin stellen sie heute rund 55 Prozent der Hochschulabsolventen in Deutschland. Die Wirklichkeit sieht aber anders aus – und ernüchternd schlechter als noch vor Jahrzehnten. „Wenn mehr Frauen studieren, kommen auch mehr Frauen in Führungspositionen“, lautete einst die eingängige Regel. Tatsächlich aber sinkt die Chance von Frauen, in Führung zu kommen – selbst mit Studium. Im Jahr 1994 lag der Frauenanteil unter den Führungskräften mit 25 Prozent sogar 3 Prozent über dem Frauenanteil bei den Hochschulabsolventen, die mindestens zehn Jahre Berufserfahrung mitbrachten.1 Dieses Verhältnis hat sich radikal geändert. Zurzeit sind 29 Prozent der Führungskräfte im privaten Sektor Frauen. Der Anteil weiblicher Hochschulabsolventen mit mindestens zehn Jahren Berufserfahrung liegt jedoch bei deutlich höheren 35 Prozent (siehe Abbildung 1). Abbildung 1 | Bildung ist nicht alles Ein Studium allein bringt Frauen nicht in Führungspositionen Jährliches Wachstum der Frauenquote bei kumulierten Hochschulabsolventen1 liegt mit 2,4 % deutlich über jährlichem Wachstum bei Frauenquote in Führung: 0,7 % Frauenanteil (1994 = 100) 160 150 Positiver Start 1994 Führungsquote: 25 % Frauenquote im Absolventenreservoir2: 22 % 140 130 Divergierende Entwicklung Führungsquote: 29 % Frauenquote im Absolventenreservoir2: 35 % +2,4 % 120 110 +0,7 % 100 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 Frauenanteil an den Absolventen mit mindestens 10 Jahren Berufserfahrung1 2008 2010 2012 2014 Frauenanteil an den Führungskräften Ohne Lehramt 2Annahmen: Studium wird mit 25 Jahren beendet, Arbeitstätigkeit bis zum 65. Lebensjahr; Kumulierung der Absolventen, deren Abschluss mindestens 10 Jahre zurückliegt Quelle: Destatis; Eurostat; BCG-Analyse 1 Hochschulabschlüsse exklusive Lehramt betrachtet; Annahmen: Akademikerarbeitslosigkeit vernachlässigt – ab Ende des Studiums wird Berufserfahrung gesammelt; Studium wird mit 25 Jahren beendet, Arbeitstätigkeit bis zum 65. Lebensjahr 40 Jahre Berufstätigkeit; Kumulierung der Absolventen, deren Abschluss mindestens 10 Jahre zurückliegt 1 The Boston Consulting Group 3 Innerhalb der vergangenen 20 Jahre haben Frauen beim Aufstieg in Führungspositionen kaum weiteres Terrain gutgemacht, obwohl sie häufiger Studienabschlüsse vorweisen. Von 1994 bis 2014 stieg der Frauenanteil an der Grundgesamtheit der Hochschulabsolventen mit mindestens zehn Jahren Berufserfahrung jährlich um durchschnittlich 2,4 Prozent.2 Dagegen stagnierte die Frauenquote in Führungspositionen beinahe, erreichte lediglich einen Zuwachs von jährlich durchschnittlich 0,7 Prozent.3 Die Folge: Bereits 2001 kehrte sich der einst positive Trend um; erstmals war die Frauenquote unter Akademikern mit mindestens zehn Jahren Berufserfahrung größer als die Quote an weiblichen Führungskräften. Das verschärfte Problem für Frauen zeigt sich auch im direkten Vergleich mit Männern. Ob Mann oder Frau: Längst ist ein Studium keine Garantie mehr für den Aufstieg auf der Karriereleiter. Denn immer mehr junge Menschen absolvieren ein Studium. Daher sinkt die Zahl der Führungskräfte pro Akademiker4 unabhängig vom Geschlecht – bei Frauen allerdings mit einer jährlichen Durchschnittsrate von minus 7,4 Prozent5 weit schneller als bei Männern mit minus 5,2 Prozent. Vor 20 Jahren stellten Frauen noch mehr Führungskräfte pro potenzielle Führungskraft als Männer; heute liegen sie deutlich zurück (siehe Abbildung 2). Abbildung 2 | Verhältnis von Akademikern zu Führungskräften sinkt – für Frauen noch schneller Anzahl der Führungskräfte/Anzahl der Absolventen (ohne Lehramt) mit Abschluss vor mindestens 10 Jahren Führungskräfte pro potenzielle Führungskraft1 2,0 Guter Start: Wenige Frauen mit Studium, aber vergleichbar hohe Zahl an weiblichen FK 1,5 Negative Entwicklung: Jetzt viele Frauen mit Studium, aber Männer stellen mehr FK pro Akademiker Mehr Akademikerinnen bedeutet NICHT mehr Chefinnen -7,4 % 1,0 0,5 -5,0 % 0 1994 Frauen 1996 1998 2000 Männer 2002 2004 x% 2006 2008 2010 2012 2014 Kumulierte jährliche Wachstumsrate Potenzielle Führungskraft = Akademiker (ohne Lehramt) mit mindestens 10 Jahre zurückliegendem Abschluss Anmerkung: FK = Führungskraft; Annahmen: Studium wird mit 25 Jahren beendet, Arbeitstätigkeit bis zum 65. Lebensjahr; Kumulierung der Absolventen, deren Abschluss mindestens 10 Jahre zurückliegt Quelle: Destatis; Eurostat; BCG-Analyse 1 Quelle: Destatis; Eurostat; BCG-Analyse Quelle: Eurostat; BCG-Analyse 4 Potenzielle Führungskräfte: Kumulierte Absolventen, deren Abschluss mindestens 10 Jahre zurückliegt. Quelle: Eurostat; Destatis; BCG-Analyse 5 CAGR von 1994 bis 2014 2 3 4 Frau dich! Endstation mittleres Management Trotz jahrelanger Debatte über die Vorteile der Diversität der Geschlechter in Unternehmen bleiben die Managementpositionen vorrangig Männern vorbehalten. Dies gilt nicht nur für die Privatwirtschaft, sondern ebenso für den öffentlichen Sektor, obwohl staatliche Organisationen dem gesellschaftlichen Wandel noch stärker verpflichtet sein müssten. Ob private Unternehmen oder öffentliche: Lediglich 29 Prozent6 der Führungskräfte7 im jeweiligen Bereich sind derzeit Frauen. Mit jeder Hierarchiestufe, die Frauen erklimmen, verschlechtert sich ihre Situation dramatisch. Im mittleren Management ist für sie oft Endstation. Über alle Branchen hinweg sinkt der Frauenanteil um etwa 40 Prozent beim Sprung vom mittleren zum Spitzenmanagement. So sind magere 5 Prozent8 der Vorstandspositionen in den 200 größten deutschen Unternehmen mit Frauen besetzt. Im öffentlichen Sektor sieht das Bild im Vergleich zum Privatsektor etwas besser aus: Hier sind 18 Prozent9 der Spitzenpositionen mit Frauen besetzt. Aber auch hier gibt es noch deutlich Luft nach oben. Abbildung 3 | Endstation mittleres Management Konsistente Unterrepräsentation im Spitzenmanagement Repräsentation im mittleren Management zum großen Teil ausgewogen ... Frauenanteil: Mittleres Management Frauenanteil: Spitzenmanagement 100 % l ei nt l i te n rA e ich e Gl 75 % 50 % 40 % fehlender Anteil 50 % In der Finanzbranche haben es Frauen besonders schwer 25 % 0% 0% 100 % rA e ich e Gl 75 % ... jedoch starke Unterrepräsentation im Spitzenmanagment 25 % 50 % 75 % 100 % 25 % 0% 0% 25 % Frauenanteil: Alle Beschäftigte Gesundheit, Erziehung und Unterricht Einzelhandel Gastgewerbe und sonst. Dienstleistungen Finanz- und Versicherungsdienstleistungen Wirtschaftl., wissenschaftl., freiberufl. Dienstleistungen Information und Kommunikation Großhandel, Kfz-Handel und -Reparatur Verarbeitendes Gewerbe 50 % 100 % Verkehr und Logistik Energie, Wasser, Abfall und Bergbau Baugewerbe Quelle: Destatis; IAB Betriebspanel; Kohaut/Möller 2013; BCG-Analyse Quelle: Destatis; BCG-Analyse; DIW-Führungskräfte-Monitor 2015 Definition FK: öffentlicher Sektor: Besoldungsgruppen B, C, A15; außertariflich Angestellte und E15; Privatwirtschaft (Definition nach SOEP): Angestellte mit hochqualifizierter Tätigkeit, Leitungsfunktion oder umfassenden Führungsaufgaben 8 Quelle: DIW-Führungskräfte-Monitor 2015 9 Quelle: Destatis; BCG-Analyse 6 7 The Boston Consulting Group 75 % Frauenanteil: Alle Beschäftigte 5 In fast allen Branchen sind Frauen an der Spitze unterrepräsentiert.10 Selbst ein von Frauen dominiertes Segment wie Gesundheit, Erziehung und Unterricht mit 76 Prozent Frauenanteil unter den Beschäftigten erreicht nur 46 Prozent an weiblichen Führungskräften. Die Finanzbranche sticht besonders heraus: Dort stellen Frauen zwar die Mehrheit der Beschäftigten (55 Prozent), doch führen nur 27 Prozent von ihnen Mitarbeiter; Spitzenpositionen erreichen lediglich 11 Prozent. Lebenslange Babypause Mythos Rückkehr in Vollzeit Politik und Wirtschaft schrieben sich jahrelang die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf ihre Fahnen. Die Realität zeigt: Bessere Aufstiegschancen haben nach wie vor kinderlose Frauen. Der Anteil der Führungskräfte unter Frauen ohne Kinder ist dreimal so hoch wie unter denen mit Kindern.11 Zur Tatsache, dass sich karriere- und für Familiengründung relevante Phasen überschneiden, wirkt verschärfend, dass der Einstieg in Teilzeit oft den dauerhaften Ausstieg aus der Vollzeitarbeit bedeutet: Ab dem Alter von 40 Jahren stagniert die Teilzeitquote auf sehr hohem Niveau bei derzeit 54 Prozent12 aller erwerbstätigen Frauen. Für Frauen, die nach einer Babypause im Job kürzer treten, zieht sich dies häufig über das restliche Arbeitsleben hin (siehe Abbildung 4). Abbildung 4 | Lebenslange Babypause: Einmal Teilzeit, immer Teilzeit Teilzeitanstieg führt zu Rückkehrproblemen Stagnation auf hohem Niveau Teilzeitquote 60 Bereits früh hohe TZ-Quote bei Frauen Massiver TZ-Anstieg von Frauen in karriererelevanter Phase Stagnation bei über 50 % bis zur Rente 50 40 30 20 10 0 10 20 30 Erwerbstätige Frauen 40 50 60 Erwerbstätige Männer 70 Lebensjahre Anmerkung: TZ = Teilzeit Zwischen 18 und 27 Jahren sowie zwischen 32 und 41 Jahren steigt die Teilzeitbeschäftigung von Frauen sprunghaft an: jeweils von 4 auf 29 Prozent und von 35 auf 56 Prozent. Bei Frauen über 42 stagniert sie bei rund 50 Prozent. Quelle: Destatis; Sonderauswertung aus dem Mikrozensus; BCG-Analyse IAB-Betriebspanel, Kohaut/Möller 2013; BCG-Analyse Quelle: Destatis; BCG-Analyse 12 Quelle: Bundesagentur für Arbeit: Arbeitsmarkt in Zahlen – Beschäftigungsstatistik 2014 10 11 6 Frau dich! Die Diskrepanz von Frauen und Männern in Teilzeitbeschäftigung ist frappierend: Im Durchschnitt arbeiteten rund 46 Prozent13 der deutschen Frauen im Jahr 2014 in Teilzeit, unter den Männern sind es lediglich 9,3 Prozent14. Die jeweils genannten Gründe für Teilzeitarbeit bieten eine mögliche Erklärung dieses Phänomens: •• 76 Prozent der Frauen argumentieren, aufgrund familiärer Verpflichtungen oder der Versorgung von Kindern oder Senioren in Teilzeit zu gehen. •• 81 Prozent der Männer hingegen stecken bei der Arbeitszeit nur dann zurück, wenn es nicht anders geht, etwa weil keine Vollzeitstelle zu finden ist oder aufgrund von Krankheit oder Ausbildung.15 Der Einstieg in die Teilzeitarbeit bedeutet oft den dauer haften Ausstieg aus der Vollarbeitszeit Eine Chance, dass Frauen ihre Wochenarbeitszeit steigern, um qualitativ höherwertige Aufgaben ausführen zu können und dennoch genügend Zeit für die Familie erübrigen, bietet unter anderem die Flexibilisierung von Arbeitszeiten. Gerade Frauen mit Karriereanspruch schätzen individuell gestaltbare Arbeitszeiten. Eine Befragung von The Boston Consulting Group unter rund 6.800 deutschen Frauen16 ergab, dass mehr Frauen mit als jene ohne Führungsambition flexible Arbeitszeiten für sehr wichtig halten. Der notwendige Schock Männlich geprägte Normen halten Frauen fern Angesichts des Spagats zwischen Verpflichtungen im Job und in der Familie drängen Führungskräfte auf eine Lösung für dieses Thema – sie machen jedoch ein weiteres Problemfeld aus: Im Rahmen einer Befragung17 von 36 großen deutschen Unternehmen, die im DAX oder MDAX gelistet sind, benennen Führungskräfte zwar die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als ein zentrales Hindernis für den Aufstieg von Frauen im Management, genauso stark machen sie aber eine „männlich geprägte Unternehmenskultur“ dafür verantwortlich, dass Frauen auf dem Weg zur Spitze ausgebremst werden. In diesem Zusammenhang fallen Gründe wie Unternehmenswerte und -normen, männlich geprägte Arbeitsbeziehungen und Netzwerke sowie eine in Unternehmen vorherrschende Präsenz- und Anwesenheitskultur (siehe Abbildung 5). Quelle: Bundesagentur für Arbeit: Arbeitsmarkt in Zahlen – Beschäftigungsstatistik 2014 Quelle: Bundesagentur für Arbeit: Arbeitsmarkt in Zahlen – Beschäftigungsstatistik 2014 15 Quelle: BMFSFJ: Bilanz Chancengleichheit; angegebene Gründe: Vollzeittätigkeit nicht zu finden, noch in Bildung/Ausbildung, Krankheit/Unfallfolge 16 Quelle: Globale BCG-Studie 2014 mit rund 200.000 Teilnehmern im arbeitsfähigen Alter; befragt wurden alle Altersklassen, Beschäftigungstypen, Erfahrungsniveaus, Bildungsstände, Positionen im Beruf von Handarbeit bis Manager, alle Branchen. Hier gezeigt: alle befragten deutschen Frauen (rund 6.800). Sehr wichtig = Antwort mit 10 von 10 Punkten auf die Frage: „Wie wichtig sind Ihnen im Beruf flexible Arbeitszeitmodelle (z. B. Teilzeit, Arbeit von zu Hause)?“; mit Führungsambition: Antwort mit 10 von 10 Punkten auf die Frage: „Wie wichtig ist Ihnen im Beruf die Gelegenheit, zu führen und Verantwortung zu übernehmen?“; ohne Führungsambition: Antwort mit 6 von 10 Punkten oder weniger 17 Quelle: bcg.perspectives: Shattering the Glass Ceiling: An Analytical Approach to Advancing Women into Leadership R oles (2012). Befragung von 44 multinationalen Unternehmen. Hier Fokus auf deutschen Unternehmen 13 14 The Boston Consulting Group 7 „Männlich geprägte Unternehmenskultur“ bremst Frauen auf dem Weg zur Spitze aus Abbildung 5 | Unternehmenskultur behindert den Aufstieg von Frauen Maßnahmen zur Kulturveränderung stehen aber nicht im Fokus Männlich geprägte Unternehmenskultur neben Vereinbarkeit von Beruf und Familie größtes Hindernis für Aufstieg % der befragten Unternehmen 56 % 56 % Gründe für die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen1 Konkrete Maßnahmen zur Veränderung der Kultur bisher selten von Unternehmen geplant % der befragten Unternehmen 50 % 38 % 33 % U. a. männlich geprägte Unternehmenswerte, Normen, männlich geprägte Beziehungen, Netzwerk, Präsenzkultur Männlich EingeVereingeprägte barkeit von schränkter UnterFamilie Talentpool nehmens- und Beruf kultur 28 % Konkrete Maßnahmen zur Verringerung der Unterrepräsentanz1 U. a. Informationsund Sensibilisierungsmaßnahmen 22 % 19 % 22 % 13 % Arbeitszeiten Fehlende operative Frauenförderungsmaßnahmen Betreuungsmöglichkeit Flexible Arbeitszeiten NachVerände- Coaching wuchsförrung für Frauen derungsUnterprogramm nehmenskultur BCG-Befragung der Führungskräfte von 36 deutschen Unternehmen (DAX und MDAX) im Jahr 2012 Quelle: BCG-Umfrage 2012 1 Auf diese wichtige Hürde für aufstiegswillige Frauen gehen Unternehmen kaum ein; Strategien für einen Kulturwandel sind momentan selten zu finden. Lediglich 22 Prozent der befragten Unternehmen haben Maßnahmen zur Veränderung der Kultur geplant. Wir haben die Unternehmenskommunikation der DAX-30-Konzerne (Firmen-Web sites, Pressemitteilungen und Reports) sowie unabhängige Studien zu Frauenförderungsprogrammen der Unternehmen analysiert, um aufzuzeigen, ob und wie Unternehmen ihr Engagement bezüglich Gender-Diversity darstellen. Unternehmen präsentieren vor allem operative Programme zur Frauenförderung Potenzielle Mitarbeiter werden solche Informationen ebenfalls nutzen, um sich ein Bild über das jeweilige Unternehmen zu machen und auf dieser Basis eine Entscheidung für einen Unternehmenswechsel zu treffen (siehe Abbildung 6). Ziel war es, einen Blick von außen auf die untersuchten Unternehmen zu werfen und so eine Einschätzung zur Positionierung des Unternehmens im Hinblick auf Gender-Diversity zu erhalten. Interne Kommunikation zum Thema Gender-Diversity wurde naturgemäß nicht berücksichtigt. Unsere Analyse zeigt, dass die betrachteten Unternehmen vor allem operative Programme zur Frauenförderung sichtbar positionieren: •• 8 Rund 60 Prozent der Konzerne stellen dar, wie sie die Karriereentwicklung von Frauen vorantreiben. Frau dich! Abbildung 6 | Rahmen für die Analyse des sichtbaren Engagements der Unternehmen Kategorien und Kriterien 1. Information Gender-Diversity-Bereich auf der Unternehmens-Website Publikationen Unterzeichnung der Charta der Vielfalt 2. Operative Maßnahmen Rekrutierung Programme zur Rekrutierung von Frauen Elemente eines Gender-neutralen Rekrutierungsprozesses Freiwillige Quoten für Rekrutierung von Frauen Bindung Flexible Arbeitszeitmodelle Flexible Arbeitsortmodelle Kontakthalteprogramme Wiedereinstiegsprogramme 3. Strategie und Management 4. Kontrolle Strategie und Senior Management Gender-Diversity Teil des externen Berichtswesens Gender-Diversity als Teil der Diversity-Strategie Diversity-Strategie Teil der Unternehmensstrategie Engagement des CEO Diversity-Beauftragte Nennung konkreter Quoten Berichterstattung über Fortschritt bei der Zielerreichung Führungskräfte Sensibilisierung/Information Weiterbildung Steuerung durch KPIs Förderung Elemente eines Gender-neutralen Beförderungsprozesses Freiwillige Quoten für Beförderungsentscheidungen Freiwillige Quoten für Führungspositionen Frauennetzwerk Frauen-Mentoring Frauen-Coaching Anmerkung: Die Analyse erfolgte auf Basis von 4 wesentlichen Kategorien: Information, operative Maßnahmen zur Frauenförderung, Strategie und Management sowie Kontrolle. Für jede Kategorie wurde eine Auswahl an Kriterien getroffen, anhand deren die externe Unternehmens kommunikation sowie unabhängige Studien zu Frauenförderungsprogrammen der Unternehmen untersucht wurden. Quelle: BCG-Analyse •• Auf Programme zur Bindung weiblicher Mitarbeiter, etwa flexible Modelle für Arbeitszeit und -ort, verweisen immerhin noch ein Drittel der betrachteten Unternehmen. •• Maßnahmen zur Rekrutierung von Frauen werden lediglich von 7 Prozent der betrachteten Unternehmen deutlich gezeigt – ein Zeichen, dass das nachhaltige Füllen der HR-Pipeline eine Herausforderung sein kann. Erste Konzerne leisten bereits erkennbar Pionier arbeit, um das brachliegende Potenzial zu heben Strategische Hebel, die auf einen Wandel der Firmenkultur abzielen, werden v on den betrachteten Unternehmen deutlich seltener präsentiert: •• Nur 33 Prozent der Vorstände zeigen ein deutlich erkennbares Engagement beim Thema Gender-Diversity. •• Lediglich 23 Prozent der Konzerne stellen Diversity als Thema des Topmanagements heraus und lassen Status sowie Fortschritt dabei direkt an den Vorstand berichten. •• Gerade einmal 37 Prozent der betrachteten Unternehmen haben ihre DiversityStrategie erkennbar auf die Konzernstrategie abgestimmt – ein Indiz dafür, dass das Thema Gender-Diversity als ein Thema unter vielen gesehen wird, jedoch nicht als zentraler Baustein des Geschäftserfolgs. The Boston Consulting Group 9 •• 90 Prozent der betrachteten Unternehmen berichten zwar sichtbar über kon krete Ziele bei der Besetzung von Führungspositionen mit Frauen, allerdings zeigen nur wenige Unternehmen, wie sie die dafür notwendige HR-Pipeline mit detaillierten Maßnahmen für die Rekrutierung und Beförderung von Frauen hinterlegt haben ( jeweils 7 Prozent). Erste Konzerne heben das Potenzial Von Pionieren und Spätzündern Als gute Nachricht lässt sich festhalten: Alle Konzerne des DAX 30 haben die Bedeutung von Frauen im Management erkannt. Allerdings divergiert der tatsäch liche Umgang mit dem Thema noch enorm. Nur bei wenigen der betrachteten Unternehmen ist ein schlüssiges Gesamtkonzept sichtbar, durch das dem Mangel an Frauen in Führungsetagen begegnet wird. Diese Konzerne leisten bereits erkennbar Pionierarbeit, um das brachliegende Potenzial zu heben (siehe Abbildung 7). Auf Basis der DAX-30-Analyse haben wir drei wesentliche Unternehmensgruppen identifiziert: Die Spitzenreiter (17 Prozent): Sie sehen das Thema Gender-Diversity als strategischen Wettbewerbsvorteil. Um ihn zu nutzen und das Potenzial von Frauen im Management zu erschließen, haben sie das Thema Kulturwandel aufgegriffen. 50 Prozent der Konzerne haben Gender-Diversity als wichtiges Personalthema erkannt •• Ziele für Gender-Diversity werden im Einklang mit der Unternehmensstrategie definiert; zum Teil wird das Erreichen dieser Ziele auch schon nachverfolgt. •• Vorstände wie Führungskräfte haben das Thema Gender-Diversity verinnerlicht und beziehen es systematisch in die tägliche Arbeit ein. Dadurch sind sie Vorbilder und Katalysatoren für eine Veränderung im Konzern. •• Der Bereich Human Resources hat Gender-Diversity als strategisches Talent- Management-Instrument erkannt. Potenzielle Führungskräfte – oftmals Männer und Frauen – werden in die Förderung eingebunden. Die Durchstarter (50 Prozent): Sie haben Gender-Diversity als ein wichtiges Personalthema erkannt und greifen insbesondere die operativen Maßnahmen Rekrutierung, Bindung und Karriereentwicklung von Frauen auf. •• Es sind Ziele für Gender-Diversity festgelegt, diese sind jedoch oftmals recht allgemein gehalten. Ihnen fehlt eine sichtbare Anbindung an die Unternehmensstrategie. •• Die Vorstände der betrachteten Unternehmen zeigen erkennbares Commitment, allerdings wurden die Führungskräfte noch nicht sichtbar eingebunden. •• Innerhalb von Human Resources sind für die Rekrutierung, die Bindung und die Karriereentwicklung von Frauen größtenteils Maßnahmen vorgesehen. 10 Frau dich! Abbildung 7 | Übersicht Gesamtklassifizierung1 der DAX-30-Unternehmen Rang Information Operative Strategie und Maßnahmen Management Kontrolle Gesamt Spannbreite 1 Unternehmen 1 2 Unternehmen 2 87,85 – 77,14 Punkte 3 Unternehmen 3 4 Unternehmen 4 5 Unternehmen 5 6 Unternehmen 6 7 Unternehmen 7 8 Unternehmen 8 9 Unternehmen 9 10 Unternehmen 10 11 Unternehmen 11 12 Unternehmen 12 74,76 – 52,14 Punkte 13 Unternehmen 13 14 Unternehmen 14 15 Unternehmen 15 16 Unternehmen 16 17 Unternehmen 17 18 Unternehmen 18 19 Unternehmen 19 20 Unternehmen 20 21 Unternehmen 21 22 Unternehmen 22 23 Unternehmen 23 24 Unternehmen 24 25 Unternehmen 25 48,81 – 7,14 Punkte 26 Unternehmen 26 27 Unternehmen 27 28 Unternehmen 28 29 Unternehmen 29 30 Unternehmen 30 Spitzenreiter (≥ 75 Punkte) Durchstarter (≥ 50 Punkte) Spitzenreiter ≥ 75 Punkte, Durchstarter ≥ 50 Punkte, Nachzügler < 50 Punkte Quelle: BCG-Analyse (2015) 1 The Boston Consulting Group 11 Nachzügler (< 50 Punkte) Die Nachzügler (33 Prozent): Für sie ist Gender-Diversity nur ein Thema von vielen; lediglich punktuell wird das Vorgehen bei Rekrutierung, Bindung und Karriere entwicklung weiblicher Führungskräfte sichtbar auf operativer Ebene festgelegt. •• Gender-Diversity wird eher als weiches Exotenthema behandelt und unab hängig von der Geschäftsentwicklung gesehen. •• Im Topmanagement ist Gender-Diversity eingeschränkt verankert und wird dort als eines von vielen Themen begriffen. •• Innerhalb von Human Resources wurden die Rekrutierung, die Bindung und die Karriereentwicklung von Frauen nur punktuell mit operativen Vorgaben hinterlegt. Ein Gesamtkonzept lässt sich meist von extern nicht erkennen. Frischekur für die Kultur Wie Unternehmen sich wandeln Einige DAX-30-Konzerne nutzen Diversity erfolgreich als Treiber ihrer Wettbewerbsfähigkeit, das heißt, sie setzen Mitarbeitervielfalt bereits gewinnbringend für das Unternehmen ein. Sie verändern ihre Kultur, sodass die Potenziale aller Mitarbeiter – unabhängig davon, ob Männer oder Frauen – zielgerichtet erschlossen werden können und Frauen dieselben Chancen erhalten, in eine Führungsposition zu gelangen. Die Voraussetzungen dafür zu schaffen, kann jedem Unternehmen gelingen. Vier Handlungsfelder für Unternehmen, mit denen sich die Potenziale von Frauen mithilfe eines durchgreifenden Kulturwandels erschließen lassen, um brachliegendes Potenzial zu heben Wir haben vier Handlungsfelder für Unternehmen identifiziert, mit denen sich die Potenziale von Frauen in Führungspositionen mithilfe eines durchgreifenden Kulturwandels erschließen lassen: 1. Die Unternehmenskultur erlebbar machen Eher durch Zufall als geplant entwickelte sich die Kultur in den meisten Unter nehmen über viele Jahre hinweg und ist auch heute noch von ihrer Geschichte bestimmt. Wo Männer in der Vergangenheit die Führung innehatten, ist die Kultur oft immer noch männlich geprägt. Die so entstandenen Unternehmenswerte und -normen sind Mitarbeitern in der Regel nicht bewusst. Für einen durchgreifenden Kulturwandel benötigt man Transparenz hinsichtlich dieser impliziten Unternehmenswerte und -normen sowie die Einsicht, dass sie zu Hindernissen für Frauen in Führungspositionen werden können. Der Lösungsansatz: •• Implizite Unternehmenswerte und -normen transparent und begreifbar machen. •• Unbewusste Vorurteile den Geschlechtern gegenüber bewusst machen (z. B. über Gender-Bias-Tests). •• Beitrag von Frauen und Männern zum Unternehmenserfolg sichtbar heraus stellen. 12 Frau dich! •• Führungskräfte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das Thema Gender-Diversity sensibilisieren. 2. Eine strukturelle Basis für den Kulturwandel schaffen Um einen Wandel der Kultur anzustoßen, müssen Unternehmen die erforderlichen Voraussetzungen nachhaltig schaffen. Hierzu gehört auch das Verständnis, ob die genutzten Instrumente überhaupt geeignet sind, eine ausreichende Anzahl von Frauen mit Führungsqualifikationen und der Chance zum Aufstieg zu rekrutieren und nachhaltig zu binden. Oftmals ist den Mitarbeitern auch nicht klar, welchen Beitrag Gender-Diversity zum Unternehmenserfolg leistet. Der Lösungsansatz: •• Organisatorische und personelle Voraussetzungen bei Rekrutierung (z. B. Sensibilisierung von Interviewern), Bindung (z. B. flexible Arbeitszeit- und Arbeitsortmodelle) sowie Karriereentwicklung (z. B. Nachfolgeplanung) schaffen, um die Pipeline für den Nachschub an Führungskräften langfristig auch mit Frauen zu füllen. •• Einen auf das Unternehmen zugeschnittenen Businesscase für Gender-Diversity erarbeiten und auf jeden Bereich des Unternehmens herunterbrechen; gleichzeitig den Businesscase für alle Mitarbeiter und Führungskräfte sichtbar und greifbar machen, sodass jedem Einzelnen der Beitrag von Gender-Diversity zum Unternehmenserfolg bewusst wird. 3. Den Kulturwandel anstoßen und verstetigen Meist empfinden Mitarbeiter Gender-Diversity als Exotenthema für Randgruppen, das nicht unbedingt etwas mit der täglichen Arbeit jedes Einzelnen und dem Unternehmenserfolg zu tun hat. Um einen durchgreifenden Wandel zu erreichen, muss das Topmanagement die gewünschte Vielfalt vorleben und aufzeigen, wie relevant sie für den Unternehmenserfolg sein kann. Der Lösungsansatz: •• Sichtbare und glaubhafte Unterstützung durch das höhere Management sicher stellen. •• Führungskräfte als Vorbild und zugleich als Treiber der Veränderung etablieren. •• Weibliche wie männliche Mitarbeiter in den Veränderungsprozess einb eziehen. 4. Die Fortschritte transparent und messbar machen Wie oft im Unternehmensalltag wird nur erreicht, was auch gemessen wird. Das Management darf seine Ziele über die oft jahrelange Entwicklungszeit einer neuen Firmenkultur nicht aus den Augen verlieren. The Boston Consulting Group 13 Deutschland könnte gesamtwirtschaftlich von einem stärkeren Einsatz von Frauen in der Arbeitswelt und einer höheren Wochenarbeitszeit weiblicher Mitarbeiter profitieren Der Lösungsansatz: •• Konkrete Ziele für das Thema Gender-Diversity festlegen und eine Verbindung mit der Unternehmensstrategie herstellen. •• Den Grad der Zielerreichung kontinuierlich messen. •• Fortschritte den Mitarbeitern durchgehend kommunizieren und Good Practices hervorheben. •• Durch ein Tracking-System Frauenkarrieren systematisch nachverfolgen und mögliche Hindernisse verstehen und Lösungen entwickeln. Das Wirtschaftswunder Deutschland profitiert von Frauen Immer mehr Unternehmen klagen über einen Mangel an Führungskräften Die Mühe lohnt sich, das brachliegende Arbeitskräftepotenzial zu nutzen – sowohl für die Wirtschaftskraft der Konzerne als auch für das gesamte Land. Eine Hochrechnung von BCG zeigt, wie Deutschland gesamtwirtschaftlich profitieren könnte: Ein stärkerer Einsatz von Frauen in der Arbeitswelt sowie eine höhere Wochen arbeitszeit weiblicher Mitarbeiter könnten die deutsche Wertschöpfung um 8 Prozent steigern. Das entspräche einem Anstieg von rund 200 Milliarden Euro. Zugleich ließe sich die zu erwartende Arbeitskräftelücke um 35 Prozent verringern. Blieben die derzeitigen Arbeitstrends konstant, würden der deutschen Wirtschaft im Jahr 2030 rund 5,8 bis 7,7 Millionen Arbeitskräfte fehlen.18 Durch ein resolutes Umschwenken bei der Frauenförderung könnten rund 2,2 Millionen zusätzliche weibliche Arbeitskräfte19 in den Arbeitsmarkt integriert und der künftige Fachkräftemangel deutlich gedrosselt werden. BCG zeigt vier Hebel auf, die eine direkte positive Auswirkung auf die gesamte deutsche Wert schöpfung haben Schon jetzt klagen immer mehr Unternehmen über einen Mangel an Führungskräften: Weltweit halten 24 Prozent der Firmen das Fehlen von adäquatem Führungspersonal für eine ihrer größten Herausforderungen.20 Eine verstärkte Teilnahme von Frauen am Arbeitsmarkt kann einen deutlich positiven Effekt auf die Gesamtwertschöpfung haben.21 BCG zeigt vier Hebel auf, die sich direkt darauf auswirken: 1. Höherer Anteil erwerbstätiger Frauen Steigt die Erwerbstätigenquote der Frauen in Deutschland von 69,5 Prozent im Jahr 2014 auf die der Schweizer Frauen in Höhe von 75,1 Prozent, bringt dies ein Quelle: BCG-Studie: Die halbierte Generation: Die Entwicklung des Arbeitsmarktes und ihre Folgen für das Wurtschaftswachstum in Deutschland (2015). 18 Arbeitskräfte mit Wochenarbeitszeit von 35,3 Stunden (entspricht deutschem Durchschnitt) Andere oft genannte Gründe: fehlende Arbeitnehmerloyalität, Mangel an adäquater Technologie. Quelle: Oxford Economics: Workforce 2020 21 Annahme für die im Folgenden genannten Hebel 1, 2 und 4: Arbeitsnachfrage passt sich vollständig dem Angebot an. 19 20 14 Frau dich! Plus für die Wertschöpfung von 55 Milliarden Euro und 0,7 Millionen mehr vollzeitäquivalent Beschäftigte.22 Abbildung 8 | Mehr Frauen – mehr Wertschöpfung 1 Höherer Anteil erwerbstätiger Frauen 2 Längere Wochenarbeitszeit 3 4 Produktivere Branchen € Mehr Frauen in Arbeit Aufstockung Wochenstunden Zusätzliche Vollzeitkräfte 0,7 Mio. Zusätzliche Vollzeitkräfte 1,2 Mio. Zusätzliche Wertschöpfung € 55 Mrd. Zusätzliche Wertschöpfung € 90 Mrd. Ausbildungsadäquate Beschäftigung € € € € € € € € € € € € € Verlagerung in produktivere Branchen mit Fachkräftemangel Verringerung des überqualifizierten Einsatzes Zusätzliche Wertschöpfung € 6 Mrd. Zusätzliche Wertschöpfung € 47 Mrd. = € 197 Mrd. zusätzliche Wertschöpfung = 8 % der deutschen Wertschöpfung1 Destatis – Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen 2015 Quelle: BCG-Analyse 2015 1 2. Längere Wochenarbeitszeit Arbeiteten teilzeitbeschäftigte Frauen in Deutschland statt derzeit durchschnittlich 19 Stunden pro Woche so lange wie schwedische Frauen in Teilzeit, nämlich 25 Stunden (was einem Plus von 1,2 Millionen vollzeitäquivalenten Stellen entspricht), würde dies die Wertschöpfung um 90 Milliarden Euro erhöhen.23 3. Einsatz in produktiveren Branchen Würden Frauen stärker in produktiveren Branchen24 mit Fachkräftemangel arbeiten – etwa in MINT-Berufen25 –, könnte die Wertschöpfung um weitere 6 Milliarden Euro gesteigert werden.26 Dies wäre beispielsweise möglich durch einen Hebel 1: Wertschöpfung pro Frau bestimmt durch Verteilung der Gesamtwertschöpfung und der Arbeitszeiten von Frauen und Männern auf die Wirtschaftszweige nach WZ 2008. Annahmen: Keine Veränderung bei der durchschnittlichen Wertschöpfung pro Person durch die Anhebung; Wochenarbeitszeit der Frauen, die neu in den Arbeitsmarkt eintreten: 20 Stunden. 23 Hebel 2: Annahmen: Keine Veränderung bei der durchschnittlichen Wertschöpfung pro Person durch die Anhebung; Wochenarbeitszeit eines Vollzeitäquivalents (VZÄ): 40 Stunden. 24 Bezogen auf durchschnittliche Produktivität pro VZÄ. 25 Quelle: DIW, MINT-Herbstreport 2015; MINT-Fachkräftelücke: Anzahl der Stellen, die eine Qualifikation in den Bereichen Mathematik, Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften oder Technik voraussetzen und nicht besetzt werden können, da die Arbeitsnachfrage das Angebot übersteigt. 26 Hebel 3: Quelle für aktuelle MINT-Fachkräftelücke: DIW, MINT-Herbstreport 2015; konservative Annahme: Fachkräfte in den produktiveren Branchen erzielen Durchschnittsproduktivität der Branche; Verteilung der 165.000 Frauen proportional zur derzeitigen Gesamtbeschäftigung der Branchen. 22 The Boston Consulting Group € 15 € € € € € € € Transfer von 165.00027 Frauen aus dem Segment öffentliche Dienstleister, Gesundheit und Erziehung in die produktiveren Wachstumsbranchen des produzierendes Gewerbes (ohne Baugewerbe), der Informations- und Telekommunikationstechnologie. 4. Mehr ausbildungsadäquate Beschäftigung Deutlich mehr Frauen als Männer sind derzeit für ihre Positionen überqualifiziert. Sänke dieser Anteil auf das Niveau der Männer, würden 500.000 Frauen eine höherwertige Tätigkeit verrichten; dadurch entstünde eine zusätzliche Wert schöpfung in Höhe von 47 Milliarden Euro.28 Deutsche Unternehmen haben großen Aufholbedarf im Vergleich zum EU-Durchschnitt Deutsche Unternehmen haben großen Aufholbedarf, wollen sie Frauen adäquat in Führungspositionen bringen; Deutschland hinkt vielen anderen Ländern Europas weit hinterher. Würde die Frauenquote im Management deutscher Unter nehmen den relativen EU-Durchschnitt29 erreichen, gäbe es 90.000 mehr weibliche Chefs – ein Anstieg um 17 Prozent.30 Es zeigen sich viele Chancen, weibliche Talente in die Führungsetagen zu bringen Diese Diskrepanz offenbart sich besonders bei Spitzenpositionen: Wollten die 200 größten deutschen Unternehmen31 die Frauenquote im Topmanagement auf Höhe des relativen EU-Durchschnitts bringen, brauchten sie zusammen 250 zusätzliche Frauen in ihren Vorständen. Damit würde sich die Zahl der heutigen weiblichen Vorstände versechsfachen. Enstpricht derzeit publiziertem Fachkräftemangel im Bereich MINT, Hochqualifizierte. Hebel 4: Lediglich Betrachtung von Frauen mit Meister-/Techniker-/Fachschulabschluss sowie (Fach-)Hoch schulabschluss; Annahme: Wochenarbeitszeit der Frauen, die adäquat beschäftigt werden sollen: 30 Stunden; Produktivitätsanstieg bei adäquater Beschäftigung proportional zum Gehaltsanstieg (57 %, Quelle: Mercer’s Global Pay Summary 2013; BCG-Analyse). 29 Anhebung auf den EU-Durchschnitt der Differenz zwischen Frauenanteil an den Erwerbstätigen und Frauenanteil in Führung; Definition Führungskraft: ISCO1, Quelle: Eurostat; BCG-Analyse. 30 Quelle: DIW, Führungskräfte-Monitor 2015; BCG-Analyse. 31 Quelle: DIW, Führungskräfte-Monitor 2015; BCG-Analyse. 27 28 16 Frau dich! Zusammenfassung Beim Thema Frauen in Führungspositionen besteht für deutsche Unternehmen noch immer enormes Potenzial, welches es zu nutzen gilt. Ausbildungsunterschiede sind heute kein Thema mehr, im Gegenteil: Frauen stellen mehr als die Hälfte aller Hochschulabsolventen. Trotzdem stagniert die Zahl der Frauen in Führungsposi tionen, und im mittleren Management ist meist Endstation. Abwarten, dass zu nehmende Qualifizierung zu automatischer Steigerung der Frauenquote im Topmanagement führt, ist daher zu wenig. Zudem kehrt die Mehrheit der Frauen nach der Babypause nie mehr in eine Vollzeitbeschäftigung zurück. Umdenken ist nötig Das darf nicht so bleiben, denn die Förderung von Frauen zahlt sich aus. Vielfalt in Unternehmen ist Triebkraft für Innovation und trägt zur Steigerung der Bruttowertschöpfung bei. Viele Firmen handeln bereits. Die Spitzenreiter unter den analysierten Unternehmen zeigen, wie es geht. Mit schlüssigen Gesamtkonzepten nutzen sie das große Potenzial von Frauen. Doch es gibt noch viel Luft nach oben: 80 Prozent der Unternehmen haben noch großen Handlungsspielraum, um mehr Frauen in Führungsetagen zu bringen. Kulturwandel ist zentral Wenn Unternehmen wirklich von der Vielfalt ihrer Mitarbeiterschaft profitieren wollen, müssen sie „Gender-Diversity“ bewusst als strategischen Wettbewerbsvorteil nutzen und fest in ihrer Unternehmenskultur verankern. „Gender-Diversity“ muss gezielt gefördert werden, damit Frauen nach der Babypause langfristig wieder in Vollzeit und mit klaren Karriereperspektiven arbeiten. Und es braucht vor allem Veränderung in den Köpfen, genauer gesagt in Managerköpfen: Sie müssen den Kulturwandel gezielt anstoßen, sich messbare Ziele setzen, die notwendige institu tionelle Basis schaffen, Prozesse verändern und Fortschritte transparent machen. Und vor allem: Sie müssen in der eigenen Topetage Vielfalt bewusst vorleben. Jetzt handeln lohnt sich Würden wir Frauen verstärkt und besser im Arbeitsmarkt einsetzen, würde auch die Gesamtwirtschaft profitieren: Durch Erhöhung der Wochenarbeitszeit, Beschäftigung in produktiveren Branchen und ausbildungsadäquate Jobs für Frauen ließe sich der Wohlstand in Deutschland erheblich steigern. Das Potenzial, die Wertschöpfung Deutschlands um 200 Milliarden Euro zu erhöhen, ist Anreiz genug, jetzt zu handeln. The Boston Consulting Group 17 Über die Autoren Rocío Lorenzo ist Partner and Managing Director im Münchner Büro der Boston Consulting Group und Leiterin der Women’s Initiative von BCG in München. Sie erreichen sie unter [email protected]. Heinrich Rentmeister ist Partner and Managing Director im Berliner Büro der Boston Consulting Group und Leiter der Praxisgruppe Öffentlicher Sektor in Deutschland und Österreich. Sie erreichen ihn unter [email protected]. Karin Schetelig ist Project Leader im Wiener Büro der Boston Consulting Group. Sie erreichen sie unter [email protected]. Annika Zawadzki ist Project Leader im Kölner Büro der Boston Consulting Group. Sie erreichen sie unter [email protected]. Dr. Susanne Dyrchs ist Project Leader im Kölner Büro der Boston Consulting Group. Sie erreichen sie unter [email protected]. Danksagung Für wertvolle inhaltliche Hinweise und Anregungen danken wir Carsten Kratz, Dr. Christian Krammer, Prof. Dr. Rainer Strack und Andreas Renz. Für die redaktionelle Mitarbeit und grafische Umsetzung danken wir Birgit Dengel, Katharina Sacken und Ellen Felder. Kontakt Für weitere Diskussionen zu dieser Studie kontaktieren Sie bitte einen der Autoren oder Katharina Sacken unter [email protected]. 18 Frau dich! Um sich über neue Themen zu informieren und sich für E-Alerts zu diesem oder anderen Themen anzumelden, besuchen Sie bcgperspectives.com. Besuchen Sie bcg.perspectives auf Facebook und Twitter. © The Boston Consulting Group GmbH 2016. Alle Rechte vorbehalten. 02/2016
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