Rechtliche Aspekte der Sedierung Institut für Ethik und Recht in der Medizin MMag. Katharina Leitner Was erwartet Sie? § § § § § § Ausgangslage Rechtliche Voraussetzungen für Sedierung Berufspflichten/Tätigkeitsbereiche NAPS Haftung Conclusio 2 Ausgangslage 3 Ausgangslage § Deutliche Zunahme der Sedierungshäufigkeit und der Anwendung von Propofol § EndoskopikerIn kann nicht gleichzeitig das PatientInnenmonitoring und die Propofolgabe selbst durchführen è NAPS (Nurse Assisted Propofol Sedation) 4 Fragen § Darf die Sedierung von ÄrztInnen an Pflegepersonen delegiert werden? § Was ist der eigenverantwortliche, mitverantwortliche und interdisziplinäre Tätigkeitsbereich? § Was, wenn ich mit der delegierten Aufgabe nicht zurecht komme? § Wer ist für einen etwaigen Fehler zur Verantwortung zu ziehen? § Kann ich auch dafür haften, wenn die übernommene Tätigkeit nicht zu meinem Aufgabenbereich gehört? 5 Rechtliche Voraussetzungen für Sedierung § Medizinische Indikation? § Aufklärung • • • • • Individuell für jede/n PatientIn Konkrete Risiken und Gefahren Vor- und Nachteile Ablauf der Sedierung und Endoskopie Jede/r klärt für seinen Bereich auf § Einwilligung des/der PatientIn § Dokumentation der Aufklärung und Einwilligung 6 Berufsrecht 7 Was ist Berufsrecht? Es regelt: § Berufsbild (jene Tätigkeiten, die von Angehörigen des jeweiligen Berufes ausgeübt werden dürfen) § Berufsausübungsvoraussetzungen § Niveau der Berufsausübung – Stand der Wissenschaft (lege artis) § Aus- und Fortbildung è Berufsrecht regelt das DÜRFEN Abgrenzung: Arbeits- und Dienstrecht § Regelt jene Fragen, die daraus entstehen, dass Menschen in persönlicher Abhängigkeit für andere Arbeit leisten § Unterschied • ArbeitsR bei Privaten • DienstR bei öffentlicher Hand è Berufsrecht regelt das MÜSSEN Abgrenzung: Organisationsrecht (KAKuG) § Regelung des inneren Betriebes einer Krankenanstalt § Errichtung und Betrieb von KA § Träger hat medizinisch einwandfreie Organisation aufzubauen § Der innere Betrieb der KA ist von ihrem Rechtsträger durch eine Anstaltsordnung zu regeln è Organisationsrecht regelt: Wer muss wem gehorchen? Was geht vor? § Arbeits- und Dienstrecht – MÜSSEN (Wer muss etwas tun?) § Berufsrecht – DÜRFEN (Wer darf etwas tun?) § Organisationsrecht – Wer muss wem gehorchen? § Die ArbeitnehmerInnen müssen nur das tun, was sie auch dürfen! § Schwierigkeit: Koordinierung der Berufsrechte – geht ein Berufsrecht vor? Welche Berufspflichten regelt das GuKG? Gewissenhafte Berufsausübung Wahrung des Wohls und der Gesundheit Fortbildungspflicht Hilfeleistungspflicht Dokumentationspflicht 12 Verschwiegenheitspflicht Anzeigepflicht Meldepflicht Auskunftspflicht 13 Gewissenhafte Ausübung § Wahrung des Wohls und der Gesundheit der Patienten, Klienten und pflegebedürftigen Menschen unter Einhaltung der hierfür geltenden Vorschriften und nach Maßgabe der fachlichen und wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen. è Was sind die fachlichen und wissenschaftlichen Erkenntnisse? Stand der Wissenschaft § Nicht genau definiert § ändert sich laufen § Standard je nach KA, Land usw. unterschiedlich è Empfehlungen von Fachgesellschaften, Literatur, Studien è Unterschiedliche Empfehlungen? zB 3. Person bei jeder Endoskopie notwendig (Österreich çè Deutschland) 15 Tätigkeitsbereiche der Gesundheitsberufe Gehobener Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege § Eigenverantwortliche Tätigkeiten (§ 14 GuKG) § Mitverantwortliche Tätigkeiten (§ 15 GuKG) § Lebensrettende Sofortmaßnahmen (§ 14a GuKG) § Interdisziplinäre Tätigkeiten (§ 16 GuKG) Eigenverantwortliche Tätigkeiten nach § 14 Abs 2 GuKG § Maßnahmen, die PatientInnen oder KlientInnen bei der Ausübung ihrer Lebensaktivität unterstützen, wenn sie wegen Krankheit, Alter etc. dazu nicht selbst in der Lage sind. § Insbesondere Pflegeanamnese, Pflegediagnose, Pflegeplanung, Durchführung der Pflegemaßnahmen, Pflegeevaluation etc. § Weisungsfreiheit im Rahmen Berufsrechts, jedoch Anordnung im Rahmen der Organisation des Pflegedienstes möglich Weisung (lege artis) Mitverantwortlicher Tätigkeitsbereich (§ 15 GuKG) § Durchführung diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen nach ärztlicher Anordnung § Arzt trägt Anordnungsverantwortung § Pflegeperson Durchführungsverantwortung è berufsrechtliche Ermächtigung, nicht Verpflichtung è Dienstvertrag, konkrete Weisungen § Beispiel: medizinisch-unterstützte Fortpflanzung, Schwangerschaftsabbruch keine Verpflichtung Ärztliche Anordnung § Schriftlich + Unterschrift • Medizinisch begründete Ausnahmen: - mündlich, wenn eindeutig und zweifelsfrei § Praxis: Bedarfsanordnung • Ärztliche Diagnose erforderlich è nicht zulässig • Klare Vorgaben (zB Einschlafschwierigkeiten) eindeutig, zweifelsfrei, nachvollziehbar Mitverantwortliche Tätigkeitsbereiche beispielhaft: § Verabreichung von Arzneimittel § Vorbereitung und Verabreichung von subkutanen, intramuskulären und intravenösen Injektionen § Vorbereitung und Anschluss von Infusionen bei liegenden Gefäßzugang, ausgenommen Transfusionen § Blutentnahme aus der Vene und Kapillaren § Setzen von transurethralen Blasenkathetern zur Harnableitung, Instillation und Spülung § Durchführung von Darmeinläufen § Legen von Magensonden Demonstrative Aufzählung § Nur beispielhaft § Weiter ärztliche Tätigkeiten, wenn • • • • • Vom Berufsbild erfasst Vergleichbarer Schwierigkeitsgrad Entsprechende Kenntnis, Fähigkeit vermittelt Oder durch Fortbildung erworben Nicht im „Kernbereich“ anderer Berufe NAPS 23 Sedierung im Tätigkeitsbereich? § Nicht vom eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereich umfasst § Aber: Mitverantwortlicher Tätigkeitsbereich è Verabreichung von Arzneimitteln § ÄrztIn muss anordnen: konkrete Arzneimittel und entsprechende Dosierung 24 Umfang und Art der Tätigkeit? § Welche ASA-Klassen? Welcher Grad der Sedierung? è Hängt vom Stand der Wissenschaft ab è Empfehlungen zur Sedierung und Monitoring während gastrointestinaler Endoskopien Österreich § Narkose jedenfalls nicht umfasst! 25 Monitoring § Deutschland S3: „Es ist daher für jede Endoskopie unter Sedierung erforderlich, dass neben dem endoskopierenden Arzt und seiner Endoskopieassistenz eine weitere Person, die nicht in die Endoskopie involviert ist, diese Aufgaben zuverlässig wahrnimmt.“ § Österreich Empfehlungen: „Die Anwesenheit einer weiteren Person zur alleinigen Überwachung und Sedierung scheint in dieser Situation nicht erforderlich zu sein.“ 26 Pflichten der Pflegeperson § Vertrauensgrundsatz: Darf grundsätzlich Anordnung der ÄrztInnen vertrauen è außer: eindeutig erkennbaren falschen Anordnungen § Durchführungsverantwortung schließt auch ein, gegebenenfalls Komplikationen (zB Atemdepression, -stillstand) zu erkennen und entsprechende Notfallmaßnahmen (zB lebensrettende Sofortmaßnahmen) einleiten zu können. § Dokumentation: Wann? Wer? Dosierung? 27 Haftung 28 Einlassungsfahrlässigkeit § Auch Übernahmsfahrlässigkeit genannt § Pflegeperson darf keine Aufgaben übernehmen, für sein Wissens- oder Ausbildungsstand nicht ausreicht. • Gilt auch für unklare Angaben • „falsche“ Anordnung è Haftung Pflegeperson 29 Gegenüberstellung Behandlungsfehler § „schlechtes“ Handwerk § Schadenersatz wie bei anderen Berufen auch § Beweislast: PatientIn muss Sorgfaltsverstoß des/der ÄrztIn beweisen è eingetretene Gesundheitsschädigung wird auf Sorgfaltsverstoß zurückgeführt (Anscheinsbeweis) Risikoaufklärungsfehler § Fehlende Aufklärung über Risiken § Haftung weil fehlende Einwilligung § Beweislast: ÄrztIn muss beweisen, dass aufgeklärt wurde § Aber: Kausalität: Hätte PatientIn trotzdem eingewilligt, keine Haftung Konkrete Delikte § Zivilrechtliche Haftung: • Schadenersatz: - Verletzung des Behandlungsvertrages - Verletzung der körperlichen Integrität § Strafrechtliche Haftung: • Eigenmächtige Heilbehandlung (§ 110 StGB) • Delikte gegen Leib und Leben (§§ 83ff StGB) Haftung des Krankenanstaltenträgers § Zivilrecht: • • • • Behandlungsvertrag direkt mit KA Zurechnung der MitarbeiterInnen zu KA Haftung in vollem Ausmaß Eventuell Regress bei MitarbeiterInnen § Strafrecht: • Seit 2006: Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) Verbandverantwortlichkeit § Strafrecht! § Verantwortlich wenn • „die Begehung der Tat dadurch ermöglicht oder wesentlich erleichtert wurde, dass Entscheidungsträger die nach den Umständen gebotene und zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben, insbesondere indem sie wesentliche technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen zur Verhinderung solcher Taten unterlassen haben.“ (§ 3 Abs 3 Z 2 VbVG) Conclusio: Antwort auf Fragen § Sedierung darf im mitverantwortlichen Tätigkeitsbereich an Pflegepersonen delegiert werden § Allerdings Stand der Wissenschaft beachten! § Haftung aller Beteiligten möglich: • Arzt: für Anorndung • Pflegeperson: Übernahmefahrlässigkeit • Krankenanstalt: Behandlungsvertrag, Verbandsverantwortlichkeit 34 Fragen? Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
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