Das Prinzip des Warenterminhandels

ACKER+Management
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Warentermingeschäfte – Teil 1
Das Prinzip
des Warenterminhandels
Das schützende Netz der Intervention, Garantiepreise
und straff regulierte Agrarmärkte: Alles samt Schnee von
gestern. Warentermingeschäfte sind eine Alternative,
die der landwirtschaftliche Unternehmer selber mit-
Quelle. Deutz
gestalten kann.
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Im Erntejahr bereits
Erlöspreis für Folgejahr
sichern
senkram“ sei viel zu kompliziert und
zeitaufwendig, ist auf dem Holzweg.
Das Grundprinzip des Hedgings, so
nennt der Börsianer eine Preisabsicherung mittels Terminkontrakten (den so
genannten „Futures“) besteht darin,
am Warenterminmarkt eine Position
einzunehmen, die der Kassaposition
(am tatsächlichen Markt) entgegengesetzt ist. So wird ermöglicht, sich heute
einen Preis für ein bestimmtes Produkt
zu sichern, das erst in Zukunft gekauft
oder verkauft werden soll.
Getreideproduzenten können mit einem Termingeschäft beispielsweise den
Erlös ihrer Ernte fixieren, während diese
noch auf dem Halm steht. Auf der anderen Seite kann ein Verarbeiter wie zum
ACKER+plus | 05.10
Quelle. Deutsche Börse Group
W
eltmarktpreise
schlagen
heute geradewegs auf den
Binnenmarkt und Inlandspreis durch und damit auch auf den
eigenen Betriebsgewinn. Das erhöht
nicht nur den Wettbewerbsdruck, sondern erfordert zunehmend die Effizienz
im betrieblichen Risikomanagement
jedes einzelnen Unternehmens. Eine
sichere Erlösabschätzung vor diesem
Hintergrund? Mittlerweile beinahe unkalkulierbar. Abhilfe muss her, wobei
eines immer deutlicher wird: Zurücklehnen war gestern, mitdenken und
vor allem mitmachen ist angesagt –
und das bereits heute und wohl auch
künftig mehr denn je.
Neben fixen Lieferkontrakten mit Genossenschaften, Landhändlern, Zulieferern oder Verarbeitern können sich
dabei auch Warentermingeschäfte als
echte Alternative erweisen. Diese stellen für viele Bereiche oft die einzige,
vielfach die effektivste und manchmal
sogar schlichtweg die einfachste Möglichkeit zur Risikosteuerung und -streuung dar.
Wer indes von vornherein denkt,
der Terminhandel sei viel zu komplex,
schwer zu durchschauen, ja, der „Bör-
Der Bulle ist an der Börse das Symbol für steigende Kurse (Bullenmarkt), weil er stets
mit den Hörnern von unten nach oben stößt. Der Bär hingegen steht für die Erwartung fallender Kurse.
Beispiel eine Mühle ihre Rohstoffkosten
schon Monate vor dem tatsächlichen
Kauf auf den Cent genau planen.
Während sich beide Seiten so einen
Fixpreis gesichert haben, werden die
Kontrakte indes in der Regel fast nie
bis zur Fälligkeit gehalten, sondern die
Preisdifferenz wird vorher ausgeglichen, im Börsen-Jargon: glattgestellt.
Es handelt sich also um eine Art „Papiergeschäft“, ein Nullsummenspiel,
bei dem in den meisten Fällen gar keine physischen Waren ausgetauscht,
sondern vielmehr Kauf- und Verkaufspreise festgeschrieben werden können.
Doch wie funktioniert das „Papiergeschäft“ genau?
Ausgeglichen werden die Verluste
aus der eigenen Terminmarkt-Position
in der Theorie letztlich immer durch
die genau entgegengesetzte Kassa-Position am tatsächlichen Markt und umgekehrt, weil die Wertentwicklung der
beiden Positionen gen Ende der Fälligkeit gegenläufig ist. Ein so genannter
Hedger (Preisabsicherung mittels Terminkontrakten), der die Warenterminbörse allein aus Absicherungsinteressen nutzt, ist also stets an zwei Märkten
gleichzeitig aktiv. Im Optimalfall besitzen Hedger dabei relativ deckungsgleiche Bestände sowohl am Terminmarkt
als auch am tatsächlichen, physischen
Markt, um Gewinne oder aber auch
Verluste in etwa wertentsprechend
auszugleichen. Zu theoretisch? Dann
machen wir es einmal ganz konkret an
einem praktischen Beispiel klar:
Praxisbeispiel
Landwirt Sicher bewirtschaftet einen
Marktfruchtbetrieb und möchte einen
Großteil seiner Fläche auch in diesem Jahr
wieder mit Weizen bestellen. Anstatt sich
wie bisher mit dem Verkaufspreis zufrieden zu geben, den ihm der örtliche Erfasser
zur Erntezeit zahlt, wirft er einen Blick auf
die aktuellen Termin-Notierungen. Während seine Produktionskosten bei 100 €/t
liegen, das kann sich Landwirt Sicher vorher genau ausrechnen, notiert eine Tonne
August-Weizen am Terminmarkt derzeit
bei 130 Euro. Weil er diese 130 €/t jedoch
auch nach der Ernte gerne für seinen Weizen hätte, verkauft er schon im Oktober
an der Terminbörse genau die Menge an
Weizen, die in etwa seinen zu erwartenden Erntemengen im nächsten Sommer
entsprechen. >>
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von 130 €/t, der genau seiner geplanten
Kalkulation entspricht.
Ganz ohne Verlierer geht es bei diesem „Spiel“ allerdings auch nicht,
denn: Die Gewinne des Verkäufers
sind die Verluste des Käufers und umgekehrt. Das dürfte den Produzenten
jedoch auch im Falle einer für ihn ungünstigen Preisentwicklung am Kassamarkt nicht allzu sehr stören, denn
indem er sich bereits frühzeitig für eine
„Kauf“ von kalkulierbarer
Preissicherheit
Fixierung seines Verkaufspreises entschließt, hat er sich gleichzeitig und
von vornherein für einen festen, für
ihn zufriedenstellenden Deckungsbeitrag entschieden. Er „erkauft“ sich mit
dem Termingeschäft also eine ganz genau kalkulierbare Preissicherheit, wo-
bei er gleichzeitig auf etwaige Gewinne
(beispielsweise als Getreideproduzent
bei steigenden Weizenpreisen im Kassamarkt) verzichtet.
Stefan Niggenaber
Vorschau – Teil 2
Erfahren Sie im nächsten Teil unserer
Serie mehr über den so genannten
Future-Kontrakt (Terminkontrakt),
kurz „Future“ genannt. Er ist die
Basis jedes Termingeschäftes, eine
obligatorische Vereinbarung, die
nicht allein die zu liefernde Ware,
sondern auch die Lieferbedingungen
genau definiert.
Lernen Sie, wie man mit einem
Future selbst handelt und wie es
überhaupt möglich ist, dass bspw.
in den USA jährlich in etwa das
Fünffache der tatsächlichen Erntemenge an den Terminbörsen
gehandelt wird.
Quelle. Deutsche Börse Group
Um sich gegen Preisänderungsrisiken
abzusichern, nimmt er dabei einen so genannten Leerverkauf an der Börse vor, das
heißt er kauft August-Kontrakte (Futures).
Damit geht er eine zunächst bindende
Verpflichtung ein, die entsprechende Menge Weizen mit einer festgelegten Qualität
eben im August des Folgejahres zu liefern.
Im August des folgenden Jahres notiert der
Kassapreis nun bei 115 €/t. Durch den
Preisrückgang macht Landwirt Sicher nun
am Kassamarkt 15 Euro je Tonne Verlust.
Wir erinnern uns, 130 Euro hätte er gerne. Am Terminmarkt hingegen gewinnt
Landwirt Sicher genau diese Preisdifferenz
zurück, weil er seine Kontrakte für 115 €/t
zurückkauft, sie aber im Oktober für 130
€/t verkauft hatte. Er hat seine Position
am Terminmarkt somit glattgestellt und
sich dadurch auch seiner Lieferverpflichtungen entledigt. Seinen Weizen liefert er
nun über die üblichen Vermarktungswege
vor Ort ab, kassiert 115 €/t, addiert seinen
Terminmarkt-Gewinn von 15 €/t dazu und
erzielt somit einen effektiven Verkaufspreis
Sieht komplizierter aus als es tatsächlich ist: An der Warenterminbörse werden Kauf- und Verkaufspreise festgeschrieben – ein
gutes Werkzeug im betrieblichen Risikomanagement.
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