4/2011 - Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH

Zeitschrift für Gesetzgebung
Zeitschrift für
Gesetzgebung
D 14618 F
Vierteljahresschrift für staatliche, kommunale und europäische Rechtsetzung
4/2011
26. Jahrgang
Eilgesetzgebung
Hans Hofmann / Georg Kleemann
Die Sicherung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion
Hanno Kube / Ekkehart Reimer
Die Beschleunigung des Atomausstiegs
Jens Kersten / Albert Ingold
Bemessung und Ausstattung des kommunalen Finanzausgleichs
Matthias Wohltmann
2011 Heft 4
Das innere Gesetzgebungsverfahren
Michael Brenner
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RECHTSPRECHUNG
Michael Brenner*
Das innere Gesetzgebungsverfahren im Lichte der
Hartz IV-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Die verfassungsrechtliche Bindungen, denen der Gesetzgeber in formeller und
auch in materiell-rechtlicher Hinsicht unterworfen ist, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zu den Hartz IV-Regelsätzen mit Blick auf das sog.
innere Gesetzgebungsverfahren erweitert, auch wenn es dabei durchaus die notwendige und verfassungsrechtlich gebotene Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers
gewahrt hat. Herzstück dieser Bindungen ist das Prinzip der Rationalität, das vom
Gericht sowohl auf das Gesetzgebungsverfahren als auch auf das Ergebnis des Gesetzgebungsprozesses bezogen worden ist. Aber auch dem Gebot der Transparenz –
ebenfalls bezogen auf das Verfahren und das Ergebnis der gesetzgeberischen Arbeit – hat das Gericht in seiner Entscheidung erhebliches Gewicht beigemessen.
Abzuwarten bleibt, wie der Gesetzgeber zukünftig die ihm durch das Gericht aufgegebene Überprüfungspflicht, die in der Sache eine Nachbesserungspflicht von Gesetzen bedeutet, umsetzen wird, nicht zuletzt deshalb, weil diese Vorgabe mit einem
erheblichen Kontrollaufwand für den Gesetzgeber verbunden sein dürfte.
I. Einleitung
Was schuldet der Gesetzgeber den anderen Verfassungsorganen, v.a. aber dem
Bürger? Schuldet er tatsächlich nur und nichts anderes als das Gesetz1, womöglich
ohne Begründung und ohne »Darlegung aller seiner Motive, Erwägungen und Abwägungen«?2 Dass diese noch zu Beginn der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts geäußerte Auffassung nicht mehr »up to date« ist und sein kann, dürfte
sich nicht nur angesichts des Siegeszuges des Transparenzgedankens in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten3 und auch im Hinblick auf die vielfach proklamierten
und in verschiedenen Tönen und Zusammenhängen modulierte sog. offene Gesellschaft nahezu von selbst verstehen. Spätestens jedenfalls seit der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts zur Höhe der sog. Hartz IV-Regelleistungen für Erwachsene und Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres vom 9. Februar
20104 ist diese Sicht der Dinge endgültig zu Grabe getragen worden.
Bekanntlich war der Gesetzgeber auch in der Vergangenheit schon bestimmten,
in Art. 76 ff. GG und den diese Bestimmungen konkretisierenden Normen der
* Der Verfasser, Professor Dr. Michael Brenner, ist Inhaber des Lehrstuhls für Deutsches und Europäisches Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
1 So Schlaich, Die Verfassungsgerichtsbarkeit im Gefüge der Staatsfunktionen, VVDStRL 39 (1981),
S. 99/109; Geiger, Gegenwartsprobleme der Verfassungsgerichtsbarkeit aus deutscher Sicht, in:
Berberich/Moll/Maass (Hrsg.), Neue Entwicklungen im öffentlichen Recht, 1979, S. 131/141.
2 So Geiger (Fn. 1), S. 131/141.
3 Vgl. insoweit nur Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, 2004.
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§§ 75 ff. GO-BTag über Vorlagen und ihre Behandlung enthaltenen Vorgaben unterworfen, die – unter dem Schlagwort des äußeren Gesetzgebungsverfahrens zusammengefasst – gewissermaßen einen formalen Rahmen für den Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens aufzeigen. Auch konnte sich bislang schon der Gesetzgeber nur
innerhalb bestimmter, durch das Grundgesetz vorgegebener materiell-rechtlicher
Leitplanken bewegen, wie sie namentlich durch die Grundrechte und einzelne Facetten des Rechtsstaatsprinzips, wie beispielsweise das Rückwirkungsverbot und
das Bestimmtheitsgebot, markiert sind5. Von einer formellen oder gar materiellen
Ungebundenheit des Gesetzgebers konnte daher auch bisher schon keine Rede sein6.
Doch schien über diesen Rahmen hinaus – trotz intensiver Befassung der Literatur
mit dieser Fragestellung7 – der Gesetzgeber gelegentlich wenig Neigung zu zeigen,
sich weiteren, unter dem Begriff der ungeschriebenen Allgemeinen Gesetzgebungsordnung zusammengefassten Bindungen8 zu unterwerfen, insbesondere solchen, die
im Kontext des sog. inneren Gesetzgebungsverfahrens genannt werden9.
Wohl an der Zeit war es daher, dass sich im vergangenen Jahr das Bundesverfassungsgericht dieses Themas angenommen und den Gesetzgeber in seinem Urteil
zur Verfassungsmäßigkeit verschiedener Normen des SGB II zu mehr Rationalität,
mehr Transparenz und letztlich auch zu mehr Folgerichtigkeit im Gesetzgebungsverfahren ermahnt hat. In der Entscheidung hat das Gericht nicht nur die Art und
Weise des Zustandekommens eines Gesetzes genauer unter die Lupe genommen,
sondern darüber hinaus zugleich versucht, die insoweit vom Gesetzgeber zwingend
zu beachtenden Kriterien der Sachgerechtigkeit mit der notwendigen Gestaltungsund Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers in Übereinstimmung zu bringen. Dabei war das Bestreben des Gerichts erkennbar darauf gerichtet, den Gesetzgeber
nicht in ein allzu enges Korsett zu zwängen, das diesem die notwendige Flexibilität
in Sachen Gesetzgebung nehmen würde. Deutlich wird dies daran, dass das Gericht
im Zusammenhang mit der Konkretisierung des Sozialstaatsgebots des Art. 20
Abs. 1 GG auch im Hinblick auf die Wahrung der Menschenwürde den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers hervorgehoben10 und seine Jurisdiktionsgewalt
konsequenterweise auf Fälle »evidenter« Verfassungsverletzungen beschränkt hat.
4 BVerfGE 125, 175.
5 Vgl. hierzu Lücke, ZG 2001, 1/3, etwa mit dem Hinweis auf sich aus Grundrechten ergebende Handlungspflichten des Gesetzgebers.
6 Vgl. insoweit Lücke, ZG 2001, 1/1 f., mit dem Hinweis auf die Souveränität des englischen Parlaments, verstanden als Rechtszustand formeller und materieller Ungebundenheit der Legislative –
eine Ungebundenheit, die durch den Fortgang der europäischen Integration zwischenzeitlich freilich
eine erhebliche Einschränkung erfahren hat.
7 Vgl. z.B. Hoffmann, ZG 1990, 97; Mengel, ZG 1990, 193/197; Merten, Optimale Methodik der Gesetzgebung, in: Hill, Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, 1989, S. 81; Schneider, ZG 2004,
105.
8 Hierzu insbes. Lücke, ZG 2001, 1/4 ff., wo etwa auf die Gebote der Dauerhaftigkeit von Gesetzen,
die Verständlichkeit und Präzision von Gesetzen und die rechtslogische Stimmigkeit der Gesetze
verwiesen wird.
9 Kritisch gegenüber solchem Ansinnen Mengel, ZG 1990, 193/211 f.: Der Gesetzgeber soll nicht mit
einem Netz von Nebenpflichten überzogen werden.
10 S. BVerfGE 125, 175/222.
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II. Das äußere Gesetzgebungsverfahren
Die Anforderungen, die an ein rechtsstaatlichen Maßstäben genügendes Gesetz
zu stellen sind, ergeben sich zunächst aus den Vorgaben des sog. äußeren Gesetzgebungsverfahrens. Dieses umschließt die formellen Bestimmungen des Grundgesetzes wie auch der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, die das Gesetzgebungsverfahren gewissermaßen rechtlich einzäunen und vorrangig auf die Form
des Gesetzgebungsverfahrens zielen11. Umfasst hiervon sind die im Grundgesetz in
den Art. 76 ff. enthaltenen Eckpunkte über die Einbringung von Gesetzesvorlagen
beim Bundestag, die Bestimmungen über das Zusammenspiel von Bundestag und
Bundesrat bei Einspruchs- und Zustimmungsgesetzen sowie die Vorgaben für die
Ausfertigung, die Verkündung und das Inkrafttreten von Gesetzen12. Darüber hinaus enthält die auf der Grundlage von Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG erlassene Geschäftsordnung des Bundestages eine Reihe von Maßgaben für das Gesetzgebungsverfahren, ebenso die Geschäftsordnung der Bundesregierung und die Gemeinsame
Geschäftsordnung der Bundesministerien, die Geschäftsordnung des Bundesrates
und die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses gemäß Art. 77 Abs. 2 S. 2
GG. Diese sämtlichen Verfahrensbestimmungen rahmen das Gesetzgebungsverfahren rechtlich ein13 und sind in der politischen Praxis auch eingespielt; Verstöße
gegen sie stellen die Ausnahme dar14, zumal sie evident sein müssen, um die Nichtigkeit eines Gesetzes zur Folge haben zu können15.
III. Das innere Gesetzgebungsverfahren in der Sicht des
Bundesverfassungsgerichts
Besonderes Augenmerk verdienen angesichts der Tatsache, dass diese Vorgaben
die Motivation, die innere Struktur eines Gesetzes außen vor lassen, die verschiedenen Facetten des sog. inneren Gesetzgebungsverfahrens16, das, da im Grundgesetz nicht ausdrücklich geregelt, in weitaus geringerem Maße als das äußere Gesetzgebungsverfahren rechtlich eingefangen ist17 – mit der Folge, dass hierdurch
zwar auf der einen Seite mehr Möglichkeiten legislativer Entfaltung begründet
werden und damit fraglos mehr legislative Freiheit generiert wird, auf der anderen
Seite aber auch mehr Raum für bundesverfassungsgerichtliche Entfaltung und Einzäunung des Gesetzgebers – sprich: Eingriffs- und Korrekturoptionen legislativer
Entscheidungen – geschaffen wird, wie jüngst die Hartz IV-Entscheidung deutlich
11 In diesem Sinn etwa Hölscheidt/Menzenbach, DÖV 2008, 139; Hoffmann, ZG 1990, 97/97 f.
12 Überblick über die Rechtsprechung z.B. bei Mengel, ZG 1990, 193/196 ff.
13 S. hierzu etwa Ossenbühl, Verfahren der Gesetzgebung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V,
3. Aufl., 2007, § 102, Rn. 30 ff.
14 Vgl. z.B. BVerfGE 34, 9/25; 91, 148/175.
15 Vgl. etwa BVerfGE 34, 9/25; 91, 148/175. Überblick über die Rechtsprechung bei Hölscheidt/Menzenbach, DÖV 2008, 139/141 ff.
16 S. hierzu etwa Hoffmann, ZG 1990, 97 ff.; Konrad, DÖV 1971, 80 ff.; Lücke, ZG 2001, 1 ff.; Mengel, ZG 1990, 197; Merten (Fn. 7), S. 81 ff.; Schneider, ZG 2004, 105 ff.
17 Merten (Fn. 7), S. 81/84, spricht in diesem Zusammenhang von einem »Problem-Sumpf«.
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gemacht hat. Diese in der Entscheidung zu Tage tretende Ambivalenz wird daran
deutlich, dass das Gericht zwar zunächst auf den dem Gesetzgeber gerade auch bei
der Ausgestaltung eines menschenwürdigen Existenzminimums zukommenden
Gestaltungsspielraum hinweist, namentlich bei den insoweit unausweichlichen
Wertungen18, es diesen Gestaltungsanspruch aber sogleich an eine Reihe von Vorgaben anbindet, bei deren Nichtbeachtung die legislative Ausgestaltung defizitär
werden kann – mit der Folge, dass dann das Damoklesschwert der Verfassungswidrigkeit über einem Gesetz niedergehen kann19.
Als eine erste Einzäunung legislativer Freiheit, die unter die Rubrik inneres Gesetzgebungsverfahren zu subsumieren ist, ist zunächst die vom Gericht in seiner
Entscheidung formulierte Maßgabe zu nennen, dass der Gesetzgeber in Konkretisierung des Sozialstaatsgebots des Art. 20 Abs. 1 GG gehalten ist, »die soziale
Wirklichkeit zeit- und realitätsgerecht im Hinblick auf die Gewährleistung des
menschenwürdigen Existenzminimums zu erfassen, die sich etwa in einer technisierten Informationsgesellschaft anders als früher darstellt«20. Entscheidungen
müssen mithin in Zukunft an den tatsächlichen Verhältnissen ausgerichtet werden,
womit das Gericht das Gebot formuliert, die Realität im Gesetz wirklichkeitsgerecht abzubilden und nicht von Bedingungen, Situationen, Gegebenheiten auszugehen, die in der Wirklichkeit nicht oder jedenfalls nicht so, wie sie der Gesetzgeber
gesehen hat, anzutreffen sind. Letztlich hat das Gericht damit das Gebot der realitätsgerechten Widergabe der Wirklichkeit im Gesetz aufgestellt, dabei aber zugleich eine Einschränkung seiner Rechtsprechungsbefugnis in der Weise vorgenommen, dass es lediglich eine »zurückhaltende« Kontrolle einfachgesetzlicher
Ausgestaltungen vornimmt, und zwar dahingehend, ob im Gesetz niedergelegte
Wertungen – im konkreten Fall: Leistungen – »evident unzureichend« sind21. Damit respektiert und wahrt das Gericht die Gestaltungssphäre des Gesetzgebers und
greift erst dann ein, wenn der Gesetzgeber eine eindeutige Fehleinschätzung der
tatsächlichen Verhältnisse, die zu regeln er sich vorgenommen hat, vornimmt. Ungeachtet dessen erstreckt sich die bundesverfassungsgerichtliche Kontrollbefugnis
auf das Verfahren zur Ermittlung des Existenzminimums; die auf dieser Grundlage
festgesetzten Leistungen müssen »auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und
schlüssiger Berechnungsverfahren tragfähig zu rechtfertigen sein«22.
Darüber hinaus hat das Gericht dem Gesetzgeber aufgegeben, Gesetze in einem
transparenten und sachgerechten Verfahren auf den Weg zu bringen23. Eine bestimmte Methode hierfür ist nach Auffassung des Gerichts durch das Grundgesetz
indes nicht vorgeschrieben24; vielmehr kann diese durch den Gesetzgeber »im
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BVerfGE 125, 175/222, unter Bezugnahme auf BVerfGE 35, 202/236; 45, 376/387; 100, 271/284.
BVerfGE 125, 175/224.
BVerfGE 125, 175/224.
BVerfGE 125, 175/225 f., unter Bezugnahme auf BVerfGE 82, 60/91 f.
BVerfGE 125, 175/226.
BVerfGE 125, 175/225.
BVerfGE 125, 175/225, mit Blick auf die grundrechtlichen Schutzpflichten unter Bezugnahme auf
BVerfGE 46, 160/164; 96, 56/64; 115, 118/160.
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Rahmen der Tauglichkeit und Sachgerechtigkeit« selbst ausgewählt werden. Abweichungen von der gewählten Methode bedürfen allerdings einer sachlichen
Rechtfertigung25. Zudem ist der Gesetzgeber gehalten, die im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte »nachvollziehbar offenzulegen«26.
Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber die Pflicht auferlegt, das einmal gefundene Ergebnis fortwährend zu überprüfen und weiterzuentwickeln27. In diesem Zusammenhang ist der Gesetzgeber gehalten, »Vorkehrungen
zu treffen, auf Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie zum
Beispiel Preissteigerungen oder Erhöhungen von Verbrauchsteuern, zeitnah zu reagieren«, um zu jeder Zeit die Erfüllung eines aktuellen Bedarfs sicherzustellen28.
Diese Pflicht zu steter Aktualisierung, die das Gericht mit Blick auf den elementaren und aktuellen Lebensbedarf des Menschen formuliert hat, legt dem Gesetzgeber die Verantwortung auf, Vorkehrungen zu treffen, um auf Änderungen wirtschaftlicher Rahmenbedingungen mit Hilfe entsprechender Gesetzesänderungen
adäquate Antworten geben zu können.
IV. Rationalität als Herzstück des inneren Gesetzgebungsverfahrens
Nicht zuletzt unter Berücksichtigung der Tatsache, dass auch bislang schon unter
den Begriff des inneren Gesetzgebungsverfahrens die Aspekte subsumiert wurden,
die mit der Methodik der Entscheidungsfindung29 bzw. der Willensbildung30 in Zusammenhang stehen, lässt sich auch im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts als Herzstück des inneren Gesetzgebungsverfahrens das – letztlich
auch auf den Ausschluss von Willkür zielende – Prinzip der Rationalität31 begreifen, dessen verfassungsrechtlicher Bezugspunkt zum einen in den Grundrechten,
zum anderen im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG anzusiedeln ist32. Nur
ein auf rationalen Überlegungen beruhendes und damit zugleich willkürfreies Gesetz soll mithin in der Lage sein können, dem Bürger Rechte zu gewähren, insbesondere aber in dessen Rechte einzugreifen, ihm Pflichten aufzubürden und damit
letztlich den Geltungsanspruch des Rechts umfassend durchzusetzen.
Gesetzgebung unter der Geltung des Grundgesetzes soll mithin rationale, soll
vernünftige, soll nachvollziehbare und in diesem Sinn überzeugende Gesetzgebung
sein – und zwar sowohl im Hinblick auf das Verfahren als auch im Hinblick auf das
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BVerfGE 125, 175/225.
BVerfGE 125, 175/226.
BVerfGE 125, 175/225.
BVerfGE 125, 173/225, mit Blick auf den Festbetrag in § 20 Abs. 2 SGB II.
Vgl. etwa Hill, Jura 1986, 286.
Rubel, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Mitarbeiterkommentar und Handbuch, Bd. II,
2002, vor Art. 76 ff., Rn. 6.
31 Ausführlich hierzu Hoffmann, ZG 1990, 97, insbes. S. 109 ff.
32 Vgl. nur etwa Schwerdtfeger, Optimale Methodik der Gesetzgebung als Verfassungspflicht, in: Festschrift für H. P. Ipsen, 1977, S. 173/178.
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gesetzgeberische Ergebnis –, da nur ein vernünftiges, in seinem Verfahren und im
Ergebnis nachvollziehbares Gesetz auch ein solches ist, das der grundrechtskonformen Verwirklichung des Gemeinwohls dienen kann. Dem Gesetzgeber obliegt damit die Verpflichtung, eine möglichst weitgehende Rationalitätsmaximierung nicht
nur anzustreben, sondern im konkreten gesetzgeberischen Einzelfall auch zu verwirklichen.
V. Das Kriterium der Transparenz
Neben der Rationalität zählte in der wissenschaftlichen Diskussion auch bislang
schon als weiterer elementarer Bestandteil des inneren Gesetzgebungsverfahrens
der Aspekt der Transparenz bei der Entscheidungsfindung33. Der Weg hin zur legislativen Entscheidung soll durchsichtig und somit nachvollziehbar sein, was sich
verfassungsrechtlich im Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1, 2 GG34, aber auch
im in Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG enthaltenen Öffentlichkeitsprinzip festmachen lässt.
Diese Transparenz des Verfahrens soll letztlich eine Überprüfung der Maximen,
Grundsätze und Erwägungen ermöglichen, von denen sich der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung hat leiten lassen. Damit ist zugleich die eindeutige Aussage verbunden, dass der Gesetzgeber eben mehr schuldet als nur das Gesetz als solches; er
schuldet zugleich eine taugliche Tatsachenermittlung und Tatsachenberücksichtigung35 wie auch eine – verfassungsimmanente, durch die Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung (Art. 20 Abs. 3 GG) vermittelte – Begründung36, die nachvollziehbar ist und letztlich auch eine Beurteilung der Frage ermöglicht, ob das
Gesetz dem Gebot der Rationalität gerecht wird37.
Indes ist der Begriff der Transparenz durchaus vielschichtig. Übersetzt man den
Begriff mit Durchsichtigkeit38 und begreift ihn damit als Gegenteil von Intransparenz, mithin Undurchsichtigkeit39, so lässt dieses Verständnis durchaus unterschiedliche Interpretationen zu. So kann Transparenz als reine Ergebnistransparenz
begriffen werden, und zwar dahingehend, dass das Ergebnis eines Entscheidungsprozesses transparent sein muss40. Aber auch ein Verständnis im Sinne inhaltlicher
Transparenz kommt insoweit in Betracht, und zwar in dem Sinn, dass staatliche
33 Zur Transparenz bei der Einbeziehung Sachverständiger im Gesetzgebungsverfahren näher Voßkuhle, Sachverständige Beratung des Staates, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 43,
Rn. 73 ff.
34 Ausführlich hierzu Bröhmer (Fn. 3), S. 38 ff.
35 Lücke, ZG 2001, 1/26 ff.
36 Lücke, ZG 2001, 1/30 ff. Hierzu auch Bröhmer (Fn. 3), S. 146 ff.
37 Vgl. insoweit etwa die Auflistung der verschiedenen Schritte im »Denkprozess des inneren Gesetzgebungsverfahrens« bei Hoffmann, ZG 1990, 97/104 ff.: Analyse, Bewertung der ermittelten Fakten
und deren Gründe, Überprüfung des mit der Gesetzesvorlage angestrebten Ziels, Bestätigung der
Gesetzesform, Entscheidung über den Gesetzesinhalt und Prognose über die Auswirkung des geplanten Gesetzes.
38 Vgl. insoweit auch Bröhmer (Fn. 3), S. 18 ff.
39 Im vorliegenden Zusammenhang ist damit freilich nicht der Aspekt der Geheimhaltung gemeint.
40 Bröhmer (Fn. 3), S. 19 f.
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Entscheidungen inhaltlich nachvollziehbar sein müssen41. Demgegenüber zielt
Verantwortungstransparenz in ihrem Kern auf die Verhinderung der Verunklarung
von Verantwortung42. Wesentliche Bedeutung kommt schließlich dem Aspekt der
Transparenz als Transparenz des Verfahrens zu, mithin der Verfahrenstransparenz.
Damit ist die Art und Weise des Zustandekommens einer Entscheidung umrissen,
dies mit Blick auf das Zustandekommen eines Gesetzes freilich nicht beschränkt
auf das äußere Gesetzgebungsverfahren und damit auf den verfassungsrechtlichen
Rahmen, der in den Art. 76 ff. GG und den diese Bestimmungen konkretisierenden
Regelungen der GO-BTag enthalten ist. Darüber hinausgehend ist von der Verfahrenstransparenz auch die Auswahl eines richtigen und sachgerechten Verfahrens
umfasst, wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Hartz-IV-Entscheidung deutlich gemacht hat.
Da das Bundesverfassungsgericht in seinem Verständnis von Transparenz vorrangig auf die Verfahrens- und die Ergebnistransparenz abstellt, wird der Gesetzgeber diesen beiden Aspekte zukünftig besondere Aufmerksamkeit widmen müssen.
Er wird daher in Zukunft gewissermaßen das »Vorfeld« legislativer Entscheidungen noch gründlicher beackern, im Rahmen der Vorbereitung von Gesetzen noch
sorgfältiger arbeiten und noch mehr Aufwand in die Ermittlung der zu regelnden
Lebenssachverhalte stecken müssen. Ggf. wird zukünftig auch noch mehr Aktivität
in Sachen Beteiligung externen Sachverstands entfaltet werden müssen, obgleich
gerade in dieser Beziehung der Gesetzgeber schon jetzt einen erheblichen Aufwand treibt. V.a. aber werden in Zukunft noch weitergehende Anforderungen an
die Begründungsdichte, an einem Gesetz ggf. zugrunde liegende Prognosen und an
die gesetzgeberische Abwägung gestellt werden müssen, als dies bislang schon üblich war und eingespielte parlamentarische Praxis ist. Diese erhöhten Anforderungen an die Begründung eines Gesetzes zielen darauf, eine noch gründlichere Überprüfung gesetzgeberischer Wertungen auf ihre Stichhaltigkeit und Tauglichkeit –
mithin auf ihre Rationalität – vornehmen und den Gesetzgeber damit letztlich stärker an die verfassungsgerichtliche Hand nehmen zu können als bislang schon. Als
Folge dieser verfassungsgerichtlichen Vorgabe werden daher in Zukunft Gesetzen
wohl noch umfänglichere Begründungen beigegeben werden (müssen) – die aber
wohl nur auf den ersten Blick mehr Rationalität begründen werden, lässt sich mit
vielen Worten doch gelegentlich auch eine scheinbare und vordergründige Rationalität bemänteln.
Doch dass darüber hinaus vom Gesetzgeber zukünftig auch Ergebnistransparenz
geliefert werden muss, dürfte sich nahezu als zwangsläufige Folge der Verfahrenstransparenz darstellen: Wenn der Gesetzgeber das Verfahren zur Ausarbeitung eines Gesetzes sorgfältig und insbesondere transparent betreibt, wird im Regelfall
41 Freilich greift das Verständnis der inhaltlichen Transparenz dahin gehend, dass »auch der juristisch
nicht geschulte Laie mit gutem Willen in der Lage sein sollte, einen Gesetzestext zu verstehen« (so
Bröhmer (Fn. 3), S. 21), zu kurz, ist bekanntlich vom einzelnen doch zu erwarten, dass er sich in
Rechtsfragen ggf. rechtskundiger Hilfe versichert; dies dürfte auch für eine im Einzelfall schwierige
Lektüre eines Gesetzestextes gelten.
42 S. auch insoweit Bröhmer (Fn. 3), S. 22 f.
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auch das Ergebnis nicht nur transparent, sondern auch rational sein: Verfahrenstransparenz wird regelmäßig nicht nur in eine Ergebnistransparenz, sondern auch
in eine rationale Entscheidung des Gesetzgebers münden. Mit anderen Worten ist
in einem transparenten Verfahren regelmäßig kein Raum für ein intransparentes
und irrationales Verfahrensergebnis.
Freilich ist auch im Zusammenhang mit dem Gebot der Transparenz im Verfahren festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht hier keinesfalls das Rad neu
erfunden hat, im Gegenteil: Das Planungsrecht, insbesondere das Bauplanungsrecht, kennt schon seit langer Zeit Verfahrensgrundsätze, die nicht nur ein transparentes Verfahren sicherstellen, sondern auch zu einem im wahrsten Sinne des Wortes abgewogenen und damit rationalen Ergebnis führen sollen, gleichwohl aber der
Verwirklichung planerischer Vorstellungen keinen allzu starken Riegel vorschieben. So ist beispielsweise nicht nur eine einen Bauleitplan aufstellende Gemeinde,
sondern auch jede Fachplanungsbehörde gehalten, den entscheidungserheblichen
Sachverhalt vollständig zu ermitteln, Alternativen bei der Planung zu erkennen, zu
erwägen und ggf. zu berücksichtigen, von der Planung berührte öffentliche und private Belange umfassend gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen43,
bevor die Abwägung die Gestalt eines Planes erhält, oder aber der Frage nachzuspüren, ob der Plan überhaupt gerechtfertigt ist, mithin eine Planrechtfertigung in
sich trägt. Wenn dies – mutatis mutandis – nunmehr auch dem Gesetzgeber aufgegeben ist, so erhöht dies fraglos die Transparenz des gesetzgeberischen Verfahrens
wie auch die des vom Gesetzgeber schließlich gefundenen Ergebnisses.
VI. Die Überprüfungspflicht des Gesetzgebers
Besondere Beachtung verdient des Weiteren, dass das Bundesverfassungsgericht
in seiner Entscheidung das Gebot der Überprüfung eines einmal gefundenen legislativen Ergebnisses statuiert hat. Es hat damit eine Maxime aufgestellt, die den Gesetzgeber zukünftig wohl am nachhaltigsten in die Pflicht nehmen wird: Verallgemeinert man nämlich diese Pflicht und löst sie von der der Hartz IV-Entscheidung
zugrunde liegenden Konstellation der Berechnung des Lebensbedarfs der Menschen ab, so bedeutet dies letztlich eine permanente Erfolgskontrolle sämtlicher
Gesetze dahingehend, ob sie die realen Verhältnisse, die sie verbessern, ändern
oder auf die sie reagieren wollen, noch hinreichend widergeben und berücksichtigen oder nicht. Statuiert ist damit eine legislative Pflicht zu einer permanenten
Nachjustierung gesetzgeberischer Wertungen, die sich durchaus als Nachbesserungspflicht interpretieren lässt. Damit wird eine bereits in der Vergangenheit vom
Bundesverfassungsgericht ziselierte Pflicht des Gesetzgebers aufgenommen, in
den Fällen, in denen sich einem Gesetz zugrunde liegende Analysen und Prognosen, auch wenn sie zunächst nicht zu beanstanden sind, im Laufe der Zeit als unrichtig erweisen – mit der Folge, dass das Gesetz, das auf diesen Analysen und Prognosen beruht, zu ggf. nicht mehr tragbaren Ergebnissen führt –, das betreffende
43 Vgl. insoweit nur Brenner, Öffentliches Baurecht, 3. Aufl. 2009, S. 90 ff.
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Gesetz zu korrigieren44. Zu klären dürfte freilich noch sein, in welcher zeitlichen
Dimension bzw. in welchen zeitlichen Abständen sich diese Nachbesserungspflicht
zu aktualisieren hat. Auch wird zu fragen sein, ob angesichts der Dichte gesetzgeberischer Entscheidungen und der Aktivität des Gesetzgebers die Forderung nach
Nachbesserung überhaupt realistisch, mithin vom Gesetzgeber überhaupt zu leisten
ist. Ungeachtet dessen wird der Gesetzgeber zukünftig sein Augenmerk nicht mehr
nur auf die Durchführung eines rationalen und transparenten Gesetzgebungsverfahrens zu richten haben, sondern auch eine permanente »Erfolgskontrolle« seiner
legislativen Wertungen und Entscheidungen vorzunehmen haben.
VII. Willkür als Grenze legislativer Gestaltungsfreiheit
Einschränkend anzumerken bleibt indes, dass der Gesetzgeber von Verfassungs
wegen – und auch unter Berücksichtigung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum inneren Gesetzgebungsverfahren – keinesfalls gehalten ist, stets das
bestmögliche Gesetz zu verwirklichen. Jenseits der aufgezeigten Grenzen ist dem
Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht aufgegeben, stets das zweckmäßigste, das
vernünftigste oder aber das gerechteste, mithin das beste Gesetz zu verwirklichen,
zumal im Einzelfall durchaus strittig sein kann, welches das optimale Gesetz zur
Regelung und Ausgestaltung bestimmter Sachverhalte ist.
Diese legislative Freiheit kommt dem Gesetzgeber auch im Hinblick auf den
Geltungsbereich des Art. 3 Abs. 1 GG und damit hinsichtlich legislativer Differenzierungen zu. Erst wenn sich »ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt«45, kann eine Bestimmung nach
Auffassung des Bundesverfassungsgerichts als willkürlich und damit verfassungswidrig angesehen werden. Maßgeblich ist dabei »nicht die subjektive Willkür des
Gesetzgebers … zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Norm, sondern
nur die objektive, d.h. die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit einer
Norm im Verhältnis zu der tatsächlichen Situation, die sie regeln soll46.« Die Willkür des Gesetzgebers ist damit nach objektiven Maßstäben zu bestimmen – was sicherlich schon deshalb zutreffend ist, weil man dem Gesetzgeber subjektiv willkürliches Handeln regelmäßig nicht wird unterstellen können. Damit lässt sich freilich
zugleich der Bogen zur Rationalität bzw. Irrationalität schlagen: Ein nach objektiven Maßstäben willkürliches Gesetz ist stets rechts- und systeminkonsequent, somit unsachlich und damit zugleich irrational. In keinem Fall wird ein willkürliches
Gesetz jedenfalls dem Rationalitätsgebot gerecht werden können; vielmehr bedingt
Willkürlichkeit letztlich immer legislative Irrationalität. In die Sphäre der Willkür
44 S. BVerfGE 49, 130; 56, 78. Näher zu Fehlprognosen BVerfGE 37, 118; 50, 334; 65, 55/56. Grundlegend hierzu Badura, Die verfassungsrechtliche Pflicht des gesetzgebenden Parlaments zur »Nachbesserung« von Gesetzen, in: Festschrift f. K. Eichenberger, 1982, S. 481.
45 BVerfGE 1, 14/52; 61, 138/147.
46 BVerfGE 51, 1/26 f. Vgl. auch E 4, 144/155; 2, 266/281; 42, 64/73; 48, 227/237; 55, 72/88; 64,
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Brenner, Inneres Gesetzgebungsverfahren
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hinüber reichende Systemungerechtigkeit wie auch Folgeunrichtigkeit sind daher
Kategorien, die auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtliche Relevanz entfalten können47.
Auch wenn unter diesem Blickwinkel die Systemwidrigkeit, verstanden als Verletzung der vom Gesetzgeber selbst statuierten Sachgesetzlichkeit48, bzw. die Folgeunrichtigkeit einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz indizieren kann49, bleibt
mit Blick auf die Kategorie der Systemwidrigkeit50 doch zu beachten, dass die Beantwortung der Frage, nach welchem System der Gesetzgeber eine Materie ordnen
will, seiner Entscheidung ebenso obliegt wie die Zweckmäßigkeit einer Regelung;
eine solche Regelung kann lediglich nach den Maßstäben der Verfassung, nicht
hingegen unter dem Blickwinkel der Systemwidrigkeit für verfassungswidrig erklärt werden51. Insoweit verstößt Systemwidrigkeit für sich allein nicht gegen
Art. 3 Abs. 1 GG52. Anderes wiederum wird zu gelten haben, wenn die Systemwidrigkeit vordringt in die Sphäre der Sachungerechtigkeit, da Sachungerechtigkeit in
der Sicht des Bundesverfassungsgerichts in der Hartz IV-Entscheidung durchaus
verfassungserheblich sein kann.
VIII. Fazit
Abschließend ist festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber mit seinen Vorgaben an das innere Gesetzgebungsverfahren, die es in seiner
Hartz IV-Entscheidung aufgestellt hat, stärker als bislang an die Hand des Verfassungsrechts genommen und ihn auf die Grundsätze der Rationalität und der Transparenz eingeschworen hat. Auch wenn bislang Zweifel daran geäußert wurden, ob
diese sämtlichen Vorgaben im Range von Verfassungsrecht stehen53, so dürfte
hieran seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wohl kein Zweifel
mehr bestehen54. Letztlich hat das Gericht mit seiner Entscheidung der Erkenntnis
Rechnung getragen, dass es durchaus einen engen Zusammenhang zwischen dem
Verfahren und einem guten und den Anforderungen der Rationalität gerecht werdenden Gesetz gibt. Insbesondere hat es die Gebote der Rationalität und der Transparenz mit dem Purpur des Verfassungsrechts ausgestattet und den Gesetzgeber damit verfahrensrechtlich wie inhaltlich in einer Art und Weise verpflichtet, die die
47 Vgl. insoweit z.B. BVerfGE 23, 242/256; 34, 103/115; 38, 1/21; 59, 36/49; 60, 16/43; 75, 382/395 f.;
84, 239/271; 85, 238/246 f.; 87, 153/170; 93, 121/136; 99, 246/264 f.; 99, 280/290. Vgl. in diesem
Zusammenhang auch Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, 1976.
48 S. insoweit BVerfGE 13, 331/340; 18, 315/329.
49 BVerfGE 9, 20/28; 24, 75/100; 34, 103/115; 59, 36/49; 60, 16/40; 75, 382/395 f.; 85, 238/247; 102,
68/91 f.
50 BVerfGE 9, 20/28. Vgl. insoweit auch Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand 2010, Art. 3
Rn. 31.
51 BVerfGE 59, 36/49.
52 BVerfGE 78, 104/122; 85, 238/247.
53 In diese Richtung etwa Merten (Fn. 7), S. 81/85.
54 In diese Richtung schon frühzeitig hierzu Hoffmann, ZG 1990, 97/116.
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Rechtsprechung
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Hoffnung nährt, zukünftig noch besser begründete und durchdachte Gesetze zu erhalten. Zugleich hat das Gericht aber den Gesetzgeber nicht in einer Art und Weise
eingeengt, die ihn seiner politischen Gestaltungsmacht berauben würde. Es hat
seine Überprüfungsbefugnis enggeführt auf eklatante Verstöße gegen die Gebote
der Rationalität und Transparenz und damit hinreichend Raum gelassen für die
Verwirklichung des politischen Willens der parlamentarischen Mehrheit. Abzuwarten bleibt indes, wie die Aktualisierungspflicht, die ja faktisch eine permanente
Nachbesserungspflicht von Gesetzen jedenfalls dann bedeutet, wenn sich die der
gesetzlichen Wertung zugrunde liegenden Realitäten ändern, zukünftig vom Gesetzgeber gehandhabt werden wird.
Freilich ist dem Gesetzgeber durch das Urteil keinesfalls eine optimale oder gar
die optimale Methodik, ein optimales Verfahren oder ein optimales Ergebnis eines
Gesetzes vorgegeben. Man wird daher nach wie vor mit M. Kloepfer zu konstatieren haben, dass es eine »Verfassungspflicht zur optimalen Methodik der Gesetzgebung« nicht gibt, immerhin aber »eine behutsam zu umreißende Pflicht zu einer
von wesentlichen Fehlern freien Gesetzesmethodik«55; an der Richtigkeit dieser
Aussage hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nichts geändert.
Rechtserzeugung nach Maßgabe der Vorgaben des Grundgesetzes zum inneren
Gesetzgebungsverfahren wird damit auch in Zukunft nicht dem Maßstab des Optimalen, immerhin aber dem nunmehr verfassungsrechtlich fassbaren Kriterium juristischer Rationalität unterworfen sein, was gerade mit Blick auf die Erkenntnis
bedeutsam ist, dass juristische Rationalität letztlich auch den Inhalt eines Gesetzes
determiniert. Gesetze, deren Inhalt mit bloßer Elle nach dem Motto »Pi mal Daumen« ausgemessen werden – wie das letztlich bei der Bemessung der Hartz IVSätze der Fall war –, dürften jedenfalls zukünftig nicht mehr auf den Weg gebracht
werden können.
55 Kloepfer, VVDStRL 40 (1982), S. 63/89. S. auch Mengel, Gesetzgebung und Verfahren, 1997,
S. 335 f.
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