Kapitel 22

INSTITUTIONENGESCHICHTE
(RÖMISCHES P RIVATRECHT)
SOMMERSEMESTER 2015
PROF. DR . JOHANNES PLATSC HEK
XXII.
Adjektizische Haftung
Kaser, RPR § 49
1. Berechnung des peculium
* Gai. 4,73
“Wird aber untersucht, wieviel im peculium ist, so wird zunächst abgezogen, was dem Hausvater
oder dem Sklaveneigentümer und jemandem, der in dessen Gewalt steht, vom Haussohn oder
Sklaven geschuldet wird, und was übrigbleibt, nur das wird als Sondervermögen betrachtet.
Mitunter wird dennoch das, was der Haussohn oder Sklave demjenigen schuldet, der in der
Gewalt des Hausvaters oder Sklaveneigentümers ist, nicht vom Sondervermögen abgezogen, zum
Beispiel wenn derjenige, dem er schuldet, in seinem eigenen Sondervermögen ist.”
** D. 33,8,16 (Afr. 5 quaest.)
Stichus habet in peculio Pamphilum:
hunc dominus noxali iudicio defendit et
damnatus litis aestimationem solvit:
deinde Stichum testamento manumisit
eique peculium legavit:
quaesitum est, an quod Pamphili nomine
praestitum sit, ex peculio vel ipsius
Pamphili vel Stichi deducendum sit.
Afrikan im 5. Buch der Quästionen
"Stichus hat im Sondervermögen den Pamphilus.
Diesen hat der Eigentümer in einem Noxalprozess
verteidigt, er ist verurteilt worden und hat den geschätzten
Streitwert gezahlt.
Hierauf hat er Stichus im Testament freigelassen und ihm
sein Sondervermögen vermacht.
Es ist gefragt worden, ob das, was im Hinblick auf
Pamphilus geleistet worden ist, aus dem Sondervermögen
entweder des Pamphilus selbst oder des Stichus abgezogen
werden müsse.
respondit Pamphili quidem de peculio
utique deducendum, quantacumque ea
summa esset, id est etiam si eum noxae
dedere expedisset:
quidquid
enim
pro
capite
servi
praestitum sit, in eo debitorem eum
domini constitui.
quod si Pamphili peculium non sufficiat,
tunc ex peculio Stichi non ultra pretium
Pamphili deduci debere.
(Julian) hat das Gutachten erteilt, es müsse jedenfalls vom
Sondervermögen des Pamphilus abgezogen werden, wie
hoch auch immer die Summe war, das heißt, selbst wenn es
sich gelohnt hätte ihn zur Vergeltung auszuliefern.
Denn was auch immer für das Haupt des Sklaven geleistet
worden sei, dafür werde er Schuldner des Eigentümers.
1 quaesitum est, si ex alia qua causa
Pamphilus pecuniam domino debuisset
nec ea ex peculio eius servari posset,
an usque ad pretium eius ex peculio
Stichi possit deducere.
1 Es wurde gefragt, ob, wenn Pamphilus dem Eigentümer
aus irgendeinem anderen Grund Geld schulde und dieses
nicht aus seinem Sondervermögen erlangt werden könne, ob
er (der Eigentümer) es bis zu dessen (des Pamphilus) Wert
vom Sondervermögen des Stichus abziehen könne.
negavit: neque enim simile id superiori
esse. ibi enim propterea pretium vicarii
deducendum, quod eo nomine ipse
Stichus ob defensionem vicarii sui
domino debitor constituatur, at in
proposito quia Stichus nihil debeat, ex
eius peculio nihil esse deducendum, sed
ex Pamphili dumtaxat,
qui certe ipse in suo peculio esse intellegi
non potest.
Er hat es verneint; denn dies sei dem obigen Fall nicht
ähnlich. Dort nämlich müsse deshalb der Wert des
Vikarsklaven abgezogen werden, weil dafür Stichus selbst
wegen der Verteidigung seines Vikarsklaven zum Schuldner
des Eigentümers werde; doch im vorliegenden Fall dürfe,
weil Stichus nichts schuldet, aus seinem Sondervermögen
kein Abzug vorgenommen werden, sondern nur aus dem des
Pamphilus,
der zweifellos nicht als Gegenstand seines eigenen
Sondervermögens betrachtet werden kann."
Wenn aber das Sondervermögen des Pamphilus nicht
ausreiche, dann müsse vom Sondervermögen des Stichus
abgezogen werden, aber nicht über den Wert des Pamphilus
hinaus.
LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN
*** D. 15,1,38,2 (Afr. 8 quaest.)
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Afrikan im 8. Buch der Quästionen
Stichus habet in peculio Pamphilum qui
est decem, idem Pamphilus debet domino
quinque.
"Stichus hat im Sondervermögen den Pamphilus, der zehn
wert ist; eben dieser Pamphilus schuldet dem Eigentümer
fünf.
si agatur de peculio Stichi nomine,
placebat aestimari debere pretium
Pamphili et quidem totum non deducto
eo, quod domino Pamphilus debet:
neminem enim posse intellegi ipsum in
suo peculio esse:
Wenn mit der actio de peculio im Hinblick auf Stichus
vorgegangen wird, müsse - dieser Ansicht war er (Julian) der Wert des Pamphilus geschätzt werden und zwar der
ganze, ohne Abzug dessen, was Pamphilus dem Eigentümer
schuldet.
Denn niemand könne als Gegenstand seines eigenen
Sondervermögens angesehen werden.
hoc ergo casu damnum dominum
passurum, ut pateretur, si cuilibet alii
servorum suorum peculium non habenti
credidisset.
Die Einbuße werde also in diesem Fall der Eigentümer
tragen, so wie er sie tragen würde, wenn er irgendeinem
anderen seiner Sklaven, der kein Sondervermögen hat,
Kredit gewährt hätte.
idque ita se habere evidentius appariturum ait, si Sticho peculium legatum
esse proponatur:
Und dass dies so ist, werde besonders deutlich, so sagte er,
wenn man den Fall nimmt, in dem Stichus sein Sondervermögen vermacht wurde.
qui certe si ex testamento agat, cogendus
non est eius, quod vicarius suus debet,
aliter quam ex peculio ipsius deductionem pati:
Wenn er aus dem Testament klagt, darf er sicher nicht
gezwungen werden, einen Abzug dessen, was sein
Vikarsklave schuldet, in anderer Weise als von dessen
Sondervermögen hinzunehmen.
alioquin futurum, ut, si tantundem
vicarius domino debeat,
ipse nihil in peculio habere intellegatur,
Andernfalls käme es dazu, dass, wenn der Vikarsklave dem
Eigentümer gerade soviel (wie seinen eigenen Wert)
schuldet, er selbst (der Ordinarsklave) so angesehen würde,
als hätte er nichts im Sondervermögen,
was zweifellos widersinnig ist."
quod certe est absurdum.
2. actio tributoria
* D. 14,4,1 pr. (Ulp. 29 ed.)
„Der überaus große praktische Nutzen dieses Edikts besteht darin, dass der Eigentümer, der
ansonsten bei (der Haftung aus) Verträgen des Sklaven ein Privileg hat (er haftet ja nur bis zur Höhe
des peculium, und dieses wird berechnet unter Abzug dessen, was dem Eigentümer geschuldet
wird), dennoch, wenn er wusste, das der Sklave mit Pekuliarware Handel treibt, wie ein
Außengläubiger aufgrund dieses Edikts zur Verteilung gerufen wird.“
** D. 14,4,11 (Gai. 9 ed. prov.)
„Mitunter lohnt es sich für die Kläger, mit der actio de peculio vorzugehen, anstatt mit der actio
tributoria. Denn bei der Klage, über die wir sprechen (bei der actio tributoria), kommt nur das zur
Aufteilung, was in Handelsware besteht und was dafür entgegengenommen worden ist (quodque eo
nomine receptum est). Aber bei der actio de peculio wird der Umfang des gesamten peculium
berücksichtigt, in dem auch die Waren enthalten sind. Und es kann sein, dass etwa mit der Hälfte
des peculium oder einem Drittel Handel betrieben wird. Außerdem kann es sein, dass er (der
Haussohn/Sklave) dem Hausvater bzw Sklaveneigentümer nichts schuldet.“