Experiment 1: Bestimmung der realen OberflΓ€che eines Pt

Experiment 1:
Bestimmung der realen Oberfläche eines Pt-Elektrokatalysators
durch Wasserstoffadsorption
1. Einleitung
Die Oberfläche eines Katalysators ist für dessen Aktivität in der Elektrokatalyse entscheidend.
Elektrokatalyse bezeichnet den Vorgang, dass Ladung zwischen der Elektrode und dem elektroaktiven
Katalysator an der Elektrodenoberfläche ausgetauscht werden. Wie schnell die genannte Reaktion
abläuft, bzw. wie stark der resultierende fließende Strom ist, steht in Proportionalität zur tatsächlichen
Oberfläche des Katalysatormaterials.
Um die tatsächliche Oberfläche eines Materials zu ermitteln, bedarf es anderer Methoden als der
Verwendung klassischer Techniken, welche einzig die geometrische Oberfläche erfassen (z.B.
Mikroskopie). Eine solche Methode stellt die Gasadsorption durch den zu untersuchenden Feststoff
dar.[1]
Dabei werden zwei Prozesse unterschieden: Die Gasmoleküle werden durch schwache
Wechselwirkungen, wie van-der-Waals-Kräfte gebunden (Physisorption) oder aber durch stärke
Wechselwirkungen, welche nahezu den Charakter einer chemischen Bindung erreichen, jedoch anders
als bei dieser eine Beweglichkeit der Moleküle auf der Oberfläche des Adsorbens gegeben ist
(Chemisorption). Die sogenannten Adsorptionsenthalpien der beiden Adsorptionsmechanismen
unterscheiden sich daher stark.
Die Anordnung der adsorbierten Gasmoleküle erfolgt von rein zufällig bis zu geordneten Strukturen,
welche sich stark an der Geometrie der Oberfläche des Adsorbens orientieren. Hierbei ist jedoch
ebenfalls streng nach Physisorption und Chemisorption zu unterscheiden. Bilden die Gasmoleküle im
Fall der Chemisorption ausschließlich Monolayer, sind bei der Physisorption mehrere Lagen von
Molekülen (Multilayer) möglich.[2]
In Abbildung 1 sind verschiedene Oberflächenbetrachtungen den Skalierungen entsprechend
abgebildet, sowie der Prozess der Physisorption und Chemisorption verdeutlicht.
Im Rahmen des Praktikumsversuchs soll ein Platinkatalysator untersucht werden, dessen reale
Oberfläche durch die Adsorption von Wasserstoff bestimmt werden soll. Dieses in der Katalyse
prominente Beispiel zeigt Adsorption in Form von Chemisorption.[2] Ihre hauptsächliche Anwendung in
der Elektrokatalyse finden Platinkatalysatoren in Brennstoffzellen,[3] jedoch ist Platin auch außerhalb
der Elektrochemie bekannt für seine katalytische Wirkung auf Reaktionen mit Wasserstoff.[4] Dazu
gehören unter anderem die Ammoniakoxidation oder Herstellung von Kunststoffen und anderen
Produkten aus Erdöl und -gas.[5]
Wie erwähnt, ist die reale Oberfläche Sr des Katalysators von außerordentlicher Wichtigkeit. Diese kann
durch die Bestimmung der adsorbierten Gasmenge und der Fläche, welche von den einzelnen
Molekülen eingenommen wird, errechnet werden (Gl. 1).
1
Sr = ngNAag
(1)
(ng = adsorbierte Gasmenge [mol], NA = Avogadrozahl [mol-1] und ag = Fläche pro Gasmolekül [cm2])
Abbildung 1: Unterschiedliche Topographie einer Oberfläche abhängig der Skalierung (links). Prozess
der Physisorption (rechts, a) und der Chemisorption (rechts, b).[1]
Da jedoch eine Chemisorption vorliegt, also eine Bindung zwischen Adsorbens und Adsorbat entsteht,
muss auch das Adsorbens, genauer dessen Atomdichte auf der Oberfläche berücksichtigt werden,
welche aus den kristallographischen Daten des Platins erhalten werden kann (Gl. 2).
Sr =
𝑛𝑔 𝑁𝐴
π‘‘π‘Ž
(2)
(da = Atomdichte auf der Oberfläche [cm-2])
Die Adsorption von Wasserstoff an Platin wird in der Elektrokatalyse durch ein negatives
Elektrodenpotential in Anwesenheit eines wässrigen Elektrolyten initiiert und über das Verfahren der
Cyclovoltammetrie verfolgt (Abb. 2).
Darin lassen sich drei unterschiedliche Bereiche erkennen. Zum einen ist im negativen Potentialbereich
der Wasserstoffbereich zu erkennen, welcher besonders hervorgehoben werden soll. Darin werden in
dem Oxidationsschritt zunächst adsorbierte Wasserstoffatome zu Protonen oxidiert, welche dann im
Reduktionsschritt bei zunehmend negativem Potential zunächst in Form von H-Atomen, dann als H2Moleküle adsorbiert werden, bis ein Monolayer vorliegt und kein weiterer Wasserstoff gebunden
werden kann. Die Wasserstoffmoleküle werden anschließen im stark negativen Potentialbereich
freigesetzt, wodurch wieder viele Angriffspositionen frei liegen und der Prozess sich wiederholt. Bei
positiven Potentialwerten ist der Sauerstoffbereich sichtbar, welcher auf einen hydrierten Platinoxid2
Monolayer hindeutet. Zwischen diesen beiden Bereichen liegt der sogenannte Doppelschichtbereich,
welcher sich durch eine niedrige Stromstärke auszeichnet und in dem einzig kapazitive Prozesse
erfolgen. [1,6]
Abbildung 2: Cyclovoltammogramm von Platin in einem wässrigen, sauren Elektrolyt.[1]
Insgesamt nimmt an diesem Prozess der Oxidation und Reduktion eines Wasserstoffatoms an der
Platinoberfläche genau ein Elektron teil. Um die Anzahl ng [mol] an adsorbierten H-Atomen zu
errechnen, wird Gleichung 3 herangezogen.
ng =
π‘„π‘š
𝐹
(3)
(Qm = Ladung die durch die Bildung eines Monolayers aufgewendet wird [C], F = Faraday Konstante
[Fmol-1])
Wird Gleichung 3 in Gleichung 2 eingesetzt, ergibt sich Gleichung 4.
Sr =
π‘„π‘š 𝑁𝐴
π‘„π‘š
=
πΉπ‘‘π‘Ž
π‘šπ‘ƒπ‘‘ π‘’π‘‘π‘Ž
(4)
(mPt = Masse an Pt-Katalysator auf der Elektrode [g], e = Elektronenladung [C] und
da = 1.3 × 1015 cm-2)
Somit gilt es nur noch Qm zu ermitteln. Dies lässt sich leicht erreichen, da bekannt ist, dass
I=
𝑑𝑄
𝑑𝑑
(5)
und somit gilt
3
𝑑
Q = βˆ«π‘‘ 𝑓 𝐼𝑑𝑑
(6)
𝑖
(ti = Zeit bei der die Wasserstoffaufnahme startet, tf = Zeit bei der der Wasserstoff-Monolayer vorliegt)
Bei Messungen mit Cyclovoltammetrie findet eine stete Potentialveränderung statt. Im Fall von
negativen Potentialbereichen, kann das jeweilige Potential mit Gleichung 7 ausgedrückt werden:
V = V0 – vt
(7)
(V0 = Eingangspotential [V], v = scan rate (= dV/dt) [V/s], t = Zeit [s])
Daraus ergibt sich bei Betrachtung von ti und tf mit Gleichung 7
ti =
𝑉0 – 𝑉𝑖
𝑣
tf =
𝑉0 – 𝑉𝑓
(8)
(9)
𝑣
Und da gilt
dt =
𝑑𝑉
𝑣
(10)
resultiert aus Gleichung 6:
1
(𝑉 βˆ’ 𝑉 )/𝑣
Q = 𝑣 ∫(𝑉 0βˆ’ 𝑉 𝑓)/𝑣 𝐼𝑑𝑉
0
(11)
𝑖
Somit lässt sich Qm leicht bestimmen, indem das Cyclovoltammogramm in dem Bereich des
Wasserstoffbereiches integriert wird, an der die Stromstärke die des Doppelschichtbereichs übersteigt
und die Wasserstoffentwicklung einsetzt. Da jedoch auch im Wasserstoffbereich kapazitives Verhalten
des Platins vorliegen kann, muss die Ladung Qds, welche sich aus der Integration des
Doppelschichtbereiches ergibt, abgezogen werden (Gl. 12) um den endgültigen Wert von Qm zu
erhalten.
1
(𝑉 βˆ’ 𝑉 )/𝑣
Q = 𝑣 ∫(𝑉 0βˆ’ 𝑉 𝑓)/𝑣 𝐼𝑑𝑉 - Qds
0
(12)
𝑖
Somit lässt sich schlussendlich mit Hilfe von Gleichung 4 die reale Oberfläche Sr erhalten.[1]
4
2. Ziel des Versuches
Die Studenten sollen mit Hilfe der einfachen elektrochemischen Methode der Cyclovoltammetrie die
reale Oberfläche des eingesetzten Platinkatalysators durch Wasserstoffadsorption bestimmen. Durch
Vergleich mit der geometrischen Oberfläche soll die Relevanz der Bestimmung der exakten
Topographie des Katalysators für die Elektrokatalyse aufgezeigt werden.
3. Materialien und Arbeitsgeräte
β€’ 0.1 M HClO4 (aus 18 MΩ-Wasser)
β€’ N2 Gas
β€’ Pt/C-Elektrokatalysatoren
β€’ Isopropanol
β€’ 18 MΩ-Wasser
β€’ Nafion® (Lösung mit 5 wt% in Methanol, Verdünnung 1:100 v:v)
β€’ Potentiostat/Galvanostat: Materials M 515
β€’ 3- Elektrodenzelle (Abb. 3) mit Verschlüssen
β€’ Pt-Draht (Gegenelektrode, CE)
β€’ Hg/Hg2SO4 (E = +0.654 V) – Referenzelektrode (RE)
β€’ Glassy carbon Elektrode: Arbeitselektrode (WE) dünn beschichtet mit Katalysatortinte
ο‚· Glasrohr zur Gaseinleitung
β€’ Automatische Pipetten
β€’ Wägeschiffchen, Spatel, Bechergläser, Vials mit Deckel, Waage, Ultraschallbad, Glaspipetten
5
Arbeitselektrode (Glassy
carbon Scheibe mit
Katalysator-Tinte)
Referenzelektrode
(Hg/Hg2SO4)
N2-Einlass
Gegenelektrode
(Pt-Draht)
Abbildung 3: Aufbau der Messzelle.
4. Versuchsdurchführung
1. Das dest. Wasser in der Messzelle wird zunächst ausgeleert und die Zelle dann mit dem Elektrolyten
(0.1 M HClO4) gefüllt und die Gegen- und Referenzelektroden eingesetzt (unbedingt RE vorher mit dest.
Wasser mehrere Male spülen, um eine Kontamination mit K2SO4 auszuschließen).
2. Spülen des Elektrolyten mit N2 für 20 min.
3. Herstellung des Pt/C-Katalysators. Dafür werden 10 mg Pt/C Mischung (20 wt% Pt) mit 0.25 mL dest.
Wasser und 2.25 mL Isopropanol in einem Vial gemischt, dieses verschlossen und 20 min im
Ultraschallbad behandelt (max. bei 25 °C).
4. Nun werden 12 µL der erhaltenen Tinte in 3 Portionen à 4 µL vorsichtig auf die GC Scheibe (Ø 5 mm,
Fläche = 0.1963 cm2) mit Hilfe der automatischen Pipette getropft und jede der drei Schichten unter
der Laborlampe getrocknet (10 min insgesamt sollten ausreichend sein).
5. Zum Schluss werden 7 ΞΌL der Nafion® Lösung in Methanol (1:100) auf die letzte der inzwischen
getrockneten Schichten getropft und 5 min unter der Laborlampe getrocknet.
6
6. Nun wird die fertige Arbeitselektrode in der elektrochemischen Zelle platziert. Sollten sich
Luftblasen auf der Oberfläche der WE gebildet haben, sind diese mit einem leichten N2-Strom zu
entfernen.
7. Alle Elektroden werden mit den entsprechenden Krokodilklemmen mit dem Potentiostat verbunden
(Abb. 4). Lassen Sie die Verbindungen unbedingt vor Versuchsbeginn von der Praktikumsassistentin
überprüfen!
Abbildung 4: Anschluss der einzelnen Elektroden der Messzelle an den Potentiostaten.[7]
8. Einstellen der Versuchsparameter in der Software VoltaScope (Abb. 5).
a) Reinigungsscans zur Entfernung von Unreinheiten auf der Elektrodenoberfläche und
Elektrodenaktivierung: Potential range: -0.654 V bis 0.850 V vs. RE, scan rate: 50 mV/sec, number of
scans: 20, siehe auch Abb. 5 links.
b) Eigentliche Messung: Potential range: -0.604 V bis 0.546 V vs. RE, scan rate: 20 mV/sec, number of
scans: 10, siehe auch Abb. 5 rechts.
9. Speichern der Versuchsdaten: Kopieren Sie die Daten als .txt file in einen Ordner mit Ihren Namen
auf dem Desktop. Dafür gehen Sie auf File οƒ  Export all DC data οƒ  und wählen .txt als Datenformat
aus. Den Ordner kopieren Sie auf Ihren USB-Stick und belassen ihn zugleich auf dem Desktop um eine
Auswertung durch die Assistentin zu ermöglichen. Bearbeiten Sie das .txt file mit Origin (empfohlen)
oder Excel. Zur Auswertung ziehen Sie am besten den letzten der 20 CVs heran.
10. Schalten Sie den Potentiostat und den PC aus und reinigen Sie den Arbeitsplatz. Auch die WE ist zu
reinigen (Tinte abwischen und mit Aceton, Ethanol und dest. Wasser spülen und mit Kimtech-Tüchern
trocknen) und an ihren Platz zurück zu legen. CE und RE werden jeweils mit dest. Wasser gespült und
in ihre jeweiligen Halterungen gegeben. Die Messzelle wird ausgeleert, mit dest. Wasser hineingefüllt
und wieder mit den Glasstopfen und Plastikdeckeln verschlossen. Die hergestellte Katalysatortinte
wird von der Assistentin entsorgt.
7
Abbildung 5: Menü von Voltascope zur Einstellung der einzelnen Versuchsparameter zur
Elektrodenreinigung (links) und zur Messung (rechts).
5. Versuchsauswertung
1.Ermitteln Sie Qm durch Integrieren des Oxidations- und Reduktionsbereiches des
Wasserstoffbereiches und bilden Sie den Durchschnitt der beiden Werte. Dann ziehen Sie Qds gemäß
Gl. 12 ab.
2. Berechnen Sie die reale Oberfläche Sr mit Hilfe von Gl. 4 in [cm2] und [cm2/g].
3. Vergleichen Sie die elektrochemisch aktive Oberfläche mit der geometrischen Oberfläche des
Katalysators. Gibt es Literaturdaten zu der realen Oberfläche des Katalysators oder ähnlichen
Systemen?
8
Hinweise zum Protokoll: Es sollte selbstverständlich sein, dass das Protokoll nicht einzig aus den
Berechnungen besteht (Punkte 5.1 – 5.3), sondern eine Einleitung und Motivation (natürlich nicht
analog dieser Anleitung!) beinhaltet sowie die Ergebnisse diskutiert und ein Fazit gezogen wird. Auch
sollte im Protokoll mit entsprechenden Literaturstellen gearbeitet werden.
6. Allgemeine Hinweise zum Versuch
1. Bevor der Praktikumsversuch begonnen werden kann, muss ein Eingangscolloquium rund um die
Thematik des Versuches bestanden werden. Bei Nichtbestehen können Sie den Versuch nicht
durchführen.
2. Laborkittel und -brille sind Pflicht für das Praktikum! Sollten Kittel und Brille nicht mitgebracht
werden, können Sie den Versuch nicht durchführen. Die im Versuch ebenfalls erforderlichen
Handschuhe werden im Labor gestellt und sind unbedingt zu tragen!
3. Vorsicht im Umgang mit der Quecksilber-RE, da Quecksilber äußerst toxisch ist! Falls es zu einer
Freisetzung von Quecksilber kommt (Elektrode runtergefallen, undicht), fassen Sie die kaputte
Elektrode oder das Quecksilber auf keinen Fall an, entfernen Sie sich von der Gefahrenquelle (giftige
Quecksilberdämpfe!) und sagen Sie der Assistentin Bescheid!
4. Der Praktikumsbericht ist innerhalb von 4 Wochen nach Durchführung des Experiments bei der
zuständigen Assistentin einzureichen (beachten Sie auch die Hinweise zum Protokoll).
5. Sollten Sie Fragen zur Auswertung haben, schreiben Sie mir gerne eine E-Mail ([email protected]) oder kommen Sie in meinem Labor vorbei (ITUC 114).
7. Literatur
[1] J. M. D. Rodriguez, J.A.H. Melian, J.P. Pena, Journal of Chemical Education 2000, 77, 1195-1197.
[2] G. Wedler, H.-J. Freund, Lehrbuch der Physikalischen Chemie, 6. vollst. überarb. und akt. Auflage,
Wiley VCH Weinheim, 2012.
[3] P. Kurzweil, Brennstoffzellentechnik, 2. vollst. überarb. und akt. Auflage, Springer Vieweg,
Wiesbaden, 2013.
[4] E. Riedel, C. Janiak, Anorganische Chemie, 7. Auflage, Walter De Gruyter, Berlin, 2007.
[5] A.F. Holleman, E. Wiberg, N. Wiberg, Lehrbuch der Anorganischen Chemie, 102. Auflage, Walter
De Gruyter, Berlin, 2007.
[6] http://www.bio-logic.info/assets/app%20notes/20101105%20%20application%20note%2011.pdf, 13.10.2015
[7] Materials Mates, Benutzerhandbuch Potentiostat M510.
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