14 LeiB und SeeLe frau und mutter o n 0 7. 0 8 | 15 Mit den enkelkindern auf urlaubstour oma-opa-enkel-reisen sind im trend 400 Kilometer trennen Günter (63) und Inge (61) aus der Nähe von Kassel von ihren Enkelkindern Max (11) und Lisa (9) in Lübeck. „Das ist ganz schön weit“, bedauert Inge, die gerne öfter Kontakt zu ihren Enkeln hätte, als nur an Geburts- und Feiertagen. „Es ist schwer, eine enge Beziehung aufzubauen, wenn man sich so selten sieht.“ Vor zwei Jahren entstand deshalb die Idee, die Sommerferien für eine gemeinsame Urlaubsfahrt zu nutzen. „Wir haben die Kinder in Lübeck abgeholt und sind eine Woche nach Dänemark gefahren“, berichtet Inge, die sich gerne erinnert: „Wir haben im Ferienhaus gemeinsam gekocht, Strandspaziergänge gemacht und Drachen steigen lassen.“ „Diese Form des Urlaubs hat in den letzten Jahren sehr an Bedeutung gewonnen“, sagt Professor Dr. Torsten Kirstges, Tourismusexperte an der Jade Hochschule in Wilhelmshaven. „Wir beobachten, dass immer mehr Reiseveranstalter speziell für die Zielgruppe Großeltern mit Enkeln Angebote aufbauen, es entsteht ein ganz neues Marktsegment.“ Und das aus gutem Grund: Der Blick auf die demografischen Zahlen zeigt, dass bis 2030 die Zahl der 60- bis unter 75-Jährigen um rund zwei Millionen Menschen steigen wird. Der Seniorentourismus gilt als ein rentabler Wachstumsmarkt. d i e g R O S S e Lt e R n g e n e R at i O n h at S i c h v e R ä n d e R t Früher war die Urlaubsplanung klar: In den Urlaub fahren Kinder mit ihren Eltern. Zu Oma und Opa geht es vielleicht nochmals für ein paar Tage zu Besuch. Nach Hause, versteht sich. Längere Fahrten oder gar gemeinsame Urlaube waren eher die Ausnahme. FM_0715_02-17_RZ.indd 14 fot o © F O t O F i n d e R . c O M . Pa uL BR ad Bu Ry. ca i ai MageS Von Bettina Levecke 02.06.15 10:41 15 „Das dreht sich aber gerade, denn die Großeltern von heute sind mit denen vor 30 oder 40 Jahren oft gar nicht mehr vergleichbar“, sagt Prof. Kirstges. Viele Großeltern sind, wenn die Enkel kommen, gerade mal 60plus. „Die fühlen sich noch nicht ansatzweise alt, sind auch mit 70 oft noch sehr fit.“ Und für viele Menschen dieser Generation gehörten Reisen schon immer zum Leben dazu – warum also nicht auch mit den Enkeln? „Die Generation der heutigen Rentner und Pensionäre ist sehr reiseerfahren“, sagt Kirstges. „Die trauen sich Touren mit ihren Enkelkindern zu und wollen auch etwas von ihrem Wissen weitergeben.“ Reisen, so beobachtet der Experte, werde heute – gerade innerhalb von Familien – ganz gezielt als Beziehungspflege genutzt: „Früher hat man sich gegenseitig zu Hause besucht, heute fährt man miteinander weg, um sich näherzukommen.“ Die Reise mit Oma und Opa als Quality-Time? Kirstges bejaht: „Reisen sorgen für eine gezielte Auszeit aus dem Alltag, wann hat eine Familie das sonst?“ Zu Hause, an Geburts- und Feiertagen sei es in der Regel viel zu hektisch, um wirklich Zeit füreinander zu finden. „Besonders bei Großeltern, die weit weg wohnen, wächst dann der Wunsch, wirklich mal konzentriert und intensiv Zeit mit den Enkeln zu haben – und das geht dann eben am besten, wenn man gemeinsam verreist.“ fot o © F O t O F i n d e R . c O M . Pa uL BR ad Bu Ry. ca i ai MageS uRL auBSwünSche nicht üBeRStüR zen Zudem: In vielen Familien sind beide Eltern berufstätig. Oster-, Sommer-, Herbst- und Weihnachtsferien stellen Eltern immer wieder vor echten Betreuungsherausforderungen. „Wenn Oma und Opa dann mit den Kids die Koffer packen, kann das eine große Erleichterung sein“, sagt Ursula Lenz, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen e.V. (BAGSO) in Bonn. Vorausgesetzt, die Kinder sind einverstanden: „Wenn Oma und Opa sehr weit weg wohnen und sonst im Leben der Kinder eine eher geringfügige Rolle spielen, sollte so ein gemeinsamer Urlaub aber nicht überstürzt werden“, warnt Lenz. „Die Kinder müssen sich ja auch wohl fühlen, sonst droht schon nach kurzer Zeit das große Heimweh.“ Bei jüngeren Kindern und solchen, die man nicht so häufig sieht, rät die Exper- FM_0715_02-17_RZ.indd 15 reisetipps für Grosseltern felicitas römer, familientherapeutin aus Hamburg Müssen Oma und Opa sich im urlaub an die Regeln der eltern halten, auch wenn die gar nicht dabei sind? Großeltern müssen ihre enkel ja nicht erziehen. es gehört zu ihrem privileg, dass sie einfach da sein dürfen. für einen gemeinsamen urlaub bedeutet das aber nicht, dass es keine regeln gibt, sie können aber anders sein als zu Hause bei den eltern. es ist für kinder auch eine gute erfahrung zu erleben, dass andere Menschen andere Vorstellungen haben und dass es nicht überall wie zu Hause läuft. was können großeltern tun, wenn die enkel heimweh haben? lassen sie sich am besten schon vorher von den eltern erzählen, was das kind am besten tröstet, ob es vielleicht ein kuscheltier zum einschlafen braucht oder ein bestimmtes buch. sehr hilfreich sind auch übergangsobjekte, z.b. ein kuschelshirt von der Mama, das mit in den koffer kommt. Wenn es dann tatsächlich zur sehnsucht nach Hause kommt, sollten Großeltern ganz viel Verständnis, trost und Zuwendung schenken. dann geht das Heimweh auch wieder vorbei. und was hilft im Streitfall? bei streit gilt zunächst: nicht gleich kapitulieren oder den urlaub für gescheitert erklären, sondern einfach als gegeben hinnehmen. Großeltern sollten ruhig und besonnen agieren und auch nicht sofort die eltern kontaktieren, denn die eltern machen sich dann oft unnötige sorgen. erst wenn der streit nicht zu schlichten ist und die beteiligten nicht mehr zueinanderfinden oder das kind dauerhaft unglücklich ist, kann es sinnvoll sein, den urlaub abzubrechen. erzwingen kann man Harmonie nicht. tin dazu, mit vertrauensschaffenden Maßnahmen anzufangen: „Sinnvoll kann es z.B. sein, die erste Reise gemeinsam mit den Eltern zu machen.“ Danach könnte ein gemeinsamer Wochenendausflug oder Kurztrip schon mal für einen Vorgeschmack sorgen. „Die erste längere Urlaubsfahrt sollte dann vielleicht auch nicht gleich nach Italien gehen“, sagt Lenz. Besser sei es, einen Urlaubsort zu wählen, der im Notfall in kurzer Zeit von den Eltern erreicht werden kann. daS a u n d O iSt ein e gute PL an u n g Bei der Wahl der Reise sei es wichtig, die unterschiedlichen Bedürfnisse zu beachten: „Wenn Großeltern und Enkel miteinander verreisen, treffen schnell sehr verschiedene Erwartungen aufeinander, für die man Kompromisse finden muss“, sagt Professor Kirstges. Ehrlichkeit, auch sich selbst gegenüber, sei bei der Planung sehr wichtig: Was nützt es, mit dem Enkel am Abenteuerstrand zelten zu gehen, wenn nach einer Nacht Kopf und Rücken schmerzen? „Die ältere Generation wünscht sich in der Regel einen gewissen Komfort und auch die Möglichkeit nach Ruhe und Wellness“, sagt der Experte und gibt zu Bedenken: „Das sind Dinge, die mit kleineren Kindern häufig nur schwer zu vereinbaren sind.“ Hilfreich könnten dann spezielle Reiseangebote sein, die Großeltern in der Betreuung der Enkel entlasten, etwa mit einem Kids-Club oder regelmäßigem Animationsprogramm. Wer lieber ins selbstorganisierte Ferienhaus geht, sollte zumindest nach Angeboten für Kinder in der Nähe schauen, nach Spielplätzen oder Schwimmbädern, rät Lenz. Sinnvoll könne es auch sein, noch nicht mit den ganz kleinen Enkeln in den Urlaub zu fahren, sondern zu warten, bis sie etwas größer sind und sich auch selbst beschäftigen können. Inge und Günter haben die nächste Reise bereits geplant, und zwar gemeinsam mit ihren Enkelkindern per E-Mail. Alle haben ihre Wünsche aufgeschrieben und ausgetauscht, und dann fiel eine gemeinsame Entscheidung für eine Woche im Harz – inklusive einiger Kompromisse. Für die Kinder gehen Oma und Opa mit in die Tropfsteinhöhle und ins Spaßbad. Dafür gibt es im Gegenzug jeden Tag zwei Stunden Mittagspause. 02.06.15 10:41
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