PDF Ansicht bitte klicken - Redaktionsbüro Bettina Levecke

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LeiB und SeeLe
frau und mutter
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Mit den enkelkindern
auf urlaubstour
oma-opa-enkel-reisen sind im trend
400 Kilometer trennen Günter (63) und
Inge (61) aus der Nähe von Kassel von
ihren Enkelkindern Max (11) und Lisa
(9) in Lübeck. „Das ist ganz schön
weit“, bedauert Inge, die gerne öfter
Kontakt zu ihren Enkeln hätte, als nur
an Geburts- und Feiertagen. „Es ist
schwer, eine enge Beziehung aufzubauen, wenn man sich so selten sieht.“ Vor
zwei Jahren entstand deshalb die Idee,
die Sommerferien für eine gemeinsame Urlaubsfahrt zu nutzen. „Wir haben
die Kinder in Lübeck abgeholt und sind
eine Woche nach Dänemark gefahren“,
berichtet Inge, die sich gerne erinnert:
„Wir haben im Ferienhaus gemeinsam
gekocht, Strandspaziergänge gemacht
und Drachen steigen lassen.“
„Diese Form des Urlaubs hat in den
letzten Jahren sehr an Bedeutung gewonnen“, sagt Professor Dr. Torsten
Kirstges, Tourismusexperte an der
Jade Hochschule in Wilhelmshaven.
„Wir beobachten, dass immer mehr
Reiseveranstalter speziell für die Zielgruppe Großeltern mit Enkeln Angebote aufbauen, es entsteht ein ganz neues Marktsegment.“ Und das aus gutem
Grund: Der Blick auf die demografischen Zahlen zeigt, dass bis 2030 die
Zahl der 60- bis unter 75-Jährigen um
rund zwei Millionen Menschen steigen
wird. Der Seniorentourismus gilt als
ein rentabler Wachstumsmarkt.
d i e g R O S S e Lt e R n g e n e R at i O n
h at S i c h v e R ä n d e R t
Früher war die Urlaubsplanung klar:
In den Urlaub fahren Kinder mit ihren
Eltern. Zu Oma und Opa geht es vielleicht nochmals für ein paar Tage zu
Besuch. Nach Hause, versteht sich.
Längere Fahrten oder gar gemeinsame
Urlaube waren eher die Ausnahme.
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Von Bettina Levecke
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„Das dreht sich aber gerade, denn die
Großeltern von heute sind mit denen
vor 30 oder 40 Jahren oft gar nicht
mehr vergleichbar“, sagt Prof. Kirstges. Viele Großeltern sind, wenn die
Enkel kommen, gerade mal 60plus.
„Die fühlen sich noch nicht ansatzweise alt, sind auch mit 70 oft noch sehr
fit.“ Und für viele Menschen dieser Generation gehörten Reisen schon immer
zum Leben dazu – warum also nicht
auch mit den Enkeln? „Die Generation
der heutigen Rentner und Pensionäre
ist sehr reiseerfahren“, sagt Kirstges.
„Die trauen sich Touren mit ihren Enkelkindern zu und wollen auch etwas
von ihrem Wissen weitergeben.“
Reisen, so beobachtet der Experte,
werde heute – gerade innerhalb von Familien – ganz gezielt als Beziehungspflege genutzt: „Früher hat man sich
gegenseitig zu Hause besucht, heute
fährt man miteinander weg, um sich näherzukommen.“ Die Reise mit Oma und
Opa als Quality-Time? Kirstges bejaht:
„Reisen sorgen für eine gezielte Auszeit
aus dem Alltag, wann hat eine Familie
das sonst?“ Zu Hause, an Geburts- und
Feiertagen sei es in der Regel viel zu
hektisch, um wirklich Zeit füreinander
zu finden. „Besonders bei Großeltern,
die weit weg wohnen, wächst dann der
Wunsch, wirklich mal konzentriert und
intensiv Zeit mit den Enkeln zu haben
– und das geht dann eben am besten,
wenn man gemeinsam verreist.“
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Zudem: In vielen Familien sind beide Eltern berufstätig. Oster-, Sommer-,
Herbst- und Weihnachtsferien stellen Eltern immer wieder vor echten Betreuungsherausforderungen. „Wenn Oma
und Opa dann mit den Kids die Koffer
packen, kann das eine große Erleichterung sein“, sagt Ursula Lenz, Sprecherin
der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen e.V. (BAGSO) in
Bonn. Vorausgesetzt, die Kinder sind
einverstanden: „Wenn Oma und Opa
sehr weit weg wohnen und sonst im Leben der Kinder eine eher geringfügige
Rolle spielen, sollte so ein gemeinsamer
Urlaub aber nicht überstürzt werden“,
warnt Lenz. „Die Kinder müssen sich ja
auch wohl fühlen, sonst droht schon
nach kurzer Zeit das große Heimweh.“
Bei jüngeren Kindern und solchen, die
man nicht so häufig sieht, rät die Exper-
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reisetipps
für Grosseltern
felicitas römer,
familientherapeutin aus Hamburg
Müssen Oma und Opa sich im urlaub
an die Regeln der eltern halten, auch
wenn die gar nicht dabei sind?
Großeltern müssen ihre enkel ja nicht
erziehen. es gehört zu ihrem privileg,
dass sie einfach da sein dürfen. für
einen gemeinsamen urlaub bedeutet
das aber nicht, dass es keine regeln
gibt, sie können aber anders sein als
zu Hause bei den eltern. es ist für
kinder auch eine gute erfahrung zu
erleben, dass andere Menschen andere
Vorstellungen haben und dass es nicht
überall wie zu Hause läuft.
was können großeltern tun, wenn
die enkel heimweh haben?
lassen sie sich am besten schon vorher
von den eltern erzählen, was das kind
am besten tröstet, ob es vielleicht ein
kuscheltier zum einschlafen braucht
oder ein bestimmtes buch. sehr
hilfreich sind auch übergangsobjekte,
z.b. ein kuschelshirt von der Mama,
das mit in den koffer kommt. Wenn es
dann tatsächlich zur sehnsucht nach
Hause kommt, sollten Großeltern ganz
viel Verständnis, trost und Zuwendung
schenken. dann geht das Heimweh
auch wieder vorbei.
und was hilft im Streitfall?
bei streit gilt zunächst: nicht gleich
kapitulieren oder den urlaub für
gescheitert erklären, sondern einfach
als gegeben hinnehmen. Großeltern
sollten ruhig und besonnen agieren und
auch nicht sofort die eltern kontaktieren, denn die eltern machen sich dann
oft unnötige sorgen. erst wenn der
streit nicht zu schlichten ist und die
beteiligten nicht mehr zueinanderfinden
oder das kind dauerhaft unglücklich
ist, kann es sinnvoll sein, den urlaub
abzubrechen. erzwingen kann man
Harmonie nicht.
tin dazu, mit vertrauensschaffenden
Maßnahmen anzufangen: „Sinnvoll
kann es z.B. sein, die erste Reise gemeinsam mit den Eltern zu machen.“ Danach
könnte ein gemeinsamer Wochenendausflug oder Kurztrip schon mal für einen
Vorgeschmack sorgen. „Die erste längere
Urlaubsfahrt sollte dann vielleicht auch
nicht gleich nach Italien gehen“, sagt
Lenz. Besser sei es, einen Urlaubsort zu
wählen, der im Notfall in kurzer Zeit von
den Eltern erreicht werden kann.
daS a u n d O iSt ein e gute PL an u n g
Bei der Wahl der Reise sei es wichtig,
die unterschiedlichen Bedürfnisse zu
beachten: „Wenn Großeltern und Enkel
miteinander verreisen, treffen schnell
sehr verschiedene Erwartungen aufeinander, für die man Kompromisse finden muss“, sagt Professor Kirstges.
Ehrlichkeit, auch sich selbst gegenüber,
sei bei der Planung sehr wichtig: Was
nützt es, mit dem Enkel am Abenteuerstrand zelten zu gehen, wenn nach
einer Nacht Kopf und Rücken schmerzen? „Die ältere Generation wünscht
sich in der Regel einen gewissen Komfort und auch die Möglichkeit nach
Ruhe und Wellness“, sagt der Experte
und gibt zu Bedenken: „Das sind Dinge,
die mit kleineren Kindern häufig nur
schwer zu vereinbaren sind.“ Hilfreich
könnten dann spezielle Reiseangebote
sein, die Großeltern in der Betreuung
der Enkel entlasten, etwa mit einem
Kids-Club oder regelmäßigem Animationsprogramm. Wer lieber ins selbstorganisierte Ferienhaus geht, sollte zumindest nach Angeboten für Kinder in
der Nähe schauen, nach Spielplätzen
oder Schwimmbädern, rät Lenz. Sinnvoll könne es auch sein, noch nicht mit
den ganz kleinen Enkeln in den Urlaub
zu fahren, sondern zu warten, bis sie
etwas größer sind und sich auch selbst
beschäftigen können.
Inge und Günter haben die nächste
Reise bereits geplant, und zwar gemeinsam mit ihren Enkelkindern per
E-Mail. Alle haben ihre Wünsche aufgeschrieben und ausgetauscht, und
dann fiel eine gemeinsame Entscheidung für eine Woche im Harz – inklusive einiger Kompromisse. Für die Kinder gehen Oma und Opa mit in die
Tropfsteinhöhle und ins Spaßbad. Dafür gibt es im Gegenzug jeden Tag zwei
Stunden Mittagspause.
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