Prozesstaktik SS 2015 Handout 5

Dipl.-Volkswirt Dr. jur. Thomas Kaiser
Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer
Fachanwalt für SteuerR und InsoR
Kaiser & Sozien Partnerschaft
Wilhelmstrasse 1 b, 79098 Freiburg
www.kaisersozien.de
6. July y
Anwaltliche Prozesstaktik
- SPB 2 SOMMERSEMESTER 2015
HS 3042
02.07.2015
8.
Die voraussichtlich unbegründete Klage
Literatur:
Oberheim, Erfolgreiche Taktik im Zivilprozeß, 5. Aufl. 2011, S. 554 559
Fälle:
• Von vorne herein keine Erfolgsaussichten
• Nachträgliche Erfüllung
Verhalten bei aussichtsloser Prozesslage:
• Klagerücknahme
• Klageverzicht
• Parteienänderung
• Erledigungserklärung
• Vergleich
Anwaltliche Prozesstatik, 2015
Dr. Thomas Kaiser
Teil 5
•
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Versäumnisurteil
Verhalten bei nachträglicher Erfüllung
• Nach Rechtshängigkeit
o Erledigungserklärung
o Klageänderung auf Kostenersatz
o Klageverzicht
o Klagerücknahme
• Zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit
o Klagerücknahme mit Kostenantrag
o Klageänderung auf Zahlung der entstandenen Kosten
o Klageänderung
auf
Feststellung
der
Kostentragungspflicht
9.
Die Klageerwiderung
Literatur:
E. Schneider, Die Klage im Zivilprozeß, 3. Aufl. 2007, S. 491 - 506
9.1.
Die “Grundsatzprüfung”
Ist der Klageanspruch dem Grund und/oder der Höhe nach
streitig
Ist die Klage (bei unstreitigem Klagevorbringen) unschlüssig
Kostenrisiko
9.2.
Verteidigungsmöglichkeiten
9.2.1. Taktische Überlegungen
•
Aussichtslose Prozesslage
o Vergleich (außergerichtlich/Prozeßvergleich)
o Klaglosstellung
o Versäumnisurteil
o Anerkenntnis iSd. § 307 ZPO
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o Erledigungserklärung
•
Klage mit Erfolgsaussichten
o “formelle Verteidigung” (Verfahrensrügen)
o inhaltliche – materielle - Verteidigung
Bestreiten
• Einfaches Bestreiten
• Substantiiertes Bestreiten
• Bestreiten mit Nichtwissen
• Nichtbestreiten
Geltendmachung von Gegenrechten
• Zurückbehaltungsrecht
• Aufrechnung
• Widerklage
9.2.2. Anerkenntnis
idR. günstiger als
Versäumnisurteil
streitiges
Urteil
aber
teurer
als
Kostentragung bei sofortigem Anerkenntnis (§ 93 ZPO)
• Regelmäßig spätestens in der ersten mündlichen
Verhandlung
• Bei schriftlichem Verfahren im ersten Schriftsatz (§ 307
Abs. 2 Satz 1 ZPO)
• Bei schriftlichem Vorverfahren (§ 276 ZPO) innerhalb der
Notfrist zur Verteidigungsanzeige (str.)
• Kein Bestreiten der Forderung (!)
• Keine Veranlassung zur Klageerhebung
Achtung: Anerkenntnisurteil ist wie Versäumnisurteil nach §
708 Nr. 1 + 2 ZPO ohne Sicherheitsleistung und sofort
vollstreckbar!
9.3.
Inhalt der Klageerwiderung
Bestandteile der Klageerwiderung (§§ 277 Abs. 1, 130 ZPO)
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Teil 5
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Kurzrubrum,
Anträge,
Erklärung zur Entscheidung durch den Einzelrichter,
Tatsachenvortrag,
Rechtsausführungen
Unterschrift
Anträge:
• Sachanträge / Vollstreckungsschutzanträge
• Klageabweisung ist kein echter Sachantrag
• Vollstreckungsschutzanträge idR schlicht überflüssig
9.4.
Verfahrensrügen
Verzichtbare und nicht-verzichtbare Verfahrensmängel
Verzichtbare Verfahrensmängel (Beispiele):
• Ordnungsmäßigkeit der Klageerhebung
• Örtliche und sachliche Zuständigkeit
• Nichteinhalten der Einlassungsfrist
• Fehlende Ausländersicherheit
• Einrede des Schiedsvertrages
Nicht-verzichtbare Verfahrensrügen, § 295 Abs. 2 ZPO
• Prozessvoraussetzungen
• Funktionale Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts
• Einhaltung von Notfristen
• Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand
• Vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts
Rüge nach § 282
Klageerwiderungsfrist
Abs.
3
ZPO
innerhalb
der
Damit fehlerhafte Prozesshandlungen gem. § 295 ZPO zT
heilbar
Prozesshandlungen:
sämtliche
prozessgestalltende
Betätigungen, die auf den Prozess einwirken
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Teil 5
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9.5.
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Das Bestreiten, § 138 ZPO
Bestreiten ist die Erklärung, eine Behauptung der
Gegenseite sei unrichtig, falsch, nicht zutreffend oder
dergleichen
Formen
• Ausdrückliches und konkludentes Bestreiten (Abs. 3)
• Einfaches und substantiiertes Bestreiten (Abs. 2)
• Bestreiten mit Nichtwissen (Abs. 4)
9.5.1.
Nichtbestreiten und Geständnis, § 288 ZPO
Bleiben Behauptungen des Gegners unbestritten, sind diese
als zugestanden anzusehen (§ 138 Abs. 3 ZPO). Insoweit
wird ein Geständnis fingiert (§ 288 ZPO).
Schweigen ist grds. kein Geständnis, aber Risiko der
Fehlinterpretation durch das Gericht
Keine Bindungswirkung, § 290 ZPO, so dass es im Prinzip
wieder beseitigt werden kann.
9.5.2.
Bestreiten und substantiiertes Bestreiten
Ausdrückliches vs. konkludentes Bestreiten.
UU. eine zum Vortrag des Gegners abweichende
Gegendarstellung erforderlich. Richtet sich nach den
Umständen des Einzelfalles
Substantiiertes Bestreiten, wenn verschiedene Handllungen
oder Erklärungen in Betracht kommen oder wenn im
Einzelfall zumutbar idF. der sog. sekundären Beweislast
Sekundäre Beweislast vor allem bei negative Tatsachen,
d.h.,
das
Gesetz
mach
ihr
Nichtvorliegen
zur
Anspruchsvoraussetzung
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9.5.3.
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Bestreiten mit Nichtwissen
Substantiiertes Bestreiten nicht erforderlich in den Fällen,
wenn es sich um Tatsachen handelt, die weder eigene
Handlung der Partei, noch Gegenstand ihrer eigenen
Wahrnehmung gewesen sind.
In diesen Fällen steht die Erklärung des Nichtwissens dem
Bestreiten gleich
Folge: Kläger muss Tatsachen beweisen
Vor Erklärung des Nichtwissens hohe Informationspflicht
Informationspflicht insbesondere
• Bei Vorhandensein von Unterlagen
• Bei unter Aufsicht und Verantwortung oder Anleitung der
Partei tätig gewesener Person
• Bei Vorgängen im eigenen Geschäftsbereich
• Bei Forderungsabtretung und Prozessstandschaft des
ursprünglichen Rechtsinhabers
• Bei Kreditkartengeschäften
Nichtwissen ist glaubhaft insbesondere bei
• Zeitlich lange zurückliegenden Vorgängen ohne
vorhandene Unterlagen
• Bei alters- oder krankheitsbedingten Erinnerungslücken
• Bei täglicher Beschäftigung mit einer Vielzahl von
ähnlichen Fällen
• Bei für die Partei unbedeutenden Tatsachen
9.6.
Das Geltendmachen von Gegenrechten
Literatur:
Oberheim, Erfolgreiche Taktik im Zivilprozeß, 5. Aufl. 2011, S. 229 –
265
E. Schneider, Die Klage im Zivilprozeß, 3. Aufl. 2007, S. 491 - 506
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Teil 5
Seite 8
9.6.1. Vorbemerkung
Einreden stellen den Anspruch als solchen nicht in Frage
sondern verweigern die Leistung zeitlich begrenzt oder
unbegrenzt.
Gegenrechte müssen konkret benannt werden, Beispiel
Werkvertrag:
Wandelung,
Minderung,
Schadensersatz,
Nachbesserung, Einwand der fehlenden Fälligkeit
Geltendmachung von Gegenrechten grundsätzlich in der 1.
Instanz, § 531 Nr. 2 ZPO
9.6.2. Rücktritt vom Vertrag
Vorüberlegung: Vertrag ganz, teilweise oer nicht erfüllt?
Folgen des Rücktritts beachten!
Beispiel: sog. Schrottimmobilien: Rücktritt vom Darlehensvertrag
führt zur sofortigen Rückzahlung des Kaufpreisdarlehens bei
gleichzeitiger Unveräußerbarkeit der Immobilie
9.6.3. Erfüllung
Ist vom Beklagten darzulegen und zu beweisen
Problem des § 366 BGB, Leistungsbestimmungsrecht und
Anrechnungsregelung
9.6.4. Aufrechnung
Aufrechnung ist Verteidigungs- und kein Angriffsmittel iSd. §§
296, 282 ZPO
Wegen § 322 ZPO (Rechtskraftwirkung) ist genaue Angabe der
Forderung erforderlich
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Zur Aufrechnung
rechtshängig
gestellte
Seite 9
Forderungen
werden
Formen der Aufrechnung:
• Haupt- oder Primäraufrechnung: nur bei
Klageanspruch
• Hilfsaufrechnung: Bedingte Rechtshandlung
nicht
unstreitigem
Kosten
9.6.5. Gewährleistung
Vorab gewünschte Rechtsfolgen klären
Beweisfragen hängen von Rechtsfolgen ab
10.
Die Widerklage
Literatur:
Oberheim, Erfolgreiche Taktik im Zivilprozeß, 5. Aufl. 2011, S. 253 –
256
E. Schneider, Die Klage im Zivilprozeß, 3. Aufl. 2007, S. 84
Angriffs- und kein Verteidigungsmittel (Gegenangriff) iSd. §§ 282,
296 ZPO; damit bis zur letzten mündlichen Verhandlung zulässig
Prozessvoraussetzungen:
• Hauptklage rechtshängig
• Allg. Prozessvoraussetzungen gegeben
• Widerklage id anhängigen Prozessart zulässig
• Zusammenhang mit dem klageweise geltend gemachten
Anspruch
• Kein anderer ausschließlicher Gerichtsstand
• Widerklage geht über Klage hinaus
Erwägungen im Zusammenhang mit der Widerklage (bspw):
• Ausschalten von Zeugen
• Rückgewähr von etwas bereits geleistetem
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Teil 5
•
•
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Verhinderung eines Verfahrens nach § 495 a ZPO
Vermeidung einer Präklusion (Flucht in die Widerklage)
Widerklage ist idR oportun bei
• Aufrechnungsverbot
• Zug-um-Zug-Leistungen
11.
Die Streitverkündung
Literatur:
Oberheim, Erfolgreiche Taktik im Zivilprozeß, 5. Aufl. 2011, S. 265 –
266
E. Schneider, Die Klage im Zivilprozeß, 3. Aufl. 2007, S. 219 - 234
11.1. Vorbemerkung
Prozesshandlung, zulässig bis zum rechtskräftigen Abschluss
des Rechtsstreits
Die förmliche Benachrichtigung eines am Prozess nicht
beteiligten Dritten von der Anhängigkeit eines Prozesses durch
eine Partei (Streitverkünder), grundlegenden BGH, NJW 1983,
820
Streitverkündungsgrund (§ 72 ZPO), erforderlich und
ausreichend, das seine Partei für den Fall des ungünstigen
Ausgangs des Rechtsstreits gegen einen Dritten einen Anspruch
erheben kann
Auch freiwillige Streitverkündungsvereinbarung möglich, aber
selten
Entsprechende Wirkung durch sog. Nebenintervention, § 66 ZPO
Streitverkündung ist von Amts wegen zu berücksichtigen (streitig,
aber h.M.)
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Teil 5
Seite 11
11.2. Die Wirkungen der Streitverkündung
11.2.1 Materiellrechtlich
Verjährungshemmung (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB) = Verjährung
endet 6 Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder
anderweitigen Beeindigung des Verfahrens
Wirkung der Streitverkündung entfällt nicht mehr rückwirkend! (§
240 Abs. 2 BGB a.F.
11.2.2 Prozessual
Interventionswirkung (§ 74 Abs. 3, 68 ZPO)
Der Dritte wird im Folgeprozess nicht mehr mit dem Einwand
gehört, der vorangegangene Prozess sei falsch entschieden
worden
Interventonswirkung nur zugunsten, nie zulasten des
Verkündenden und auch nur bezüglich positive festgestellter
Tatsachen
11.3. Voraussetzungen
•
•
•
•
Feststellungen im Folgeprozess sind zwischen dem
Streitverkünder und dem Dritten streitig
Die vorherige Entscheidung beruht auf der Feststellung
Im Vorprozess ist eine rechtskräftige Entscheidung ergangen
Die Streitverkündung ist wirksam
11.4. Vermeidung der Interventionswirkung
Einrede mangelhafter Prozessführung, § 68, 2. HS ZPO, jedoch
nur, wenn der Streithelfer den Fehler des Streithelfers nicht
selbst korrigieren konnte (BGH; NJW 1967, 293)
Widersprüchliches Vorbringen des Streitverkünders
Folgeprozess; Fall des venire contra factum proprium
im
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Seite 12
Wenn für den Folgeprozess ein anderer Rechtsweg gegeben ist
(BGHZ 123, 44ff., str.)
11.5. Fallgruppen
•
•
•
Ansprüche aus Gewährleistung
Regressansprüche
Anprüche aus alternative Schuldnerschaft
11.6. Reaktionsmöglichkeiten des Dritten
•
Untätigkeit oder Ablehnung des Beitritts
o Interventionswirkung bleibt bestehen
o Unwirksamkeit muß im Folgeprozess in der ersten
mündlichen Verhandlung gerügt werden, sonst Heilung
(§ 295 ZPO)
o Keine Kostenerstattung
•
Beitritt auf der Seite des Verkünders
o Kann grundsätzlich alle Prozesshandlungen selbst
vornehmen, die die unterstütze Partei vornehmen
könnte (§§ 67, 74 Abs. 1 ZPO)
o Kein Widerspruch zur Hauptpartei
o Prüfung
der
Wirksamkeit/Zulässigkeit
der
Streitverkündung nur auf Antrag
•
Beitritt auf der Seite des Gegners
o Interventionswirkung
wie
Verkündenden
bei
Beitritt
beim
Kostenrisiken
• Kosten des Dritten träg niemals die unterstützte Partei
• Ansonsten vom Ausgang und vom Beitritt abhängig