Ein trügerischer Husten

WAS IST IHRE DIAGNOSE?
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Symptomkonstellation Status febrilis, Husten und Gewichtsabnahme
Ein trügerischer Husten
Oriane Aebischer, Jean-William Fitting, Gérard Waeber
Abteilung für Innere Medizin, Waadtländisches Universitätsspital CHUV, Lausanne
Fallbeschreibung
wies einen Status febrilis von 38,5 °C ohne Schüttel-
Der junge 36-jährige, nichrauchende Patient konsultierte seinen behandelnden Arzt aufgrund eines
trockenen, seit drei Wochen bestehenden Hustens
mit reduziertem Allgemeinzustand, abwechselndem
Hitze- und Kältegefühl (Fieber nicht gemessen) sowie
Belastungsdyspnoe. Die klinische Untersuchung ergab Rasselgeräusche im rechten basalen Lungensegment. Infolgedessen wurde die Diagnose «ambulant
erworbene Pneumonie» gestellt und eine Behandlung mit Clarithromycin begonnen. Da sich Allgemeinzustand und Dyspnoe weiter verschlechterten,
konsultierte der Patient zwei Tage später erneut seinen behandelnden Arzt. Die klinische Untersuchung
stimmte mit der ersten überein, die Laboruntersuchungen ergaben Entzündungszeichen (Leukozyten
frost auf. Die klinische Untersuchung war unauffällig.
Das Thoraxröntgenbild (Abb. 1) zeigte eine diffuse
bilaterale basale Verdichtung sowie ein Silhouettenphänomen, eine basale retikuläre Gefässzeichnung
rechts sowie eine Verschattung des Recessus costodiaphragmaticus beidseits.
Frage 1
Welche der folgenden Untersuchungen gehört nicht zur Erst­
untersuchung?
a) Sputumkultur
b) Urinantigentest auf Legionellen und Pneumokokken
c) Anlage von Blutkulturen
d) HIV­Test
e) Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage
11 g/l und CRP 46 mg/l), und bei der Röntgen-Tho-
Aufgrund des Hustens, der Dyspnoe, des Status febri-
rax-Untersuchung wurde ein Infiltrat im rechten ba-
lis und des radiologisch nachgewiesenen Infiltrats
salen Lungensegment festgestellt. Daraufhin wurde
wurde erneut eine ambulant erworbene Pneumonie
die Antibiose mit Clarithromycin unter gleichzei-
diagnostiziert. Bei der Erstuntersuchung erfolgte die
tiger Gabe von Co-Amoxicillin fortgesetzt. Nach fünf-
Anlage einer Sputumkultur und von Blutkulturen,
tägiger Antibiotikatherapie war noch immer keine
die, ebenso wie der Urinantigentest auf Legionellen
Besserung eingetreten, weshalb der Patient ins Spital
und Pneumokokken, negativ waren. Auch der HIV-
eingewiesen wurde. Bei der Aufnahme klagte er über
Test fiel negativ aus. Unter intravenöser Behandlung
Dyspnoe bei der geringsten Anstrengung, trockenen
mit Co-Amoxicillin und Clarithromycin besserte
Husten ohne Expektorationen bzw. Hämoptyse und
sich der Zustand des Patienten zusehends, das Fieber
Abbildung 1: Thoraxröntgenbild bei Eintritt.
Abbildung 2: Thoraxröntgenbild bei Spitalentlassung.
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A
B
Abbildungen 3A und B: CT­Thorax: Hauptsächlich in den unteren Lungenabschnitten vorkommende Mikronoduli.
klang ab, Dyspnoe und Husten gingen deutlich zu-
wurde der Verdacht auf eine Neoplasie der Lunge ge-
rück, und auch radiologisch war eine Verringerung
äussert, die jedoch angesichts der Symptomkonstel-
der bilateralen basalen Verdichtung sichtbar (Abb. 2).
lation unwahrscheinlicher als eine Tuberkulose war,
Eine Bronchoskopie mit Probenentnahme zur bakte-
insbesondere, da der Patient eine Reise nach Afrika
riologischen Untersuchung wurde in dieser Phase als
unternommen hatte. Daher wurde kein PET-Scan
inadäquat angesehen. Demzufolge konnte der Pati-
durchgeführt. Die Untersuchung auf säurefeste Stäb-
ent nach Hause entlassen werden.
chen in drei aufeinanderfolgenden Sputumproben
Leider kam es dort erneut zu einer Zustandsver-
fiel negativ aus. Beim abschliessenden Thorax-CT
schlechterung mit Rezidiv: Status febrilis, trockener
(Abb. 3A und B) wurden Mikronoduli, hauptsächlich
Husten und Dyspnoe bei der geringsten Anstrengung.
in den unteren Lungenabschnitten, bilaterale Pleura-
Ferner berichtete der Patient einen Gewichtsverlust
ergüsse und eine Atelektase des linken laterobasalen
von 5 kg in drei Wochen, Nachtschweiss und erneute
Lungensegments festgestellt.
Asthenie. Er gab zudem an, dass seine Ehefrau seit
Angesichts der CT-Bilder wurde eine Miliartuberku-
24 Stunden an einer submandibulären Lymphadeno-
lose vermutet, weshalb eine bronchoalveoläre Lavage
pathie leide und am selben Tag ebenfalls den Arzt auf-
durchgeführt wurde. Die Zellverteilung war wie folgt:
suchen werde. Bei der Anamnese wurden keine spezi-
41 × 106 Zellen, davon 39% Lymphozyten (Normwert
fische Ansteckungsquelle, kein Kontakt mit Tieren
<12%), 35% Neutrophile (Normwert <3%), 23% Makro-
und keine verdächtige berufliche Exposition festge-
phagen (Normwert >85%), 0% Eosinophile (Norm-
stellt. Der Patient gab an, dass er vor zwei Jahren eine
wert <0,5%) und 3% Bronchialzellen (Normwert <10%).
vierwöchige Kongoreise unternommen hatte. Die kli-
Die zytopathologische Untersuchung ergab eine
nische Untersuchung war unauffällig.
leichte chronische Entzündung, keinerlei Malignitäts-
Frage 2
feste Stäbchen. Die PCR auf Mycobacterium tuberculosis
anzeichen oder Anzeichen für Granulome und säureund der T-Spot-TB-Test waren negativ. Angesichts
Welche Zusatzuntersuchung erscheint Ihnen in diesem Stadium
am wenigsten zielführend?
a) eine Laboruntersuchung (BSG und CRP)
b) ein Thorax­CT
c) ein PET­Scan
d) eine Untersuchung auf säurefeste Stäbchen in drei aufein­
anderfolgenden Sputumproben und ein T­Spot­TB­Test
e) eine Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage und
transbronchialer Biopsie
der zentrolobulären Anordnung der Mikronoduli, der
negativen PCR auf Mycobacterium tuberculosis sowie
des negativen T-Spot-TB-Tests bei einem immunkompetenten Patienten konnte die Diagnose Tuberkulose
vollständig ausgeschlossen werden.
Die Anordnung der Mikronoduli kann einen Hinweis
zur Diagnose liefern. Eine diffuse Anordnung ist ein
Anzeichen für eine Miliartuberkulose, karzinomatöse
Die Laboruntersuchung ergab noch immer Entzün-
oder infektiöse Genese, während eine perilymphati-
dungszeichen (Leukozyten 27 g/l, CRP 24 mg/l). Es
sche Anordnung an die Differentialdiagnosen Sarkoi-
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dose, Silikose und karzinomatöse Lymphangitis den-
Diskussion
ken lassen. Eine zentrolobuläre Anordnung wie bei
unserem Patienten weist hingegen auf eine infek-
Die exogene allergische Alveolitis, auch hypersensi-
tiöse oder entzündliche Bronchiolitis hin [1].
tive Pneumonitis genannt, ist eine granulomatöse,
Da der Patient jung und in gutem Allgemeinzustand
nicht nekrotisierende Entzündung, die durch die
war, wurde beschlossen, die Untersuchungen ambu-
wiederholte Exposition gegenüber einem Antigen
lant fortzuführen. 48 Stunden nach seiner Entlassung
verursacht wird [1].
kam dieser mit einem erneuten Rezidiv, trockenem
Dabei handelt es sich um eine Überempfindlichkeits-
Husten und Status febrilis abermals zur Konsultation.
reaktion vom Typ III und IV. Nach dem ersten sensi-
Frage 3
Bildung von Immunkomplexen, das heisst zirkulie-
bilisierenden Kontakt mit dem Antigen erfolgt die
Was würden Sie in dieser Phase unternehmen?
a) eine erneute Anamnese­Erhebung
b) eine immunologische Untersuchung
c) eine allergologische Untersuchung
d) eine Knochenmarkbiopsie
e) einen PET­Scan
Da die Symptome bei jeder Entlassung nach Hause
erneut auftraten und sich während des Spitalaufenthaltes besserten, wurde eine exogene allergische
Alveolitis vermutet. Daher wurde eine erneute Anamnese durchgeführt, während der sich der Patient
erinnerte, dass er kurz vor Beginn seiner Symptome
einen Luftbefeuchter erworben hatte.
renden, antigenassoziierten IgG-Antikörpern (auch
Präzipitine genannt). Diese dringen in das Lungenparenchym ein und aktivieren das Komplement, wodurch eine Aktivierung von Entzündungszellen und
eine Zytokinausschüttung erfolgen. Durch Letztere
erfolgt die spezifische Aktivierung von Makrophagen
und T-Lymphozyten. Die Entzündungsreaktion ist
für die Gewebeläsionen verantwortlich.
Die Diagnose einer exogen allergischen Alveolitis
wird anhand von klinischen, biologischen und radiologischen Kriterien sowie eines entsprechenden Befundes der bronchoalveolären Lavage bestätigt.
Zur Feststellung des Auslösers sollte eine detaillierte
Anamnese, insbesondere bezüglich einer eventuellen
beruflichen Exposition und einer Exposition in der
Frage 4
häuslichen Umgebung des Patienten, erfolgen.
Welche diagnostischen und therapeutischen Massnahmen
würden Sie bezüglich dieses Patienten ergreifen?
a) mikrobiologische Probeentnahmen aus dem Luftbefeuchter
b) Test auf spezifische Antikörper (Präzipitine) gegen das
Antigen des Luftbefeuchters
c) Meiden des Luftbefeuchters
d) Beginn einer Kortikoidtherapie
Die klinischen Symptome sind unspezifisch: Dyspnoe,
Husten, Grippesymptome, Thoraxbeschwerden und
Gewichtsabnahme.
Aufgrund der Symptomkonstellation von Status febrilis, Husten und Gewichtsabnahme wurden bei unserem Patienten die Diagnosen Tuberkulose und
Neoplasie in Erwägung gezogen. Gewichtsabnahme
Für exogene allergische Alveolitis gibt es keine aner-
zählt zu den klinischen Anzeichen für eine exogene
kannten Diagnosekriterien. Lacasse nennt jedoch die
allergische Alveolitis, übrigens auch ein Vorhersage-
folgenden sechs Vorhersagekriterien [2]: Exposition
kriterium nach Lacasse. Bei der klinischen Untersu-
gegenüber einem Antigen, positive Präzipitine, rezi-
chung sind meist ein Status febrilis und leichte Rassel-
divierende Symptome, leichte inspiratorische Rassel-
geräusche sowie in manchen Fällen Giemen und
geräusche, vier bis acht Stunden nach Exposition auf-
Uhrglasnägel festzustellen.
tretende Symptome sowie Gewichtsabnahme. Die
Der Nachweis von Antikörpern (Präzipitinen) gegen-
spezifischen Antikörper (Präzipitine) des Patienten
über einem spezifischen Antigen spricht für die Dia-
auf das Antigen des Luftbefeuchters fielen positiv aus,
gnose einer exogenen allergischen Alveolitis. Nichts-
womit die sechs Vorhersagekriterien nach Lacasse er-
destotrotz gibt es hier viele falsch positive Ergebnisse,
füllt waren. Aufgrund dessen betrug die Wahrschein-
die zwar einen Kontakt mit einem spezifischen Anti-
lichkeit für eine exogene allergische Alveolitis 98%.
gen bezeugen, der jedoch nicht mit der Erkrankung
Auch die Röntgenbefunde sowie die Ergebnisse der
assoziiert ist. Auch falsch negative Ergebnisse sind
bronchoalveolären Lavage stimmten mit dieser Dia-
aufgrund eines niedrigen Präzipitinspiegels (z.B. we-
gnose überein. Der Patient wurde angewiesen, den
gen einer Kortikoidtherapie) oder eines Tests auf den
Luftbefeuchter streng zu meiden, und aufgrund der
falschen Auslöser möglich.
subakuten Beschwerden einer Kortikoidtherapie un-
Im Thoraxröntgenbild können bilaterale Verdichtun-
terzogen. Infolgedessen trat eine rasche Besserung
gen, bei akuten Formen typischerweise im Mittel-
mit vollständigem Abklingen der Symptome ein.
und Unterlappen, bei subakuten Formen ein retikulo-
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noduläres Infiltrat sowie bei chronischen Formen ein
Bei der transbronchialen Biopsie werden üblicher-
Dr. med. Oriane Aebischer
retikuläres Infiltrat sichtbar sein. CT-Anomalien
weise nicht-verkäsende Granulome mit peribronchi-
Service de Médecine Interne
Korrespondenz:
treten in 90% der Fälle auf, sind jedoch äusserst va-
alem lymphozytärem Infiltrat festgestellt, im Gegen-
CH-1011 Lausanne
riabel. Die häufigsten Befunde sind zentrolobuläre,
satz zur Sarkoidose mit lymphangitischem Infiltrat.
oriane.aebischer[at]chuv.ch
unscharf begrenzte Mikronoduli. Bei der subakuten
Bei den chronischen Formen liegt zudem eine Fibrose
Form findet man diffuse, milchglasartige Verdich-
vor [6].
tungen sowie ein Mosaikmuster auf den Aufnahmen
Der wichtigste Punkt bei der Behandlung einer exo-
im Exspirium, bedingt durch «Air Trapping» (Luftein-
genen allergischen Alveolitis ist die Meidung des Aus-
CHUV
schluss in der Lunge). Bei der chronischen Form zei-
lösers. Eine andauernde Exposition gegenüber dem
gen sich Retikulationen, Traktionsbronchiektasen und
Auslöser stellt einen Risikofaktor für die Entwicklung
seltener Honigwabenmuster [3]. Bei der subakuten
einer chronischen Form mit Lungenfibrose dar. Eine
Form ist die Pathologie hauptsächlich am Unterlap-
Kortikoidtherapie ist bei subakuten, chronischen und
pen, bei der chronischen Form am Mittel- und Ober-
schweren Formen indiziert. Die übliche Prednison-
lappen feststellbar.
dosis beträgt 1 mg/kgKG/Tag. Dadurch werden die kli-
Es ist nicht möglich, eine exogene allergische Alveo-
nischen und funktionellen Anzeichen (Lungenfunk-
litis anhand einer Lungenfunktionsprüfung von an-
tion, radiologische Anomalien) gebessert, sie wirken
deren interstitiellen Lungenerkrankungen zu unter-
sich jedoch nicht auf die Langzeitprognose aus [6].
scheiden. Sie wird jedoch durchgeführt, um den
Die klinische Besserung tritt üblicherweise innerhalb
Schweregrad der Erkrankung zu bestimmen. Dabei
einiger Tage ein, und die Kortikoidtherapie kann
wird meist eine restriktive Ventilationsstörung in
rasch wieder abgesetzt werden.
Kombination mit einer Verminderung der totalen
Die Feststellung des Auslösers ist entscheidend für
Lungenkapazität (TLC) festgestellt [4].
Diagnostik und Behandlung. Im vorgestellten klini-
Bei der bronchoalveolären Lavage liegt typischer-
schen Fall war für die korrekte Diagnosestellung eine
weise eine Lymphozytose vor. Während der akuten
gründliche und wiederholte Anamnese erforderlich.
Phase ist jedoch ca. eine Woche lang eine Neutrophilie nachweisbar. Bei Nichtrauchern und in der akuten
Phase ist die CD4/CD8-Ratio erhöht, während sie bei
Rauchern und in der chronischen Phase verringert
ist [5]. Bei unserem Patienten kann die Zellverteilung
der bronchoalveolären Lavage mit Lymphozytose
und Neutrophilie mit der subakuten Erkrankung
(seit zwei bis drei Wochen bestehende Symptome) in
Kombination mit der akuten Erkrankung (Untersuchung einige Tage nach der Antigenexposition) erklärt werden.
Finanzierung / Interessenkonflikte
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen
Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag erklärt.
Literatur
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5
Antworten
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Frage 1: e. Frage 2: c. Frage 3: a. Frage 4: b, c, d.
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