WAS IST IHRE DIAGNOSE? 495 Symptomkonstellation Status febrilis, Husten und Gewichtsabnahme Ein trügerischer Husten Oriane Aebischer, Jean-William Fitting, Gérard Waeber Abteilung für Innere Medizin, Waadtländisches Universitätsspital CHUV, Lausanne Fallbeschreibung wies einen Status febrilis von 38,5 °C ohne Schüttel- Der junge 36-jährige, nichrauchende Patient konsultierte seinen behandelnden Arzt aufgrund eines trockenen, seit drei Wochen bestehenden Hustens mit reduziertem Allgemeinzustand, abwechselndem Hitze- und Kältegefühl (Fieber nicht gemessen) sowie Belastungsdyspnoe. Die klinische Untersuchung ergab Rasselgeräusche im rechten basalen Lungensegment. Infolgedessen wurde die Diagnose «ambulant erworbene Pneumonie» gestellt und eine Behandlung mit Clarithromycin begonnen. Da sich Allgemeinzustand und Dyspnoe weiter verschlechterten, konsultierte der Patient zwei Tage später erneut seinen behandelnden Arzt. Die klinische Untersuchung stimmte mit der ersten überein, die Laboruntersuchungen ergaben Entzündungszeichen (Leukozyten frost auf. Die klinische Untersuchung war unauffällig. Das Thoraxröntgenbild (Abb. 1) zeigte eine diffuse bilaterale basale Verdichtung sowie ein Silhouettenphänomen, eine basale retikuläre Gefässzeichnung rechts sowie eine Verschattung des Recessus costodiaphragmaticus beidseits. Frage 1 Welche der folgenden Untersuchungen gehört nicht zur Erst untersuchung? a) Sputumkultur b) Urinantigentest auf Legionellen und Pneumokokken c) Anlage von Blutkulturen d) HIVTest e) Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage 11 g/l und CRP 46 mg/l), und bei der Röntgen-Tho- Aufgrund des Hustens, der Dyspnoe, des Status febri- rax-Untersuchung wurde ein Infiltrat im rechten ba- lis und des radiologisch nachgewiesenen Infiltrats salen Lungensegment festgestellt. Daraufhin wurde wurde erneut eine ambulant erworbene Pneumonie die Antibiose mit Clarithromycin unter gleichzei- diagnostiziert. Bei der Erstuntersuchung erfolgte die tiger Gabe von Co-Amoxicillin fortgesetzt. Nach fünf- Anlage einer Sputumkultur und von Blutkulturen, tägiger Antibiotikatherapie war noch immer keine die, ebenso wie der Urinantigentest auf Legionellen Besserung eingetreten, weshalb der Patient ins Spital und Pneumokokken, negativ waren. Auch der HIV- eingewiesen wurde. Bei der Aufnahme klagte er über Test fiel negativ aus. Unter intravenöser Behandlung Dyspnoe bei der geringsten Anstrengung, trockenen mit Co-Amoxicillin und Clarithromycin besserte Husten ohne Expektorationen bzw. Hämoptyse und sich der Zustand des Patienten zusehends, das Fieber Abbildung 1: Thoraxröntgenbild bei Eintritt. Abbildung 2: Thoraxröntgenbild bei Spitalentlassung. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZINFORUM 2015;15(20 –21):495– 498 WAS IST IHRE DIAGNOSE? 496 A B Abbildungen 3A und B: CTThorax: Hauptsächlich in den unteren Lungenabschnitten vorkommende Mikronoduli. klang ab, Dyspnoe und Husten gingen deutlich zu- wurde der Verdacht auf eine Neoplasie der Lunge ge- rück, und auch radiologisch war eine Verringerung äussert, die jedoch angesichts der Symptomkonstel- der bilateralen basalen Verdichtung sichtbar (Abb. 2). lation unwahrscheinlicher als eine Tuberkulose war, Eine Bronchoskopie mit Probenentnahme zur bakte- insbesondere, da der Patient eine Reise nach Afrika riologischen Untersuchung wurde in dieser Phase als unternommen hatte. Daher wurde kein PET-Scan inadäquat angesehen. Demzufolge konnte der Pati- durchgeführt. Die Untersuchung auf säurefeste Stäb- ent nach Hause entlassen werden. chen in drei aufeinanderfolgenden Sputumproben Leider kam es dort erneut zu einer Zustandsver- fiel negativ aus. Beim abschliessenden Thorax-CT schlechterung mit Rezidiv: Status febrilis, trockener (Abb. 3A und B) wurden Mikronoduli, hauptsächlich Husten und Dyspnoe bei der geringsten Anstrengung. in den unteren Lungenabschnitten, bilaterale Pleura- Ferner berichtete der Patient einen Gewichtsverlust ergüsse und eine Atelektase des linken laterobasalen von 5 kg in drei Wochen, Nachtschweiss und erneute Lungensegments festgestellt. Asthenie. Er gab zudem an, dass seine Ehefrau seit Angesichts der CT-Bilder wurde eine Miliartuberku- 24 Stunden an einer submandibulären Lymphadeno- lose vermutet, weshalb eine bronchoalveoläre Lavage pathie leide und am selben Tag ebenfalls den Arzt auf- durchgeführt wurde. Die Zellverteilung war wie folgt: suchen werde. Bei der Anamnese wurden keine spezi- 41 × 106 Zellen, davon 39% Lymphozyten (Normwert fische Ansteckungsquelle, kein Kontakt mit Tieren <12%), 35% Neutrophile (Normwert <3%), 23% Makro- und keine verdächtige berufliche Exposition festge- phagen (Normwert >85%), 0% Eosinophile (Norm- stellt. Der Patient gab an, dass er vor zwei Jahren eine wert <0,5%) und 3% Bronchialzellen (Normwert <10%). vierwöchige Kongoreise unternommen hatte. Die kli- Die zytopathologische Untersuchung ergab eine nische Untersuchung war unauffällig. leichte chronische Entzündung, keinerlei Malignitäts- Frage 2 feste Stäbchen. Die PCR auf Mycobacterium tuberculosis anzeichen oder Anzeichen für Granulome und säureund der T-Spot-TB-Test waren negativ. Angesichts Welche Zusatzuntersuchung erscheint Ihnen in diesem Stadium am wenigsten zielführend? a) eine Laboruntersuchung (BSG und CRP) b) ein ThoraxCT c) ein PETScan d) eine Untersuchung auf säurefeste Stäbchen in drei aufein anderfolgenden Sputumproben und ein TSpotTBTest e) eine Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage und transbronchialer Biopsie der zentrolobulären Anordnung der Mikronoduli, der negativen PCR auf Mycobacterium tuberculosis sowie des negativen T-Spot-TB-Tests bei einem immunkompetenten Patienten konnte die Diagnose Tuberkulose vollständig ausgeschlossen werden. Die Anordnung der Mikronoduli kann einen Hinweis zur Diagnose liefern. Eine diffuse Anordnung ist ein Anzeichen für eine Miliartuberkulose, karzinomatöse Die Laboruntersuchung ergab noch immer Entzün- oder infektiöse Genese, während eine perilymphati- dungszeichen (Leukozyten 27 g/l, CRP 24 mg/l). Es sche Anordnung an die Differentialdiagnosen Sarkoi- SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZINFORUM 2015;15(20 –21):495– 498 WAS IST IHRE DIAGNOSE? 497 dose, Silikose und karzinomatöse Lymphangitis den- Diskussion ken lassen. Eine zentrolobuläre Anordnung wie bei unserem Patienten weist hingegen auf eine infek- Die exogene allergische Alveolitis, auch hypersensi- tiöse oder entzündliche Bronchiolitis hin [1]. tive Pneumonitis genannt, ist eine granulomatöse, Da der Patient jung und in gutem Allgemeinzustand nicht nekrotisierende Entzündung, die durch die war, wurde beschlossen, die Untersuchungen ambu- wiederholte Exposition gegenüber einem Antigen lant fortzuführen. 48 Stunden nach seiner Entlassung verursacht wird [1]. kam dieser mit einem erneuten Rezidiv, trockenem Dabei handelt es sich um eine Überempfindlichkeits- Husten und Status febrilis abermals zur Konsultation. reaktion vom Typ III und IV. Nach dem ersten sensi- Frage 3 Bildung von Immunkomplexen, das heisst zirkulie- bilisierenden Kontakt mit dem Antigen erfolgt die Was würden Sie in dieser Phase unternehmen? a) eine erneute AnamneseErhebung b) eine immunologische Untersuchung c) eine allergologische Untersuchung d) eine Knochenmarkbiopsie e) einen PETScan Da die Symptome bei jeder Entlassung nach Hause erneut auftraten und sich während des Spitalaufenthaltes besserten, wurde eine exogene allergische Alveolitis vermutet. Daher wurde eine erneute Anamnese durchgeführt, während der sich der Patient erinnerte, dass er kurz vor Beginn seiner Symptome einen Luftbefeuchter erworben hatte. renden, antigenassoziierten IgG-Antikörpern (auch Präzipitine genannt). Diese dringen in das Lungenparenchym ein und aktivieren das Komplement, wodurch eine Aktivierung von Entzündungszellen und eine Zytokinausschüttung erfolgen. Durch Letztere erfolgt die spezifische Aktivierung von Makrophagen und T-Lymphozyten. Die Entzündungsreaktion ist für die Gewebeläsionen verantwortlich. Die Diagnose einer exogen allergischen Alveolitis wird anhand von klinischen, biologischen und radiologischen Kriterien sowie eines entsprechenden Befundes der bronchoalveolären Lavage bestätigt. Zur Feststellung des Auslösers sollte eine detaillierte Anamnese, insbesondere bezüglich einer eventuellen beruflichen Exposition und einer Exposition in der Frage 4 häuslichen Umgebung des Patienten, erfolgen. Welche diagnostischen und therapeutischen Massnahmen würden Sie bezüglich dieses Patienten ergreifen? a) mikrobiologische Probeentnahmen aus dem Luftbefeuchter b) Test auf spezifische Antikörper (Präzipitine) gegen das Antigen des Luftbefeuchters c) Meiden des Luftbefeuchters d) Beginn einer Kortikoidtherapie Die klinischen Symptome sind unspezifisch: Dyspnoe, Husten, Grippesymptome, Thoraxbeschwerden und Gewichtsabnahme. Aufgrund der Symptomkonstellation von Status febrilis, Husten und Gewichtsabnahme wurden bei unserem Patienten die Diagnosen Tuberkulose und Neoplasie in Erwägung gezogen. Gewichtsabnahme Für exogene allergische Alveolitis gibt es keine aner- zählt zu den klinischen Anzeichen für eine exogene kannten Diagnosekriterien. Lacasse nennt jedoch die allergische Alveolitis, übrigens auch ein Vorhersage- folgenden sechs Vorhersagekriterien [2]: Exposition kriterium nach Lacasse. Bei der klinischen Untersu- gegenüber einem Antigen, positive Präzipitine, rezi- chung sind meist ein Status febrilis und leichte Rassel- divierende Symptome, leichte inspiratorische Rassel- geräusche sowie in manchen Fällen Giemen und geräusche, vier bis acht Stunden nach Exposition auf- Uhrglasnägel festzustellen. tretende Symptome sowie Gewichtsabnahme. Die Der Nachweis von Antikörpern (Präzipitinen) gegen- spezifischen Antikörper (Präzipitine) des Patienten über einem spezifischen Antigen spricht für die Dia- auf das Antigen des Luftbefeuchters fielen positiv aus, gnose einer exogenen allergischen Alveolitis. Nichts- womit die sechs Vorhersagekriterien nach Lacasse er- destotrotz gibt es hier viele falsch positive Ergebnisse, füllt waren. Aufgrund dessen betrug die Wahrschein- die zwar einen Kontakt mit einem spezifischen Anti- lichkeit für eine exogene allergische Alveolitis 98%. gen bezeugen, der jedoch nicht mit der Erkrankung Auch die Röntgenbefunde sowie die Ergebnisse der assoziiert ist. Auch falsch negative Ergebnisse sind bronchoalveolären Lavage stimmten mit dieser Dia- aufgrund eines niedrigen Präzipitinspiegels (z.B. we- gnose überein. Der Patient wurde angewiesen, den gen einer Kortikoidtherapie) oder eines Tests auf den Luftbefeuchter streng zu meiden, und aufgrund der falschen Auslöser möglich. subakuten Beschwerden einer Kortikoidtherapie un- Im Thoraxröntgenbild können bilaterale Verdichtun- terzogen. Infolgedessen trat eine rasche Besserung gen, bei akuten Formen typischerweise im Mittel- mit vollständigem Abklingen der Symptome ein. und Unterlappen, bei subakuten Formen ein retikulo- SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZINFORUM 2015;15(20 –21):495– 498 WAS IST IHRE DIAGNOSE? 498 noduläres Infiltrat sowie bei chronischen Formen ein Bei der transbronchialen Biopsie werden üblicher- Dr. med. Oriane Aebischer retikuläres Infiltrat sichtbar sein. CT-Anomalien weise nicht-verkäsende Granulome mit peribronchi- Service de Médecine Interne Korrespondenz: treten in 90% der Fälle auf, sind jedoch äusserst va- alem lymphozytärem Infiltrat festgestellt, im Gegen- CH-1011 Lausanne riabel. Die häufigsten Befunde sind zentrolobuläre, satz zur Sarkoidose mit lymphangitischem Infiltrat. oriane.aebischer[at]chuv.ch unscharf begrenzte Mikronoduli. Bei der subakuten Bei den chronischen Formen liegt zudem eine Fibrose Form findet man diffuse, milchglasartige Verdich- vor [6]. tungen sowie ein Mosaikmuster auf den Aufnahmen Der wichtigste Punkt bei der Behandlung einer exo- im Exspirium, bedingt durch «Air Trapping» (Luftein- genen allergischen Alveolitis ist die Meidung des Aus- CHUV schluss in der Lunge). Bei der chronischen Form zei- lösers. Eine andauernde Exposition gegenüber dem gen sich Retikulationen, Traktionsbronchiektasen und Auslöser stellt einen Risikofaktor für die Entwicklung seltener Honigwabenmuster [3]. Bei der subakuten einer chronischen Form mit Lungenfibrose dar. Eine Form ist die Pathologie hauptsächlich am Unterlap- Kortikoidtherapie ist bei subakuten, chronischen und pen, bei der chronischen Form am Mittel- und Ober- schweren Formen indiziert. Die übliche Prednison- lappen feststellbar. dosis beträgt 1 mg/kgKG/Tag. Dadurch werden die kli- Es ist nicht möglich, eine exogene allergische Alveo- nischen und funktionellen Anzeichen (Lungenfunk- litis anhand einer Lungenfunktionsprüfung von an- tion, radiologische Anomalien) gebessert, sie wirken deren interstitiellen Lungenerkrankungen zu unter- sich jedoch nicht auf die Langzeitprognose aus [6]. scheiden. Sie wird jedoch durchgeführt, um den Die klinische Besserung tritt üblicherweise innerhalb Schweregrad der Erkrankung zu bestimmen. Dabei einiger Tage ein, und die Kortikoidtherapie kann wird meist eine restriktive Ventilationsstörung in rasch wieder abgesetzt werden. Kombination mit einer Verminderung der totalen Die Feststellung des Auslösers ist entscheidend für Lungenkapazität (TLC) festgestellt [4]. Diagnostik und Behandlung. Im vorgestellten klini- Bei der bronchoalveolären Lavage liegt typischer- schen Fall war für die korrekte Diagnosestellung eine weise eine Lymphozytose vor. Während der akuten gründliche und wiederholte Anamnese erforderlich. Phase ist jedoch ca. eine Woche lang eine Neutrophilie nachweisbar. Bei Nichtrauchern und in der akuten Phase ist die CD4/CD8-Ratio erhöht, während sie bei Rauchern und in der chronischen Phase verringert ist [5]. Bei unserem Patienten kann die Zellverteilung der bronchoalveolären Lavage mit Lymphozytose und Neutrophilie mit der subakuten Erkrankung (seit zwei bis drei Wochen bestehende Symptome) in Kombination mit der akuten Erkrankung (Untersuchung einige Tage nach der Antigenexposition) erklärt werden. Finanzierung / Interessenkonflikte Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag erklärt. Literatur 1 2 3 4 5 Antworten 6 Frage 1: e. Frage 2: c. Frage 3: a. Frage 4: b, c, d. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZINFORUM 2015;15(20 –21):495– 498 Pralong J-A, Rochat T, Montet X et al. Pneumopathies interstitielles diffuses: corrélation clinico-radiologique. Rev Med Suisse. 2009;5:2336–2343. Lacasse Y, Selman M, Costabel U, et al. Clinical diagnosis of hypersensitivity pneumonitis. Am J Respir Crit Care Med. 2003;168:952–958. Silva CI, Churg A and Müller N. Hypersensitivity Pneumonitis: Spectrum of High-Resolution CT and Pathologic Findings. American Journal of Roentgenology. 2007;188:334–344. Lacasse Y, Girard M, Cormier Y. Recent advances in hypersensitivity pneumonitis. Chest 2012; 142(1):208–217. Bourke S.J., Dalphin J.C., Boyd G. et al. Hypersensitivity pneumonitis: current concepts. Eur Respir J 2001; 18: Suppl 32, 81–92. Agache I, Rogozea L. Management of hypersensitivity pneumonitis. Clinical and Translational Allergy 2013; 3:5.
© Copyright 2024 ExpyDoc