Stellungnahme des VTG vom 21.3.2016

V ER B AN D TH UR GA UE R G E M EI ND EN
Bankstrasse 6
8570 Weinfelden
P.P. VTG, Bankstrasse 6, 8570 Weinfelden
Obergericht des Kantons Thurgau
Herr lic. iur. RA Thomas Zweidler, Präsident
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Weinfelden, 21. März 2016
Stellungnahme zum Entwurf für eine Verordnung betreffend die Änderung der Verordnung
des Obergerichts zum Kindes- und Erwachsenenschutz (Kindes- und Erwachsenenschutzverordnung, KESV) vom 22. Oktober 2012
Sehr geehrter Herr Zweidler
Mit Schreiben vom 18. Februar 2016 geben Sie uns die Gelegenheit für eine Stellungnahme zum Entwurf für eine Verordnung betreffend die Änderung Kindes- und Erwachsenenschutzverordnung vom
22. Oktober 2012 mit Frist bis Ende Mai 2016. Dafür danken wir Ihnen bestens.
Eine aus Vertretern/innen von Behörden, Sozialen Diensten und Berufsbeistandschaften einberufene
Arbeitsgruppe hat die vorliegende Verordnungsänderung eingehend beraten. Wir können nachvollziehen, dass es nach gut dreijähriger Praxiserfahrung einige Paragrafen zu ändern oder zu präzisieren
gibt, stellen aber allgemein fest, dass gewisse Präzisierungen teils massiv in die operative Tätigkeit
eingreifen und teilweise den Detaillierungsgrad einer Verordnung sprengen. Der VTG nimmt nachfolgend Stellung zu jenen Paragrafen, bei welchen Fragen oder Anliegen aufgetaucht sind. Die nicht
einzeln erwähnten Paragrafen sind formal und inhaltlich unbestritten.
§47 Abs. 2
Wir begrüssen den Einbezug der Politischen Gemeinden und stellen fest, dass die
Zusammenarbeit KESB – Gemeinden in den Bezirken sehr unterschiedlich gehandhabt bzw. der Einbezug der Gemeinden unterschiedlich gepflegt wird. Es stellt sich
die Frage, wie der Einbezug der Gemeinden erfolgen könnte (z. Bsp. mittels Stellungnahme, telefonischer Rücksprache, etc.), damit die neue Bestimmung keine
Farce ist. Mit der vorgeschlagenen Höhe für Massnahmen, welche direkte und mindestens vorläufige Kosten von über Fr. 10‘000.-- pro Jahr auslösen, sind wir nicht
einverstanden. Wir erachten es grundsätzlich als problematisch, in diesem Zusammenhang eine Zahl festzulegen. Unsere Interessen sind unabhängig der Kosten der
einzelnen Massnahmen berührt, deshalb beantragen wir folgende Formulierung:
Wird die Gemeinde durch eine geplante Massnahme in ihren Interessen
berührt, insbesondere wenn die Massnahmen direkte und wiederkehrende
Kosten auslöst, gibt die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde der Gemeinde vorgängig Gelegenheit zur Stellungnahme.
§ 47 Abs. 3
Die vorgeschlagene Bestimmung öffnet Tür und Tor für irgendwelche Interpretationen. Unseres Erachtens ist auf solche Ermessensspielräume zu verzichten, weshalb
wir folgenden Wortlaut vorschlagen:
Die Behörde gibt der Gemeinde Akteneinsicht, soweit dies gemäss Absätzen
1 und 2 notwendig ist.
§ 49 Abs. 3
Wir sind inhaltlich mit dem neuen § 49 Abs. 3 einverstanden, machen aber beliebt,
das Wort „gemeldet“ wie folgt zu ersetzen:
Eine Zusammenarbeit mit Familienplatzierungsorganisationen und ähnlichen Einrichtungen kommt nur in Betracht, wenn diese beim Departement
für Justiz und Sicherheit oder bei einem anderen Kanton gemeldet anerkannt sind.
§ 51a Abs. 1
Dieser neue § 51a wird unsererseits begrüsst, denn damit erhält die Durchführung
von Fallkonferenzen ihre Legitimation. Da die Zusammenarbeit nicht nur wünschenswert, sondern im Sinne der Sache elementar ist, schlagen wir wie nachfolgend erwähnt vor, auf die Kann-Formulierung zu verzichten.
Ist es richtig, dass unter dem Begriff „öffentliche Stellen“ Politische Gemeinden,
Schulgemeinden, etc. gemeint sind?
Zur Sicherstellung der Zusammenarbeit im Rahmen eines kindes- oder erwachsenenschutzrechtlichen Verfahrens oder des Vollzugs einer angeordneten Kindes- oder Erwachsenenschutzmassnahme soll die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde betroffene öffentliche und private Stellen zu
Fallkonferenzen einberufen.
§ 51a Abs. 3
Für uns ist unklar, wie „das Berufsgeheimnis bleibt vorbehalten“ zu verstehen ist.
Bräuchte es hier allenfalls eine Präzisierung?
§ 59 Abs. 4
Die Formulierung „in geeigneten Fällen“ ist unglücklich gewählt und lässt viel Interpretationsspielraum offen. Zudem sind wir mit der Regelung, dass eine schriftliche
Begründung beantragt werden muss, nicht einverstanden. Wir beantragen, den
bisherigen § 59 Abs. 4 unverändert zu übernehmen und wie folgt zu ergänzen:
Auf eine schriftliche Begründung kann verzichtet werden, wenn den Begehren der am Verfahren beteiligten Personen vollständig entsprochen wurde.
Im Hinblick auf allfällige Folgeverfahren ist eine Kurzbegründung in die
Akten aufzunehmen.
§ 84 Abs. 1
Abgesehen davon, dass derartige Präzisierungen nicht in eine Verordnung gehören,
sind wir klar der Meinung, dass hier zu stark in den operativen Bereich eingegriffen
wird. Wir vertreten aber auch die Auffassung, dass die Anforderungen an einen
privaten Beistand nicht denjenigen eines Berufsbeistandes entsprechen müssen
bzw. von einem Berufsbeistand eine professionellere Arbeit erwartet werden darf.
Es kann nicht sein, dass eine solche Übersteuerung dazu führt, dass keine privaten
Beistände mehr gefunden werden und im Gegenzug sich die KESB zu einem Kontrollorgan entwickelt.
Der bisherige § 84 genügt vollumfänglich, einzig die Ergänzung von Ziffer 7
erscheint uns zweckmässig.
§ 85 Abs. 1
Wie schon bei § 84 Abs. 1 ausgeführt, kann auch hier auf weitere Einzelheiten verzichtet werden. Einerseits greifen diese Ausführungen wiederum stark in die opera-
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tive Tätigkeit ein, andererseits gelten für Berufsbeistände ohnehin erhöhte Anforderungen. (Rechnungslegung für private Berufsbeistände siehe § 85 Abs. 2.)
Die unverhältnismässig hohen Anforderungen bezüglich des Inhalts des Rechenschaftsberichts und der Rechnung sind aber auch insofern widersprüchlich, nachdem in § 86 Abs. 3 vorgeschlagen wird, dass sich die Revision der Rechnung auf
Stichproben beschränken kann.
Unseres Erachtens gibt es keinen Präzisierungsbedarf von § 85 Abs. 1.
§ 86 Abs. 3
Die Ergänzung der bisherigen Bestimmung wird begrüsst und wir empfehlen, diese
auch anzuwenden.
§ 88 Abs. 3
Wir verstehen, dass diese Präzisierungen erforderlich sind, doch sehen wir diese
nicht in der Verordnung, vielmehr in einer Richtlinie geregelt. Begrüssenswert wäre
anstelle der vorgeschlagenen Präzisierung ein Hinweis auf die Entschädigungsrichtlinie.
Offensichtlich bestehen in einzelnen Bezirken bereits solche Entschädigungsrichtlinien. Wir begrüssen eine für den ganzen Kanton geltende Richtlinie, die – sofern
nicht vorhanden – im Hinblick auf die vorliegende Verordnungsänderung noch erstellt werden müsste.
Wir beantragen, § 88 Abs. 3 nicht mit der vorgeschlagenen Präzisierung zu
ergänzen und stattdessen eine für alle fünf Bezirke verbindliche Entschädigungsrichtlinie zu erarbeiten bzw. auf diese zu verweisen.
Besten Dank für die Berücksichtigung unserer Anliegen und Ihre Bemühungen.
Freundliche Grüsse
VERBAND THURGAUER GEMEINDEN
René Walther
Vizepräsident
Beatrix Kesselring
Geschäftsleiterin
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