Kartellrechtliche Risiken und Handlungsoptionen für Private Equity

M&A / 2015 M U P E Tmagazin
■■Kartellrechtliche Risiken und
Handlungsoptionen für Private Equity
Dr. Georg Greitemann und Daniel Wiedmann (beide P+P)
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Rechts:
Dr. Georg Greitemann (P+P)
Beim Unternehmenskauf besteht kartellrechtliche Ansteckungsgefahr. Ist ein neu erworbenes
Unternehmen an einem Kartell beteiligt, drohen Bußgelder und Wertverlust. Nach einer
neuen Entscheidungspraxis der EU-Kommission
steht unter Umständen auch der Private-Equity-­
Investor selbst mit in der Haftung. Kontrolliert
er das Unternehmen, kann das Bußgeld auch
gegen ihn vollstreckt werden. Hingegen haftet
nach deutschem Recht nur das tatbeteiligte
Unternehmen. Allerdings werden die Ge-
Laut EU-Kommission
kann auch der
Private-Equity-Investor
in Haftung stehen
samtumsätze des Investors bei der Bußgeldbemessung zugerechnet, was in der Regel zu
einem höheren Bußgeld führt. Die Haftung
kann jedoch entfallen, wenn das tatbeteiligte
Unternehmen umstrukturiert wird. Eine risiko­
adäquate Due Diligence beim Unternehmenskauf
und eine Compliance-Organisation helfen nicht
nur, Risiken zu vermeiden. Sie sind auch Nachweis dafür, dass der Private-Equity-Investor die
den Fondsinvestoren geschuldete Sorgfalt hat
walten lassen. Zudem erleichtern sie mögliche
Regressansprüche an das tatbeteiligte Unternehmen. Schließlich kann ein Post-Acquisition
Antitrust Audit dazu beitragen, Kartellverstöße
aufzudecken und als Kronzeuge von einem Bußgelderlass zu profitieren.
Im Jahr 2014 haben die EU-Kommission und
die niederländische Wettbewerbsbehörde Bußgelder in Millionenhöhe gegen Finanzinvestoren
verhängt, deren Unternehmensbeteiligungen an
Kartellen beteiligt waren. Die Entscheidungen
wurden von Pressemitteilungen flankiert, welche
die kartellrechtliche Verantwortlichkeit von In-
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vestoren für das Fehlverhalten der von ihnen
kontrollierten Unternehmen betonten. Inhaltlich
wird hiermit das bereits für Unternehmensgruppen geltende Prinzip der „wirtschaftlichen Einheit“ auch auf Finanzinvestoren angewandt. Im
Im EU-Kartellrecht
gilt ein funktionaler
Unternehmensbegriff
EU-Kartellrecht gilt ein funktionaler (rechtsform­
unabhängiger) Unternehmensbegriff. Das Unternehmen ist die eine wirtschaftliche Tätigkeit
ausübende Einheit, die auch aus mehreren juristischen Personen bestehen kann. Ein Unternehmen
ist Teil einer wirtschaftlichen Einheit, wenn es
sein Marktverhalten nicht autonom bestimmt,
sondern Weisungen der Muttergesellschaft unterliegt. In der Praxis kann hierfür bereits negative Kontrolle ausreichen, z. B. aufgrund von wichtigen Vetorechten. Die Muttergesellschaft muss
die Kontrolle auch tatsächlich ausüben. Hierfür
kann schon eine Vertretung der Muttergesellschaft in den Organen der Tochter reichen. Bei
einem Hands-on-Management werden diese
Voraussetzungen in der Regel erfüllt sein.
Als Konsequenz haftet der Investor gesamtschuldnerisch mit dem tatbeteiligten Unternehmen. Die Auswahl der Vollstreckungsschuldner
durch die EU-Kommission erfolgt dabei nach
Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten. Die Haftung
des Investors ist allerdings beschränkt auf den
Zeitraum, in dem der Investor das Unternehmen
tatsächlich kontrolliert hat. Wird ein an einem
Kartell beteiligtes Unternehmen veräußert, haftet der Veräußerer für den Zeitraum bis zur Veräußerung und der Erwerber ab Erwerb. Eine weitere Konsequenz betrifft die Bußgeldbemessung.
Insbesondere bemisst sich die 10%-Kappungsgrenze nicht am Umsatz des tatbeteiligten Unternehmens, sondern an den gesamten dem Investor
zurechenbaren Umsätzen.
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Unten:
Daniel Wiedmann (P+P)
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Wird der Investor in Haftung genommen, so
kann er eventuell Regressansprüche gegen das
tatbeteiligte Unternehmen geltend machen. Der
Innenausgleich zwischen dem Investor und dem
tatbeteiligten Unternehmen bemisst sich in
Deutschland nach § 426 BGB. Hier sind die individuellen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge zu berücksichtigen. Hat der Investor seine
Aufsichtspflichten wahrgenommen, z. B. durch
Compliance-Vorkehrungen, kann dies im Innenverhältnis haftungsmindernd wirken.
Risikoadäquate Compli­
ance-Maßnahmen können
Kartellrisiken reduzieren
Nach deutschem Recht haftet hingegen nur
das tatbeteiligte Unternehmen. Bei der Bußgeldbemessung werden die Gesamtumsätze des Investors mitberücksichtigt. Wird das tatbeteiligte
Unternehmen umstrukturiert, kann – anders als
nach EU-Recht – die Haftung entfallen. Nach
Ansicht des Bundeskartellamts kann allerdings
ausnahmsweise eine Haftung der Muttergesellschaft wegen Aufsichtspflichtverletzung (§ 130
OWiG) in Betracht kommen. Diese scheidet allerdings in der Regel aus, wenn geeignete Compliance-Vorkehrungen getroffen wurden.
Gegenüber den Fondsinvestoren haftet der
Private-Equity-Investor in der Regel für grobe
Fahrlässigkeit. Drängen sich Kartellrisiken auf,
kann der Sorgfaltspflicht durch eine risikoadäquate Due Diligence beim Unternehmenskauf und
Compliance-Maßnahmen Rechnung getragen
werden.
Zur Identifizierung von Risiken kann zunächst eine High-Level-Risikobewertung dienen,
die gegebenenfalls risikoadäquat vertieft werden
kann. Anhaltspunkte sind z. B. vergangene Bußgeldentscheidungen, laufende Ermittlungen oder
eine zu Kartellen neigende Marktstruktur. Bei
einer Bußgeldentscheidung in der Vergangenheit
sollten anschließend etwa mögliche Regress­
ansprüche des Verkäufers und Schadensersatzansprüche Dritter gegen das Zielunternehmen geprüft werden. Die identifizierten Risiken sollten,
soweit möglich, im Unternehmenskaufvertrag
behandelt werden, z. B. in Form spezifischer
Freistellungen. Allerdings werden weitgehende
Freistellungen von Kartellrisiken selten verhandelbar sein.
Je nach Risikobewertung kann nach Vollzug möglichen Kartellverstößen mittels eines
Antitrust Audit nachgegangen werden. Werden
Verstöße aufgedeckt, lässt sich durch Inanspruchnahme der Kronzeugenregelung ein Bußgeld vermeiden oder reduzieren. Hierbei ist
Eile geboten, da ein Bußgelderlass nur für den
ersten Anspruchsteller in Betracht kommt.
Für die Zukunft können Kartellrisiken durch
risikoadäquate Compliance-Maßnahmen
reduziert werden.