„Hand und Fuß“ hilft mit Socken

24 REMS-MURR-KREIS
STUTTGARTER ZEITUNG
Nr. 139 | Samstag, 20. Juni 2015
„Hand und Fuß“ hilft mit Socken
Der frühere Lehrer Klaus­Peter Beer ist für seine Erfindung vom Publikum mit einem
Gründerpreis ausgezeichnet worden. Der 68­Jährige ist leidenschaftlicher Tüftler. Von Oliver Hillinger
Schorndorf
V
or sechs Jahren hätte eigentlich al­
les vorbei sein müssen. Nach mehr
als 40 Jahren im Schuldienst wurde
der Techniklehrer Karl­Heinz Beer, zuletzt
tätig an einer Hauptschule in Urbach, in
den Ruhestand versetzt. „Leute, die so alt
sind wie ich, halten sich danach nur noch
auf dem Wochenmarkt auf“, sagt er
schmunzelnd. Er jedoch hat nicht gerastet,
sondern gegründet – und am Donnerstag­
abend ist der mittlerweile 68­Jährige dafür
mit einem Preis belohnt worden. Das Pub­
likum votierte bei einer sogenannten
Gründerslam für ihn, 2000 Euro erhielt er
für Erfindungen wie seine Anziehhilfe für
Strümpfe, welche den sinnigen Namen
„Hand und Fuß“ trägt. Karl­Heinz Beer fer­
tigt sie aus zugelieferten Teilen in seiner
kleinen Werkstatt im Schorndorfer
Schock­Areal selbst an.
„Für die Anziehhilfe gibt es einen wach­
senden Markt“, behauptet Beer. Immer
mehr Menschen seien pflegebedürftig und
in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt. Zwar
gebe es schon etliche Anziehhilfen, „doch
für sie muss man die Füße anheben, das
fällt vielen schwer“.
Beer jedoch hat sein Hilfsmittel so er­
dacht, dass niemand die Füße heben muss.
Leichthändig stülpt er die Socke über den
Metallbügel, der auf einer Holzunterlage
montiert ist. Dann zeigt er mit dem Bein
einer Plastikpuppe, wie mühelos der So­
cken um den Fuß rutscht. „Beim Gründer­
preis musste ich das
„Das Meiste
mehrmals vorführen“,
erzählt Beer. „Um mei­
an so einer
Gründung ist nen Tisch standen
mehr Leute als an den
die Netzwerk­ Verpflegungstischen.“
Tüftelei ist dem
arbeit.“
1946
Geborenen in die
Der Preisträger
Wiege gelegt. „In der
Klaus­Peter Beer
damaligen DDR hat
man gelernt zu impro­
visieren“, erzählt er. Brach ein Bohrer an,
spitzte er ihn neu an, einen Betonmischer
baute er sich provisorisch aus einem Blech­
fass. „Ganz oft ausgeliehen haben die Leute
meine selbst gebaute Stichsäge“, erzählt er.
Das war eine Nähmaschine, in welcher die
Nadel mit einem Sägeblatt vertauscht war.
1979 siedelte Beer aus der DDR aus und
nahm als 33­Jähriger an der PH Ludwigs­
burg ein Lehramtsstudium auf. Er sei sehr
gerne Lehrer gewesen, gerade für schwieri­
ge Jugendliche, sagt er. Trotzdem habe er
sich danach völlig neuen Dingen zuwenden
wollen. „Wer sich umdreht, fällt hin“, er­
klärt er seine Philosophie.
Beer hat sich im Schockareal anfangs
mit einem Modellbauer eine Werkstatt ge­
teilt und tüftelte dort seine Ideen aus. „Ein
Gewerbepark wie dieser ist für so eine Sa­
che genau richtig“, sagt er. Es gebe unter
den gewerblichen Mietern regelmäßige
Treffen, man helfe sich mit Werkzeug und
mit Ratschlägen aus. Sogar einen Prakti­
kanten hat Beer von der dort ansässigen Fi­
liale der Erlacher Höhe vermittelt bekom­
men. Auch der Name des Produkts stammt
von einem Geschäftsmann aus der Nach­
barschaft. „Das hat Hand und Fuß“, habe
dieser anerkennend über Beers Entwick­
lung gesagt. „Da hatte ich meinen Namen.“
Die Anziehhilfe hat der Tüftler größten­
teils selbst entwickelt. „Das Meiste daran
ist die Netzwerkarbeit“, sagt er. Er habe
sich anfangs auch bei Zulieferern aus China
umgesehen – nun aber stammen alle Teile
aus einem Umkreis von rund 50 Kilome­
tern. Die Verchromung erledigt eine Firma
aus Urbach, die Holzgrundplatte sägt ein
Schreiner aus Haubersbronn, geölt wird
das Holz in den Remstalwerkstätten der
Diakonie Stetten im Schorndorfer Bau­
Klaus­Peter Beer führt die Anziehhilfe an einem Kunststofffuß vor.
Foto: Stoppel Gottfried
DIE ÜBRIGEN PREISTRÄGER
Neuausrichtung Den mit
4000 Euro dotierten Grün­
derpreis der Kreissparkasse
hat das Weingut Siegloch in
Winnenden erhalten. Die Jury
belohnt damit die Neuausrich­
tung des Wengerterbetriebs,
den David und Markus Sieg­
loch nach dem überraschen­
den Tod ihres Vaters vor zwei
Jahren übernommen haben.
„Das war mit einer völligen
Neuausrichtung verbunden“,
sagt David Siegloch. Insbe­
sondere haben sich die beiden
Jungwengerter nun davon ab­
gewandt, ihre Wein nach den
klassischen Bezeichnungen zu
vermarkten. Eingeführt wur­
den stattdessen drei Linien,
eine für das Premiumsegment
mit dem Namen „Vogelfrei“,
eine für das Basissegment
sowie eine Cuvée, welche den
Namen „Trinkhilfe“ bekom­
men hat. „Wir sind der Mei­
nung, dass Württemberg von
seinen Lagen, Böden und Sor­
ten viel mehr zu bieten hat als
das, was es bisher gab“, sagt
Daniel Siegloch.
Magazin Der zweite Preis mit
einem Preisgeld von 3000
Euro ging an das Redaktions­
büro des Waiblinger Journalis­
ten Dennis Jäger für das von
ihm betreute „Wärmepum­
knechtareal. „Auf so eine Zuliefererkette
muss absolut Verlass sein“, sagt Beer.
Mehrere hundert Stück von „Hand und
Fuß“ hat der Tüftler nun abgesetzt, Auf­
trieb haben der Nachfrage Fernsehberichte
gegeben, die unter anderem der Mittel­
deutsche Rundfunk ausstrahlte. Nun strebt
Beer eine so genannte Hilfsmittelnummer
pen­Magazin“. Es soll Berufs­
gruppen der Haustechnik
und der Gebäudeausstattung
über diese Art der Heiztechnik
informieren.
Sportbeutel 2000 Euro für
den dritten Platz hat die Surry
bulga GmbH aus Weissach
im Tal erhalten. Die Firma
vertreibt über das Internet
(www.surrybulga.de) australi­
sche Sportbeutel und Desig­
nertaschen. Einen Anerken­
nungspreis erhielt zudem die
100 % GmbH aus Fellbach,
welche im Internet
(www.goodbarista.de) hoch­
wertigen Kaffee verkauft. hll
an. „Dann können Orthopäden die Anzieh­
hilfe verordnen.“ Weitere Ideen für Erfin­
dungen, wie etwa einen speziellen Stiefel­
knecht, der Kindergartenkindern hilft, hat
der 68­Jährige in der Schublade. „Finan­
ziell brauche ich das hier eigentlich gar
nicht“, sagt der Tüftler. Aber altersbedingt
aufzuhören, das komme gar nicht in Frage.