InfoBrief August 2015

Infobrief
Biografiearbeit
www.lebensmutig.de
August 2015
Liebe Leserin, lieber Leser!
Die Wirkung der Biografiearbeit, über die
Rückschau zur Wahrnehmung der Gegenwart zu gelangen und sich damit Strategien
für die Zukunft zu erwerben, wird als gesundheitsfördernd verstanden.
Warum gesundheitsfördernd, mag mancher
fragen.
Vielleicht sollte man erst beleuchten, was
denn zu Krankheit führt und was krank
macht:
Stress, Unsicherheit, Druck, mangelndes
Selbstbewusstsein, Mutlosigkeit sind
Faktoren die Krankheit fördern.
Über die Methode, Stärkung aus dem Blick
auf die Wurzeln, die positiven Anlagen und
Erfahrungen zu erleben, und das Bewusstsein, auf seinen Wegen manche Hürde gut
geschafft zu haben, kann man Unsicherheiten und Angst überwinden, einem ErfolgsDruck widerstehen und mit Zuversicht leichter in die Zukunft schauen und gehen.
Diese Sichtweise liegt den folgenden Gedanken zugrunde.
Ingrid Brütting
Vorsitzende von LebensMutig Gesellschaft für Biografiearbeit e.V. [email protected]
www.ingrid-brütting.de
Wurzeln – Wege – Visionen
Der irische Segenswunsch ist in unserem Chor immer wieder ein Anlass zur Diskussion: Es heißt da in der 2 Strophe:
„Führe die Straße, die du gehst immer nur zu deinem Ziel
bergab“. Diesen Wunsch empfinden einige Menschen gar
nicht als so positiv. Wenn das Ziel „unten“ ist, bin ich ja in
einem Loch. Manch einer strebt doch eher das Ziel weit
oben an. Oben stehen, mit einem Rundblick alles überblicken können, dem Himmel nahe sein, über den Widrigkeiten des Lebens stehen, den Weitblick genießen können und
vor allem auf seinen eigenen beschwerlichen Weg mit einer
gewissen Genugtuung zurückschauen können - „Das habe
ich alles geschafft“ - das tut gut.
Wieder andere sagen: Da geht es ja eigentlich gar nicht um das Ziel, sondern um den Weg. Der
Weg ist das Ziel. Die Wünsche im oben genannten Lied richten sich an den Wanderer, dass er
einen möglichst unbeschwerlichen Weg zu gehen habe. Aber auch da höre ich Gegenstimmen:
Wenn ich immer nur geradeaus abwärts gehe, wie auf einer Autobahn, dann ist der Weg ja
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langweilig, eintönig, unnatürlich und weltfremd und ich gerate leicht in einen Strom oder Sog,
der mich mit immer mehr Geschwindigkeit nach unten befördert, ohne dass ich das selbst steuern kann.
Dazu fällt mir ein Tanz ein. Sein Titel: Der Weise und der Narr. Die Schritte des Tanzes führen
im ersten Teil immer geradeaus in die Tanzrichtung, am Ende wendet man sich der Mitte zu
uns wiegt mit erhobenen Armen hin und her. Der zweite Teil besteht aus scheinbar kreuz und
quer gesetzten Schritten, mit Drehungen und Wendungen und am Ende eine freudvolle Wiegebewegung der Mitte zugewandt. Der „Weise“ hat sich über seinen Weg informiert, wird vom
„Navi“ auf den kürzesten geradlinigsten Weg geleitet und ist am Ende am Ziel angelangt, wo er
sich mehr oder weniger freut, das Ziel erreicht zu haben. Der „Narr“ sucht sich seinen Weg, ist
aufmerksam, er geht auch einmal im Kreis, stoppt ab, pendelt hin und her, nimmt seinen Weg
und die Umgebung und auch die Grenzen wahr. Er erlebt etwas, hat etwas zu erzählen und ist
glücklich, wenn er die beschwerliche Reise geschafft hat und am Ziel angekommen ist. Beim
Anleiten dieses Tanzes fällt mir immer wieder auf, wie gerade der schwierigere 2.Teil bei allen
TeilnehmerInnen den größten Lustgewinn bringt. Warum wohl?
Dann denke ich auch an die körperliche Konstitution. Wer schon einmal Kniebeschwerden
hatte, weiß, wovon die Rede ist: abwärts zu laufen belastet viel mehr, als bergauf zu gehen.
Es stellt sich die Frage: wie soll mein Weg beschaffen sein, dass ich ihn gerne gehe? Oder auch:
Welche Strategien, welche Voraussetzungen habe ich, die mir die Bewältigung eines Weges
ermöglichen und erleichtern und was brauche ich noch dazu?
Die Antworten dazu werden ganz unterschiedlich ausfallen und stark davon abhängig sein, welche Stärken und Schwächen jeder Mensch hat, welche Wurzeln ihm gegeben sind, was ihm
Stärkung und Motivation verschafft aber auch, welche Grenzen er/sie hat.
Ich erlebe es immer wieder als sehr förderlich, mir um diese Fragen Gedanken zu machen:
Was kann ich mir zumuten?
Weiß ich um meine eigenen Grenzen?
Welche Eventualitäten könnten mir begegnen und wie kann ich bestmöglich damit umgehen?
Dabei stoße ich auch auf die Frage, welche Funktion Wurzeln für mich haben. Sind sie nährend,
stabilisierend oder fixierend?
Seine eigenen Wurzeln, Wege und Visionen zu beleuchten
entstammt dem Prinzip der pädagogischen Biografiearbeit.
Sie führt über die Rückschau in das Erleben im Augenblick
und hilft erreichbare Zukunftskonzepte zu erarbeiten.
Mit Wurzeln – Wegen – Visionen zu arbeiten, unterstützt
Menschen bei ihrer Suche nach dem Sinn ihres Lebens und
dem Entwickeln von Perspektiven. Biografische Elemente
sind eine erfolgreiche Methode und wirken ressourcenorientiert und gesundheitsfördernd.
Bildnachweis: „Weg nach oben“ und „Wurzeln“ Ingrid Brütting 2015
LebensMutig e.V. – Gesellschaft für Biografiearbeit – www.lebensmutig.de
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Literaturtipps
Stefan Kappner (2015): Schreibend erzählen. Biografiearbeit mit Senioren und Demenzkranken. Verlag an der Ruhr.
Praxismaterial mit Tipps, Anleitungen und Kopiervorlagen. Niederschwellige Methode der
„Erzählblätter“. Weitere, ausführliche Informationen mit Video unter diesem
LINK: http://www.verlagruhr.de/shop/dynvadr/shop/showproddtl.php?item=2365
Michaela Glöckler/ Mathias Wais (2010): Die Kraft der Krise – männliche und weibliche Potenziale sich neu zu (er-) finden. Verlag: Gesundheitspflege initiativ. Esslingen.
Kaum ein Leben, das nicht irgendwann einmal aus der Bahn gerät. Steckt man in einer persönlichen Krise, will man nicht nur wissen, wie es dazu gekommen ist. Vielmehr will man den
Umstand der Krise in einem Sinn-Zusammenhang mit dem künftigen eigenen Leben erkennen. Das Bedürfnis nach solchen Antworten aus der Zukunft nimmt heute – berechtigterweise – enorm zu.
Annelie Keil (2014): Auf brüchigem Boden Land gewinnen – biografische Antworten auf
Krankheiten und Krisen. Kösel – Verlag, München
Das Buch erzählt von geglückten und gescheiterten Versuchen, inmitten der konkreten Lebenswelt die eigene Person und ihre Biografie zu erfinden. Und wie es gelingen kann, sich
trotz Bruchstellen und Krisen immer wieder neu mit dem Leben zu verabreden, sich selbst
auf die Spur zu verhelfen und der eigenen Lebenskompetenz und Fantasie zu vertrauen.
Zitate & Aphorismen
„Vision ist die Kunst, Unsichtbares zu sehen“. Jonathan Swift (1667 - 1745), Erzähler, Moralkritiker und Theologe
„Für eine wahre Vision gäbe ich allen Reichtum der Welt hin und alle Taten der Großen“.
„Herr,
gib mir eine Vision: Hilf mir erkennen, was heute meine Aufgabe ist. Welche Grenze
soll ich dazu überschreiten?“ Henry David Thoreau (1817-1862), Philosoph, Naturalist, Schriftsteller, Mystiker
„Gehe nicht, wohin der Weg führen mag, sondern dorthin, wo kein Weg ist, und hinterlasse
eine Spur“ Jean Paul
„Nur wer seinen eigenen Weg geht, kann von niemandem überholt werden“.
Marlon Brando
„Ich bin nicht gescheitert - ich habe 10.000 Wege entdeckt, die nicht funktioniert haben.“
Thomas Alva Edison
Unser Geist, der feste Stützpunkte sucht, hat im gewöhnlichen Verlauf des Lebens die eingewurzelte Gewohnheit, sich Zustände und Dinge vorzustellen. Er macht in gewissen Abständen
sozusagen Momentaufnahmen von der unteilbaren Bewegung des Wirklichen. Das sind seine
Empfindungen und Gedanken. Henri Bergson, Denken und schöpferisches Werden
Wenn dir etwas widerstrebt und dich peinigt, so lass es wachsen; es bedeutet, dass du Wurzeln schlägst und dich wandelst. Antoine de Saint-Exupéry, Die Stadt in der Wüste - Gesammelte Schriften Band 2
Es ist unmöglich, zu wahrer Individualität zu gelangen, ohne im Ganzen verwurzelt zu sein. Alles
andere ist egozentrisch.
David Bohm, Wissenschaftler und Weise, Renée Weber, Hrsg.
LebensMutig e.V. – Gesellschaft für Biografiearbeit – www.lebensmutig.de
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Woaßt no? Erzählcafé mit Ausstellung und Musik aus den 50ern und 60ern als Projekt
beim ZAMMA-Festival in Freising, 5. Juli 2015
Im Rahmen des Zamma – Festivals in Freising erinnerten sich nicht nur BewohnerInnen sondern
auch zahlreiche BesucherInnen des Seniorenzentrums Freising bei einem „Erzählcafé“ an die
Zeit, als sie in der oberbayrischen Kleinstadt und der Umgebung ankamen und einen Neuanfang
wagten. „Wie sah es hier aus, als ich nach Freising kam? Welche örtlichen Gegebenheiten, Rituale, Menschen begegneten mir hier? Was erleichterte mir das Ankommen und das Fußfassen?“ Dies waren die Themen, die, moderiert von der „Lebensmutigen“ Sozialpädagogin Ingrid
Brütting im Erzählcafé diskutiert und erörtert wurden. Dazwischen lockerte die Musikgruppe
„Projekt 21“ die Stimmung mit Musik aus den 50er und 60ern auf.
Eine Anregung zur Erinnerung bot die Ausstellung von alten Fotografien und teils gemalten Ansichten von Freising. Sie wurde ergänzt durch eine Sammlung alter Zeitungsausschnitte aus der
Zeit vor den Kriegen, den Nachkriegsjahren bis in die jüngere Vergangenheit.
Veranstaltungshinweise
25. -27.September 2015: Der Stoff in dem mein Leben ist.
Workshop: textil-kreative Gestaltungstechniken & Biografiearbeit. KLVHS Der Petersberg, Erdweg.
Referentin: Irmgard Moldaschl. Info und Anmeldung: www.der-petersberg.de
30.September - 04.Oktober 2015: Wurzeln – Wege – Visionen. Biografiearbeit, Entspannung,
Wandern, Tanzen in Lusern im Trentino ( Südtirol). Referentin: Ingrid Brütting
Anmeldung bis 3.9.2015 unter [email protected]
7.Oktober 2015: Unterwegs mit mir. Biografische Wanderung. Spindlhof. Regenstauf. Referentin:
Susanne Hölzl. Information und Anmeldung: KEB Regensburg
9.Oktober 2015: Ein Geschenk für die Familie. Feste mit Biografiearbeit gestalten. Münchner Bildungswerk. Referentinnen: Petra Dahlemann, Karin Wimmer-Billeter
Information und Anmeldung: [email protected] l 089 54505-0
1.10.; 8.10.; 12.11.; 19.11.; 3.12.2015, jeweils 19:30 - 21:30 Uhr: Lebensschatzsuche.
Biografiekurs für Frauen der Jahrgänge 1960-1969. Familienzentrum Karo, Waiblingen. Heike Frauenknecht. Information und Anmeldung: [email protected]
Unbedingt vormerken: 10 Jahre LebensMutig
Wir feiern am 11. & 12.Dezember 2015 am Domberg im Kardinal-Döpfner-Haus, Freising.
Details zum Programm folgen.
LebensMutige Seminare
Ausführliche Informationen zu unseren Veranstaltungen finden Sie auf www.lebensmutig.de!
LebensMutig: Infobrief Biografiearbeit, August 2015, Aufl. 1300
Zusammengestellt von Ingrid Brütting: [email protected].
Herausgeber: Kardinal-Döpfner-Haus und LebensMutig – Gesellschaft für Biografiearbeit e.V. Kontaktadresse: Domberg 27, 85354 Freising.
Sie können den Infobrief bestellen bzw. abbestellen unter [email protected].
LebensMutig e.V. – Gesellschaft für Biografiearbeit – www.lebensmutig.de
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