Schweizerische Nationalbank (SNB)

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29/06/2015
Schweizerische Nationalbank (SNB)
Die SNB wurde 1905 gegr. und nahm 1907 ihre Tätigkeit auf. Die meisten anderen europ. Staaten hatten im
Verlauf des 19. Jh. eigene nationale Zentralbanken errichtet oder bestehende private Banken in solche
umgewandelt: Frankreich 1800 (Banque de France), Österreich 1816 (Privilegierte Österreichische
Notenbank), Deutschland 1875 (Reichsbank), Italien 1893 (Banca d'Italia). Zusammen mit den USA, die erst
1913 das Federal Reserve System schuf, war die Schweiz einer der letzten Industriestaaten, der eine
nationale Zentralbank schuf.
1 - Rechtsgrundlagen
Das Nationalbankgesetz von 1905 wurde 1921, 1953 und 2003 total revidiert. Laut der neuen
Bundesverfassung (BV) von 1999 hat die SNB eine "Geld- und Währungspolitik im Gesamtinteresse des
Landes" zu führen. An erster Stelle wird die "Preisstabilität", an zweiter eine konjunkturpolit.
Stabilisierungsfunktion genannt. Diesem Verfassungsauftrag sowie den aktuellen Tendenzen auf den
Finanzmärkten und den weltweiten Währungsverhältnissen entsprechend besteht das Kerngeschäft der SNB
in der Liquiditätsversorgung des Geldmarkts für Schweizerfranken, in der Gewährleistung der
Bargeldversorgung, im Sichern und Erleichtern bargeldloser Zahlungssysteme, in der Verwaltung der
Währungsreserven und in einem Beitrag zur Stabilität des Finanzsystems.
Explizit wird im Gesetz von 2003 die Unabhängigkeit der SNB konkretisiert. Als Gegenleistung erfüllt die SNB
Rechenlegungs- und Informationspflichten mit dem Ziel, die Geldpolitik der Experten demokratisch zu
legitimieren. Kraft ihrer Kompetenzen kann die SNB versch. Wirtschaftsakteure - meist Banken - zu einem
geld- und stabilitätspolitisch wünschenswerten Verhalten zwingen. Was das möglichst reibungslose
Funktionieren von Zahlungs- und Wertpapierhandelssystem betrifft, so koordiniert die SNB ihre Interventionen
mit der Eidg. Bankenkommission - Letztere fusionierte 2009 mit dem Bundesamt für Privatversicherungen
und der Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei zur Finanzmarktaufsicht (Finma). Versch.
Nebengesetze regeln die Rolle der SNB als Vollzugsorgan des Bundes in völkerrechtl. Abkommen zur internat.
Währungszusammenarbeit. Wie bisher hat die SNB Währungsreserven zu bilden, die sie für ihre Aufgaben als
notwendig erachtet. Die darüber hinaus erwirtschafteten Gewinne werden zu einem Drittel an den Bund, zu
zwei Dritteln an die Kantone ausgeschüttet. Das neue Gesetz reduzierte die bisher sieben Organe der SNB auf
deren vier: die Generalversammlung der Aktionäre (GV), den Bankrat, die Revisionskommission und das
Direktorium.
Die schweiz. Zentralbank ist nicht ein staatseigenes Institut, sondern eine spezialrechtl. Aktiengesellschaft,
deren Aktien an der Börse kotiert sind. Als öffentl.-rechtl. Institution unterliegt sie jedoch der Mitwirkung und
Aufsicht des Bundes. Aktionäre werden nur Bürger, Unternehmen und staatl. Körperschaften aus der Schweiz.
Der rechtl.-administrative Sitz der Bank ist Bern, der Sitz des Direktoriums, der obersten geschäftsführenden
Behörde, Zürich. Die Zentralverwaltung ist auf Bern (ein Departement) und Zürich (zwei Departemente)
verteilt.
Als Aufsichtsorgane der Aktiengesellschaft fungieren die GV (die Kantone, Kantonalbanken und weitere
öffentl.-rechtl. Körperschaften verfügen über die Mehrheit) und der Bankrat (neu von 40 auf elf Mitglieder
verkleinert). Der Bundesrat entscheidet über die Besetzung der Führungs- und Aufsichtsgremien und
genehmigt die wichtigsten Berichte und Beschlüsse; die Bundesversammlung muss den Beschlüssen der GV
bei Anpassungen des Grundkapitals der Bank zustimmen. Die polit. Instanzen verfügen jedoch nicht über ein
Weisungsrecht gegenüber der SNB, so dass diese nicht in die Rolle des subalternen Bundesbankiers gerät.
Präsidenten des Direktoriums und des Bankrats der Schweizerischen Nationalbank
Präsident Direktorium
Amtsdaten
Präsident Bankrat
Amtsdaten
Heinrich Markus Kundert
1907-1915
Johann Daniel Hirter
1906-1923
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Präsident Direktorium
Amtsdaten
Präsident Bankrat
Amtsdaten
August Burckhardta
1915-1924
Paul Emil Usteri
1923-1927
Gottlieb Bachmann
1925-1939
Alfred Sarasin
1927-1935
Ernst Weber
1939-1947
Gustav Schaller
1935-1939
Paul Victor Keller
1947-1956
Gottlieb Bachmann
1939-1947
Walter Schwegler
1956-1966
Alfred Müller
1947-1959
Edwin Stopper
1966-1974
Brenno Galli
1959-1978
Fritz Leutwiler
1974-1984
Edmund Wyss
1978-1986
Pierre Languetin
1985-1988
François Schaller
1986-1989
Markus Lusser
1988-1996
Peter Gerber
1989-1993
Hans Meyer
1996-2000
Jakob Schönenberger
1993-1999
Jean-Pierre Roth
2001-2009
Eduard Belser
1999-2002
Philipp Hildebrand
2010-2011
Hansueli Raggenbass
2002-2012
Thomas Jordan
2012-
Jean Studer
2012-
nach Tod Burckhardts vakant bis Mitte Juli 1925
Quellen:SNB
a
2 - Historische Entwicklung
Die Notwendigkeit eines zentralen Instituts, das geld-, kredit- und währungspolit. Aufgaben zu erfüllen
imstande ist, wurde in der 2. Hälfte des 19. Jh. zunehmend erkannt. Der Bundesstaat schuf mit der
Münzreform von 1850-51 zwar eine einheitl. Frankenwährung, doch die münzpolit. Abhängigkeit vom Ausland
blieb bestehen. Als Mitglied der Lateinischen Münzunion war die Schweiz ab 1865 faktisch eine
Währungsprovinz Frankreichs; der Banque de France kam praktisch die Rolle einer Zentralbank zu. Unter
diesen Bedingungen herrschte Unsicherheit. Unregelmässigkeiten bei der Geldversorgung spitzten sich immer
wieder krisenhaft zu.
Die gravierende Geldkrise im Gefolge des Dt.-Franz. Kriegs von 1870-71 förderte die Durchsetzung des
Papiergeldes als Zahlungsmittel. Damit gewannen die Befürworter einer Zentralbank an Boden, die 1874 das
Recht des Bundes erstritten, in diesem Bereich zu legiferieren. Anhaltende Probleme ("Silberdrainage" nach
Frankreich) und mangelhafte Elastizität des Notenumlaufs bereiteten den Durchbruch vor: 1891 wurde das
Notenmonopol im revidierten Art. 39 BV verankert. 1897 scheiterte jedoch das vom Bundesrat lancierte
Projekt einer "Schweiz. Bundesbank" (einer Staatsbank) in der Referendumsabstimmung. Erst 1905 mündete
der langwierige und konfliktreiche Gesetzgebungsprozess in eine Kompromisslösung ein, die unverkennbar
die Handschrift der erstarkten Wirtschaftsverbände und insbesondere des Schweiz. Handels- und
Industrievereins trug.
Mit der Gründung der SNB wurde das bis dahin durch 36 "Zeddelbanken" wahrgenommene
Notenemissionsrecht in einem einzigen Institut zentralisiert (Notenbanken). Das Gesetz wies der SNB das
Monopol zur Notenausgabe zu und schrieb vor, dass die (inländ.) Golddeckung mind. 40% des Notenumlaufs
betragen musste (Goldwährung); diese Bestimmung war Ausdruck einer konservativen Geschäftsmaxime und
des Willens zur Hartwährung. Bei Ausbruch des 1. Weltkriegs wurde die Noteneinlösungspflicht ausser Kraft
gesetzt. Die SNB hatte den rasch expandierenden Geldbedarf des Bundes durch die Übernahme von
(kurzfristigen) Schatzanweisungen zu decken; aufgrund der dominierenden Real-Bills-Doktrin wurde sie von
der starken Inflation überrascht. Nachdem die Goldparität 1925 (faktisch) und 1929 (formell) wieder
eingeführt worden war, wurde die Einlösungspflicht 1936 anlässlich der Abwertung um 30% des
Schweizerfrankens erneut sistiert und durch das Bundesgesetz von 1953 gänzlich aufgehoben.
Während des Zweiten Weltkriegs übernahm die SNB von den Alliierten zum Transfer Goldbestände im Wert
von 2,9 Mrd. Fr. (wobei nur ca. ein Drittel effektive Finanzdienstleistungen darstellten) und von der Dt.
Reichsbank solche im Wert von 1,6 Mrd. Fr. ("Nazi-Raubgold"), was mehr als drei Vierteln aller dt.
Auslandverkäufe entsprach. Die SNB missachtete die Warnung der Alliierten und hatte deshalb im Rahmen
des Washingtoner Abkommens eine Abfindungssumme von 250 Mio. Fr. an die drei westl. Siegermächte zu
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leisten. Ab 1996 kam sie wegen des Geldtransfers international in die Schlagzeilen. In den
Nachkriegsjahrzehnten wurde der Bedeutungsverlust der traditionellen Diskont- und Lombardpolitik kaum
durch den Ausbau alternativer Instrumentarien (u. a. Offenmarktpolitik, Festsetzung von Mindestreserven für
Privatbanken) kompensiert. Auch die (2003 abgeschafften) Emissions- und Kapitalverkehrskontrollen erwiesen
sich nach dem Übergang zur Währungskonvertibilität 1958 als zunehmend unwirksam. Unter dem Regime
fester Wechselkurse musste die SNB bis zu Beginn der 1970er Jahre unbeschränkt Devisen aufkaufen. Der
ausländ. Kapitalzufluss in die Schweiz alimentierte ein starkes, zusehends inflationär wirkendes Wachstum
der Geldmenge.
3 - Übergang zum Floating und aktuelle Problemfelder
Nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems (Abkommen von Bretton Woods) und dem Übergang
vom System fester Wechselkurse zum Floating 1973 erhielt auch die SNB ihre Aktionsfähigkeit im Bereich der
Geld- und Währungspolitik vorerst zurück. Seit Mitte der 1970er Jahre machten sich v. a. zwei Probleme
bemerkbar: Erstens verschärfte sich im Zeichen einer strukturellen Wirtschaftskrise der Zielkonflikt zwischen
"Finanzplatz" und "Werkplatz" Schweiz. Aus den Unsicherheiten der Wirtschaftskrise Mitte der 1970er Jahre
resultierte ein Höhenflug des Frankens, der die Internationalisierung schweiz. Grossunternehmen förderte und
umgekehrt die Absatzprobleme der einheim. Exportindustrie verschärfte. Die SNB geriet damit in ein
innenpolit. Spannungsfeld, in dem v. a. die Gewerkschaften Kritik an ihrer Hartwährungspolitik übten. Ende
der 1970er Jahre und erneut 2011 stoppten die Währungshüter den Aufwertungsdruck des Frankens durch die
Festlegung einer Obergrenze gegenüber der DM bzw. dem Euro. Zweitens erwies sich der durch den
Übergang zu flexiblen Wechselkursen erzielte Gewinn an nationalstaatl. Handlungsspielraum als
vorübergehend. Als Land mit einer offenen Volkswirtschaft konnte sich die Schweiz nicht von europ. und
weltwirtschaftl. Entwicklungen abschotten. Die Globalisierung der Finanzmärkte setzte einer
"volkswirtschaftlich" ausgerichteten Zentralbankpolitik enge Grenzen. Der suprastaatl. Kooperationsbedarf
wurde v. a. durch Finanzmarktkrisen erhöht. Seit 1992 teilen sich das EFD und die SNB die Verantwortung für
die (damals erworbene) Mitgliedschaft der Schweiz bei den Institutionen von Bretton Woods. Durch die
Schaffung einer europ. Währungsunion hatte sich die SNB auf die Jahrtausendwende hin mit neuen geldpolit.
Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen. Seit 2000 verfolgt sie ein neues geldpolit. Konzept, das
Preisstabilität mittels einer Inflationsprognose anstrebt.
In der neuen BV von 1999 wurden alle Bestimmungen, die einen Bezug des Frankens zum Gold herstellten
(Münzfuss, Einlösungspflicht, Deckungssatz für Notenumlauf), ersatzlos gestrichen. Die Neubewertung der
Aktivposten der SNB machte zwischen 2000 und 2005 den Verkauf der Hälfte der Goldbestände (1'300 t) im
Wert von rund 19 Mrd. Fr. möglich. Nachdem dieses Sondervermögen zunächst für eine Stiftung solidar.
Schweiz hätte Verwendung finden sollen, wurde es schliesslich im Zug einer heftigen polit. Debatte nach dem
etablierten Gewinnschlüssel auf Bund und Kantone verteilt. Die Schweiz hat die Modernisierung der
Währungspolitik und der Organisationsstruktur der SNB erfolgreich abgeschlossen. Die währungs- und
geldpolit. Herausforderungen, mit denen sich die SNB konfrontiert sieht, hängen weitgehend von der
Entwicklung des Euros und der Weltwirtschaft ab.
Quellen und Literatur
Literatur
– A. Jöhr, Die Schweiz. Notenbanken 1826-1913, 1915
– H.A. Engeli, Die SNB, 1944
– R. Zimmermann, Volksbank oder Aktienbank?, 1987
– A. Föllmi, Die SNB, 1994
– B. Jeitziner, Political Economy of the Swiss National Bank, 1999
– Veröff. UEK 16
– Die SNB, 1907-2007, 2007
Autorin/Autor: Jakob Tanner
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