Macht und Ohnmacht – Integration im Teamalltag

Macht und Ohnmacht – Integration im Teamalltag
Die
stationäre
Psychotherapie
ist
eine
deutsche
Geschichte
1987
stellte
Besonderheit.
Folie 3
Schepank
fest,
dass
es
in
Deutschland
mehr
psychotherapeutische Betten in eigenständigen Fachkliniken gibt, als in
der ganzen übrigen Welt zusammen. Daran hat sich bis heute nichts
geändert. Diese deutsche Besonderheit zeigte sich übrigens auch in der
ehemaligen DDR.
Folie 4
Bereits vor dem 2. Weltkrieg entstanden die ersten psychoanalytisch
oder
internistisch-psychosomatisch/psychoanalytisch
ausgerichteten
Kliniken (Simmel in Berlin, Groddeck – der wilde Analytiker - in BadenBaden). Nach dem 2. Weltkrieg wurde an die Tradition angeknüpft und
es entstanden Kliniken wie z. B. das Landeskrankenhaus Tiefenbrunn
(1949) oder die Klinik Wittgenstein in Bad Berleburg (1950) oder die
1967 gegründete Stuttgarter Klinik Sonnenberg. In den 60iger Jahren
schuf
die
Rentenversicherung,
damals
noch
BfA,
große
Rehabilitationskliniken wie die Kliniken in Isny, Gengenbach, St. Blasien,
Zwesten, Schömberg. Anfang der 70iger Jahre kam aus den USA die
Verhaltenstherapie nach Deutschland und dies führte zur Gründung
spezieller verhaltenstherapeutischer Kliniken wie z. B. in Windach, Bad
Dürkheim und die Klinik Berus.
2001 waren 70 % der Psychosomatik Betten in Reha Kliniken, 30 % in
Akut Kliniken und davon 3% im universitären Bereich. Hier hat in den
letzten 10 – 15 Jahren eine Verschiebung zu Gunsten des Akut
Bereiches stattgefunden.
Folie 5
1 In meinen fast 30 Jahren Tätigkeit in der stationären Psychotherapie
konnte ich verschiedenste konzeptionelle Entwicklungen beobachten. So
die Ideen der therapeutischen Gemeinschaft, der humanistischen
Psychotherapie, der Ablehnung von Diagnosen „Don`t label people“
und der Vorstellung eine Therapieausrichtung z.B. psychoanalytisch
oder verhaltenstherapeutisch und Herangehensweise hilft allen oder wer
nicht hereinpasst, hat eben Pech gehabt. One size fits all approach
Ich bin immer schon eine Verfechterin von Spezialisierungen und
störungsspezifischen Konzepten gewesen und bin sehr froh darüber,
dass dieser Trend sich durchgesetzt hat, da er humaner ist und die
Bedürfnisse der Patientinnen berücksichtigt.
Folie 6
Eine stationäre Psychotherapie stellt für die Patientinnen einen
besonderen Lebensabschnitt dar, der sich wesentlich von seinem Alltag
unterscheidet. Der Aufenthalt in einer Klinik stellt immer nur eine relativ
kurze Episode im Leben der Patientinnen dar, in der sie aber wichtige
und wesentliche Erfahrungen machen und Veränderungen erleben
können. Die Wirkfaktoren in einer stationären Psychotherapie sind
außerordentlich vielfältig, so dass Psychotherapieforschung unter
stationären Bedingungen sehr erschwert wird.
Die Patientinnen sind weg von zu Hause, haben ihr gewohntes Umfeld,
ihre Haustiere, ihre Freunde, Partner nicht zur Verfügung, was einerseits
zu Verunsicherung führt, andererseits auch eine Chance für etwas
Neues bietet. Sie sind enthoben von alltäglichen Verpflichtungen und
können unter der sogenannten Käseglocke sich ihren Problemen und
Traumatisierungen zuwenden. Die Kontrolle und der funktionierende
ANP können etwas aufgegeben werden zugunsten der Bearbeitung der
Verletzungen und eines besseren Zugangs zu den eigenen Gefühlen
2 und Bedürfnissen. Die Regression im Dienste des Ichs ist aber für
Psychotraumapatientinnen genauso wenig sinnvoll wie die Arbeit in der
Übertragungsbeziehung.
Wirkfaktoren
sind
therapeutische
einmal
Milieu,
entspannenden,
Gruppentherapien,
non
die
die
Klinik
mit
ihrem
verschiedenen
verbalen
usw.
Edukationsgruppen,
Rahmen,
verbalen,
kreativen,
Therapieangebote
Sport,
das
wie
Entspannung,
Einzeltherapie, Kunst-, Körper-, Ergotherapie und sehr wichtig die
Tätigkeit der Krankenschwestern und Co-TherapeutInnen.
Folie 7
In einer psychosomatischen Klinik muss ein Rahmen geschaffen
werden, der Entwicklung fördert. Für das Zusammenleben der
Patientinnen sind klare Regeln nötig, die transparent und verständlich
sind und von dem gesamten Team mitgetragen werden.
Das Tabuthema Macht ist hier nicht zu leugnen. Macht ist ja nicht per se
schlecht, im Gegenteil. Machtkampf und Machmißbrauch sollten
vermieden werden, aber es ist nicht zu bestreiten, dass die Patientinnen
weder im ambulanten Setting noch in der Klinik nicht genauso viel Macht
haben wie Therapeutinnen. Psychotherapeutinnen, insbesondere Frauen
scheuen das Thema, leider! Ein verantwortlicher zum Guten genutzter
Umgang mit Macht, im Sinne von Schöpfer-Macht und Sinn- Macht
Folie 8 + 9 ist elementar für gelingende gesellschaftliche Entwicklung
auch im Sinne der Gestaltung eines funktionierenden Rahmens für stat.
Psychotherapie und als persönliche Macht für ein gelingendes Leben.
Wir sagen ja auch, wir wollen unsere Patientinnen ermächtigen, ihr
Leben wieder selber zu gestalten.
Regeln
Folie 10 + 11
Die salutogenetischen Wirkfaktoren gelten auch für Regeln. Ich sage
den Patientinnen. Regeln, die Sie nicht verstehen, werden Sie nicht
3 befolgen, aber auch: Regeln sind nie gerecht. Wenn Sie etwas nicht
verstehen, fragen Sie. Wenn wir die Regeln nicht erklären können,
haben wir als Team ein Problem und müssen die Regeln neu
überdenken.
Ulrich Sachsse hat dies sehr schön in einem Artikel von 1989 mit der
Überschrift „Psychotherapie mit dem Sheriff-Stern“ beschrieben. Er
formulierte in dem Artikel: „Die Stationsregeln sollen so konzipiert sein,
dass jeder Patient noch den Wunsch verspürt, wieder entlassen zu
werden.“
Ich möchte aber jetzt etwas konkreter auf unsere Patientengruppe
eingehen.
Folie 12 + 13
Welche Indikationen für eine stationäre Behandlung bestehen? Ganz
allgemein ist zu sagen, dass die Indikation zu einer stationären
Traumabehandlung gegeben ist, wenn es bereits zu alltagsrelevanten
Beeinträchtigungen der Aktivität gekommen ist oder eine solche
Beeinträchtigung droht. Häufig kommen auch Patientinnen zu uns, die
eine gute ambulante Psychotraumatherapie haben, aber nicht stabil
genug sind, um ambulant die Traumabearbeitung aushalten zu können.
Wichtig ist immer auch die gute Zusammenarbeit zwischen ambulanten
und
stationären
Behandlerinnen,
günstigenfalls
mit
gemeinsamer
Behandlungsplanung.
Ich möchte im Folgenden von den speziellen Erfahrungen der
stationären Arbeit wie komplex-traumatisierten Frauen bis hin zu Frauen
mit Dissoziativen Identitätsstörungen in einem sehr spezialisierten
psychotraumatherapeutischen Setting berichten.
4 Mir ist bewusst, dass die Frage von reinen Frauenstationen sehr
kontrovers diskutiert wird, wir haben uns aber dazu entschlossen, auch
aus der Erfahrung heraus, dass es für viele der Frauen unmöglich wäre,
ohne einen therapeutischen Frauenschutzraum in der Therapie zu
arbeiten. Auch das Team besteht nur aus Frauen. In der Klinik werden
jedoch auch Männer behandelt, die die Patientinnen in den öffentlichen
Räumen und im Speisesaal treffen.
Was für Besonderheiten bringen die Patientinnen mit?
Folie 14
Komplex-traumatisierte Patientinnen leiden, wie Sie wissen, unter
vielfältigen
Symptomen
und
haben
ganz
spezielle
Beziehungserfahrungen gemacht, die ihre Bindungsfähigkeit stark
beeinflussen.
Die
Patientinnen
kommen
einerseits
mit
einer
Beziehungssehnsucht, andererseits mit einer Angst vor zu viel Nähe,
einem hohen Kontrollbedürfnis und Misstrauen.
Sie tragen in sich Opferanteile, in denen sie klein, ohnmächtig,
verletzlich, hilflos und ausgeliefert sind, ebenso wie Täteranteile, die
aggressiv, grob, mächtig und vermeintlich stark sind. Diese Täteranteile
wirken nach innen destruktiv und tauchen natürlich auch in den
Beziehungen zu den Mitarbeiterinnen im therapeutischen Team auf. Die
Patientinnen bringen aber auch starke Retterphantasien mit und eine
große Sehnsucht danach, gerettet zu werden.
Komplex-traumatisierte Patientinnen sind innerlich gespalten und es
passiert nicht selten, dass sie auf unterschiedliche Therapeutinnen des
Behandlungsteams ganz unterschiedlich wirken. Hier ist eine gute
Teamarbeit gefragt, um die unterschiedlichen Übertragungs- und
Gegenübertragungsgefühle sowie projektiven Identifikationen nicht
auszuagieren, sondern im Team zu integrieren und den Patientinnen
wieder zurückzugeben, denn die Patientin
5 hat die Aufgabe in der
Behandlung mit Hilfe ihrer Therapeutin mit den inneren Spaltungen in
Kontakt zu kommen und sie zu integrieren. Dies spricht sich leicht aus,
ist aber im Teamalltag häufig sehr schwer zu realisieren, da ein Team
aus lebendigen Therapeutinnen besteht, die ihre eigene Biographie
mitbringen, die unter Umständen Konflikte mit anderen Teammitgliedern
haben oder vielleicht im Moment gerade schwierige Lebensumstände mit
besonders viel Stress durchleben, die sie anfällig machen für
dysfunktionale Beziehungsangebote.
Die Patientinnen bringen also ihre gesamte Pathologie mit in die Klinik
und in das therapeutische Team. Symptome wie Übererregung, auf die
mit einem möglichst reizarmen Milieu reagiert werden sollte, die
Bindungssehnsucht, die zu sicheren Arbeitsbeziehungen mit den
Therapeutinnen führen sollte Folie 15 + 16, das Mißtrauen, die innere
Gespaltenheit, die das Team nicht spalten sollte, sondern dort integriert
werden muss. Folie 17
Die vielen Symptome wie u.a. Vermeidungsverhalten, Flashbacks,
Essstörungen, Suchtverhalten, Beziehungsstörungen, denen im
therapeutischen Setting im Realraum mit einem klaren Rahmen, klaren
Regeln begegnet werden muss und im Therapieraum zusätzlich mit
verstehender,
ressourcenorientierter,
fordernder
und
fördernder
Beziehung begegnet werden sollte.
Mit
komplex-traumatisierten
Patientinnen
kann
nicht
in
der
Übertragungsbeziehung gearbeitet werden, da diese Patientinnen die
therapeutische Ich-Spaltung, die dazu nötig ist, nicht leisten können.
Es ist immer wieder wichtig, darauf zu achten, nach dem Grundsatz zu
handeln: 2 Erwachsene behandeln 1 traumatisiertes Kind. Auch dies ist
leichter gesagt als getan. Immer wieder passiert es natürlich, dass die
peritraumatische Pathologie in die Übertragung zu einer Therapeutin
kommt, diese muss dann freundlich, aber bestimmt zurückgewiesen
6 werden. Ohne eine gute und akzeptierende Psychoedukation ist eine
Psychotraumatherapie
nicht
möglich.
Die
therapeutische
Arbeitsbeziehung muss immer wieder verteidigt werden. Coach für die
Pat.
Grunsätze
und
Bedingungen
Psychotraumatherapie.
für
ein
gelingende
stat.
Folie 18
Uns hilft in der Teamarbeit beim Verstehen der Prozesse das Modell des
Dramadreiecks, das wir auch in der Psychoedukation den Patientinnen
erklären. Das Täter-Retter-Opfer-Dreieck 1969 von Stephen Karpman
entwickelt, ist ein ursprünglich sozialpsychologisches Modell der
Transaktionsanalyse, das Beziehungsmuster beschreibt. Die Rollen
Opfer-Verfolger-Retter, Verfolger kann man auch Täter nennen, sind
nicht fest vergeben, sondern wechselnd.
Ein Beispiel:
Folie 19
Die erfahrene Psychotraumatherapeutin Frau Meyer behandelt jetzt
schon im zweiten Intervall in der 6. Woche ihre Patientin Frau Schulze
sowohl mit einer hochfrequenten Einzeltherapie von 150 Minuten in der
Woche als auch in der Gruppentherapie. Die Therapeutin sieht die
Patientin täglich in intensiven therapeutischen Sitzungen. Sie hat im
Moment
zu
Hause
Beziehungsstress
und
ist
dadurch
etwas
angeschlagen.
Im Verlauf der Therapie verlässt sie ihre parteiliche Abstinenz und
verliert den Überblick über die verschiedenen Persönlichkeitsanteile von
Frau
Schulze.
Sie
identifiziert
sich
übermäßig
stark
mit
der
Opferidentität von Frau Schulze, entwickelt starkes Mitgefühl und leidet
mit ihrer Patientin. Sie traut der Patientin nicht mehr viel zu, schützt und
schont
Frau
Schulze.
In
der
7 Beziehung
kommt
es
zu
Grenzvermischungen
und
Überengagement
mit
gegenseitiger
Abhängigkeit. Frau Meyer verlässt damit auch die Gruppe ihrer Peers,
nämlich der anderen Therapeutinnen, isoliert sich dadurch, fühlt sich
einsam, hilflos und unverstanden und riskiert ein Ausgebranntsein.
Frau Schulze leidet als Psychotraumafolgestörung auch an einer
Essstörung, nimmt ab und es werden Ess-Brech-Anfälle beobachtet. Das
therapeutische
Team,
insbesondere
die
Pflegekräfte
und
Co-
Therapeutinnen als Hüterinnen des Rahmens, erwarten, dass Frau
Meyer ihrer Patientin Frau Schulze Grenzen setzt und einen Rahmen
schafft, durch den Frau Schulze dieses dysfunktionale Verhalten
aufgeben kann. Frau Meyer argumentiert, dass dies der schwer
beeinträchtigten Patientin nicht zuzumuten sei, vergisst scheinbar, ihr
Verhaltensanalysen auszuhändigen und diskutiert mit dem Team
darüber, dass das Grenzgewicht doch weiter nach unten gesetzt werden
müsse. Die Co-Therapeutinnen werden immer ärgerlicher, fühlen sich
ihrerseits nicht verstanden und fordern immer drastischere Maßnahmen.
Auch die Co-Therapeutinnen verlassen ihre professionelle Haltung
und steigen in das Täter-Opfer-Retter-Dreieck ein. Folie 20 Die CoTherapeutinnen nehmen immer mehr die Täterrolle ein und beginnen
langsam auch, sich so zu fühlen und werden sehr ärgerlich darüber. Die
Therapeutin ist in der Retterposition ganz nah an das Opfer, die
Patientin, herangerückt. Es folgen heftige Auseinandersetzungen im
therapeutischen Team. Folie 21
Der innere Bürgerkrieg der Patientin ist nach außen verlagert
worden. Die Teammitglieder streiten sich, fühlen sich unverstanden,
hilflos, einsam und die Patientin bleibt in ihrer defensiven, hilflosen Rolle
verhaftet und fühlt sich durch jegliche Konfrontation angegriffen. Die
Patientin ist aber auch entlastet, da sie durch die Externalisierung des
Täteranteils auf die Co-Therapeutinnen eine Druckentlastung erfährt.
8 Diese Prozesse verlaufen selbstverständlich unbewusst. Die übrigen
Teammitglieder versuchen, entweder zu vermitteln oder identifizieren
sich mit einer der drei Positionen. Der Teamkonflikt kocht hoch.
Da die Teamleiterin selber Teil des Teams ist, gelingt es nicht immer, die
Konflikte ohne Supervision zu lösen. Da das Team aber aus Profis
besteht, haben wir Hilfsmittel entwickelt, um aus solchen ausweglosen
Teamkonflikten
herauszukommen.
Bewährt
hat
sich
eine
Symbolisierung der Konfliktsituation, um diese damit vom Persönlichen
weg zu bringen und auf eine Metaebene zu heben.
Zunächst mal muss ausreichend Zeit für derartige Fallbesprechungen
zur Verfügung stehen. Dann wird der Konflikt von den Personen
weggenommen und auf eine Symbolebene gebracht. Wir nutzen dazu
das Modell des Täter, Retter, Opfer Dreiecks und legen, wenn nötig, die
verschiedenen Positionen mit Symbolen oder nutzen die Flip Chart. Wir
haben im Teamraum ein kleines Köfferchen mit allerlei Symbolen, wenn
nichts mehr hilft, wird dieses Köfferchen geöffnet und Symbole für die
verschiedenen Positionen und Empfindungen ausgebreitet. Es nützt
nicht viel den Konflikt nochmal anders darzustellen, sondern wir müssen
eine andere Perspektive finden, die viel mit den Gefühlen der
beteiligten Teammitglieder zu tun hat. Häufig reicht dann schon die
Draufsicht auf das Dargestellte, um zu klären, wer hier eigentlich wer ist
und wer in welche Position hineingerutscht ist.
Diese Arbeit ist außerordentlich wichtig für die Patientinnen, da dieser
Konflikt in der Patientin selber tobt und dort bearbeitet werden
muss.
Folie 22
Durch die Sichtbarmachung über Symbole der Positionen kann die
Therapeutin aus ihrer Retterrolle hinausgehen und wieder Hilfe und
Unterstützung
bei
ihren
Mittherapeutinnen
9 erhalten.
Die
Co-
Therapeutinnen können die unangenehme Täterrolle verlassen, da die
Therapeutin jetzt wieder klar ist und mit der Patientin den nötigen
Rahmen für eine stationäre Psychotraumatherapie besprechen und
einfordern kann. Wenn die Rollen nicht mehr auf Teammitglieder verteilt
sind, kann die Therapeutin mit der Patientin an der inneren
Kommunikation zwischen Täteranteilen und Opferanteilen arbeiten.
Folie 23
Häufig sind es ja die Täteranteile, die das Fortkommen in der Therapie
boykottieren
und
wie
in
diesem
Fall
die
Therapie
durch
Gewichtsabnahme und gehäufte Ess-Brech-Anfälle gefährden.
In einem anderen Fall zeigte sich bei der Patientin Frau Müller
überwiegend das Täterintrojekt mit Beschuldigungen und Entwertungen
den eigenen EPs gegenüber, aber auch gegenüber der Therapeutin
Frau Weber. Zunächst fühlte Frau Weber sich wie eine ohnmächtige
Zeugin. Dann nahmen die Entwertungen der Therapie und Therapeutin
zu, Frau Weber kam immer mehr in die Opferrolle, fühlte sich kraftlos
und handlungsunfähig. Sie fühlte sich von der Patientin kontrolliert und
eingeengt. Die Teamleiterin, die dies beobachtete, übernahm die
Position der Retterin, eine ebenfalls aggressive Rolle und hatte den
Impuls, ihre Therapeutin Frau Weber gegen die vermeintliche Täterin,
die Patientin Frau Müller, zu verteidigen.
Folie 24
Es folgten viele affektgeladene Diskussionen im Team und die
Teamleiterin beabsichtigte, die Patientin zu entlassen. Auch hier wurde
mit dem Modell des Täter, Retter, Opfer Dreiecks und entscheidender
Unterstützung der nicht verstrickten Teammitglieder die scheinbar
verfahrene
und
festgefahrene
Situation
von
den
Beteiligten
weggenommen, auf eine Metaebene gebracht, symbolisiert und besser
verstanden. Andere Therapeutinnen des Teams hatten ganz andere
10 Wahrnehmungen
der
Patientin,
so
sahen
die
Pflegekräfte
und
Cotherapeutinnen ihre bedürftige, schwache und hilflose Seite. Sie
setzten sich sehr für die Patientin ein und wollten eine Entlassung auf
jeden Fall verhindern. Es wurde ein Therapeutinnenwechsel diskutiert,
da die Beziehung zwischen Frau Weber und Frau Müller als verfahren
eingestuft wurde und nicht aufzulösen schien. Dies wiederum empfand
die Therapeutin Frau Weber als Eingeständnis ihres Versagens und sie
rutschte noch tiefer in ihre Opferposition hinein.
Der Dramatherapeutin gelang es schließlich, über Symbolisierung der
Gefühle und Handlungsimpulse die Spaltung deutlich zu machen, (die
Teamleiterin kochte vor Wut und hatte im übertragenen Sinn
Tötungsabsichten, i.S. v. Entlassung der Pat., die Therapeutin fühlte sich
inkompetent, schwach und hilflos und wollte sich verkriechen, am besten
krank melden).
Folie 25
Die weitere Therapie mit der Patientin würde aber nur möglich sein,
wenn diese das gesamte Dramadreieck als zu sich gehörig
betrachten könnte und bereit wäre, in sich auch die anderen Positionen,
insbesondere den Opferteil, wahrzunehmen, anzuerkennen und damit zu
arbeiten. Die Therapeutin musste gestützt werden und konnte durch die
Solidarität im Therapeutinnenteam, die von Respekt und Achtsamkeit
gekennzeichnet ist, langsam aus ihrer Opferrolle wieder in eine
professionelle Haltung überwechseln. Sie konnte ihre Coachrolle wieder
einnehmen und versuchte, die äußere Bühne zu verlassen und mit der
Patientin auf der inneren Bühne mit den Anteilen weiterzuarbeiten.
Folie 26 + 27
Folie 28
11 In seinem neuen Buch Infinity of Trauma beschreibt Ellert Nijenhuis
wie sich therapeutische Teams in der Behandlung von Patientinnen mit
Dissoziativen
Identitätsstörungen
DIS
aufspalten
können.
Er
unterscheidet 4 Positionen, in die therapeutische Teammitglieder hinein
geraten können.
1. Ein Teammitglied kann mit dem ANP sympathisieren oder sich mit
diesem
identifizieren
und
die
Meinung
vertreten
in
Teambesprechungen, dass die Patientin zunächst mal lernen soll,
ihren Alltag besser zu bewältigen. Dies impliziert jedoch auch, dass
die traumatischen Erinnerungen der EPs ignoriert und unterdrückt
werden. Somit übernimmt, die so identifizierte Therapeutin die
Vermeidungsstrategie des ANP den traumagebundenen EPs
gegenüber.
2. Ein anderes Teammitglied nimmt wahr, dass die Patientin eine
äußerst empfindliche und verletzte Person ist und das es
besonders wichtig ist, die Zerbrechlichkeit der EPs anzuerkennen
und zu beantworten.
3. Ein drittes Teammitglied urteilt, dass die Patientin widerständig
manipulativ und kontrollierend ist und dass diesem Verhalten
strikte Grenzen gesetzt werden müssen. Kontroll EP.
4. Eine vierte Kollegin ist mit der depressiven Position identifiziert und
empfindet, dass der Fall hoffnungslos ist, sie ist identifiziert mit
einem suizidalen EP.
Wenn diese unterschiedlichen Positionen im Team eingenommen
werden, führt das unweigerlich zu Verstrickungen mit der Patientin aber
auch der Teammitglieder untereinander, insbesondere wenn diese
Konflikte noch nicht in der Patientin gelöst worden sind. Jede Kollegin
beantwortet mit ihrer Meinung eine Seite der Patientin mit ihren
12 Wünschen und Interessen, vernachlässigt aber total die anderen Seiten.
Ellert Nijenhuis spricht hier von dem dissoziierten therapeutischem
Team.
Er
beschreibt
weiterhin,
dass
Therapeutinnen
auch
innerlich
gespalten werden können, wenn sie mit dissoziativen Patientinnen
arbeiten.
1. Ein möglicher Teufelskreis ist, dass die Therapeutin sich sehr auf
den empfindlichen verletzten fragilen EP konzentriert und
empathisch mit ihm mitfühlt. Sie läuft dann Gefahr, die Ängste und
Schmerzen
der
Patientin
zu
regulieren.
Es
kommt
zur
Verantwortungsdiffusion, die Therapeutin macht die Arbeit der
Patientin. Der Kontroll-EP kann diese einseitige Sympathie für den
von ihm verachteten schwachen EP nicht gut aushalten. Die ANP
ist froh, dass die Therapeutin ihre Aufgabe erledigt. Da die
Bedürfnisse des fragilen EPs unendlich sind, wird die Therapeutin
zunehmend überlastet und frustriert. Der ANP macht keine
Fortschritte und der Kontroll-EP stört die Therapie. An dieser Stelle
kann das Verteidigungssystem der Therapeutin anspringen und sie
beginnt mit dem gefährlichen Kontroll-EP zu kämpfen. Gleichzeitig
beschuldigt sie den schwachen und vermeidenden ANP sich nicht
genug um die EPs zu kümmern, kümmert sich aber selber auch
nicht mehr um die EPs.
2. Ein anderer möglicher Kreislauf entwickelt sich, wenn die
Therapeutin sich mit der vermeidenden ANP verbündet und sich
überwiegend auf das Funktionieren im Alltag konzentriert. Jetzt
fühlen sich die fragilen EPs vernachlässigt und zurückgestoßen
und können sich nicht weiterentwickeln. Die Kontroll-EP wird
zunehmend ärgerlich, weil sie sich missverstanden fühlt und sie
13 fängt an irgendeinem Punkt an das auszuagieren. Die Kontroll-EP
lebt oft in der Vorstellung, sie könne die ANPs und die fragilen EPs
umbringen und würde dann weiterleben. Hier besteht die Gefahr
eines Suizids. Die Therapeutin bekommt Angst vor der KontrollEP. Auch hier kann wieder das Verteidigungssystem der
Therapeutin anspringen und sie entwickelt Fluchtphantasien. Sie
stellt sich vor, die Therapie zu beenden, manchmal verpasst sie
Therapietermine „ausversehen“ oder sie überlegt ihre Patientin an
eine Kollegin zu überweisen. Andere Möglichkeiten sind, dass die
Therapeutin ein Burnout bekommt oder dass sie mit der Patientin
zu kämpfen beginnt, in dem sie glaubt, die Kontroll-EPs
kontrollieren zu können.
3. Therapeutinnen, die versuchen, die Kontroll-EPs zu kontrollieren
verwickeln sich einen Machtkampf und reaktivieren Täter-OpferDynamiken. In diesem Kreislauf werden die Kontroll-EPs immer
dominanter und die fragilen EPs und ANPs bekommen immer
mehr Angst vor diesen.
Wir können daraus lernen, wie wichtig es ist, alle Anteile der Patientin
mit
einer
Dissoziativen
Identitätsstörung
gleichwertig in die Behandlung mit einzubeziehen.
gleichberechtigt
und
Folie 29
Hier kann ein therapeutisches Team, das Erfahrung hat mit der
Behandlung von Patientinnen mit Dissoziativen Identitätsstörungen und
sich der möglichen Dynamik bewusst ist, sehr hilfreich für die einzelne
Therapeutin sein. Voraussetzung ist natürlich ein vertrauensvoller,
akzeptierender und respektvoller Umgang im Team, der eine
positive Fehlerkultur ermöglicht.
Schließlich kann jede von uns jederzeit in viele Fallen tappen, die die
Patientinnen unbewusst bereithalten, manchmal auch bewusst und in die
14 wir schneller geraten können als wir denken. Manchmal sind es auch
eigene
Stressfaktoren,
die
wir
mitbringen,
eigene
ungelöste
Lebensthemen. In einem Team, das lange Jahre zusammen arbeitet,
kennen die Therapeutinnen sich untereinander und kennen auch die
Stärken und Schwachstellen jeder Einzelnen und können so ein wenig
aufeinander
aufpassen
und
sich
aufmerksam
machen,
wenn
Entwicklungen in eine falsche Richtung laufen. Dies ist natürlich der
Idealzustand.
Eine
stationäre
Psychotherapie
kann
nicht
funktionieren
ohne
regelmäßige externe Supervisionen, in denen sowohl das Team
supervidiert wird wie auch Fallsupervision gemacht werden. Wir
haben in unserer Supervision ein sogenanntes Schichtmodell oder auch
Deckenmodell Folie 30 angewandt, in dem es darum ging Schicht für
Schicht abzutragen, was bringt die Therapeutin selber mit, was sind
Konflikte im Team, natürlich gibt es auch da Konkurrenzen und was ist
die Dynamik der Patientin. Auch dies lässt sich mit Symbolen z. b.
decken griffiger darstellen als nur mit Worten.
Stationäre Psychotraumatherapie ist wie sie sicherlich jetzt verstanden
haben nicht einfach, insbesondere nicht in einem Setting mit so einer
Therapiedichte, wo Patientinnen und Therapeutinnen wirklich viel Zeit
miteinander verbringen, deshalb ist die Psychohygiene auch wichtig,
also Psychotraumatherapie ist anstrengend aber auch außerordentlich
befriedigend, weil wir bei unseren Patientinnen, die zur Intervalltherapien
kommen oft wirklich tolle Fortschritte sehen können, die wir zunächst gar
nicht erwartet hätten und uns immer wieder sehr mit den Patientinnen
freuen über das was alles möglich ist.
Gelernt haben wir, dass das A und O ob etwas möglich ist, von Seiten
der Patientinnen, die Frage der Verantwortungsübernahme für ihren
15 Heilungsprozess ist. Patientinnen, die sehr in der Opferrolle sind,
brauchen sehr sehr viel länger und müssen behutsam und freundlich,
aber auch bestimmt, manchmal auch ein wenig geschubst werden, um
aus dieser Opferrolle raus zu kommen und wirklich auf den Weg der
Fortschritte gelangen zu können.
Folie 31
Ich hoffe, ich habe Ihnen die möglichen Dynamiken ein wenig
verständlich machen können und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
gesp. unter Klinik am Waldschlösschen ! Päsentationen, Präsentationen Sturz, Vortrag DGTD Tagung
16