Neues zum Baurecht 05/2015 Keine Bedenkenanzeige, wenn es

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Neues zum Baurecht 05/2015
Keine Bedenkenanzeige, wenn es keine Bedenken
gibt
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1. Kann sich der Auftragnehmer darauf verlassen, dass der fachkundig
beratene Auftraggeber selbst oder durch Dritte geprüft hat und dessen
Anordnungen Ergebnis dieser Prüfung sind, entfällt die Prüfungs- und
Mitteilungspflicht.
2. Ob Bedenken hätten entwickelt werden müssen, richtet sich nach
Dr. Thomas Hildebrandt, Hamburg
dem Sachverstand und Erkenntnisstand des Prüfpflichtigen.
Fachkundige Dritte muss er nicht hinzuziehen.
Der fachkundig beratene Auftraggeber (AG) beauftragt den Auftragnehmer
(AN) mit der Ausführungsplanung und dem Bau eines Stütz- und
Trogbauwerks. Vertragsbestandteile werden ein Baugrundgutachten und die
vom Fachplaner des AG erstellte Entwurfsplanung. Aus dem
Baugrundgutachten ergeben sich keine Hinweise auf Grundwasser. Die
Entwurfsplanung sieht infolge dessen keine Maßnahmen gegen drückendes
Wasser vor. Der AN erbringt seine Bauleistungen ohne auf Grundwasser zu
stoßen. Allerdings zeigen sich im errichteten Bauwerk noch vor der Abnahme
Risse. Eine Untersuchung ergab, dass diese Risse aus auftretendem
Grundwasser resultierten, das auf Bodenplatte und Wände des
Trogbauwerkes drückte. Nachdem der AG diese Risse beseitigen ließ und die
Vergütung des AN nicht vollständig auszahlte, erhob der AN Klage. Der AG
wendet die zur Rissbeseitigung notwendigen Kosten ein und argumentiert,
dass der AN den geschuldeten Werkerfolg, ein rissfreies Bauwerk, nicht
erbracht habe. Der AN hätte dem Baugrundgutachten Hinweise auf das
Auftreten von Grundwasser entnehmen können und Bedenken anmelden
müssen.
OLG Dresden, Urteil vom 06.10.2015 - 9 U 272/15 (nicht rechtskräftig)
Das sieht das OLG Dresden anders. Richtig ist zwar, dass das Werk wegen
der Risse nicht die geschuldete Beschaffenheit aufweist und deswegen
mangelhaft ist. Für diesen Mangel hat der AN aber nicht einzustehen, weil er
auf die verbindliche Vorgaben des Bestellers zurückzuführen ist. Maßgebend
ist, dass der AN seiner Pflicht auf Bedenken hinzuweisen, die ihm bei der
gebotenen Prüfung der verbindlichen Vorgaben gekommen sind oder hätten
kommen müssen, nachgekommen ist. Die Prüfungs- und Hinweispflicht
unterliegen dem Grundsatz der Zumutbarkeit, wie sie sich aus den
besonderen Umständen des Einzelfalls ergeben. Rahmen und Grenzen
bestimmen sich durch das vom AN zu erwartende Fachwissen und durch alle
Umstände, die für den AN bei hinreichend sorgfältiger Prüfung als bedeutsam
erkennbar waren. Von Sonderfachleuten zu erwartendes Wissen kann vom
AN nicht gefordert werden. Insofern hätte der AN das Baugrundgutachten
auch nicht durch einen Sachverständigen überprüfen lassen müssen. Er
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konnte sich vielmehr auf die Vorgaben des AG und dessen Fachplaner
verlassen. Nur dann, wenn sich bereits ohne Sachverständigen
Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass die aus dem Baugrundgutachten
gezogenen Schlüsse fachlich falsch gewesen wären, hätte der AN Bedenken
anzeigen müssen, um von der Mängelhaftung frei zu werden.
Fazit:
Die Entscheidung zeigt, dass nicht jeder Mangel zu einer Haftung und
Beseitigungsverpflichtung des AN führt. Sofern dem AN keine Bedenken
kommen konnten, weil er keine Anhaltspunkte dfür hatte, dass die
auszuführende Leistung mangelbehaftet sein könnte, kann er sie auch nicht
anzeigen. Vor einer sachlichen Prüfung der Entwurfsplanung sollte der AN
aber nicht die Augen verschließen. Sofern ihm unter Berücksichtigung aller
Gesamtumstände die Bedenken plausibel in Auge fallen mussten, haftet er
bei einer Nichtanzeige. Im vorliegenden Fall kam allerdings noch der
Umstand hinzu, dass der AG über Kenntnisse verfügte, nach denen mit
Grundwasser zu rechnen war. Diese Kenntnisse hatte der dem AN gegenüber
nicht offenbart. Das OLG weist deshalb ergänzend darauf hin, dass aufgrund
dessen schon unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben eine Prüf- und
Mitteilungspflicht entfallen dürfte und es dem AG daher verwehrt sein dürfte,
die Rüge der unterlassenen Bedenkenanmeldung zu erheben.
Zur Reichweite von Abgeltungsvergleichen
Autor
Eine Vereinbarung wonach "die Mängelbeseitigung an den Objekten
nunmehr eigenständig vom Auftraggeber durchgeführt wird und der
Auftragnehmer im Gegenzug keinerlei finanzielle Forderungen
gegenüber dem Auftraggeber mehr hat," schließt den Auftraggeber mit
sämtlichen Mängelansprüchen aus.
OLG Jena, Urteil vom 24.07.2013 - 7 U 142/13; BGH, Beschluss vom
13.08.2015 - VII ZR 215/13 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
Eva Bouchon, M.A., Berlin
Das OLG Jena hatte über eine alltägliche Konstellation im Rahmen der
Abwicklung eines Bauvorhabens zu entscheiden. Ein Auftraggeber (AG)
beauftragte einen Generalunternehmer (GU) mit Bauleistungen an zwei
größeren Bauvorhaben. Der GU übertrug wesentliche Teile seiner Leistungen
an Nachunternehmer (NU‘s). Im Stadium nach Abnahme kommt es zwischen
AG und GU zum Streit über Mängel. Der AG forderte den GU zur Beseitigung
der zum Teil unstreitigen Mängel auf. Im Gegenzug verlangt der GU den
unstreitig offenen Werklohn. Diese eingetretene Pattsituation lösen die
Parteien durch einen Vergleich. Danach soll der AG die Mängelbeseitigung
ab sofort "eigenständig" durchführen. Hierfür tritt der GU dem AG seine
Mängelansprüche gegen die betreffenden NU‘s ab. Der GU verpflichtet sich in
diesem Zusammenhang, die zur Durchsetzung der abgetretenen Ansprüche
erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die entsprechenden Unterlagen
herauszugeben. Dafür verzichtet er (der GU) auf offenen Werklohn. Die
Inanspruchnahme der NU’s durch den AG blieb im Wesentlichen erfolglos.
Der AG ist nunmehr der Auffassung, dass ihn der GU beim Vorgehen gegen
die Nachunternehmer nicht ausreichend unterstützt habe. Der GU beruft sich
darauf, alle erforderlichen Auskünfte erteilt und die entsprechenden
Unterlagen herausgegeben zu haben. Das reicht dem AG nicht. Er nimmt den
GU nunmehr auf Mängelbeseitigung, hilfsweise auf Kostenvorschuss und
weiter hilfsweise auf Schadensersatz in Anspruch.
Das OLG Jena verneint alle geltend gemachten Ansprüche. Der BGH hat die
Nichtzulassungsbeschwerde abgewiesen. Die Parteien haben sich nach
Ansicht des OLG abschließend verglichen. In diesem Vergleich wurde
vereinbart, dass der AG die Mängelbeseitigung "nunmehr eigenständig
durchführt". Das bedeutet, dass er jedenfalls vom GU keine
Mängelbeseitigung mehr verlangen kann. Von dieser Abgeltung sind auch die
Ansprüche auf Kostenvorschuss nach § 637 Abs. 3 BGB und auf
Schadensersatz nach §§ 631, 634 Nr. 4 BGB erfasst. Dass der GU den AG
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im Rahmen der Anspruchsverfolgung gegen die NU’s nicht ausreichend
unterstützt hätte, konnte der AG nicht ausreichend darlegen und beweisen.
Fazit:
Ein Vergleich nach § 779 BGB wirkt zwar nicht grundsätzlich umschaffend. Es
ist durch Auslegung zu ermitteln, wie weit Abgeltung reichen soll (BGH, NJW
2002, 1503). Wenn allerdings – wie hier - ein abschließender Verzicht auf
sämtliche Mängelrechte gegenüber dem AN vereinbart wird, entsteht ein
neues Schuldversprechen. Das gilt erst recht, weil der AG die
Mängelansprüche „nunmehr eigenständig“ durchführen soll und der GU im
Gegenzug und damit im Sinne des gegenseitigen Nachgebens auf seine
Vergütung verzichtete. An dieses neue Schuldversprechen ist der AG
vertraglich gebunden. Da hier auch keine Gründe für eine etwaige Anfechtung
der Vereinbarung ersichtlich waren, konnte sich der AG nicht von dem
geschlossenen Vergleich lösen. Dass die Durchsetzung der abgetretenen
Mängelansprüche gegen die NU’s schwierig werden würde, muss bei der
Beurteilung einer solchen Abgeltungsvereinbarung außer Acht bleiben. Die
Entlassung des GU aus seiner eigenen Mangelverantwortung war durch die
Formulierung „eigenständig“ Geschäftsgrundlage der Vereinbarung.
Grundsatzentscheidung zur Aufklärungspflicht von
Angeboten
Autor
Leinemann Partner Rechtsanwälte konnten am 21.10.2015 eine wichtige
Grundsatzentscheidung vor dem OLG Düsseldorf (Az. VII-Verg 35/15)
erstreiten. Bei der Ausschreibung zum Neubau der A 30 in NRW mussten die
Bieter wie üblich mit dem Angebot eine Liste einreichen, aus der sich ergab,
welche Positionen durch Nachunternehmer ausgeführt werden sollen. Von
dem mindestfordernden Bieter forderte die Vergabestelle sodann die Namen
Prof. Dr. Ralf Leinemann, Berlin
der vorgesehen Nachunternehmer sowie deren Verpflichtungserklärungen an.
Bei einer OZ aus dem Nachunternehmerverzeichnis (betreffend
Planungsleistungen für ein Traggerüst) vermerkte der Bieter auf der von ihm
sodann eingereichten Nachunternehmerliste „Eigenleistung, keine NULeistung“ und gab somit keinen NU an. Die Vergabestelle schloss den Bieter
daraufhin vom Wettbewerb mit seinem Angebot aus, weil er widersprüchliche
Angaben gemacht habe und nicht im laufenden Vergabeverfahren
ursprünglich zur Ausführung durch Nachunternehmer vorgesehene
Leistungen nun in Eigenleistungen umwandeln könne. Leinemann Partner
gingen für den ausgeschlossenen Bieter erfolgreich dagegen vor. Der
Auftraggeber hätte diese Frage aufklären müssen.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.10.2015, VII-Verg 35/15
Nach OLG Düsseldorf kommt es zunächst darauf an, ob die fraglichen
Unterlagen vom Bieter bereits mit dem Angebot vorzulegen waren. Nur dann
stellt eine Anforderung des Auftraggebers eine „Nachforderung“ im Sinne von
§ 16 EG Abs. 3 VOB/A dar, d.h. nachgeforderte Unterlagen sind binnen sechs
Kalendertagen nach Aufforderung vorzulegen; ansonsten wird das Angebot
ausgeschlossen. Alle anderen Unterlagen, die ein Auftraggeber nach
Submission im weiteren Verlauf der Angebotsprüfung und -wertung anfordert
ohne dass sie schon mit dem Angebot einzureichen waren, werden nicht im
Sinne von § 16 VOB/A nachgefordert. Vorliegend war nur eine Liste der
Nachunternehmerleistungen schon mit dem Angebot einzureichen, nicht aber
deren Namen und Verpflichtungserklärungen. Werden diese Angaben erst zu
einem späteren Zeitpunkt vom Auftraggeber angefordert, ist das somit keine
Nachforderung im Sinne von § 16 EG VOB/A. Namen der Nachunternehmer
und Verpflichtungserklärungen haben auch in dem Angebot gar nicht gefehlt,
weil sie noch nicht vorzulegen waren.
Entstehen nun durch später eingereichte Unterlagen Widersprüche zum
Angebot, kann nicht sofort ein Ausschluss dieses Angebots erfolgen.
Vielmehr „ist der öffentliche Auftraggeber, weil er wegen eines Widerspruchs
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einen Angebotsausschluss nicht sofort vornehmen darf, praktisch zu einer
Aufklärung verpflichtet“. Er hat klar und eindeutig erkennbar eine schriftliche
Aufklärung nach § 15 VOB/A – EG durchzuführen.
Im vorliegenden Falle vergaß der Sachbearbeiter des Bieters, der die spätere
Nachunternehmernamenserklärung entworfen hatte, versehentlich einen
Abgleich mit dem mit dem Angebot eingereichten
Nachunternehmerverzeichnis, so dass die falsche Angabe abgeschickt
wurde. Nach dieser Erklärung im Verfahren hielt das Gericht den Fehler für
ausreichend aufgeklärt mit der Folge, dass ein Ausschluss des Angebots
nicht in Betracht kam.
Für die Weitere Praxis wird abzuwarten sein, welche Anforderungen an die
Erklärung solcher Versehen gestellt werden. Eigentlich kann es gar nicht
darauf ankommen, wie genau ein Bieter erklärt, dass es zu einer Panne in
seinem Verantwortungsbereich gekommen ist. Wichtig ist nur, dass eine
versehentlich eingereichte Unterlage, die in Widerspruch zum Angebot steht,
im Rahmen einer verpflichtend durchzuführenden Aufklärung zutreffend
korrigiert wird.
Verwirkung vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist
Autor
Unterliegt ein Anspruch der kurzen Verjährungsfrist von drei Jahren, kann
eine Abkürzung durch Verwirkung nur unter ganz besonderen Umständen
angenommen werden. Zwischen dem Zeitmoment und dem
Umstandsmoment besteht eine Wechselwirkung: Der Zeitablauf kann umso
kürzer sein, je gravierender die sonstigen Umstände sind.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.06.2015 – 22 U 32/15
Sarah Scherwitzki, LL.M., Berlin
Der Kläger ist Nachunternehmer (NU) eines Generalunternehmers (GU) und
war mit der Ausführung von Elektrikerarbeiten bei einem Großbauvorhaben
beauftragt worden. Der Vertrag war durch den GU gekündigt worden, der NU
legte eine Schlussrechnung über seinen Werklohn nach den Grundsätzen
des § 649 BGB. Der GU machte Mehrkosten für die Fertigstellung des
Bauwerks bzw. Mängelbeseitigungskosten geltend. In einem Schreiben hatte
der NU im Hinblick auf die Forderung des GU einen strittigen Betrag benannt
und zugleich mitgeteilt, dass die restliche Summe verrechnet sei. In der
Folgezeit mahnte der NU seine Werklohnforderung nicht an. Der GU
versuchte im Vorprozess, seinen gesamten Mehrkostenaufwand
einzuklagen. In diesem Prozess fand die Forderung des NU keinerlei
Erwähnung. Die Klage des GU wurde als unsubstantiiert abgewiesen, er hatte
gegen diese Entscheidung keine Berufung eingelegt. In dem nun zu
entscheidenden Rechtstreit klagt der NU seinen Werklohn ein.
Das OLG Düsseldorf geht von einer Verwirkung des Anspruches aus. Die
Verwirkung eines der dreijährigen Verjährung unterliegenden Anspruchs kann
nur unter besonderen Umständen angenommen werden, weil dem
Berechtigten die Regelverjährung grundsätzlich ungekürzt erhalten bleiben
soll. Das Gesamtverhalten des NU käme jedoch einem konkludenten
Verzicht nahe. Der GU durfte aus dem Verhalten des NU entnehmen, dass
dieser etwaige Ansprüche nicht mehr geltend machen würde. Das
Zeitmoment im Hinblick auf die Verwirkung sei erfüllt, weil nach Legung der
Schlussrechnung fast 3,5 Jahre vergangen seien, bevor die Klage erhoben
wurde. In Bezug auf das Umstandsmoment sei entscheidend, dass
außergerichtlich nicht gemahnt und im Vorprozess nicht auf das Vorliegen
einer Gegenforderung hingewiesen wurde. Zwar bestehe keine Rechtspflicht
zur Verteidigung mit Gegenrechten, dennoch durfte der GU aufgrund der
Teilnahme des NU an einem großvolumigen Werkvertrag erwarten, dass
der NU in kaufmännischer Art und Weise seine vermeintlichen Ansprüche
im Vorprozess zur Aufrechnung stellen oder im Wege der Widerklage geltend
machen würde. Da der NU fast 3,5 Jahre keinerlei Aktivitäten zur
Geltendmachung seines Anspruchs nach vorzeitig beendetem Werkvertrag
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unternahm, wird das Umstandsmoment so stark, dass das Zeitmoment auch
vor der kurzen Regelverjährung von drei Jahren erfüllt ist.
Fazit
Die Entscheidung in diesem Ausnahmefall verwundet, denn einem Gläubiger
soll grundsätzlich die Regelverjährungsfrist ungekürzt zwecks Möglichkeit der
Prüfung und Überlegung erhalten bleiben, ob ein Anspruch gerichtlich geltend
gemacht werden soll. Zudem sind an einen Verzicht sehr hohe Anforderungen
zu stellen.
Unterschwellenvergabe: Auftraggeber muss keine
Wertungskriterien angeben
Autor
Der öffentliche Auftraggeber ist bei einer Unterschwellenvergabe nicht
dazu verpflichtet, dem Angebot mit dem niedrigsten Preis in jedem Fall
den Vorzug zu geben. Der Zuschlag ist vielmehr auf das unter
Berücksichtigung aller technischen, wirtschaftlichen, gegebenenfalls
auch gestalterischen und funktionsbedingten Gesichtspunkten
annehmbarste Angebot zu erteilen. Einer gesonderten Angabe von
Marco Lorenz, Berlin
Zuschlagskriterien in den Vergabeunterlagen bedarf es dafür nicht.
Mit Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO hat das Oberlandesgericht Nürnberg
am 26.05.2015 (1 U 1430/14) die Berufung eines Auftragnehmers (Kläger)
zurückgewiesen. Der Kläger hatte einen Schadenersatzanspruch wegen
rechtswidriger Zuschlagserteilung beansprucht. Er machte geltend, sein
Angebot sei das Annehmbarste in dem Unterschwellenvergabeverfahren
der Beklagten gewesen. Die Beklagte hatte Abbrucharbeiten ausgeschrieben.
Nebenangebote waren zugelassen. Zuschlagskriterien waren in den
Vergabeunterlagen nicht genannt. Das (Haupt)angebot des Klägers war
preislich das Günstigste. Die Beklagte erteilte den Zuschlag auf das
Nebenangebot eines Konkurrenten. Der Kläger beruft sich auf die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, nach der Nebenangebote nicht
gewertet werden dürfen bei einem reinen Preiswettbewerb.
Das Oberlandesgericht Nürnberg weist die Berufung mit Beschluss gemäß
§ 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung zurück. Das OLG Nürnberg
führt zur Begründung seiner Entscheidung aus, dass § 16 Abs. 6 Nr. 3 VOB/A
diverse Wirtschaftlichkeitskriterien nenne, die bei der Zuschlagserteilung zu
berücksichtigen seien. Außerdem stehe in dieser Vorschrift ausdrücklich,
dass der niedrigste Angebotspreis allein nicht entscheidend sei. Ein reiner
Preiswettbewerb liege daher im Unterschwellenbereich nicht vor. Das OLG
meint unter Verweis auf eine ältere Entscheidung des BGH, dass nur bei
inhaltlich und qualitativ vollkommen gleichen in die engere Auswahl
gekommenen Angeboten, stets das Angebot mit dem niedrigsten Preis das
Annehmbarste sei. Eine spätere Entscheidung des BGH, in der dieser klar
gestellt hat, dass ohne Angabe von technischen Wertungskriterien im
Unterschwellenbereich der Preis das maßgebliche Kriterium darstelle,
interpretiert das OLG dahingehend, dass „maßgeblich“ nicht bedeute, dass
dies das allein entscheidende Zuschlagskriterium sein soll. Vergabeverfahren
seien im Ober- und Unterschwellenbereich hinsichtlich der Anforderungen an
den Ausschreibenden nicht gleich zu setzen. Ebenso wenig wie die
Basisparagrafen der VOB/A zur Benennung von Mindestanforderungen für
Nebenangebote verpflichte, müsse der Auftraggeber Zuschlagskriterien im
Unterschwellenbereich angeben. Nebenangebote konnten daher gewertet
werden.
Fazit
Im Unterschwellenbereich müssen trotz der etwas missverständlichen
Formulierung in § 16 Abs. 6 Nr. 3 VOB/A technische Wertungskriterien
ausdrücklich in den Vergabeunterlagen genannt werden, um bei der Wertung
Berücksichtigung finden zu können. Ohne die ausdrückliche Angabe
technischer Wertungskriterien gilt allein der Preis. Es ist mit
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vergaberechtlichen Grundsätzen nicht in Einklang zu bringen, wenn ohne
Bekanntmachung von Wertungskriterien und ihre Gewichtung der Zuschlag
auf ein Angebot erteilen könnte, das nicht das preislich günstigste ist. Das ist
intransparent und macht die Zuschlagserteilung für die Bieter
unvorhersehbar und unkalkulierbar. Einer Manipulation ist Tür und Tor
geöffnet, weil die Vergabeentscheidung prüfbaren Kriterien fehlt. Das OLG
hat die eigentlich entscheidende und außerordentliche umstrittene Frage ob
Nebenangebote im Unterschwellenbereich bei einem reinen Preiswettbewerb
gewertet werden können, schlicht umgangen. Der Klägerin hat
Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof eingelegt.
Abnahme endgültig verweigert: Wann verjähren die
Mängelansprüche des Auftraggebers?
Autor
Nimmt der Auftraggeber die Leistung endgültig nicht ab, verjähren seine
Ansprüche wegen Mängeln nicht innerhalb von fünf Jahren, sondern es
gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren, die aber erst
Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände zu laufen
beginnt.
OLG Nürnberg, Urt. v. 27.11.2013 - 6 U 2521/09; BGH, Beschl. v. 10.09.2015
Gabriel Hubertus Schleicher, LL.M.,
Hamburg
- VII ZR 347/13 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
Der Auftraggeber (AG) beauftragt der Auftragnehmer (AN) im Sommer 2000
mit Dachdeckerarbeiten. Noch vor Fertigstellung kommt es zum Streit über
die Qualität der Leistung. Nach dem der AG keine weiteren Zahlungen mehr
leistet, kündigt der AN den Vertrag und macht mit der Klage vom 27.04.2001
restlichen Werklohn von ca. EUR 17.000,00 geltend. Der AG verteidigt sich
mit verschiedenen Mängelrügen. Erstmals im September 2006 rügte der AG
einen weiteren Mangel, schwarze Flecken an der USB-Dachschalung und
verlangt hierfür Schadensersatz in Höhe von EUR 20.000,00, mit dem er
gegen die Werklohnforderung aufrechnet. Der überschießende Betrag ist
Gegenstand der Widerklage. Der AN beruft sich auf Verjährung. Die 5-jährige
Gewährleistungsfrist habe spätestens mit der Klageerwiderung vom
03.07.2001 begonnen, in der der AG nicht Nachbesserung, sondern
Schadensersatz verlangt habe.
Der Mangeleinwand hat im Wesentlichen Erfolg!
Die USB-Platten sind nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens
mangelhaft, der ersatzfähige Schaden beläuft sich auf EUR 18.000,00. Der
Anspruch ist nicht verjährt, selbst dann nicht, wenn in der Klageerwiderung
eine Verweigerung der Abnahme liegt. Bei endgültiger Verweigerung der
Abnahme wird nicht die Verjährungsfrist von fünf Jahren ab Abnahme in Gang
gesetzt, sondern die allgemeine Verjährung von drei Jahren, die aber erst mit
Kenntnis des AG von den anspruchsbegründenden Umständen zu laufen
beginnt. Das der AG, der den Mangel erstmals im September 2006 gerügt
hatte, schon vor dem 31.12.2004 Kenntnis vom Mangel der USB-Platten
gehabt habe, hatte der hierfür beweispflichtige AN nicht unter Beweis
gestellt.
Fazit:
Die Entscheidung überzeugt nicht. Sie beruht auf der Annahme, dass bei
berechtigter Verweigerung der Abnahme das Vertragsverhältnis nicht vom
Erfüllungsstadium in das Mängelstadium übergeht. Das soll auch bei
berechtigter endgültiger Abnahmeverweigerung gelten. Das OLG zitiert für
seine Auffassung die Entscheidung des BGH vom 30.09.1999 (IBR 2000, 30).
Danach galt für Schadensersatzansprüche ohne Abnahme nicht die
Gewährleistungsfrist, sondern die Regelverjährung. Der BGH hat diese
Rechtsprechung aber inzwischen ausdrücklich geändert. Die 5-jährige
Gewährleistungsfrist gilt für alledem AG zugestehenden Ansprüchen wegen
Mängeln, unabhängig vom Zeitpunkt ihres Entstehens (vgl. BGH, Urt. v.
08.07.2010 - VII ZR 171/08, IBRRS 2010, 1358; Urt. v. 24.02.2001 - VII ZR
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61/10, IBRRS 2011, 0964; Urt. v. 12.01.2012 - VII ZR 67/11, IBRRS 2012,
0431 für den VOB-Vertrag; a.A. Peters/Jacobi, in: Staudener, BGB,
Neubearbeitung 2004, § 634a Rz. 9). Für den Fall der endgültigen
Verweigerung der Abnahme galt, dass im Übrigen auch schon nach der vom
OLG Nürnberg zitierten BGH-Entscheidung. Mit der endgültigen, also
unabhängig von einer späteren mängelbeseitigungserklärten Verweigerung
der Abnahme, ob berechtigt oder unberechtigt, kommt eine Erfüllung des
Vertrages nicht mehr frage und der Vertrag geht von der Erfüllungsphase in
die Abrechnungs- und Gewährleistungsphase über.
Aufrechnung mit Ansprüchen aus einem anderen
Bauvorhaben gegen Anspruch auf Auszahlung eines
Mängeleinbehaltes unzulässig!
Gegen den Anspruch auf Auszahlung des Mängeleinbehaltes ist eine
Aufrechnung des Auftraggebers mit Ansprüchen aus einem anderen
Bauvorhaben in der Regel nicht zulässig (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v.
09.12.2014 - 8 U 165/13; vorhergehend LG Mannheim, 11.09.2013 - 8 U
185/09, LG Mannheim 07.11.2012 - 8 U 185/09, OLG Karlsruhe 28.09.2011 7 O 35/10).
Autor
Julia Barnstedt, LL.M. Eur, Hamburg
Die Klägerin wurde durch die Beklagte mit Bauvertrag vom 07.06.2005 mit der
Errichtung eines Kultur- und Begegnungszentrums (LOS 2) und eines Heimes
für Betreutes Wohnen (LOS 1) beauftragt. Nach Abschluss der Arbeiten für
LOS 2 stellte die Klägerin am 10.05.2006 Schlussrechnung über einen
Restbetrag
in
Höhe
von
EUR 22.541,00.
Im
Rahmen
der
Schlussrechnungsprüfung machte die Beklagte einen Mängeleinbehalt in
Höhe von EUR 7.295,22 geltend. Am 24.07.2006 stellte die Klägerin
schließlich vereinbarungsgemäß eine Mängelbürgschaft für LOS 2. Am
16.08.2006 kündigte die Beklagte den Bauvertrag hinsichtlich LOS 1 wegen
angeblich durch die Klägerin zu vertretender Bauzeitverzögerungen und
machte die Schlussrechnungssumme aus diesem LOS übersteigende
Schadenersatzforderungen geltend. Nach Stellung der Mängelbürgschaft
machte die Klägerin nach vergeblicher Mahnung die Ausbezahlung des
Einbehaltes hinsichtlich LOS 2 gerichtlich geltend. Die Beklagte berief sich
auf Zurückbehaltungsrecht und rechnete gegen den Anspruch auf
Auszahlung des Mängeleinbehaltes mit Schadensersatzansprüchen aus LOS
1 auf. Das Landgericht wies die Klage ab. In ihrer Berufung wendete die
Klägerin ein, dass eine Doppelsicherung vorliege. Das Landgericht verkenne
in dem Zusammenhang, dass beide Lose Gegenstand eines einheitlichen
Bauvertrages seien. Das OLG Karlsruhe gab dem Anspruch statt. Nach
Stellung der Austauschsicherheit im Sinne von § 17 Nr. 3 VOB/B sei die
Beklagte verpflichtet, den restlichen Werklohn, den sie zunächst als
Sicherheit einbehalten hat an die Klägerin auszubezahlen. Der Sicherungsfall
hinsichtlich LOS 2 sei nicht eingetreten. Selbst wenn dies der Fall gewesen
wäre, hätte die Beklagte neben dem Einbehalt nicht zusätzlich die
Austauschsicherheit nehmen dürfen. Unabhängig davon, ob LOS 1 und LOS
2
vorliegend
als
ein
Bauvorhaben
angesehen
werden
sind
Schadenersatzansprüche aus LOS 1 durch den ausschließlich für LOS 2
gewährten Einbehalt nicht gesichert. Selbst wenn es sich um ein
Bauvorhaben gehandelt hätte, hätte die Klägerin lediglich die Wahl gehabt,
mit etwaigen Schadenersatzansprüchen aus LOS 1 gegen den
Auszahlungsanspruch der Klägerin aufzurechnen oder aber die
Mängelbürgschaft anzunehmen. In dem sie die Mängelbürgschaft
angenommen habe war sie verpflichtet, den Einbehalt Werklohn
auszubezahlen. Schadensersatzansprüche der Beklagten aus LOS 1 als
anderem Bauvorhaben berechtigten nicht zur Aufrechnung. Ebenfalls
ausgeschlossen ist ein Zurückbehaltungsrecht.
Fazit:
Das OLG Karlsruhe schließt sich der mehrheitlichen obergerichtlichen
Rechtsprechung an, wonach sich die Sicherungsabrede über einen
Mängeleinbehalt nur auf das jeweilige konkrete Bauvorhaben bezieht. Es ist
unbillig, den Sicherheitseinbehalt entgegen der eigentlich auf ein bestimmtes
Bauvorhaben bezogenen Sicherungsabrede zweckwidrig für ein anderes
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Bauvorhaben einzusetzen, obwohl dies nach Erhalt der Austauschsicherheit
nicht einmal für das gesicherte Bauvorhaben zulässig ist.
VOB/B-Vertrag: Kein Schadensersatz trotz
mangelhafter Werkleistung
Autor
Führt der Auftragnehmer die Leistungen mangelhaft aus, stehen dem
Auftraggeber Mängelrechte gemäß § 13 VOB/B zu. Die Mängelrechte sind
jedoch dahingehend eingeschränkt, dass Ersatzansprüche für Schäden an
baulichen Anlagen gemäß § 13 Abs. 7 Nr. 3 VOB/B nur dann bestehen, wenn
der Schaden auf einem wesentlichen, die Gebrauchsfähigkeit erheblich
beeinträchtigenden Mangel beruht. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die
Jan Raming, LL.M. (Auckland), Berlin
abweichend ausgeführte Leistung mit der vertraglich vereinbarten Leistung
technisch gleichwertig ist.
Der Bauherr beauftragte den Auftragnehmer unter Einbeziehung der VOB/B
mit der Lieferung und Montage eines Wärmedämmverbundsystems zu einem
Werklohn in Höhe von 124.000,00 Euro netto. Nach Fertigstellung der
Arbeiten machte der Auftragnehmer mit seiner Klage restlichen Werklohn in
Höhe von 26.981,39 Euro geltend. Hiergegen wehrte sich der Bauherr mit
einem Schadensersatzanspruch in Höhe von EUR 134.444,90. Der
Auftragnehmer habe die Leistungen mangelhaft erbracht, weil das
Wärmedämmverbundsystem abweichend von der Leistungsbeschreibung mit
einem durchlaufenden Brandschutzriegel statt mit Brandschutzlamellen über
jeder Bauwerksöffnung ausgeführt worden sei. Nach Ausführung der
Leistungen verkaufte der Bauherr das Gebäude. Der Käufer machte selbst
keine kaufrechtlichen Mängelrechte gegenüber dem Bauherrn geltend; der
Kaufpreis wurde nicht aufgrund des abweichenden
Wärmedämmverbundsystems verringert.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.04.2015 – 23 U 82/14
Das OLG Düsseldorf verneinte einen Schadensersatzanspruch des Bauherrn.
Das Wärmedämmverbundsystem ist zwar mangelhaft, weil die vereinbarte
Soll-Beschaffenheit von der Ist-Beschaffenheit abweicht. Ein vom Gericht
bestellter Sachverständiger stellte jedoch fest, dass die Ausführung mit einem
Brandschutzriegel zulässig und gleichwertig mit den vertraglich vereinbarten
Brandschutzlamellen ist. Insbesondere die Behauptung des Bauherrn, die
Brandschutzlamellen wiesen ein höheres Schutzniveau auf, sei unzutreffend.
Aufgrund der technischen Gleichwertigkeit sowie des gleichen Schutzniveaus
sei der Mangel nach Auffassung des OLG Düsseldorfs unwesentlich und
schränke die Gebrauchstauglichkeit nicht ein. Darüber hinaus könne sich der
Bauherr auch nicht auf eine Minderung der Gebrauchstauglichkeit berufen,
weil der Bauherr überhaupt nicht mehr Eigentümer des Gebäudes ist. Andere
Nachteile sind dem Bauherrn auch nicht entstanden, weil er selbst keinen
Gewährleistungsansprüchen des Käufers ausgesetzt ist; die abweichende
Ausführung führte zudem nicht zu Nachteilen beim Verkauf des Gebäudes.
FAZIT
Bei einem VOB/B-Vertrag sind die Mängelrechte des Bauherrn im Vergleich
zum BGB-Werkvertrag teilweise erheblich eingeschränkt. Dies gilt
insbesondere für Schadensersatzansprüche. Hier kommt es bei Schäden an
baulichen Anlagen – neben dem erhöhten Anforderungen an das
Verschulden des Auftragnehmers – maßgeblich darauf an, ob ein
wesentlicher Mangel vorliegt, der die Gebrauchsfähigkeit einschränkt. Die
Rechtsprechung hat zur Einordnung von Mängeln in diese Kategorien einige
Kriterien aufgestellt, die in der Praxis jedoch mitunter schwer anzuwenden
sind (vgl. OLG München, Urteil vom 15.01.2008 - 13 U 4378/07, BauR 2008,
1163).Darüber hinaus können die Rechte des Bauherrn auch dadurch
eingeschränkt sein, dass er selbst keinen Gewährleistungsansprüchen
ausgesetzt ist.
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Keine Befangenheit des gerichtlichen
Sachverständigen selbst bei rechtlicher Prüfung von
Normen der Landesbauordung
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Ist in der Baubeschreibung hinsichtlich des Leistungsumfangs auf die
Einhaltung der Normen der Landesbauordnung verwiesen, ist es dem
gerichtlichen Sachverständigen möglich, die behaupteten Mängel nicht nur
anhand technischer Fragen abzuarbeiten. Er kann vielmehr prüfen, ob die
konkret für das Bauvorhaben geltenden Vorgaben der Landesbauordnung
eingehalten sind. Ihm ist es damit gestattet abzuklären, welche Fassung der
Landesbauordnung anzuwenden ist, welche bauordnungsrechtlichen
Vorgaben für das Bauvorhaben überhaupt gelten und ob diese eingehalten
sind. Dem steht nicht entgegen, dass die Landesbauordnungen nur
bauordnungsrechtliche Verpflichtungen des Bauherrn beinhalten. Der
Sachverständige trifft bei einer solchen Prüfung keine ihm nicht zustehenden
rechtlichen Einschätzungen.
Jutta Tremmel, München
OLG München, Beschluss vom 20.10.2015 – 13 W 1689/15
Der Entscheidung liegt die Schadensersatzklage einer
Wohnungseigentümergemeinschaft gegen einen Bauträger wegen
umfangreicher Mängel des Gemeinschaftseigentums zugrunde. Mit den
beweisgegenständlichen Mängelbehauptungen wird von der Klägerin jeweils
ein bestimmter baulicher Zustand des Gemeinschaftseigentums vorgegeben,
welcher nach der Formulierung des jeweiligen Beweisthemas entweder zu
bestätigen oder zu verneinen ist(Beispiel: „Neben der Außenwand sind
Rohrleitungen durch die Trennwand zum Treppenhaus geführt. Die
Durchführungen sind nicht verschlossen“).
Der gerichtlich bestellte Sachverständige beantwortet diese Beweisfragen
nicht nur dahingehend, ob die behaupteten baulichen Zustände zutreffen,
sondern gibt zudem Empfehlungen ab, welche Maßnahmen die Klägerin aus
seiner Sicht zur Beseitigung der als mangelhaft bestätigten Zustände treffen
könne. Zudem beurteilt er die Mängelbehauptungen in weiten Teilen anhand
der Vorschriften der Bayerischen Landesbauordnung (BayBO). Zu
vorgenannter Beispielsbehauptung führt er aus, es seien die Anforderungen
an den Brandschutz nach Art. 33 BayBO beeinträchtigt, etwa die
Durchführungen müssten mit einer F 30-Abschottung ausgeführt werden. Zu
der Behauptung, an Fenstern fehle eine Absturzsicherung, gibt er an, die
Verglasung sei wegen fehlenden bruchsicheren Sicherheitsglases nicht
ausreichend verkehrssicher im Sinne von Art. 36 BayBO. Zu der Behauptung,
an Hauseingangstüren bestehe eine Schwellenaufkantung von 3,5 cm gibt er
an, der Eingang genüge nicht den Anforderungen des Art. 48 BayBO an
barriefreies Bauen und gelangt nach ausführlicher Subsumtion unter diese
Norm zu dem Schluss, ein Tieferlegen der Schwelle um 1,5 cm sei nicht
aussichtsreich, um diesen Verstoß zu beheben.
Der Bauträger beantragte daraufhin die Ablehnung des Sachverständigen
wegen Besorgnis der Befangenheit mit der Begründung, dieser sei von dem
Beweisbeschluss abgewichen und beantworte durch die umfassende Prüfung
von Normen der BayBO Rechtsfragen. Das LG Traunstein lehnte den Antrag
ab. Hiergegen wurde sofortige Beschwerde beim dem OLG München
eingelegt.
Ohne Erfolg. Das OLG sieht eine Überschreitung des Gutachtenauftrags
nicht. In dem Beweisbeschluss sei dem Sachverständigen vorgegeben, er
könne hinsichtlich des Leistungssolls von der Baubeschreibung in den
jeweiligen Bauträgerkaufverträgen ausgehen. Dort sei festgelegt, dass die
Erstellung des Gebäudes u.a. auch den Vorschriften der Landesbauordnung
unterliege. Dadurch sei dem Sachverständigen tatsächlich vorgegeben, die
behaupteten Mängel nicht nur anhand von DIN-Normen abzuarbeiten,
sondern auch anhand der BayBO. In der Folge lägen auch keine
unzulässigen rechtlichen Prüfungen durch den Sachverständigen vor.
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Das Gericht stellte ferner fest, dass so aufgedeckte Verstöße gegen die
Vorschriften der Landesbauordnung der Symptomrechtsprechung des BGH
immanent seien und dies gerade zu den Grundpflichten des
Sachverständigen gehöre. Dem Sachverständigen können daher auch nicht
vorgeworfen werden, er habe der Wohnungseigentümergemeinschaft neue
Mängelbegründungen an die Hand gegeben.
Fazit:
Die Entscheidung lässt einem Sachverständigen weitgehend freie Hand. Die
Inbezugnahme ohnehin zu beachtender bauordnungsrechtlicher
Verpflichtungen in der Baubeschreibung führt dazu, dass deren Einhaltung
zulässiger Gegenstand einer an sich rein fachtechnischen Begutachtung ist.
Beweisbeschlüsse sollten sorgfältig geprüft und etwaige missverständliche
Vorgaben an den Sachverständigen ausgeräumt oder ggf. noch bei
Ortsterminen dem Sachverständigen gegenüber die Grenzen des
Gutachtensauftrags klargestellt werde
Beschleunigungsanordnung des AG
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Der Auftraggeber ist zu einer – dem Auftragnehmer zumutbaren –
Beschleunigungsanordnung befugt, welche nach § 2 Nr. 5 oder Nr. 6
VOB/B zum Ersatz derjenigen Mehrkosten führt, die adäquat-kausal auf
die konkrete Anordnung zurückgehen.
OLG Dresden, Urteil vom 09.01.2013 - 1 U 1554/09 (rechtskräftig durch NZB,
BGH v. 23.04.2015 – VII ZR 54/13)
Auf der Grundlage eines VOB/B-Werkvertrags vom 01.03.2000 erbrachte der
Auftragnehmer (AN) für den Auftraggeber (AG) diverse Gleisbauarbeiten. Der
anfängliche Bauablauf verzögerte sich aufgrund verschiedener Störungen,
welche im Detail streitig waren. Der AN behauptete das Vorliegen zahlreicher,
aus der Sphäre des AG herrührender Behinderungen. Der AG wies stets
jegliche Vorwürfe zurück und war der Auffassung eines vom AN
selbstverschuldeten Verzugs. Er forderte den AN mehrfach zur Einhaltung der
ursprünglich vereinbarten Bauzeit auf. Der AN fasste dies als
Beschleunigungsanordnungen auf und verlangt nunmehr eine zusätzliche
Dr. Paul Popescu, Köln
Vergütung, weil er trotz Bauablaufstörungen durch Arbeitskrafterhöhung die
Leistung fristgerecht erbrachte. Der AG lehnt jedwede Mehrvergütung ab und
führt an, dass er ungeachtet des Verzuges des AG zu keiner Zeit einen
rechtsgeschäftlichen Willen zur Anordnung von Beschleunigungen besaß. Im
Falle tatsächlich vorgelegener Behinderungen hätte er keine
Beschleunigungen angeordnet.
Die Klage bleibt erfolglos. Vom AG angeordnete und für den AN zumutbare
Bauzeitverschiebungen können in der Regel nach § 2 Nr. 5 VOB/B zu einer
Mehrvergütung führen. Dies gilt sowohl für Verlängerungen als auch für
Verkürzungen der Bauzeit sowie für die angeordnete Einhaltung des
ursprünglich vereinbarten und zwischenzeitlich nach § 6 Nr. 2, 4 VOB/B
verschobenen Vertragstermins. Vorliegend war der AG stets der Auffassung
von Verzögerungen des AN und hatte keinen erkennbaren Willen, eine ggf.
gesondert vergütungspflichtige Anordnung zu treffen. Dem AN stand es frei,
sein behauptetes Recht auf Bauzeitverlängerung nach § 6 Nr. 2 VOB/B zu
nutzen und die Beschleunigung zu unterlassen. Für § 2 Nr. 6 VOB/B mangelt
es an der vorzeitigen Ankündigung, die aufgrund des fehlenden
Beschleunigungswillens des AG nicht ausnahmsweise entbehrlich war. Aus
denselben Gründen scheidet auch § 2 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B aus. Auch wenn
die Beschleunigung objektiv dem Interesse des AG entsprach, so widersprach
sie dessen subjektiven Willen, so dass eine nicht vergütungspflichtige
aufgedrängte Leistung verbleibt. Im Übrigen hat der AN die Kausalität
zwischen den behaupteten Anordnungen und den daraus jeweils
resultierenden Mehraufwendungen nicht schlüssig dargelegt.
Fazit
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In einem obiter dictum schließt sich das OLG Dresden der Literaturauffassung
eines „extensiven Anordnungsbegriffs“ nach § 1 Abs. 3 VOB/B an und spricht
sich für die Befugnis des AG zur Beschleunigungsanordnung aus. Allerdings
soll dieses Recht durch das Kriterium der Zumutbarkeit für den AN beschränkt
sein. Sieht sich der AN in der Leistungsausführung behindert, so hat er für
die Einhaltung der ursprünglichen Ausführungsfrist vom AG eine
ausdrückliche Beschleunigungsanordnung zu verlangen. Unterbleibt diese,
empfiehlt sich, auf eine schnellstmögliche Schiedsgutachtervereinbarung zur
Klärung der Störungsursachen hinzuwirken. Wird auch dies abgelehnt, muss
sich der AN auf die eigene Einschätzung der Behinderungen verlassen, wenn
er andernfalls nicht erstattungsfähige Mehrkosten für eine Beschleunigung
riskieren will. In jedem Fall ist eine sorgfältige Dokumentation vorzunehmen,
vor allem hinsichtlich der konkreten Auswirkungen der Störungen oder einer
tatsächlich angeordneten Beschleunig auf den gesamten Bauablauf.
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