kann bei unklaren Bodenverhältnissen beim Auftragnehmer liegen

WIRTSCHAFT UND RECHT
W 028/2015 vom 26.03.2015
"Baugrundrisiko" kann bei unklaren Bodenverhältnissen
beim Auftragnehmer liegen
Das OLG München hat mit Urteil vom 11.02.2014 - 9 U 5582/10 Bau;
BGH, Beschluss vom 18.12.2014 - VII ZR 44/14 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen), wie folgt entschieden:
Wer bei einer offenkundig und eindeutig unklaren Erkenntnissituation über die Verhältnisse im Boden als Auftragnehmer einen Einheitspreis für alle "Bodenarten und -schichten
des Quartärs" vereinbart, übernimmt damit auch das Baugrundrisiko für Rollkies aus dem Quartär.
Auftraggeber (AG) und Auftragnehmer (AN) streiten über gegenseitige
Ansprüche aus einem Bauvertrag in einer Gesamthöhe von fast 80 Mio.
Euro. Der AN hatte sich verpflichtet, in bergmännischer Bauweise zu
Einheitspreisen einen 17,5 km langen Tunnel, den "Hofoldinger Stollen", zu errichten. Dabei wurden unvorhergesehene Rollkieslagen festgestellt. Über die Nachtragsfähigkeit der infolgedessen erforderlichen
Leistungen gerieten die Parteien in Streit, weshalb der AN die Arbeiten
einstellte. Der AG kündigte daraufhin den Vertrag aus wichtigem Grund.
Ein Zwischenfeststellungsurteil des LG München I betreffend die Wirksamkeit der Kündigung hatte das OLG München zunächst aus prozessrechtlichen Gründen aufgehoben. Der BGH hatte die Zwischenfeststellungklage mit Urteil am 07.03.2013 indes als zulässig angesehen und
den Rechtsstreit an das OLG München zurückverwiesen. Dort streiten
die Parteien nunmehr über die Begründetheit der Zwischenfeststellungsklage zur Wirksamkeit der Kündigung.
Das OLG bestätigt die Entscheidung des LG München I, das die Wirksamkeit der Kündigung des AG aus wichtigem Grund feststellt. Dabei
geht es um die Frage, ob dem AN Mehrvergütungsansprüche wegen
der unvorhergesehenen Rollkieslagen zugestanden hätten oder ob die
Kündigung infolge der andernfalls unberechtigten Leistungseinstellung
berechtigt war. Das OLG München legt den Vertrag aus. Dabei beschäftigt sich der Senat zunächst mit dem dem Vertrag zugrundeliegenden Bodengutachten des Bayerischen Geologischen Landesamts
und stellt fest, dass dieses einerseits richtig, zum anderen aber erkennbar lückenhaft sei. Auch der Umstand, dass anderweitige Erkenntnismöglichkeiten, wie beispielsweise aus den "Erläuterungen zur Geologischen Karte von Bayern" nicht ausgewertet worden seien, mache das
Gutachten nicht fehlerhaft. Vielmehr sei aus dem vorvertraglichen
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Schriftverkehr und den Nebenangeboten des AN erkennbar, dass dieser die Lücken des Gutachtens erkannt habe. Weitere Erkenntnisquellen auszuwerten, sei danach seine Aufgabe gewesen. Wenn jedenfalls
vor diesem Hintergrund ein einheitlicher Einheitspreis für alle Bodenarten abgegeben werde, bestehe auch bei Auftreten unvorhergesehener
Rollkieslagen kein Anspruch auf Anpassung der Vergütung. Die Leistungseinstellung sei daher unberechtigt, die Kündigung aus wichtigem
Grund berechtigt gewesen.