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Das Kutschenmuseum steht
kurz vor
dem Aus. >53
Die Bevölkerung
des Baselbiets
soll bis 2035
um 16 Prozent
wachsen. In
abgelegenen
Dörfern ist man
skeptisch. >55
Schweiz am Sonntag, Nr. 51, 20. Dezember 2015
Justin Mvumbi, der
Pfarrer von Liesberg,
fühlt sich in der
Einsamkeit wohl. >58
BASEL
51
■ NACHRICHTEN
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Baselland: Ein Drittel
weniger Einbrüche
Die Baselbieter Polizei stuft
ihre Einbrecherjagd als Erfolg ein: Die Einbruchszahlen
seien gegenüber dem Vorjahr um «über einen Drittel»
zurückgegangen, sagt Sprecher Meinrad Stöcklin auf
Anfrage. Bei der Aktion Lardo seien in diesem Jahr 5474
Kontrollen durchgeführt worden. Dabei sei eine «zweistellige Anzahl» Personen
angehalten worden. (MAU)
BaZ stellt den
Ticketverkauf ein
Die Ticketvorverkaufsstelle
am Aeschenplatz stellt ihren
Betrieb auf Ende Jahr ein.
Das bestätigt Nicole Marantelli, Leiterin des Ticketschalters, auf Anfrage. Am Empfang der «Basler Zeitung»
waren Tickets von Ticketcorner und Starticket erhältlich.
Zu den Gründen der Schliessung wollte sie keine Auskunft geben. (LSI)
Mann am Claraplatz
spitalreif geprügelt
Steuermann Anton Lauber will Reformen. In den vergangenen 15 Jahren hat das Baselbiet im Steuerwettbewerb den Anschluss verloren.
Am Samstagmorgen um vier
Uhr wurde ein 29-jähriger
Mann aus Afghanistan am
Claraplatz von fünf Unbekannten verprügelt. Er wollte
einem der Männer keine Zigarette geben, worauf sie mit
Fäusten auf ihn einschlugen.
Die Täter seien in unbekannte Richtung geflüchtet, teilt
die Basler Staatsanwaltschaft mit. Der Mann musste
in die Notfallstation. (RED)
KENNETH NARS
Lauber kommt Reichen entgegen
Christian Moesch
für Christian Egeler
Als Nachfolger für den zurücktretenden Basler FDPGrossrat Christian Egeler
steht Christian Moesch bereit, wie dieser auf Anfrage
bestätigt. Zumindest beim
Vornamen bleibe somit alles
wie bisher, sagt der 42-jährige Treuhänder. (MAU)
Der Baselbieter Finanzdirektor plant eine Steuerreform zulasten der Einkommensschwachen
Das Baselbiet soll wieder ein
Kanton für Wohlhabende werden. Die Linke spricht von einer
«fehlgeleiteten Politik».
VON LEIF SIMONSEN
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D
iese Woche wurden im Baselbieter Parlament die
bürgerlichen Werte zementiert. Nahezu alle Sparmassnahmen fanden bei
der Budgetdebatte eine Mehrheit. Die
Linken kämpften vergeblich gegen den
Abbau bei den Einkommensschwächsten,
etwa gegen die Senkung der Prämienverbilligungen.
Die langfristigen Pläne der Regierung wurden dabei nicht thematisiert.
Sie sind im Baselbieter Regierungsprogramm 2016–2019 festgehalten, das vergangene Woche publiziert wurde. Unbemerkt blieb dabei das wichtigste Legislaturziel: die Vorbereitung einer Steuerreform. Die Regierung will «die Besteuerung des Einkommens und des Vermögens im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten moderater und gleichmässiger
ausgestalten». Der Baselbieter Finanzdirektor Anton Lauber (CVP) bestätigt die
Pläne. Man wolle im Hinblick auf die
übernächste Legislatur 2020–2023 die
«interkantonale Steuerattraktivität si-
cherstellen». Sein Fokus richte sich auf
Steuersenkungen in den hohen Einkommensklassen. Genauer: auf die Bruttoeinkommen über 150 000 Franken. Um Steuerausfälle abzufedern, wird man bei den
Einkommensschwächsten ansetzen: bei
den Bruttoeinkommen unter 60 000
Franken. Denn Steuerausfälle, das weiss
auch Lauber, kann sich der defizitäre
Landkanton nicht erlauben.
DER KANTON KÄMPFT mit dieser Reform
um den Ruf, den es sich in den 80er-Jahren erarbeitet hatte. Damals lockte das
Baselbiet die gut verdienenden Städter
mit tiefen Steuersätzen aufs Land. Dieses
Image begann nach der Jahrtausendwende zu bröckeln. Mit den Steuerreformen
kam das Baselbiet fortan nicht mehr den
Reichen, sondern der Mittel- und Unterschicht entgegen. Die grosse Steuerreform 2007 schlug mit jährlich 40 Millionen Franken zu Buche. Beinahe die Hälfte der Steuerentlastungen betraf Einzelelternfamilien. Familien also, die mit einem Lohn auskommen müssen.
Die Einkommenssteuerreformen der
vergangenen 15 Jahre haben zu jährlichen Steuerausfällen von 81 Millionen
Franken geführt. Trotzdem hat der Kanton im Wettbewerb um die guten Steuerzahler den Anschluss verloren. Jahr für
Jahr wurde Baselland im interkantonalen
Vergleich ein paar Plätze nach hinten ge-
spült. 2014 lag Liestal, wenn auch bedingt
durch einen hohen Gemeindesteuerfuss,
im Hauptortvergleich bei den Bruttoeinkommen eines Ledigen mit über 500 000
Franken auf dem zweitletzten Platz vor
Genf. Auch für vermögende und einkommensstarke Familien ist das Baselbiet
heute nicht mehr attraktiver als die
«
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Die Regierung wird wohl
kaum den Fehler machen,
jetzt die Steuern zu senken.»
ADIL KOLLER, BASELBIETER SP-PRÄSIDENT
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Stadt. Gleichzeitig stieg die Attraktivität
für die Menschen in den untersten Einkommensklassen. So befreite das Baselbiet die Einkommen unter 15 000 Franken gleich gänzlich von den Steuern.
Die Bürgerlichen sind sich einig,
dass es im Kanton Baselland eine Trendumkehr braucht. Um diese anzustossen,
kam ihnen die Abwahl der SP aus der Regierung entgegen. Seit vergangenem
Sommer können die bürgerlichen Exekutivmitglieder in Ruhe an der neoliberalen
Wende werkeln. Widerstand gab es selbst
nach der Publikation des Regierungsprogramms nicht. Die SP-Landräte waren
vergangene Woche mit der Budgetdebatte absorbiert. Lediglich SP-Präsident Adil
Koller fand Zeit, sich ins Aktenstudium
zu vertiefen. Beim Legislaturziel «Steuerreform» sei er «hängen geblieben». Weil
sich die Parteikollegen im Landrat aber
erst mit aller Kraft gegen die Einsparungen fürs nächste Jahr zu stemmen hätten, habe er die Opposition gegen die geplanten «unsozialen Reformen» vertagt.
DIE SOZIALDEMOKRATEN werden nun bei
der parlamentarischen Beratung des Programms auf die «fehlgeleitete Politik»
hinweisen, wie Koller sagt. Die Argumentation des Finanzdirektors, wonach der
Kanton in den vergangenen Jahren bei
den Einkommensschwächeren die Steuern gesenkt habe, sei «ziemlich eigenwillig». Denn gleichzeitig habe man die Erbschaftssteuern und Unternehmenssteuern gesenkt, was zu noch grösseren Steuerausfällen geführt habe. «Und die Abbaumassnahmen, beispielsweise bei den
Krankenkassenprämien oder beim U-Abo,
kommen letztlich Steuererhöhungen bei
den tiefen Einkommen gleich», sagt Koller. Eine stärkere Steuerbelastung dieser
Einkommensschichten komme für ihn
daher nicht infrage. Und vor dem Hintergrund des 80-Millionen-Deals mit BaselStadt will er auch nicht glauben, dass die
Regierung jetzt den «Fehler» mache, die
Vermögenden zu entlasten.
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