TIERGESUNDHEIT Einstreu: Wo lauern die meisten Keime? Mastitis-Keime warten nur auf steigende Temperaturen, um sich in der Einstreu rasant zu vermehren. Mit welcher Einstreu Sie am besten fahren, zeigen Prof. Dr. Volker Krömker und Dr. Julia Friedrich, Fachhochschule Hannover. E uterentzündungen, die durch Umwelterreger verursacht werden, haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Dabei spielt vor allem die hygienische Qualität der Einstreu eine zentrale Rolle. Während sich Umweltstreptokokken (Sc. uberis) vor allem in Stroh schlechter Qualität vermehren, sind die anderen Erreger dieser Gruppe wie E. coli und Klebsiellen von der hygienischen Situation der Einstreu – dem Kontakt zu Kot – abhängig. Klebsiellen treten darüber hinaus noch häufig in Sägespäne in problematischer Keimzahl auf, da diese Keime das schwach saure Milieu von Sägespänen gut ertragen können. Während Infektionen mit Umweltstreptokokken recht gleichförmig im Jahresverlauf zu finden sind, verursachen die anderen Keime deutlich mehr Infektionen bei feucht-warmer Witterung. Umweltkeime wie E. coli und Klebsiellen vermehren sich in verschmutzter und feuchter organischer Einstreu bei sommerlichen Temperaturen massenhaft. Da in der Trockenperiode die Infektionswahrscheinlichkeit mit Umwelterregern über fünfmal höher als in der Laktation ist, muss bei den Trockenstehern – selbst bei Verwendung von „Trockenstellern“ – und insbesondere im Abkalbestall auf hygienisch optimale Liegeflächen geachtet werden. Gerade durch den direkten Kontakt zwischen der Euterund Zitzenhaut und der Einstreu der Liegeflächen nimmt die Einstreuqualität wichtigen Einfluss auf die Eutergesundheit. Wenn Einstreumaterialien von geringer Qualität verwendet werden und der Liegebereich und die Laufflächen nur mangelhaft gepflegt und gesäubert und die Einstreu nicht regelmäßig erneuert wird, nimmt die Keimdichte im Haltungsumfeld der Kühe massiv zu. Dies kann vor allem dann, wenn die körpereigene Abwehr der Kühe gegenüber Infektionen nur unzureichend funktioniert, zu einem deutlichen Anstieg der Mastitisfälle in einem Betrieb führen. Sauber und trocken eingestreute Liegeflächen sind also ein wichtiger Teil der Mastitisvorbeugung. Neben optimaler hygienischer Qualität der Einstreu ist aber In Laborversuchen zeigte sich, dass Häckselstroh guter Qualität mit einem Kreide- oder Kalkzusatz hinsichtlich der Erregervermehrung eine praktikable Einstreu-Lösung ist. Die Keimentwicklung in der Einstreu lässt sich mit Agarplatten untersuchen. R12 top agrar 7/2008 auch auf den Kuhkomfort zu achten, wobei diese beiden Aspekte häufig im Widerspruch zu einander stehen. Bakterien bevorzugen organische Einstreu Einen Einfluss auf die hygienische Qualität der Einstreu haben sowohl das Material als auch die Häufigkeit des Einstreuwechsels. Beim Material spielen zum einen der Ausgangskeimgehalt, also die Anzahl an Erregern, die sich in der frischen Einstreu befindet, als auch die Wachstumsbedingungen für die Keime eine Rolle. Eine Erregervermehrung kann insbesondere in organischem, feuchtem Material stattfinden, das viele für das Keimwachstum wichtige Nährstoffe enthält und einen neutralen pH-Wert aufweist. Die üblicherweise verwendeten Einstreumaterialien zeigen verschiedene Eigenschaften, die sich mehr oder weniger fördernd auf die Bakterienzahl auswirken: ■ Organische Stoffe wie Stroh und Holzspäne bieten durch die vorhandenen Nährstoffe eine gute Grundlage für die Erregervermehrung, weisen dafür aber eine relativ gute Saugfähigkeit auf. ■ Anorganisches Material wie Sand hat zwar in der Regel einen niedrigeren Aus- In jedem Einstreumaterial entwickeln sich Keime. Die Belastung lässt sich aber durch häufigeres Einstreuen und den Zusatz von Kalk deutlich vermindern. gangskeimgehalt und bietet den Bakterien eine schlechtere Nährstoffgrundlage, jedoch wird durch Sand eher weniger Feuchtigkeit gebunden. Wie Laborversuche zeigten, können sich krankmachende Keime in Sandeinstreu nur dann nicht entwickeln, wenn Sand von bester Qualität verwendet wird, d.h. wenn reine Quarzsande benutzt werden, die keine organischen Bestandteile enthalten. ■ Feineres Material unterstützt das Keimwachstum. Zudem haften feine Einstreuteilchen besser an der Zitze der Kuh, wodurch die Übertragung der Erreger gefördert wird. Alkalische Zusätze sind keine Wundermittel Um den pH-Wert auf einem Niveau zu halten, bei dem ein möglichst geringes Keimwachstum stattfindet, können der Einstreu alkalische Zusätze wie Kalk, Brandkalk oder Kreide sowie saure Zusätze beigegeben werden. Auch hierbei hängt die Wirkung der verschiedenen Mittel vom Einstreumaterial und den zu bekämpfenden Keimen ab, außerdem verlieren die Stoffe mit der Zeit die Fähigkeit den pH-Wert zu beeinflussen. In der Regel werden durch alkalische Zusätze auch keine Verschiebungen des pHWertes der Einstreu erreicht, die das Keimwachstum völlig ausschalten. Bei der Nutzung von Sägespänen, die häufig leicht saure pH-Werte aufweisen, kann der Zusatz von alkalisierenden Mitteln sogar ungewünschte Effekte produzieren, wenn die entstandene Mischung neutrale und damit wachstumsfreundliche Bedingungen schafft. Eine optimale Boxeneinstreu für Milchkühe sollte daher folgende Eigenschaften aufweisen: ■ Anorganisches Material, ■ pH-Wert (< 5 oder > 9), ■ grobe Struktur, feuchtigkeitsbindend, nicht staubend; ■ nicht reizend auf Haut und Schleimhäute, ■ guter Kuhkomfort. All diesen Anforderungen kann aber kein Material gleichzeitig gerecht werden. Grundsätzlich gilt, dass aus einem hygienischen katastrophalen Einstreumaterial auch durch verschiedenste Zusätze keine sichere Einstreu geschaffen werden kann, die nur alle 14 Tage eingestreut werden muss. Ein in der Praxis funktionierender Kompromiss muss Art und top agrar 7/2008 R 13 TIERGESUNDHEIT Qualität der im Betrieb verfügbaren Materialien, arbeitswirtschaftliche Aspekte und das betriebsspezifische Keimspektrum berücksichtigen. Was leisten Einstreupulver? Empfehlung: Häckselstroh mit Kalkzusatz Mehrere eigene Studien der letzten Jahre, in denen verschiedene Einstreumaterialien und Zusätze vergleichend untersucht wurden, haben gezeigt, dass solch ein Kompromiss z. B. aus einem Häckselstroh guter Qualität bestehen kann, das 1 : 1 (nach Gewichtsanteilen) mit einem kommerziellen alkalischen Kreide- oder Kalkzusatz gemischt wird, wenn ein Wechselintervall von zwei Tagen eingehalten werden kann. Soll das Wechselintervall verlängert werden, genügt es aber nicht, bessere Qualitäten der Materialien oder höhere Konzentrationen der Zusätze zu verwenden. In diesem Fall kann nur über eine entsprechend lang anhaltende Verschiebung des pH-Wertes in den alkalischen Bereich über 9,5 pH eine nennenswerte Hemmung des Keimwachstums erreicht werden. Diese wiederum gelingt nur durch den Einsatz von Brandkalk oder Löschkalk in Anteilen von bis zu zehn Gewichtsprozenten mit den beschriebenen Risiken für Haut und Schleimhaut. Wird jedoch diese fertige Einstreumischung im Kopfraum der Boxen gelagert, führt die Pufferwirkung des Speichels zu einer Neutralisierung und damit zu einer starken Begünstigung des Keimwachstums im Einstreumaterial. Vier Punkte-Programm gegen Umwelterreger Eine Bekämpfung von Mastitiden durch Umwelterreger im Bereich der Liegeboxen- und Stallhygiene sollte also folgende Schritte umfassen, die hier mit absteigender Bedeutung aufgeführt sind: j 1. Optimierung der Hygiene im Abkalbestall (Misten, Reinigen und Neueinstreu nach jeder Abkalbung), j 2. Sorgfältige Boxen- und Laufflächenreinigung (Kühe im Melkstand sind sauber), j 3. Kurzes Nachstreuintervall (maximal 2 Tage), j 4. Einstreustroh bester Qualität und Lagerung . Mit diesen Maßnahmen können extreme Keimzahlspitzen in der Einstreu vermieden und die Neuinfektionsrate der Tiere mit Umwelterregern niedrig gehalten werden. Umweltkeime sind aber trotz perfekter Hygiene in jedem Betrieb vorhanden. Letztlich entscheidet die Zitzen- und Körperabwehr der Tiere, ob diese regelmäßig vorkommenden Kontakte mit Keimen zu Mastitiden führen. R14 top agrar 7/2008 Ob Einstreupulver dabei helfen, die Keimbelastung in der Liegebox zu vermindern, ist bisher noch nicht eindeutig geklärt. Fotos: Heil (2), Krömker (3), S. Lehnert Zur Desinfektion von Liegeflächen denstellend bis sehr gut. Im Labor-Test gibt es seit einiger Zeit so genannte Ein- wurde mit dem Produkt, das Brandkalk streupulver am Markt zu kaufen. Die als Wirkstoff enthält, die LebendkeimHersteller versprechen trockenere Lie- zahl in der Einstreu um 102 bis 105 redugeflächen und damit eine keimhemmen- ziert. de Wirkung. Außerdem werde die StallIn der Lehr- und Versuchsanstalt luft verbessert und der Fliegendruck im Echem konnte der pH in der Einstreu Stall reduziert. Die Preise für die Pro- mit dem Produkt Deuto-Mix von Firma dukte bewegen Lukeneder von sich zwischen 10 7,5 auf 9,5 erund 25 E/25 kg. höht werden, so In der Praxis konnten Ob aber all dass man von diese Wirkuneiner gewissen wir mit den Pulvern gen eintreffen, bakterioziden bisher keine nachwird von EuterWirkung ausgegesundheitshen kann. Insvollziehbare Wirkung Tierärzten noch gesamt ist die erzielen infrage gestellt. Unsicherheit Es gibt noch zu groß: „Viele Dr. Wilfried Wolter, wenig UntersuProdukte werEutergesundheitsdienst, Hessen chungen zum ben mit einer Einsatz der zum bakteriziden Teil recht teuWirkung, ohne ren Produkte: „In der Praxis konnten wir den Nachweis dafür erbracht zu haben“, mit diesen Einstreupulvern bisher keine so Reubold. nachvollziehbare Wirkung erzielen“, erAber auch wenn diese Produkte wirklärt Dr. Wilfried Wolter vom Euterge- ken sollten, betonen die Tierärzte, dass sundheitsdienst in Gießen. Auch die bekannten Hygienemaßnahmen wie Dr. Martin Spohr aus Stuttgart ist skep- zum Beispiel regelmäßig frische Eintisch: „Bisher haben wir keinen signifi- streu, an oberster Stelle stehen müssen: kanten Einfluss auf den Oberflächen- „In Problembetrieben müssen zuerst keimgehalt der Liegefläche festgestellt.“ Milchseen und übermäßiger Koteintrag Die DLG hat bisher nur das Produkt vermieden werden. Erst danach kommt Desical plus von Firma Hufgard auf sei- die Frage nach der Einstreuart und nach ne Hygienewirkung getestet. Die keim- Hilfsmitteln“, erklärt Dr. Martin Spohr reduzierende Wirkung bezeichnet Ha- vom Eutergesundheitsdienst in Stuttrald Reubold von der DLG als zufrie- gart. S. Lehnert „ “ Praxistipps für saubere Einstreu Ein pH-Wert über 9 vermindert das Keimwachstum deutlich. Daher ist eine pHWert-Messung zur Risikoabschätzung ratsam. ■ Die Qualität von Sägespänen variiert in der Praxis sehr stark. Daher empfehlen Experten, bei diesem Material besonders auf die Bezugsquelle und die dortigen Lagerbedingungen zu achten. Verwenden Sie möglichst kein Sägemehl aus Nasslagern, da die Keimbelastung hier besonders hoch ist. Auch auf die verwendeten Hölzer sollte man achten. Empfohlen werden Späne von Kie- fer, Eiche und Lärche. ■ Im Sommer sollten Sie, wenn möglich, auf Sägemehl verzichten. ■ Bei Hochboxen sollte Strohmehl (Partikellänge unter 5 mm) eingesetzt werden, um eine saugfähige Unterlage zu schaffen, die gleichzeitig gelenkschonend ist. ■ Verwenden Sie möglichst fein vermahlenen Kalk (Mahlstufe 1), so dass 80 bis 90 % der Körner Korngrößen von weniger als 0,09 mm aufweisen. ■ Wenn Sand beim Durchrieseln durch die Finger viel Staub aufwirbelt, enthält er bereits zu viel organisches Material. ■ Sinnvoll ist, den pH-Wert der Einstreu per Stichprobe zu überprüfen. Dazu eignen sich Schnelltest-Streifen. ■ In Problembetrieben ist zusätzlich eine bakteriologische Überprüfung der Einstreu unverzichtbar. ■ Gummimatten sollten einmal jährlich gründlich mit dem Hochdruckreiniger gereinigt werden, auch wenn chemische Desinfektionsmaßnahmen angewandt wurden, denn sie wirken meist nur wenige Tage. S. Lehnert top agrar 7/2008 R 15
© Copyright 2024 ExpyDoc