Abschlussarbeit - Fakultät für Psychologie

Projektseminar Präferenzurteile
Anker ahoi: Stimmungseinflüsse auf den Ankereffekt bei
Präferenzurteilen
Melanie Amsler, Letizia Leanza, Schewas Kamal & Luca Stauffer
Universität Basel, Fakultät für Psychologie
1 2 Projektseminar Präferenzurteile
Zusammenfassung
Wenn Menschen Urteile fällen, können diese Urteile von irrelevanten, sogar
zufälligen Informationen verzerrt werden. Diese Verzerrung wird als Ankereffekt bezeichnet.
Das Ausmass, in welchem dieser Ankereffekt auftreten kann, ist vermutlich auch von der
situativen Gefühlslage, der Stimmung, abhängig. Herrscht eine positive und glückliche
Stimmung, wird aufgrund der oberflächlichen Informationsverarbeitung ein verminderter
Einfluss des Ankers erwartet, wobei in einer negativen und traurigen Stimmungslage der
Anker vermehrt wahrgenommen und somit unser Urteil eher fälschlicherweise verzerrt wird.
Um die Stimmung zu manipulieren, verfassten 99 Probanden zunächst einen Aufsatz zu
einem glücklichen, traurigen oder neutralen Thema. Anschliessend beurteilten die Teilnehmer
eine Reihe von Kunstgemälden. Dabei sollten die Teilnehmer zunächst einschätzen, ob mehr
als 25%, 50% oder 75% von zuvor befragten Personen (der Anker) das Bild positiv oder
negativ beurteilt hatten. Nach Beantwortung der Frage sollten die Teilnehmer schliesslich die
Bilder selbst beurteilen. Direkt nach der Stimmungsmanipulation gaben die Teilnehmer in
trauriger Stimmung an, einen stärkeren negativen Affekt zu verspüren; die Teilnehmer in
glücklicher Stimmung gaben dagegen einen höheren positiven Affekt an. Betreffend
Ankereffekt lässt sich festhalten, dass die Probanden bei einem niedrigeren Ankerwert (25%)
die Bilder tendenziell negativer bewerteten als bei einem mittleren (50%) oder hohen
Ankerwert (75%). Ein zusätzlicher Effekt der Stimmung auf den Einfluss dieser Ankerfragen
wurde allerdings in keiner der drei Bedingungen beobachtet. Eine mögliche Erklärung dafür
wäre, dass die Stimmungsmanipulation nicht bis ans Ende der Untersuchung anhielt. Eine
stärkere Stimmungsinduktion könnte hier vermutlich Abhilfe schaffen.
3 Projektseminar Präferenzurteile
Täglich sind wir Menschen damit konfrontiert, Entscheidungen zu treffen und verschiedene
Alternativen zu bewerten. Wir tun dies mehrmals am Tag, in verschiedenen Bereichen
unseres Lebens, manchmal fällen wir spontane Entscheidungen, manchmal denken wir lange
nach, bevor wir zu einem Entschluss kommen. Sogar wenn wir uns für nichts oder gegen eine
Alternative entscheiden bedeutet dies, dass wir eine aktive Entscheidung treffen müssen.
Präferenzurteile sind allgegenwärtig, unendlich vielseitig und bezeichnen Urteile, bei denen
wir jeweils nur eine Alternative beurteilen und nicht wie bei einer Wahl, zwischen zwei oder
mehr Alternativen wählen müssen (Chapman & Johnson, 1999). Doch wie werden
Präferenzurteile gebildet, und welches sind bedeutende Faktoren die ein Urteil
möglicherweise verzerren oder beeinflussen können?
Der Ankereffekt
Nicht selten spielen dabei so genannte Urteilsheuristiken eine Rolle, welche uns die
Entscheidung unbewusst durch ihren geringen kognitiven Aufwand, erleichtern (Chapman &
Johnson, 2002). Eine dieser Urteilsheuristiken, ist die Ankerheuristik. Kommt diese zum
Einsatz, entsteht der „Ankereffekt“. Dabei wird eine spezifische Information verwendet,
welche als Orientierung oder auch als Ausgangspunkt für die Urteilsbildung, sozusagen als
Anker, dient (Mussweiler & Thomas, 1997). Die Anpassungen, die je nach Einfluss dieser
Informationen vorgenommen werden, führen nicht zwingend zu einem besseren, richtigeren
Urteil, sondern das Urteil, wird in Richtung des Ankers, verzerrt. Die Adjustierung, welche
Personen aufgrund der Einwirkung dieser durch den Anker vermittelten Information
vornehmen, kann je nach Ankerwert in eine bestimmte Richtung erfolgen. Ein höherer,
numerischer Wert führt vermehrt dazu, dass Urteile zu hoch ausfallen. Dies zeigten auch
Englich und Mussweiler (2001) in ihrem Experiment mit echten Richtern als Probanden, die
in einem Vergewaltigungsszenario eine gerechte Strafe für den Täter ausmachen mussten.
Beeinflusst wurden diese durch den Strafmassvorschlag eines Informatikstudenten, mit
Projektseminar Präferenzurteile
4 hohem oder tiefem Anker. Die Ergebnisse zeigten deutlich, dass sich die Richter, Experten
auf dem Gebiet, deutlich durch den Vorschlag des Informatikstudenten beeinflussen liessen.
Je höher der durch den Studenten gesetzte Anker, desto höher das Urteil der Richter.
Die in dieser Studie beschriebene Erkenntnis verweist auch auf die sogenannte
„Robustheit“ des Ankereffektes hin: unterschiedlichste Manipulationen können den
Ankereffekt kaum reduzieren (Mussweiler & Strack, 2001). Dazu gehört zum Beispiel die
Formulierung des eigentlichen „Ankers“ (z.B. Text, Frage), welche die Information
vermittelt. Aber auch Umgebungsfaktoren, wie das experimentelle Umfeld, haben keinen
erkennbaren Einfluss auf die Intensität des Ankereffektes. Ausserdem tritt der Ankereffekt
nicht nur bei Probanden auf, die sich mit dem Thema der Befragung schlecht oder nur wenig
auskennen, sondern auch bei Experten. Diese Eigenschaften unterscheiden die Ankerheuristik
grundsätzlich von anderen Urteilsheuristiken.
Es gibt verschiedene Modelle, die einen Erklärungsansatz für den Ankereffekt
liefern. Eines der bedeutendsten ist wohl das Modell der selektiven Zugänglichkeit (Strack &
Mussweiler, 1997), das besagt, dass Probanden eine Hypothese oft nur einseitig testen. Gibt
man Probanden also eine Aussage oder einen Wert, den sie untersuchen sollen, beginnen sie
mit der Suche nach Argumenten, dass dieser gegebene Wert der Richtige sein mag.
Schliesslich beeinflussen numerische Werte (Beispiel: höhere oder tiefere), sowie die Art der
Fragenformulierung (Beispiel: positiv oder negativ) die Richtung in welche die
Hypothesentestung erfolgt. Dies führt dazu, dass vor allem ankerkonsistente Information
besonders zugänglich wird und diese dann auch für das abschliessende Urteil benutzt wird.
Personen gehen beim Urteil also von einem ersten Anfangsschätzwert aus und passen diesen
im Folgenden nur ungenügend an.
5 Projektseminar Präferenzurteile
Stimmung
Ein weiterer Faktor, der Präferenzurteile beeinflussen kann, ist die Stimmung.
Doch was genau ist Stimmung eigentlich, welche Funktionen hat sie und wie kann sie
beeinflusst werden? Im Gegensatz zu intensiven und im Zentrum der Aufmerksamkeit
stehenden „Gefühlen“, deren Auslöser eine Person sich bewusst ist, sind „Stimmungen“
Hintergrundphänomene, die meist nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, die weniger
intensiv sind als Gefühle und deren Auslösebedingungen sich eine Person meist nicht bewusst
ist (vgl. Averill, 1980; Ewert, 1965; Frijda, 1993; Schwarz & Clore, 1996). Im Allgemeinen
werden eine direktive und eine informative Funktion von Stimmungen unterschieden (Abele,
1995; Gendolla, 2000; Isen, 1987; Schwarz & Clore, 1983).
Die direktive Funktion bezieht sich darauf, dass positive und negative
Stimmungen, ähnlich wie positive und negative Emotionen allgemein, ein Bedürfnis nach
Stimmungserhalt bzw. nach Stimmungsverbesserung mit sich bringen. Insbesondere negative
Stimmung sollte einen Einfluss auf die Handlungswahl haben, indem solche Aktivitäten
präferiert werden, die eine Stimmungsverbesserung versprechen. (Thayer, Newman, &
McClain, 1994).
Die informative Funktion von Stimmungen bezieht sich zum einen darauf, dass
Stimmungen, ähnlich wie Emotionen allgemein, über den momentanen Zustand hinsichtlich
der Zielerreichung informieren und somit die weitere Handlungsplanung beeinflussen können.
Zum anderen bezieht sich die informative Funktion darauf, dass die Stimmung selbst als
Information in Urteilsbildungsprozesse einbezogen werden kann und dann so genannte
Stimmungskongruenzeffekte hervorruft (Abele & Petzold, 1994; Bower, 1981; Forgas, 1995;
Mayer, Gaschke, Braverman, & Evans, 1992), das heisst positivere Urteile in positiver
Stimmung und negativere Urteile in negativer Stimmung. Diese Urteile wiederum können die
Motivation zur Handlungsausführung beeinflussen (Otto, Euler, & Mandl, 2000).
6 Projektseminar Präferenzurteile
Stimmungen und Ankereffekt
Welche Ergebnisse sind nun bereits zum Ankereffekt und Stimmung bekannt?
Bei Heuristiken allgemein, ist es so, dass sie bei positiver Stimmung eher zur Urteilsbildung
herangezogen werden (Elsbach & Barr, 1999). Dagegen werden in einer negativen Stimmung
Informationen tiefgründiger verarbeitet, so dass die relevanten Eigenschaften besser erkannt
und
genauer
analysiert
werden
(Englich
&
Soder,
2009).
Diese
Form
der
Informationsverarbeitung führt zum Ausschluss vieler oberflächlicher Hinweise aus dem
Informationspool, aus welchem beim Prozess der Entscheidungsfindung geschöpft wird. Bei
der Ankerheuristik scheint jedoch genau das Gegenteil der Fall zu sein. Dort begünstigt eine
negative Stimmung den Effekt.
Englich & Soder (2009) haben zwei Studien zum Thema Ankereffekt und
Stimmung in Kombination mit oder ohne Vorwissen durchgeführt. Mit Vorwissen ist hier
gemeint, wie viel Wissen die Probanden über den zu beurteilenden Sachverhalt besitzen.
Allgemein wurde herausgefunden, dass Personen mit Vorwissen gleich stark vom
Ankereffekt beeinflusst werden, egal ob sie in gute oder schlechte Stimmung versetzt wurden.
Für Personen, die kein Vorwissen haben, zeigt sich der Ankereffekt nur, wenn sie in traurige
Stimmung versetzt wurden, nicht aber, wenn sie in positive Stimmung versetzt wurden. Wenn
sich Personen also gut fühlen und in glücklicher Stimmung sind, wir das Ausmass des
Ankereffekts reduziert (Englich & Soder, 2009). In der zweiten Studie wurde die erste Studie
in ähnlicher Weise repliziert aber unter etwas milderen und nicht so emotionsgeladenen
Umständen. In dieser Studie konnte derselbe Effekt wie in der ersten Studie gezeigt werden.
Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass die Urteile höher ausfallen, wenn die Personen in
trauriger Stimmung waren. Weiter konnte gezeigt werden, dass Personen in trauriger
Stimmung
den
Anker
gründlicher
ankerkonsistenter Information suchen.
und
sorgfältiger
bearbeiten
und
aktiv
nach
Projektseminar Präferenzurteile
7 Dies zeigte sich darin, dass diese Personen länger brauchten, um ihre Antwort zu generieren
(Englich & Soder, 2009).
Auch Bodenhausen, Gabriel und Lineberger (2000) machten zwei Experimente
zum Thema Ankereffekt und Stimmung. In ihrem ersten Experiment konnten sie zeigen, dass
Personen in trauriger Stimmung ihr Urteil stärker einem gegebenen Anker anpassen wie
Personen in neutraler Stimmung. Es konnte auch gezeigt werden, dass traurige Personen mit
einem niedrigen Ankerwert auch niedrigere Urteile abgeben, wie Personen in neutraler
Stimmung. Wurden die Probanden einem hohen Anker ausgesetzt, gaben die Personen in
trauriger Stimmung ein höheres Urteil ab wie Personen in neutraler Stimmung.
Auf diesen Theorien und Aussagen basierend, kann man viele Aspekte genauer
betrachten und verschiedene Hypothesen generieren, auf die wir im Folgenden genauer
eingehen werden. Zu Beginn wäre es interessant herauszufinden, wie sich die Höhe eines
Ankers auf eine numerische Bewertung auswirkt.
Hypothese 1
Es wäre denkbar, dass ein hoher Ankerwert eine hohe numerische Bewertung zur Folge hat.
Somit müsste auf einen niedrigen Ankerwert auch eine niedrige numerische Bewertung
folgen, und auf einen neutralen Ankerwert eine neutrale Bewertung. Hiermit wird
grundsätzlich das Auftreten des Ankereffekts überprüft.
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6 Ratingpunkte 5 4 3 2 1 0 Neutral Anker hoch Anker tief Höhe des Ankers Abbildung 1. Darstellung des Zusammenhangs zwischen der Höhe des Ankerwertes und der Höhe des
Präferenzurteils.
Die erste Hypothese sollte zeigen, wie die Höhe des Ankers die numerische Bewertung formt.
Des Weiteren zeigten Bodenhausen et. al., (2000), dass die Stimmung Einfluss auf die
Anfälligkeit der Annahme des Ankers haben kann und somit auch die numerische Bewertung
über die Stimmung beeinflusst wird.
Es stellt sich nun die Frage, wie anfällig man auf den Ankereffekt ist, wenn man in eine
positive, negative oder neutrale Stimmung versetzt wird. Hierzu gehen wir von den
Untersuchungen von Bodenhausen et al., (2000) und Englich & Soder (2009) aus, wobei in
diesen Arbeiten jeweils nur die beiden Stimmungsbedingungen glücklich und traurig
untersucht wurden.
Hypothese 2
a. Die Anfälligkeit auf den Ankereffekt verringert sich, wenn man in eine positive
Stimmung versetzt wird.
b. Die Anfälligkeit auf den Ankereffekt vergrössert sich, wenn man in eine
negative Stimmung versetzt wird.
9 Projektseminar Präferenzurteile
c. Die numerische Bewertung wird durch den Ankerwert geformt, auch wenn
keine Stimmung induziert wird.
30 Ankereffekt 25 20 15 10 5 0 neutral traurig fröhlich Stimmungslage Abbildung 2. Darstellung des Zusammenhangs zwischen der Stimmung und der Anfälligkeit auf den Ankerwert.
Zuletzt kann man der Frage nachgehen, wie sich die Formulierung der Frage, kombiniert mit
der Stimmung, auf den Ankereffekt auswirkt.
Hypothese 3
a. Wenn eine Frage negativ formuliert wird, sollten negative Ankerwerte von den
Probanden mit trauriger Stimmung stärker angenommen werden als positive, da in
diesem Fall negative Informationen besser abrufbar werden.
b. Ist die Frage hingegen positiv formuliert, sollten diejenigen Probanden mit positiver
Stimmung einen stärkeren positiven Ankereffekt aufweisen.
c. Der Effekt der positiv gestimmten Gruppe muss insgesamt jedoch schwächer sein als
der Effekt der traurig gestimmten Gruppe, da der Ankereffekt bei trauriger Stimmung
stärker wirkt wie bei fröhlicher Stimmung.
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35 Ankereffekt 30 25 20 Frage + 15 Frage -­‐ 10 5 0 neutral traurig fröhlich Stimmungslage Abbildung 3. Darstellung des Zusammenhangs zwischen der Stimmungslage und Fragenformulierung.
Als Alternativhypothese zur dritten Hypothese kann zusätzlich untersucht werden, ob ein
stimmungskongruenter Anker den Ankereffekt verstärkt. Ein Anker ist in unserem Fall
stimmungskongruent, wenn positive Stimmung mit einem hohen Ankerwert und negative
Stimmung mit einem niedrigen Ankerwert dargeboten wird. Inkongruenz hingegen beschreibt
den Fall, dass positive Stimmung mit einem niedrigen Ankerwert und negative Stimmung mit
einem hohen Ankerwert kombiniert wird.
Alternativhypothese (Wurde nicht untersucht)
a. Ist die Stimmung mit dem Ankerwert kongruent, verstärkt sich der Ankereffekt.
b. Ist die Stimmung mit dem Ankerwert inkongruent, verringert sich der
Ankereffekt.
c. Bei Personen in neutraler Stimmung sollte die Formulierung der Frage in
Kombination mit einem hohen oder niedrigen Ankerwert keinen Einfluss auf
die Effektivität des Ankereffekts haben.
11 Ankereffekt Projektseminar Präferenzurteile
8 7 6 5 4 3 2 1 0 Alternativhypothese kongruent Inkongruent neutral traurig fröhlich Stimmungslage Abbildung 4. Darstellung der Alternativhypothese bezogen auf Stimmungskongruenz und Ankereffekt.
Die in den Hypothesen beschriebenen Grundideen sollen verdeutlichen, dass der Ankereffekt
bei der Bildung von Urteilen von verschiedenen Einflussgrössen wie der Stimmung, der
Fragenformulierung und der Stimmungskongruenz beeinflusst wird.
Experimentelle Untersuchung
Methoden
Design. Das Experiment besteht aus einem 3 (Stimmung) x 3 (Ankerwert) x 2
(Fragenformulierung) mixed Design. Die erste unabhängige Variable „Stimmung“, die
zwischen den Versuchspersonen variiert, setzt sich zusammen aus den drei Stufen positive,
negative und neutrale Stimmung, in die die Versuchspersonen versetzt wurden. Die zweite
unabhängige Variable „Ankerwert“ beinhaltet ebenfalls drei Stufen, die in niedrige (25%),
mittlere (50%) und hohe (75%) Ankerwerte unterteilt wurden. Die dritte unabhängige
Variable lässt sich lediglich in die zwei Stufen der positiven und negativen
Frageformulierungen unterteilen. Sowohl die Bild-Anker-Kombination als auch die
Formulierung der Frage wurden dabei innerhalb der Versuchspersonen variiert. Als abhängige
Variable wurden 48 klassische Gemälde auf einer Likert Skala von sehr negativ (0) bis sehr
positiv (100) bewertet.
Projektseminar Präferenzurteile
12 Stichprobe. Am Experiment nahmen 99 Studenten der Psychologie der
Universität Basel teil, 33 in jeder Bedingung. Die Teilnehmer sind zwischen 18 und 50 Jahre
alt (M = 23.5, SD = 5.6). Die Teilnahme fand im Rahmen eines Seminars statt, wobei keiner
der Probanden ein Vertrauter des Versuchsleiters war und alle Probanden zufällig einer
Testbedingung zugeteilt wurden.
Geräte und Materialien. Damit die Probanden in eine der oben genannten
Stimmungen versetzt werden konnten, wurde an ihnen eine Stimmungsmanipulation
durchgeführt. Zur Erfassung der momentanen Stimmung wurde eine deutsche Übersetzung
des PANAS (Positive and Negative Affect Schedule; Watson, Clark & Tellegen, 1989) in
paper/pencil Form verwendet. Die für das Experiment verwendeten Bilder wurden mit Hilfe
eines Pilottests ausgewählt, der online durchgeführt wurde. Dieser bestand aus 80 klassischen
Gemälden, die von 30 Versuchspersonen bewertet wurden. Bilder, die eine deutliche
Stimmung induzierten, wurden nach dem Vorrating eliminiert, so dass alle Testitems
möglichst neutral erschienen. Das heisst, es wurden diejenigen Bilder, mit einem Ratingscore
von möglichst 50 (möglich war „0 = negativ“ bis „100 = positiv“) verwendet. Die
Standardabweichungen lagen jeweils im Bereich zwischen 14 bis 31 Ratingpunkten.
Schliesslich konnten wir so die benötigten 48 Bilder, für die Untersuchung, bestimmen. Diese
wurden den Probanden auf einem Computer der Marke „HP“ präsentiert.
Versuchsablauf. Im eigentlichen Versuch, welcher an der Fakultät für
Psychologie an der Universität in Basel stattfand, wurden die Probanden zufällig den
verschiedenen Gruppen der Stimmung zugewiesen. Um die Stimmung schliesslich zu
induzieren, baten wir die Probanden sich möglichst ausführlich entweder an ein besonders
trauriges (für die Testgruppe „traurige Stimmung“) oder fröhliches Ereignis (für die
Testgruppe „fröhliche Stimmung“) ihres Lebens zu erinnern und dieses detailliert
niederzuschreiben. Die Kontrollgruppe mit einer neutralen Stimmung wurde hingegen
Projektseminar Präferenzurteile
13 gebeten, aufzuschreiben, welchen Pflichten sie am vorigen Tag nachgegangen waren. Um zu
überprüfen, ob die Stimmungsmanipulation erfolgreich war, füllten die Probanden
anschliessend einen Kontrollfragebogen aus. Sie wurden danach gebeten, sich an den oben
genannten Computer zu setzten, und individuell die 48 Bilder zu beurteilen. Vor jedem Bild
wird dabei die entscheidende Frage gestellt, die den Anker beinhaltet. Es wurden
unterschiedliche Anker gesetzt, wobei die Reihenfolge der Bilder zufällig war und auch die
Fragen zufällig den Bildern zugeordnet wurden.
„Glauben Sie, dass 25% (50%, 75%) der Befragten das Bild positiv (negativ) bewertet
haben?“
Nachdem die Probanden die Frage mit Ja/Nein beantwortet haben, erschien das zu
bewertende Bild mit der zweiten Frage:
„Wie bewerten Sie das Bild persönlich?“
Die Antwort zur Frage wird von den Probanden auf einer diskret gestuften, bipolaren Likert
Skala angegeben.
Nachdem alle Ratings mit der oben beschriebenen Abfolge durchgeführt wurden, mussten die
Probanden wiederholt einen zweiten, abschliessenden Kontrollfragebogen der Stimmung
ausfüllen. Dieser diente dem Zweck zu prüfen, ob die zu Beginn durchgeführte
Stimmungsmanipulation noch anhält. Anschliessend dankte man den Probanden und
verabschiedet sie.
Resultate
Ankereffekt. Die Untersuchung der Mittelwerte der abgegeben Beurteilungen
über alle Bedingungen hinweg, Anker niedrig (M= 51.48; SD= 9.31), Anker mittel (M=
51.86; SD= 9.2), Anker hoch (M= 53.5; SD= 11.02), hat keine signifikanten Unterschiede
ergeben. Beim niedrigen Anker ergab sich der kleineste Mittelwert, beim hohen Anker der
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höchste. Die Unterschiede sind aber minimal und mit doch beträchtlichen
Standardabweichungen behaftet.
Ankereffekt
55 54 53 52 51 50 49 48 Anker Niedrig Anker Mittel Anker Hoch Abbildung 5. Differenzen der Mittelwerte, der abgegebenen Beurteilungen über alle Bedingungen hinweg, als
Diagramm dargestellt. Steigerung ersichtlich, allerdings eben nicht signifikant.
Stimmungsmanipulation. Anhand der deskriptiven Statistik konnte gezeigt
werden, dass die Versuchspersonen in der traurigen Bedingung zum ersten Messzeitpunkt die
niedrigsten Werte beim positiven Affekt (M= 2.4, SD= 0.1) und Höchstwerte beim negativen
Affekt aufwiesen (M= 1.9, SD= 0.1). In der neutralen Bedingung resultierten für den positiven
Affekt Werte zwischen der traurigen und der glücklichen Bedingung (M= 2.8, SD= 0.1) und
die niedrigsten Werte für den traurigen Affekt (M= 1.2, SD= 0.0). Des Weiteren zeigten die
Versuchspersonen in der glücklichen Bedingung Höchstwerte beim positiven Affekt (M= 3.2,
SD= 0.1) und niedrige Werte beim negativen Affekt (M= 1.3, SD= 0.1).
Die Teilnehmer in glücklicher Stimmung gaben höhere Werte für den positiven Affekt an
(M= 3.2, SD= 0.1) als Teilnehmer in neutraler Stimmung (M= 2.8, SD= 0.1) oder in trauriger
Stimmung (M = 2.4, SD= 0.1).
15 Projektseminar Präferenzurteile
Effekt Stimmungsinduktion - 1. Messzeitpunkt
3.5 3 2.5 2 Affekt Pos. 1.5 Affekt Neg. 1 0.5 0 Glücklich
Neutral
Traurig
Abbildung 6. Vergleich der erreichten Werte im PANAS bei allen Bedingungen und nach positivem, resp.
negativem Affekt separiert. (Erster Messzeitpunkt).
Die Überprüfung der Stimmungsmanipulation zum zweiten Messzeitpunkt ergab keine
deutlichen Unterschiede in den Mittelwerten und Standardabweichungen über die drei
Bedingungen hinweg (traurige Bedingung, positiver Affekt M= 2.7, SD= 0.1; traurige
Bedingung, negativer Affekt M= 1.4, SD= 0.1; neutrale Bedingung, positiver Affekt M= 2.7,
SD= 0.1; neutrale Bedingung, negativer Affekt M= 1.2, SD= 0.1; glückliche Bedingung,
positiver Affekt M= 2.8, SD= 0.1; glückliche Bedingung, negativer Affekt M= 1.3, SD= 0.1).
16 Projektseminar Präferenzurteile
Effekt Stimmungsinduktion - 2. Messzeitpunkt
3.5 3 2.5 2 Affekt Pos. 1.5 Affekt Neg. 1 0.5 0 Glücklich
Neutral
Traurig
Abbildung 7. Vergleich der erreichten Werte im PANAS bei allen Bedingungen und nach positivem, resp.
negativem Affekt separiert. (Zweiter Messzeitpunkt).
Aufgrund eines signifikanten Ergebnisses bei dem Test auf Normalverteilung und dem
Varianzhomogenitätstest wurden die Daten der Stimmungsmanipulation mit Hilfe eines nonparametrischen Verfahrens, dem Kruskal-Wallis-Test, ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen,
dass die Stimmungsmanipulation zum ersten Messzeitpunkt einen signifikanten Einfluss auf
die Stimmung der Probanden hatte. Dies gilt sowohl für den positiven Affekt, H(2)= 22.15, p
< 0.001 als auch für den negativen Affekt, H(2)= 35.40, p < 0.001.
Tabelle 1. Output Kruskal – Wallis – Test: Statistische Signifikanz der Stimmungsmanipulation zum ersten
Messzeitpunkt.
Statistik für Testa,b
Meanpos1
Chi-Quadrat
df
Asymptotische Signifikanz
a. Kruskal-Wallis-Test
b. Gruppenvariable: Bedingung
22,151
2
,000
Meanneg1
35,395
2
,000
Projektseminar Präferenzurteile
17 Im zweiten Messzeitpunkt konnte weder beim positiven Affekt, H(2)= 0.48, p= 0.79, noch
beim negativen Affekt, H(2)= 5.78, p= 0.06 ein signifikanter Unterschied nachgewiesen
werden.
Tabelle 2. Output Kruskal – Wallis – Test: Keine statistische Signifikanz der Stimmungsmanipulation zum
zweiten Messzeitpunkt.
Statistik für Testa,b
Meanpos2 Meanneg2
Chi-Quadrat
,479
5,782
df
2
2
Asymptotische Signifikanz
,787
,056
a. Kruskal-Wallis-Test
b. Gruppenvariable: Bedingung
Beurteilung der Kunstgemälde. Die deskriptive Statistik zum Anker zeigt, dass
Versuchspersonen in der traurigen Bedingung bei einem hohen, positiv formulierten Anker
ein höheres Urteil abgeben (M= 54.5, SD= 10.2) als bei einem niedrigen, positiv formulierten
Anker (M= 53.8, SD= 10.6). Hingegen beurteilten Versuchspersonen in trauriger Stimmung
Bilder am niedrigsten, wenn der Anker mittel und positiv formuliert wurde (M= 52.5, SD=
9.0).
Waren die Versuchspersonen in einer glücklichen Stimmung, wurden die
Kunstgemälde bei einem hohen, positiv formulierten Anker am positivsten bewertet (M=
56.2, SD= 10.7). Hingegen wurden die niedrigsten Beurteilungen abgegeben, wenn die
Versuchspersonen einem mittleren, negativ formulierten Anker ausgesetzt waren (M= 49.0,
SD= 8.3).
18 Projektseminar Präferenzurteile
Die Versuchspersonen in neutraler Stimmung beurteilten die Bilder am positivsten,
wenn sie einem hohen, negativen formulierten Anker ausgesetzt waren (M= 53.2, SD= 11.7)
und beurteilten die Bilder am negativsten, wenn sie einem niedrigen, negativ formulierten
Anker ausgesetzt waren (M= 49.1, SD= 10.0).
Mittelwerte - Bedingung 1 (traurig)
Anker negativ
53.13 53.76 Wert: 25%
Anker positiv
54.24 52.46 54.51 54.1 Wert: 50%
Wert: 75%
Abbildung 8. Mittelwerte der abgegebenen Beurteilungen bei allen Ankerwerten (25%, 50%, 75%) und nach
negativer, resp. positiver Formulierung der Ankerfrage, unterteilt. (Bedingung 1 = traurig).
Mittelwerte - Bedingung 2 (neutral)
Anker negativ
53 49.1 Wert: 25%
50.77 Anker positiv
52.22 Wert: 50%
53.23 51.86 Wert: 75%
Abbildung 9. Mittelwerte der abgegebenen Beurteilungen bei allen Ankerwerten (25%, 50%, 75%) und nach
negativer, resp. positiver Formulierung der Ankerfrage, unterteilt. (Bedingung 2 = neutral).
19 Projektseminar Präferenzurteile
Mittelwerte - Bedingung 3 (glücklich)
Anker negativ
49.95 49.96 Wert: 25%
49.01 Anker positiv
52.51 Wert: 50%
56.15 51.16 Wert: 75%
Abbildung 10. Mittelwerte der abgegebenen Beurteilungen bei allen Ankerwerten (25%, 50%, 75%) und nach
negativer, resp. positiver Formulierung der Ankerfrage, unterteilt. (Bedingung 3 = glücklich).
Bei der Überprüfung des Einflusses der Stimmung auf den Anker wurde eine
Varianzanalyse mit Messwiederholung durchgeführt, da die Voraussetzungen der
Normalverteilung und der Varianzhomogenität erfüllt waren. Bei beiden Testungen wurde ein
Signifikanzniveau von 0.05 verwendet und mit einseitigen Hypothesen gearbeitet. Die
teststatistische Auswertung ergibt schliesslich einen signifikanten Ankereffekt F(2, 95) =
3.44, p = 0.04, der ausserdem dadurch beeinflusst wurde, ob die Frage negativ oder positiv
formuliert wurde F(1, 96) = 4.36, p = 0.04. Für die anderen Effekte ergab sich keine
Signifikanz.
20 Projektseminar Präferenzurteile
Anker x Stimmung
56
54
52
Anker Niedrig
50
Anker Mittel
48
Anker Hoch
46
44
Glücklich
Neutral
Traurig
Abbildung 11. Mittelwerte der abgegebenen Beurteilungen bei allen Ankerwerten (25%, 50%, 75%), für jede
Bedingung einzeln angegeben. Grösste Differenzen bei der traurigen Bedingung.
Diskussion
Mit den Resultaten in unserer Untersuchung konnten wir zeigen, dass sich die
Versuchspersonen in ihrem Urteil von der Höhe des Ankerwerts beeinflussen liessen und
somit ein Ankereffekt vorhanden war. In Zusammenhang mit der Stimmung war der Effekt
jedoch nicht stark genug, um von einem Ankereffekt, wie ihn Mussweiler & Thomas (1997)
einst beschrieben, sprechen zu können. Einen möglicherweise negativen Einfluss, könnten
hier die ungünstig gewählten Adjektive der Beurteilungsachse und Ankerfragen (positiv /
negativ), gehabt haben. Dies sind Adjektive mit einer weitreichenden, eher sachlichen
Bedeutung, und sind nicht in erster Linie mit der Stimmung assoziiert. Wir vermuten, dass
hier Adjektivpaare wie fröhlich / traurig, die Beurteilungen vermehrt auf den emotionalen
Aspekt der Bilder gelenkt hätten.
Die Stimmungsmanipulation an sich ist, zumindest beim ersten Messzeitpunkt,
geglückt. Diese fehlende Persistenz der induzierten Stimmung, ist möglichweise auf die
unzureichende Effizienz unserer Variante der Stimmungsmanipulation, den selbst verfassten
Projektseminar Präferenzurteile
21 Aufsätzen, zurückzuführen. Mit dem schriftlichen Festhalten der traurigen, neutralen oder
glücklichen Erinnerungen, gingen wir einen Schritt weiter, als zum Beispiel Englich & Soder
(2009), wo die Probanden die Erinnerungen nur gedanklich herleiten und sich vorstellen
sollten. Dennoch wäre eine Methode mit visuellem (Video, Bilder), und/oder akustischem
(Musik, Hörbuch) Material, wahrscheinlich effektiver. Eine konstant präsente Stimmung,
hätte den Ankereffekt unserer Meinung nach begünstigt und schliesslich einen grösseren
Effekt ergeben. Eine weitere Komplikation war möglicherweise die homogene Stichprobe,
welche ausschliesslich aus Student/innen der Psychologie bestand. Diese hatten den
Ankereffekt bereits im Rahmen des Studiums kennen und somit, ein Stück weit, auch
erkennen gelernt. Wir vermuten, dass sie daher für die Ankerheuristik weniger anfällig waren.
Weiter haben wir, im Gegensatz zu Chapman & Johnson (1999), welche neutrale Urteile
(unter anderem Schätzungen zu eher sachlichen Themen) untersuchten, mit Präferenzurteilen
gearbeitet. Die eigenen Vorlieben, und die damit verbundenen Emotionen, spielten also eine
entscheidende Rolle bei der Urteilsbildung und entschärften den Ankereffekt wohl eher. Es
ist also fraglich, ob diese Form von Urteilen zur Untersuchung des Ankereffekts geeignet ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir den Ankereffekt sowie eine
Stimmungsmanipulation, voneinander unabhängig, zeigen konnten. Die Kombination hat,
vermutlich in erster Linie aufgrund der oben beschriebenen Komplikationen, nicht die
erhofften Resultate ergeben. In der traurigen Bedingung lagen zwar die grössten Differenzen
zwischen den verschiedenen Ankerwerten vor, diese waren jedoch zu klein um weitere
Schlussfolgerungen zu ziehen.
Projektseminar Präferenzurteile
22 Referenzen
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