Sammlung aus Grimma von Lutz und Regine Lewejohann

Whisper | Szene
I
ch habe Gerd Haffmans gefragt, warum
er die von ihm herausgegebene Anthologie Die komischen deutschen Erzähler
(gibt es wie ihre drei Vorgängerbände
nur bei Zweitausendeins) dem Gedenken an
Harry Rowohlt, dem „Größten Vorleser komischer Geschichten deutscher Zunge“ gewidmet hat und warum Harry (s. Abb.) das
Titelblatt ziert. Seine Antwort ist ein Kapitel Branchengeschichte: „Harry ist einer meiner Lebenskumpane wie Du einer bist, wie Otto Jägersberg,
Hans Wollschläger, Jürgen Lodemann, Herbert Feuerstein, Hermann Kinder oder Jörg
Drews welche waren: Wir alle haben uns im
denkwürdigen Jahr
1968 kennengelernt,
wahrscheinlich auf
der Buchmesse, da
hatte ich gerade bei
Diogenes angeheuert, von wo aus ich
für BuchMarkt als
Tobias Inderbitzin
aus der Schweiz berichtet habe.
Harry bin ich
erstmals auf dem
Messeempfang
Gerds Hommage an
1968 des RowohltHarry Rowohlt
Verlags im Senckenberg-Museum
persönlich begegnet (wo Oswald Wiener das
Knochengerüst des Tyrannosaurus Rex erklommen hat und darin rumturnte ... so war er eben,
der Geist der 68er: ganz schön aufmüpfig). In seiner Jugend hat Harry seinem Vater
Ernst Rowohlt am Krankenlager den ganzen
Schweijk von Jaroslav Hasek vorgelesen, worauf der Vater zum Sohne sprach (so hat es
Harry mir berichtet): ‚Du wirst nicht Verleger,
Du wirst wie Deine Mutter Schauspieler‘. Das
war, bevor Harry zum Star unter den Vorlesern
deutscher Zunge aufstieg. Ob Autoren oder
Schauspieler – Harry stahl allen die Show.
Wollte er gar nicht, er tat es einfach. Nur Klaus
Wagenbach und mich ließ er neidlos als ‚rührende Laien-Vorleser‘ gelten, die etwas für ihre
Autoren unternahmen.“
Die komischen deutschen Erzähler sind
jedenfalls gewaltig von Harry inspiriert und
Gerd (o. Foto mit dem Buch) will dafür im
nächsten Jahr noch einmal auf die Piste gehen:
„Es ist das perfekte Vorlesebuch für eine Solostimme, aber auch für einen gemischten Chor
mit noch je einer Frauen- und Männerstimme.“
A
n dieser Stelle hatte ich schon mehrfach
von der wirklich einmaligen Sammlung
buchhändlerischer Erinnerungsstücke
berichtet, die mein Freund Lutz Lewejohann
in fast 50 Jahren zusammengetragen hat. Dank
112
Klatsch &
Tratsch
Christian von Zittwitz
[email protected]
populärste (so damals die Welt am Sonntag
und der Stern) war er in den 80er-Jahren allemal.
Jetzt aber bringt er nach vier Jahrzehnten
gezeichneter Lyrik mit WO VASE? – 10 Uhrkomische 1-Euro Geschichten aus Hansens
Haus erstmals ein reines Prosabändchen heraus,
das es vorerst nur bei ihm im Mülheimer Atelier
am Klostermarkt gibt. Die zehn Geschichten
kosten „logischerweise zehn Euro. Die Buchhändler am Ort kaufen es für sieben Euro bei
uns ein.“ Er ist Optimist: „Ich hoffe, die ersten
1.000 sind Silvester weg.“
N
der Initiative von Prof. Siegfried Lokatis wird
diese Sammlung ab Dezember dieses Jahres für
alle Interessierten zugänglich sein. Er berichtet: „Über vier Wochen hat es
gedauert, die Wunderkammer von Lutz und
Regine Lewejohann mit 3.000 verlags- und
buchhandelsgeschichtlichen Büchern seiner
einzigartigen Sammlung von Buchdevotionalien aus Grimma zu holen und in Leipzig wieder aufzubauen. Die Studenten der Leipziger
Buchwissenschaft haben bereits alles katalogisiert und zählten allein an Werbegeschenken
von Verlagen u.v.a. 393 Taschen und Tüten,
21 Regenschirme, 49 Uhren, 155 Tassen und
Gläser, 265 Textilien (darunter 22 Krawatten,
vier Kochmützen und ein Kimono) und 193
Nahrungsmittel. Leider war das Verfallsdatum der Marzipanbücherwürmer und diverser
Alkoholika in der Regel schon überschritten.
Es funktioniert aber noch der LangenscheidtToaster, der Ullstein-Ventilator und auch das
Dartspiel von Goldmann.“ Lokatis verspricht:
„Die Schätze sind erstmals am 2. Dezember
(Dies academicus der Uni Leipzig) ab 17 Uhr in
der Hainstr. 11, Hinterhof 3.OG, zu besichtigen
und natürlich auch zur Leipziger Buchmesse.“
och einer meiner alten Freunde wagt
sich wieder unter die Verleger – mit zwei
Ideen, die seit 45 (!) Jahren unrealisiert
in der Schublade lagerten: Abraham Melzer
will den legendären Untergrundklassiker Melzers Haschisch-Kochbuch (mit einem Vorwort
von Walter Benjamin und u.a. mit Beiträgen
von Pardon-Gründer Hans A. Nikel) ebenso wieder
auflegen wie seine
bislang nicht realisierte Idee eines
„(b)rauchbaren Buches“, das lediglich
aus 200 Blatt Zigarettenpapier besteht.
Damals sollte dieses
„Joint“-Buch beziehungsreich Joy heißen, konnte damals
Abi Melzer mit
aber wegen dieses
(b)rauchbarem Buch
Namens, und weil
Zigarettenpapier
hätte versteuert werden müssen, nicht realisiert
werden. Mit Bibel-Dünndruckpapier und neuem
Titel Enjoy sieht Abi jetzt keine Hindernisse. Die
Bestelladresse wäre: Melzer Verlag, Bermondstr.
9, 63263 Neu-Isenburg
E
M
ine ganz andere Art von Wunderkammer ist das Mülheimer Atelier von Peter
T. Schulz, das seit vielen Jahren vornehmlich an den
Wochenenden der
Adventszeit zum
Ziel seiner Fangemeinde wird.
Als Kalendermacher mit einer Gesamtauflage von
jetzt 3,1 Mio. ist
er seit 40 Jahren
als Der olle Hansen in Deutschland
weltberühmt und
vermutlich der auf„Der olle Hansen“
lagenstärkste lebenjetzt mit Erzählungen
den Lyriker – der
BuchMarkt Dezember 2015
eist ist das größte Hindernis bei der
Verlagsarbeit ja die Finanzierung, für
die der Berliner Verleger Sebastian
Guggolz im ZDF eine Viertelmillion Euro abgeräumt hat: Parallel zur Gründung seines literarischen Guggolz Verlags vor zwei Jahren
hatte er sich um die Teilnahme an verschiedenen Quizshows beworben.
Jetzt im Herbst hat es geklappt, er trat bei
Der Quiz-Champion 2015 von Johannes
B. Kerner gegen fünf Experten an, darunter
Jürgen von der Lippe für Literatur und Tim
Mälzer für Ernährung. Er traue sich den Sieg
zu, weil er als Verleger um keine Antwort verlegen sei, sagte er bei seiner Vorstellung in der
Show. Sein Plan ging auf: Guggolz hat es als
einziger Kandidat geschafft, alle Promis zu
schlagen und verließ das Studio um 250.000
Euro reicher.