581_639_BIOsp_0615_- 18.09.15 14:58 Seite 630 630 W I S S EN SCH AFT · JOU R NAL CLUB ÿ Konformationen der Bacteriophytochrom-Struktur entschlüsselt ÿ Knockout-Mäuse als Modell für Depressionen und Stress ÿ Koffein-Abbau durch Darmmikroben im Kaffeekirschenkäfer ÿ Endosymbionten verlassen sterbende Bartwürmer Lothar Jaenicke Jochen Graw © Springer-Verlag 2015 Konformationen der Bacteriophytochrom-Struktur entschlüsselt Sensoren ermöglichen dem Organismus, auf Milieuveränderungen mit lebenserhaltenden Mechanismen zu reagieren. Dazu überführen aus sensitiven und transformierenden Domänen ko-entwickelte Sensorproteine Strukturimpulse einer Empfängerdomäne über weite Entfernungen in Regulatorsignale einer Antwortdomäne. Ein Paradebeispiel ist die Familie der Rotlicht-spürenden Phytochrome. ó Dies sind Kinasen, die in prokaryotischen Mikroorganismen (Cyanobakterien, Blaualgen) physiologische Reaktionen, sowie in eukaryotischen Pflanzen und Pilzen unterschiedliche Funktionen bei Entwicklung (Streckung, Tropismen, Schattenmeidung, Diurnalität) und Fortpflanzung (Keimen, Blühen) durch Änderungen ihrer Struktur und/oder Umschalten zwischen zwei stabilen Konformationen kontrollieren. Die Photosensoren der Blaualgen sind vermutlich die Vorläufer der eukaryotischen Phytochrom-Rotlicht-Rezeptoren. Phytochrome sind dimere Sensorproteine, die spezifisch Rot- und nahes Infrarotlicht ab- sorbieren. Dazu setzen sie einen kovalent gebundenen, dimeren Chromophor ein, der in seinem lichtempfindlichen Kern eine angestoßene Reaktionskette vergrößert und dazu Elemente der 3D-Proteinstruktur nutzt. Die Reaktion-induzierenden Konformationsänderungen sind im Ångström-Bereich der Wasserstoff- und van-der-Waals-Bindungen. Es wird diskutiert, ob sie Rotationen zentraler Helix-Elemente sind oder die Bewegung einer konservierten „Zunge“ (465P-R-X-S-F469), die die beiden Domänen verbindet. Nun ist es R. Takala et al. (Nature (2014) 509:245–248) aber geglückt, das Bacteriophytochrom des strahlungs- und hitzeresistenten Mikroorganismus Deinococcus radiodurans, das nach Belichtung nur langsam relaxiert, im belichteten Zustand zur Röntgenstrukturanalyse einzufangen und mit diesem eine niederaufgelöste Konformation des gesamten kristallisierten Photosensors im Dunkel und nach Belichtung zu reproduzieren. Darüber hinaus wurde die molekulare Photodynamik simuliert, um das Verhalten der Struktu- ren zwischen Lösung und Kristall zu vergleichen. Das Phytochrom-Effektormodul trägt eine His-Kinase, die ihre Substrate über eine Phasenscheide hinweg überträgt. Das ist nur im Dunkel möglich, wenn die Partner in Konjunktion stehen. Die Messergebnisse stützen die Aussage, dass Rotlicht-Absorption im Sensor benachbarte H-Bindungen löst und dadurch.eine β-Haarnadelstruktur auseinandergefaltet und in einer α-Helix fixiert wird. Y Auf diese Weise verkürzt sich die „Zunge“ um 2,5 Å und bekommt einen scharfen 50°Knick; die Verbindungsarme spreizen sich auf 8 Å und die Effektor-Kinase wird aktiviert. Es wird errechnet, dass dies den Lichteffekt um 12 Größenordnungen verstärkt. Die „Zungen“Bewegung darf nicht dissipieren und muss eingefangen bleiben. Das geschieht durch ein Achtknoten-Arrangement, das die Zahl der Konformationsfreiheiten drastisch einschränkt. Lothar Jaenicke ó Knockout-Mäuse als Modell für Depressionen und Stress Die Erkenntnisse über schwere depressive Erkrankungen haben in den letzten Jahren zwar zugenommen, aber viele molekulare Aspekte sind noch offen. Ein internationales Team aus England, Schottland, Japan und den USA hat nun mithilfe einer konditionalen Cdk5-Knockout-Mausmutante den Zusammenhang zwischen dem cAMP-System im ventralen Striatum, Stress und Depressionen untersucht (Plattner F et al., Nature Neurosci (2015) 18:1094–1100). ó Die Autoren haben gezeigt, dass in den konditionalen Cdk5-Mutanten bei Verwendung einer Tamoxifen-induzierbaren Cre-ERT-Rekombinase die Aktivität der Cyclin-abhängigen Proteinkinase 5 (CDK5) in den mittelgroßen dornigen Neuronen des Striatums der Maus deutlich vermindert ist. Da in den zum Ausschalten des Cdk5-Gens verwendeten CreERT-Mäusen die CRE-Aktivität im ventralen Tegmentum und in der Substantia nigra sehr gering ist, bleibt die Verminderung der CDK5Aktivität auf das ventrale Striatum beschränkt und führt dort zu einer unvollständigen Phosphorylierung der Phosphodiesterase 4E (PDE4E), wodurch der Abbau von cAMP verhindert wird. Die Synthese des cAMP geschieht üblicherweise durch die Proteinkinase A (PKA), deren Aktivität in den KnockoutMutanten zusätzlich erhöht ist, sodass es insgesamt zu einer Anhäufung von cAMP kommt. Die Autoren untersuchten außerdem die Auswirkungen dieser Veränderungen auf das Verhalten der Mäuse in verschiedenen StressSituationen (z. B. Aufhängen der Maus am Schwanz oder sozialer Stress). Dabei waren die Mutanten unter allen Versuchsbedingun- gen weniger gestresst und erschienen insgesamt weniger depressiv. Y Verhaltenstests an Mäusen werden üblicherweise verwendet, um neue Psychopharmaka zu testen; es bestehen aber grundsätzliche Einwände, derartige Tests zu verwenden, um schwere Depressionen zu modellieren. Die Autoren diskutieren diesen Aspekt in besonders ausführlicher Weise. Sie glauben – und ich schließe mich dem an – dass Erkenntnisse aus derartigen Verhaltenstests dazu geeignet sind, biologische Mechanismen besser zu verstehen, die zur Verwundbarkeit durch Stress bzw. umgekehrt auch zu einer erhöhten Widerstandsfähigkeit gegen Stress führen. Es wäre aber eine Überinterpretation solcher Experimente, wenn man darin ein direktes Widerspiegeln schwerer Depressionen des Menschen schlechthin sehen würde. Jochen Graw ó BIOspektrum | 06.15 | 21. Jahrgang 581_639_BIOsp_0615_- 18.09.15 14:58 Seite 631 631 Cornelia Welte Johannes Sander Beatrix Barth Harald Schwalbe Johannes F. Buyel Jutta Ludwig-Müller Koffein-Abbau durch Darmmikroben im Kaffeekirschenkäfer Der winzige Kaffeekirschenkäfer ernährt sich ausschliesslich von den Kernen der koffeinreichen Kaffeekirsche, also den Kaffeebohnen. J. A. Ceja-Navarro et al. (Nat Commun (2015) 6:7618) zeigten kürzlich, dass die Darmmikrobiota dieser Käfer für den Abbau des toxischen Koffeins verantwortlich ist und ein Überleben der Larven und Käfer auf Kaffeepflanzen überhaupt erst möglich machen. ó Coffea arabica und C. canephora (RobustaKaffee) sind ökonomisch wichtige Pflanzen, deren Kaffeekirschkern als Kaffeebohne weltweite Beliebtheit erfährt. Die Kaffeebohne enthält etwa 1–2 % des Purinalkaloids Koffein, das die Kaffeekirsche vor Tierfraß schützt. Der Kaffeekirschenkäfer kann sich dennoch von der Kaffeepflanze ernähren: Er bohrt Löcher in die Kaffeebohne und legt Galerien an, um dort seine Eier abzulegen. Die Larven ernähren und entwickeln sich innerhalb der Bohne und richten beträchtliche Schäden bei der Kaffeeernte an. Diese Käferart ist damit der ökonomisch wichtigste Kaffeeschädling. Ceja-Navarro et al. untersuchten Kaffeekirschenkäfer, deren Darmmi- kroben durch Antibiotika unschädlich gemacht wurden, und fanden, dass es Käfern dann nicht mehr möglich ist, Koffein abzubauen. Daraufhin isolierten sie über 100 Bakterienstämme aus dem Darmtrakt der Insekten, und entdeckten, dass ein Pseudomonas fulva-Isolat das ndmAGen enthielt, das für die Koffein-Demethylase codiert. Sie konnten zeigen, dass nahe verwandte Käfer, die sich nicht von Kaffee ernähren, dieses Gen nicht in ihrem Darmmikrobiom enthielten. Ausserdem beobachteten sie, dass Antibiotika-behandelte Käfer durch Fütterung mit dem P. fulva-Isolat wieder in die Lage versetzt wurden, Koffein abzubauen. Y Die Studie über den Koffeinabbau beim Kaffeekirschenkäfer zeigt zum ersten Mal, wie das Darmmikrobiom eines Insekts für den Abbau eines toxischen pflanzlichen Sekundärmetabolits genutzt wird. Ohne sein Darmmikrobiom ist es dem Käfer nicht möglich, sein natürliches Futter zu entgiften und sich normal zu entwickeln. Das Darmmikrobiom von Schadinsekten könnte somit in Zukunft als neues Target für Insektenschutzmittel genutzt werden. Cornelia Welte ó Endosymbionten verlassen sterbende Bartwürmer Riftia pachypttila ist ein darmloser Bartwurm, der in der Nähe der nur wenige Jahre existierenden Schwarzen Rauchern der Tiefsee lebt und sich durch intrazelluläre, Sulfid-oxidierende Endosymbionten (Candidatus Endoriftia persephone) ernährt. Diese leben in spezialisiertem Gewebe, dem Trophosom. Bakterien-freie, pelagische Wurmlarven nehmen etwa 20 Endoriftien aus der Umgebung auf. Doch wie gelangen die meist terminal differenzierten Symbionten aus den Öffnungs-losen Würmern wieder ins Freie? ó Mithilfe einer speziellen Versuchsanordnung zeigten J. Klose et al., (Proc Natl Acad Sci USA (2015), doi: 10.1073/pnas.1501160112), dass lebendige und teilungsfähige Endoriftien totes Trophosomgewebe aktiv verlassen können. Möglicherweise hilft ihnen dabei ihre mutmaßliche Fähigkeit zur Flagellenbildung. Sie lässt sich aus dem Metagenom vermuten, wurBIOspektrum | 06.15 | 21. Jahrgang de aber während der endosymbiontischen Phase noch nie beobachtet. Simuliert wurden sowohl die Bedingungen in der Nähe hydrothermaler Quellen als auch in der umgebenden Tiefsee (Druck, Temperatur, Sauerstoff- und Sulfidgehalt). Y Erlöschen die Schlote, so sterben die Würmer, und ihre Symbionten verlassen die Kadaver in großen Mengen durch die Epidermis. Möglicherweise tragen auch Kadaver-fressende Krabben zur Freisetzung bei. Ohne den hemmenden Einfluss ihres Wirtes teilen sich freie Endoriftien wieder ungehindert und leben so unabhängig von ihrem Wirt weiter. Etwa 7 Mio. bis 1,5 Mrd. Symbionten leben in einer RiftiaKolonie aus 10 bis 2.000 Würmen, die beim Absterben der Würmer freigesetzt werden. Daher lohnt sich die Symbiose für die Bakterien angesichts der Investition von 20 Zellen pro Wurmlarve. Johannes Sander ó Kurz gefasst ó Mikrobielle Konsortien in der Biotechnologie Die Produktion von pharmakologisch relevanten Naturstoffen scheitert oft an der Anzahl und Komplexität der notwendigen Biosyntheseschritte, insbesondere wenn einzelne Enzyme wie Cytochrom P450-abhängige Monooxygenasen spezielle Kompartimentierungen benötigen und deshalb eine effiziente Expression in Bakterien kaum möglich erscheint. Der Gruppe um Gregory Stephanopolous (Nature Biotech (2015) 33:377–383) am Massachusetts Institute of Technology (Boston, USA) ist es gelungen, durch kontrollierte und gemeinsame Kultivierung von Bakterien (Escherichia coli) und Hefen (Saccharomyces cerevisiae) die fermentative Produktion des Mitosehemmers Paclitaxel (Taxol), der zur Behandlung verschiedener Krebsformen eingesetzt wird, deutlich zu steigern. Beide Organismen enthalten sich ergänzende Anteile des Biosynthesewegs; dabei wird das Diterpen Taxadien von E. coli produziert, die nachfolgenden oxydativen Schritte von der Hefe. Dies gelingt auch, weil die Zellwände für Taxadien, wie für zahlreiche andere Terpene, permeabel sind. Die Hefe produziert dann Taxol. Thomas Vogt ó Neuer Wirkungsmechanismus des Antidepressivums Paroxetin? Gängige Lehrbuchmeinung ist, dass das schon seinen vielen Jahren in der klinischen Praxis angewendete Antidepressivum Paroxetin seine Wirkungen über eine selektive Hemmung der neuronalen Wiederaufnahme des Neurotransmitters Serotonin vermittelt. Paroxetin kam dadurch in Verruf, dass es mit erhöhter Suizidalität, insbesondere bei Jugendlichen, in Verbindung gebracht wurde. Der diesen Wirkungen zu Grunde liegende Mechanismus ist bislang unbekannt. In einer aktuellen Arbeit haben nun Y. Y. Dong et al. (Science (2015) 347:1256–1259) den Kaliumkanal TREK-2 im Komplex mit dem aktiven Metaboliten von Paroxetin, Norfluoxetin, kristallisiert. Die hochaffine Bindung von Norfluoxetin an den Kanal war sehr überraschend und könnte eine Erklärungsmöglichkeit für die Suizidalität unter Paroxetin-Therapie darstellen. Roland Seifert 581_639_BIOsp_0615_- 18.09.15 14:58 Seite 632 632 W I S S EN SCH AFT · JOU R NAL CLUB ÿ Kanäle in F-Typ-Synthasen erklären ATP-Produktion im Enzym ÿ Qualitative Analyse von host cell protein in Biopharmazeutika ÿ Auxinsynthese und -Signalweiterleitung reguliert Lebermoos-Entwicklung ÿ Persistenz-induzierendes Toxin-Antitoxin-Modul Kanäle in F-Typ-Synthasen erklären ATP-Produktion im Enzym ATP (Adenosintriphosphat) ist als Energieeinheit einer der wichtigsten Bestandteile in Zellen und wird von F-Typ-Synthasen hergestellt. Durch Protonenwanderung an der Zellmembran entsteht eine rotierende Bewegung, die die Produktion katalysiert. Erstmalig wurde nun von M. Allegretti et al. (Nature (2015) 521:237–240) eine Erklärung für die Rotation und den exakten Vorgang der Protonenwanderung gegeben. Dieser neue Blick auf die ATPSynthase wurde möglich, weil das mitochondriale ATP-Synthasen-Dimer erstmals mittels Einzelpartikel-Elektronen-KryoMikroskopie als vollständiger Komplex aufgeklärt werden konnte. Somit ist man einem der wichtigsten biologischen Prozesse und der Frage, woher die chemische Energie kommt, mit dieser Arbeit in Meilenschritten näher gekommen. ó Wesentliche Bausteine der F-Typ-Synthasen, die makromolekularen Komplexe der ATPSynthese, sind a- und c-Untereinheiten, die in der Zellmembran eingebettet sind. Die a-Untereinheiten fügen sich aus sechs transmembranen Helices und die c-Untereinheiten aus einer rotierenden Ringwalze zehn senkrechter einzelner Helices zusammen. Zusätzlich konnten nun in der erstmals komplett abgebildeten Struktur noch unerwartet vier lange α-Helices der a-Untereinheit entdeckt werden, die sich horizontal in der Membranebene befinden. Diese schmiegen sich nahezu im rechten Winkel an die Ringwalze der c-Untereinheit und sind wie zwei Haarnadelpaare angeordnet. Die Autoren kommen im Abgleich mit bereits bekannten Strukturen nun zu dem beachtlichen Ergebnis, dass ein Arginin der horizontal liegenden a-Untereinheit mit einem Glutamat der c-Untereinheit in einen Protonenaustausch tritt und demnach die zentrale Frage nach der exakten Position der Protonenwanderung aufschlüsselt. Zusätzlich konnten in Übereinstimmung mit Cysteinmutationsexperimenten in Escherichia coli zwei entscheidende hydrophile Halbkanäle in der Struktur gefunden werden. Ein lumenaler Zugang im Enzym erschließt sich als Pforte für Protonen, die die innere mitochondrielle Membran passieren. Ein weiterer neu entdeckter Kanal ermöglicht den benötigten Protonenabtransport durch das Lösungsmittel auf die Seite der Zellmatrix. Y Der Weg der Protonen führt also durch den lumenalen Kanal der a-Untereinheit zum Antrieb der c-Ringwalze bis hin zur finalen Ausscheidung über den Matrixkanal. Dies erklärt nicht nur die Antriebskraft und Drehrichtung für die c-Ringwalze im Enzym, sondern er schließt somit einen der wichtigsten biologischen Prozesse überhaupt. Beatrix Barth, Harald Schwalbe ó Qualitative Analyse von host cell protein in Biopharmazeutika Verunreinigungen (impurities) in biopharmazeutischen Produkten entstammen oft dem zur Herstellung verwendeten Organismus und können aus DNA und Proteinen, dem host cell protein (HCP), bestehen. Auf empirischer Grundlage haben sich im Laufe der Jahre Grenzwerte etabliert, z. B. 100 ng/mg für HCPs. Diese Grenzen erscheinen jedoch sehr vereinfacht gewählt bedenkt man die potenziellen Unterschiede die verschiedene HCPs auf ein Produkt haben können, z. B. Serumalbumin im Vergleich zu einer Protease. ó Eine umfassende Betrachtung und Bewertung des Einflusses von HCPs auf die Produktsicherheit wäre daher angemessen. D. G. Bracewell et al. (Biotechnol Bioeng (2015) 112:1727–1737) beschreiben in ihrem Artikel, wie solche Untersuchungen ablaufen sollten. Sie erläutern zunächst, dass eine sensitive und qualitative Analyse von HCPs Voraussetzung für eine anschließende Risikobewertung hinsichtlich individueller Grenzwerte darstellt. Als orthogonale Methoden zur HCP-Detektion werden dabei Enzymassays (ELISA) sowie Massenspektrometrie identifiziert, die durch bestimmte Anreicherungsmethoden noch sensitiver gestaltet werden können. Bracewell et al. konstatieren, dass die Zahl der möglichen HCPs zu groß ist um sie momentan routinemäßig analysieren zu können und z. B. für chinese hamster ovary(CHO)-Zellen aufgrund von Modifikationen bei einem Vielfachen der ca. 24.000 relevanten Gene liegt. Dennoch schlagen sie vor, dass HCPs mit potenziell größeren Auswirkungen auf das Produkt genauer untersucht werden sollten. Zu diesen HCPs gehören Proteasen, Chaperone und Proteine die unter Umständen an das Produkt binden könnten. Abschließend entwickeln sie eine Risikobewertung auf Grundlage dieser HCP-Klassen, deren Häufigkeit in der finalen Formulierung und der Möglichkeit sie zu detektieren. Y Die Sicherheit von Biopharmazeutika nimmt einen immer größeren Stellenwert ein, nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung, sondern auch bei Gesetzgebern und Herstellern. Bracewell et al. liefern mit ihrem Artikel die Grundlage für eine Neuausrichtung der Bewertung von HCPs, die als Verunreinigungen maßgeblicher Bestandteil der Risikobetrachtung eines Produktes sind. Die Autoren beschreiben, dass ein Weg weg von rein quantitativen Limits hin zu wissensbasierten Bewertungen notwendig ist, um den verschiedenen Arten von HCPs und den damit einhergehenden Risiken Rechnung zu tragen. Besonders Proteasen und Enzyme können verheerendere Auswirkungen auf ein Produkt haben, da sie dieses modifizieren und damit unwirksam machen können. Der von Bracewell et al. vorgeschlagene Risikoindex bezieht diese Faktoren mit ein und kann in Zukunft helfen, die potenziellen Gefahren durch bestimmte HCPs besser einzuschätzen. Johannes F. Buyel ó BIOspektrum | 06.15 | 21. Jahrgang 581_639_BIOsp_0615_- 18.09.15 14:58 Seite 633 Auxinsynthese und -Signalweiterleitung reguliert Lebermoos-Entwicklung Auxine sind wachstumsfördernde Pflanzenhormone, wozu auch die Indol-3essigsäure (IAA) gehört. Die IAA spielt in der Entwicklung von Landpflanzen eine große Rolle. Ihr Vorkommen ist auch in den Lebermoosen belegt, jedoch wurden erstmals durch die Analyse von Mutanten in einem IAA-Biosyntheseweg Entwicklungsstadien des Brunnenlebermooses Marchantia polymorpha identifiziert, für die IAA wichtig ist. ó Die Generation von Mutanten in verschiedenen Biosynthesegenen sowie Genen, die für Komponenten der Signaltransduktion codieren, zeigte dass Marchantia polymorpha den bisher kleinsten Werkzeugkasten für den Biosyntheseweg über Indol-3-brenztraubensäure als Intermediat der IAA-Biosynthese besitzt (Eklund DM et al., Plant Cell (2015) 27:1650–1669). Dieser Weg ist hauptsächlich in den zellteilungsaktiven Zonen des Thallus aktiv und somit für die korrekte Entwick- lung dieses Gewebes. Außerdem ist IAA für die Aufrechterhaltung der Dormanz der Brutkörper, die eine vegetative Fortpflanzung der Gametophytengeneration garantieren, verantwortlich. Diese Brutkörper befinden sich in Brutbechern und werden durch Wasser ausgeschwemmt, damit sie an neuen Standorten keimen können. In einem ähnlichen Ansatz (Kato H et al., PLOS Genetics (2015), doi:10.1371/journal.pgen.1005084) wurden Auxinrezeptoren identifiziert, die in der Lebermoosentwicklung eine wichtige Rolle spielen. Y Auxin wurde als Wachstumsregulator bereits in Lebermoosen gefunden, die jedoch für alle Komponenten (Signaltransduktion, Transport und Biosynthese) nur mit einer Minimalausstattung auskommen müssen. Diese Erkenntnisse helfen zu verstehen, wie Pflanzenhormone die Entwicklung von Landpflanzen möglich machten. Jutta Ludwig-Müller ó Persistenz-induzierendes Toxin-Antitoxin-Modul Toxin-Antitoxin(TA)-Systeme bestehen aus einem stark toxischen Protein und einem Protein, das dieses Toxin durch Bindung neutralisiert. Wird jedoch das Toxin aus diesem Proteinkomplex durch den Abbau des Antitoxins freigesetzt, greift es verschiedene zelluläre Komponenten an (z. B. das Zytoskelett, den Protonengradient oder die Ribosomen). Sind Topoisomerasen die Angriffsstelle, so entstehen zahlreiche Chromosomenbrüche, die das Reparatursystem der Zellen überfordern und so zu deren Tod führen. ó Bakteriozide TA-Module wie ParDE oder CcdBA blockieren die Toposisomerasen während der Katalyse, also bei bereits gespaltener DNA. Trifft ein Transkriptions- oder Replikationskomplex auf das blockierte Enzym, so wird der bis dahin kovalent gebundene DNA-Bruch freigesetzt. A. Harms et al. (Cell Reports (2015) 12:1497–1507) zeigen, dass FicTA-Module die DNA-Gyrase und die Topoisomerase IV reversibel lahmlegen. Sie unterbinden deren ATPase-Aktivität durch Adenylylierung der jeweiligen B-Untereinheiten. Die Expression von FicT aus verschiedenen Bak- BIOspektrum | 06.15 | 21. Jahrgang terien führte bei Escherichia coli zu Verknotungen, Verkettungen und Entspannungen der Chromosomen, die dadurch die Transkription und Translation behindern und die Zellen so in einen persistenten Zustand führen, der durch FicA-Expression wieder aufgehoben werden kann. FicTAs wirken somit nicht bakteriozid, sondern bakteriostatisch. Bartonella schoenbuchensis kann sein FicTASystem dank eines T4SS-Sekretionssignals wahrscheinlich in fremde Zellen exportieren. Y Die bakteriostatische Wirkung von FicTA ist hauptsächlich auf die Hemmung der Topoisomerase IV zurückzuführen; die Gyrase-Hemmung wirkt lediglich ergänzend. Welche Rolle FicTA-Module bei der Etablierung von dormanten Zellen unter natürlichen Lebensbedingungen spielen, ist noch offen. Interessanterweise ist das eigene FicTAModul der Enterobakterien aufgrund der abweichenden und damit untypischen Aminosäuresequenz seiner FIC-Domäne nicht zur Adenylylierung und damit auch nicht zur Persistenzinduktion befähigt. Seine biologische Funktion ist unklar. Johannes Sander ó 581_639_BIOsp_0615_- 18.09.15 14:58 Seite 634 634 W I S S EN SCH AFT · JOU R NAL CLUB ÿ Programmierter Zelltod in Saccharomyces cerevisiae ÿ Retinitis pigmentosa, eine Glukosemangelerkrankung der Netzhaut ÿ Intestinal-Mikrobiom von innaten Lymphzellen gefüttert Programmierter Zelltod in Saccharomyces cerevisiae Caspasen sind Schicksalsparzen der Vielzeller zur Zellsortierung bei der Abrundung ihrer Organisation aus dem Ungeordneten und der Rückführung der Reste zur Wiederverwendung in den Stoffwechsel. Sie haben aber kein rein destruktives Ziel, sondern dienen zugleich der homöostatischen Ordnung und dem organisatorischen Fortschritt. ó Ihr Prototyp sind die Metacaspasen (Mca) der einzelligen Sprosshefen, deren grundlegend konstruktive Funktion zur Gewährleistung isoliert-ungehemmter Individualität S. Malmgren Hill et al. (Science (2014) 344:1389– 1392) an Hand der Mca 1 von Saccharomyces cerevisiae beschreiben und diskutieren. Überexpression von Mca 1 haben M. A. Khan et al. (Proc Natl Acad Sci USA (2005) 102:17326–17330) mit einem Minus an Markern des Zelltod-Programms und verminderter Sprossbildung in Zusammenhang bringen können. Auf Unterexpression von Mca 1 folgt stärkere Zellaggregation bis zur gegenseitigen Behinderung. Diese Hefen leiden unter oxidativem Stress. Das nun deuten Malmgren Hill et al. in analytischer Beweisführung als unmittelbare Wirkung auf das chaperonierende Hitzeschock-Protein Hsp 104. Chaperon Hsp 104 entwirrt Proteinaggregate und unterstützt dadurch die asymmetrische Sammlung von Proteineinheiten zu funktionell-gerichteten Multikomplexen in sich teilenden Zellen, aber es verlängert nicht die Lebensspanne des Wildtyps. Sein Fehlen, und demzufolge Minderausstattung mit dem KoProtein Ydj 1, beschleunigt dagegen das Vermehrungsaltern. Caspasen werden nach dieser Interpretation nicht als Hilfsmechanismus zur Ernährung der fitteren Überlebenden aktiviert, sondern sind unter Evolutionsperspektive zu betrachten, damit die Zellen Vergiftungsstress durch sich anhäufende Fehlfaltungen widerstehen können. Nur ohne proteotoxischen Stress oder exzessive Zellschädigung wird die Caspase-Aktivität unkontrolliert und führt zum programmierten Zelltod. Abwehr von Proteinschädigung läuft auf mehren Bahnen. Im Frühstadium einer Aggregatbildung kann Mca 1 parallel zu dieser und unabhängig von der Mca 1-Aktivität an die falschgefalteten Proteine gebunden und durch Proteasomen abgebaut werden. In späteren Stadien hilft Mca 1 aber auch, zusammen mit Hsp 104 und Ssa, falsch gefaltete Proteine proteolytisch zu enttüddeln, noch bevor sie an das Proteasom zum Abbau freigegeben werden. Wenn sie zur Aggregation führt, kann sie durch die Chaperon-Kette Hsp 104→SSa→YDj 1 in Ordnung gebracht werden. Y Bei Metazoen ist, wie beim prototypischen Hefe-Paradigma, die Hauptfunktion der Caspasen der homöostatische zelleigene Schutz und die zelleigene Funktionsordnung im Verlauf des Alterns durch selektiven Zelltod nach Qualitätsprüfung. Diese erfolgt in einer mehrschichtigen Funktionskontrolle der Polypeptidketten durch Chaperon-gestützte Korrektfaltung und Aktivierung über Protea- und Autophagosom im Lysosom. Akute Abwehr und vorsorgender Schutz liegen dicht beieinander. Kaum zu entscheiden, wo die Aktivitätsgrenzen sind. Lothar Jaenicke ó Retinitis pigmentosa, eine Glukosemangelerkrankung der Netzhaut Die farbempfindlichen Zapfen der Retina werden von Genen aus den helligkeitsempfindlichen Stäbchen kontrolliert. Mutative Defekte in diesen, die etwa 3 in 10 000 Personen treffen, führen zur gefürchteten Retinitis pigmentosa. Ohne Kenntnis der grundlegenden Zusammenhänge war man bei dieser Krankheit bisher sehr hilflos. ó Eine Arbeit von N. Ait-Ali et al. (Cell (2015) 161:817–831) weist auf einen Zusammenhang zwischen dem Absterben der Zapfenelemente, der Bildung von Sauerstoff-Radikalen (ROS) und dem Proteinkomplexes mTOR1 hin. mTOR1 balanciert den anabolen Zellstoffwechsel aus, indem er die Expression von Genen fördert, durch die die O2-Konzentration kontrolliert wird. Bei Überaktivierung von mTOR1 wird der Spiegel von anabolen Zwischenstoffen, darunter die des anabolen, radikalfangenden Coenzyms NADPH, gesteigert. Das ist für das Überleben der Zäpfchen essenziell. Gesunde Photorezeptoren sind äußerst stoffwechselaktiv und werden dazu reichlich über das retinale Pigmentepithel mit Blut versorgt, das ihnen Sauerstoff und Glukose antransportiert. Das erhält die NADPHKonzentration, damit auch den Anabolismus und die ROS-Konzentration niedrig. Der auf der Zelloberfläche sitzende Glukosetransporter Glut-1 dient als Schleuse für die erforderliche Glukose. Sein Mangel oder seine funktionelle Defizienz tragen zur Retinitis pigmentosa bei. In Kombination mit einem weiteren Protein der Stäbchen, dem Protein Basigin-1, vermutlich einem Antoxidans, verbessert es die Glukose-Aufnahme. Induktion und Aktivierung des Systems steigert also den Energiehaushalt aus Glukose durch die Induktion und Aktivierung von Glut-1. Bei Erkrankungen wie der Retinitis pig mentosa, bei der die Stäbchen absterben, sind die Zäpfchen nicht mehr in der Lage, ausreichend Glukose aufzunehmen, um ihren Stoffwechsel zu betreiben und müssen ebenfalls sterben. Durch Zugabe vom Stäbchen-Vitalitätsfaktor RdCVF kann der Defekt kompensiert werden. Y Dysfunktion, wie bei der Retinitis pigmentosa, führt zum Zelltod. RdCVF, Basigin-1 und Glut-1 bilden einen Komplex auf der Zelloberfläche, der die Glukoseaufnahme regelt. Wenn bei Retinitis pigmentosa Zellen absterben, verlieren die Zäpfchen die Fähigkeit, ausreichend Glukose zur Betreibung ihres Energiehaushalts zu importieren und gehen zugrunde. Die Autoren zeigen, dass Zugaben von RdCVF den Defekt heilen kann. Aber die Glut-1-Konzentration steigt dabei nicht. Sie vermuten daher, dass der Komplex stattdessen den Spiegel einer aktiven Glut-1-Form erhöht. Lothar Jaenicke ó BIOspektrum | 06.15 | 21. Jahrgang 581_639_BIOsp_0615_- 18.09.15 14:58 Seite 635 Intestinal-Mikrobiom von innaten Lymphzellen gefüttert Die Oberflächen unseres MagenDarmtrakts sind von Anfang bis Ende mit einer Unzahl von Mikroorganismen besiedelt, die in einer Art produktiver Symbiose mit dem Immunsystem zusammenleben. Sie helfen, Nahrung optimal zu nutzen, indem sie z. B. sonst unverdauliche Kohlenhydrate aufschließen und dem Stoffwechsel zuführen. Wie alles, hat auch dieses Ökosystem seine zwei (und mehr) Seiten. Wenn nämlich Bakterien tiefer ins Gewebe dringen, können sie Schaden anrichten. ó Sie müssen also kontrolliert auf Abstand gehalten werden. Dazu dient das innate Immunsystem, das im Epithelgewebe dauernd unterwegs ist. Y. Goto et al. (Science (2014), doi: 10.1126/science.1254009) zeigen einen immunologischen Weg, auf dem Intestinalepithelzellen über Synthese und Umbau durch induzierte Glycosyltransferasen kommensaler Symbionten Oberflächen-Glykolipide und Glykoproteine umwandeln können, sodass aus Zell/Zellund Zell/Matrix-Kommunikationsmolekülen Nahrung wird. Keimfrei aufgezogene Mäuse besitzen auf den Glyko-Oberflächen ihrer Darmepithelzellen vornehmlich Saccharide, die mit Sialinsäure enden. Dagegen bilden sie nach Infektion mit den üblichen mutualistischen, also in physiologischer Nutzgemeinschaft lebender, Mikrobiota eine Fucosyltransferase-2 (FUT2), die die endständige Sialinsäure gegen L-Fucose austauscht, sodass die Darmschleim-Oberfläche dem Wildtyp gleicht, an die das Wildtyp-Mikrobiom gewöhnt ist. Zu diesem gehört charakteristisch Bacteroides thetaiotaomicron (Bthjo), der eine ganze Anzahl von Glykosidasen und Transferasen exprimiert. Die Bthjo-Enzyme machen die Kohlenhydrate des Wirts-Darmepithels dem Bthjo-Stoffwechsel zugänglich und endfucosylieren sie. Dies ist für Bthjo ein selektiver Vorteil gegenüber den (pa- BIOspektrum | 06.15 | 21. Jahrgang thogenen) Nutzern, die meist nicht mit solchen Enzymen ausgestattet sind. Also auch ein Vorteil für uns, den Wirt! Interessant ist, wie die Bakterien die Epithel-Fucosylierung induzieren. Es ist keine simple direkte Rezeptor-Wechselwirkung, sondern die Bakterien setzen eine Immunkette in Gang: Die angestammten „innaten“ Lymphzellen (ILC), die im Gewebe unterhalb der Epithelzellen kreisen und der Infektionsabwehr dienen, gliedern sich in mehrere Untergruppn, die sich durch genetische Manipulation unterscheiden lassen, sodass Maus-Stämme mit definierten ILC-Defekten aufgezogen werden können. Untergrupe ILC3 bildet weit unternormal FUT2, infolgedessen keine endfucosylierten Darmepithel-Oberflächen. Gleichweise wirken ILC3-Antikörper. ILC3 ist also essenziell für die Fucosylierung der Epitheloberfläche. Die Aktionskette läuft demnach folgendermaßen: ILC3 sezerniert ein Zytokin Interleucin-22 (IL-22). Dieses vermehrt aber nicht die Zahl der ILC3, sondern deren IL-22-Produktion. Dies wiederum stimuliert auf den Zellen einen Rezeptor IL22R und damit die Expression von FUT2. Es kommt zur Endfucosyl-Umformung der Epithel-Kohlenhydrat-Strukturen. Diese können dann durch sezernierte bakterielle Fucosidasen abgebaut und von den Bakterien als Baumaterial- und Energiequelle benutzt werden. Mit Sicherheit ein Vorteil im Kampf um die Ressourcen mit der übrigen Darmflora. Aufbauend regeln aber ILC3 auch den Epithel-Schutz gegen Bakterien-Invasion, indem sie, kooperativ mit IL-22, FUT2 produzieren und dadurch die Intestinal-Oberfläche fucosylierend abdichten. Y Diese Untersuchung gibt einen detaillierten Einblick in die biologische Funktion der ILCs. Vermutlich aber ist die Sache noch komplexer, denn auch andere Zytokine und zytotoxische Proteine scheinen in dem Vorgang eingesetzt zu sein. Lothar Jaenicke ó 581_639_BIOsp_0615_- 18.09.15 14:58 Seite 636 636 W I S S EN SCH AFT · JOU R NAL CLUB ÿ Größere Tabakblätter durch schnellere Rubisco Größere Tabakblätter durch schnellere Rubisco Nur etwa ein Prozent des Sonnenlichts wird durch Photosynthese aus Atmosphären-CO2 in C-H-Bindung fixiert und ist dadurch allen übrigen Lebewesen zur Ernährung zugänglich. Der limitierende Faktor ist das Schlüsselenzym Ribulose1,5-bisphosphat(Ru-1,5-BP)-carboxylase, kurz Rubisco, durch das im Calvin-Zyklus CO2 mit Ru-1,5-BP zu 2 Mol 3-Phosphoglycerinsäure kondensiert wird. ó Das polydimere Rubisco-System der Photosynthesepflanzen ist sehr unspezifisch, denn es wurde zu einer Erdgeschichtszeit entwickelt, als die Atmosphäre noch O2-arm war. Erst die zunehmende photosynthetische Spaltung von 2 H2O in 4 reaktive H°-Radikale und O2 hat sie auf den heutigen Stand gebracht. Es gab also wenig Evolutionsdruck, zwischen vorhandenem CO2 und entstehendem O2 zu unterscheiden. Die Natur hat in ihrer Weise auf das sich verändernde Milieu reagiert: Entweder mehr der wenig diskriminierenden Rubisco produzieren oder das System durch vorgelagerte Schritte in spezialisierten Enzymaggregaten komplettieren. Dies war durch die „Carboxysomen“ in der CO2-Assimilationsentwicklung eine frühzeitlich verfolgte, aber, aus welchen Gründen immer, nicht allgemein durchgesetzte Strategie. Je nachdem unterscheiden sich die Assimilations-Gesamtausbeuten verschiedener Reiche in ihrer Effektivität. Die besten haben die urzeitlichen Blau(grün)algen (Cyanophyceen) verwirklicht. In ihren Pigment-Thylakoiden nämlich gibt es einen vorgelagerten CO2 concentrating mechanism (CCM) durch einen light harvesting complex (LHC), die aus einer CO2Pumpe und dem Enzym Carboanhydrase besteht. Sie pumpt CO2-Moleküle ein und hydratisiert sie zu gut transportierbaren HCOO–Ionen. Diese treten dann in eine weitere Mikrostruktur, die Rubisco-enthaltenden Carboxysomen. Dort wird CO2 als Substrat für die Rubisco durch Carboanhydrase in optimierter Konzentration regeneriert. Diesem Verbesserungsweg folgen M. T. Lin et al. (Nature (2014) 513:547–550) mit einigen, gegenüber früheren Konkurrenten (Kenevski I et al., Plant Physiol (1999) 119 :133–141) durch Nutzung von β-carboxysomalen Schalenproteinen als Chaperone (Lin MT et al., Plant (2014) 79:1–12) zielführenden Abwandlungen. Sie transferieren Carboxysomen-Gene der CCM-Pumpe von Synechococcus elongatus in Chloroplasten einer höheren Pflanze, hier dem Tabak als gängigem Versuchsobjekt. Auf diese Weise wird innerhalb des Photosynthese-Kompartiments, nun der Tabakpflanze, Carboanhydrase exprimiert, dadurch eindiffundierendes CO2 als Bicarbonat-Ion abgebunden und der Rubisco weitgehend O2-konkurrenzlos verfügbar gemacht. Die transplastomischen Tabakpflanzen bilden (bei 9.000 ppm CO2 in der Atmospäre) schneller größere Blätter. Sie sind für die CO2-Fixierung absolut von der Blaualgen-Rubisco abhängig und (verständlich !) sehr sauerstoffempfindlich. Y Dies zu verringern und die CO2-Konzentration nächst der Rubisco zu konzentrieren wäre das Wunschziel – für nützliche GM-Nutzpflanzen. Das zitierte Paradigma ist natürlich in gegenwärtiger Zeit der Raucherghettos kontraproduktiv. Lothar Jaenicke ó Prof. Dr. Lothar Jaenicke, Institut f. Biochemie, Universität zu Köln, Zülpicher Straße 47, D-50674 Köln Prof. Dr. Jochen Graw, Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt GmbH, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg, [email protected] Dr. Cornelia Welte, Radboud University Nijmegen, Heyendaalseweg 135, NL-6525 AJ Nijmegen, Niederlande, [email protected] Dr. Johannes Sander, Falkenstraße 87, D-58553 Halver, [email protected] Dr. Beatrix Barth und Prof. Dr. Harald Schwalbe, Zentrum für Biomolekulare Magnetische Resonanz, Universität Frankfurt a. M., Max-von-Laue-Straße 7, D-60438 Frankfurt a. M., [email protected], [email protected] Dr. Johannes Felix Buyel, Institut für Molekulare Biotechnologie, RWTH Aachen, Worringerweg 1, D-52074 Aachen, [email protected] Prof. Dr. Jutta Ludwig-Müller, Institut für Botanik, TU Dresden, Zellescher Weg 20b, D-01062 Dresden, [email protected] Kurz gefasst ó Mikro-RNAs als Matrize für regulatorische Peptide Mikro-RNAs sind kleine RNA-Moleküle, die ein homologes RNA-Zielmolekül erkennen und zu dessen Abbau führen. Die Mikro-RNA wird durch eine wesentlich größere Vorläufer-RNA codiert, aus der die Mikro-RNA herausgeschnitten wird. Nun wurde am Beispiel der Seitenwurzelentwicklung gezeigt, dass beim Schneckenklee Medicago truncatula und bei der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana dieses Vorläufer-Molekül für Mikro-RNAs kurze offene Leserahmen enthält, die direkt für ein regulatorisches Peptid codieren (Lauressergues D et al., Nature (2015) 520:90– 93). Die Peptide wiederum induzieren die Bildung der eigenen Mikro-RNA aus ihrem Vorläufer und spielen so für die Regulation der Menge des eigentlichen Zielgens eine wichtige Rolle. Synthetische Peptide mit entsprechenden Homologien, die in die Pflanze eingebracht wurden, konnten ebenfalls die Induktion des jeweiligen Mikro-RNA Vorläufers bewirken. Jutta Ludwig-Müller ó Konkurrenzkampf fördert Biofilmbildung Biofilmbildung wurde bisher hauptsächlich als Ergebnis einer symbiontischen Interaktion verschiedener mikrobieller Spezies angesehen. Ein Team von Wissenschaftlern um Kevin Foster von der Universität von Oxford hat nun aber aufgezeigt, dass die Bildung von Biofilmen auch als Verteidigungsmechanismus, insbesondere im Intraspezies-Konkurrenzverhalten, auftritt (Oliveira NM et al., PLoS Biol (2015) 13:e1002191). Bei der Ko-Kultivierung verschiedener Stämme der opportunistisch pathogenen Spezies Pseudomonas aeruginosa setzte sich meist ein „Gewinner“ durch und bildete einen reinen Biofilm welcher dichter war, als der Biofilm der Reinkultur desselben Stammes. Geringe Mengen des Antibiotikums Pyocin, welches von einigen P. aeruginosa-Stämmen produziert wird um die Konkurrenz auszuschalten, wurden als Auslöser dieser verstärkten Biofilmbildung identifiziert. Biofilmbildung scheint also (auch) eine generelle Antwort auf Zellschädigung zu sein, und Antibiotika in geringen Dosen damit wichtige Kooperationssignale. Auch nicht-letale Dosen von medizinisch genutzten Breitbandantibiotika fördern diese verstärkte Biofilmbildung und damit folglich auch die Persistenz dieser Bakterien. Maximilian Mora und Christine Moissl-Eichinger BIOspektrum | 06.15 | 21. Jahrgang
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