Darwins Helfer

Rundfunk Berlin Brandenburg
Mo 12.10.2015 I 22:15 I OZON unterwegs
Darwins Helfer
Was Wissen schafft, ist nicht an Gelehrte und Universitäten gebunden. Der Bürgermeister
von Magdeburg, Otto von Guericke, entdeckte im 17. Jahrhundert das Vakuum. Charles
Darwin korrespondierte mit vielen Hobbywissenschaftlern, um seine Theorie der
natürlichen Auslese belegen zu können. Mit der Industrialisierung explodierte die
Bürgerforschung. Vereine von damals wurden später zu großen Umweltverbänden mit viel
Laienwissen.
Manuskript des Beitrags:
Seit dem Mittelalter gibt es Universitäten. Lange Zeit sind sie reine Lehranstalten für
Religion, Medizin, Jurisprudenz. Forschungen und Erfindungen werden meist von
Menschen gemacht ohne akademischen Abschluss in diesem Metier.
Otto von Guericke ist Bürgermeister von Magdeburg, als er das Vakuum entdeckt. Aus
reinem Interesse experimentiert er und auf eigene Faust. Beweist mit diesen Halbkugeln
Mitte des 17. Jahrhunderts die Existenz des luftleeren Raums.
Auch die aus einer Künstlerfamilie stammende Maria Sibylla Merian forscht aus reinem
Wissensdurst. Erstaunt beobachtet sie die wundersame Verwandlung von Raupen in
Schmetterlinge. In Kupferstichen hält sie ihre Erkenntnisse fest.
Sie gehören zu den Eliten wie Charles Darwin. Er kann ohne finanzielle Sorgen seinem
Forscherdrang nachgehen. In seinem Buch „Über die Entstehung der Arten“ steckt aber
auch die Arbeit vieler Hobbywissenschaftler. Darwin ist weltweit vernetzt, korrespondiert
mit mehr als 2-tausend interessierten Laien. Lässt sich fremde Pflanzen und Tiere
beschreiben, um seine Evolutionstheorie zu beweisen. „Hauptamtliche Wissenschaftler“
gibt es bis dahin nur wenige.
Das ändert sich mit der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die
Zeit ist im Aufbruch. Mit Dampflokomotiven. Automobilen, der elektrischen Straßenbahn.
Auch an den Universitäten werden nun neue, praktische Fragen gestellt. Statt der reinen
Lehre wird jetzt zunehmend auch geforscht. Neue Disziplinen wie Psychologie,
(Naturwissenschaften) Biologie entstehen und mit ihnen die Spezialisierung. Die
Wissenschaft wird zur Domäne von Experten.
Die Fortschrittseuphorie erfasst auch das Bürgertum, die „Bürgerforschung“ explodiert. Vor
allem Lehrer, Ärzte und Apotheker ziehen als Entdecker durch’s Land. Sammeln Pflanzen,
schließen sich zusammen. 1859 gründet der Botaniker Paul Ascherson in Eberswalde den
„Botanischen Verein für die Provinz Brandenburg“. Pflanzenbücher mit allen damals
vorkommenden Arten entstehen. Immer mehr wissenschaftliche Zeitschriften werden
publiziert.
Im „Journal für Ornithologie“ veröffentlicht die Deutsche Ornithologische Gesellschaft 1875
einen Aufruf an alle Vogelkenner. Sie sollen Fragebögen beantworten, um die Verbreitung
der Arten zu erforschen.
Doch mit dem Wachsen der Städte, immer neuen Transportwegen und Ackerflächen
wächst die Sorge um die Natur. Der „Bund für Vogelschutz“ entsteht, um den Rückgang
von Arten zu untersuchen. Erstmals können nun auch Kinder, Arbeiter und Angestellte
mitmachen, gerade mal 50 Pfennig kostet der Mitgliedsbeitrag im Jahr.
Daraus wird später der NABU.
Umweltverbände sind heute die wichtigsten, einflussreichsten bürgerwissenschaftlichen
Vereinigungen. Der größte, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, zählt 500tausend Mitglieder.