1 Die Liebe bleibt Taufansprache und Predigt über 1. Kor. 13 am

Die Liebe bleibt
Taufansprache und Predigt über 1. Kor. 13
am Sonntag Estomihi, 7. Februar 2016,
in der Petruskirche zu Gerlingen
Taufansprache
„Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die Größte unter
ihnen.“ Mit diesen Worten, mit diesem Wort endet der heutige Predigttext. Wir werden ihn
nachher im Zusammenhang hören und bedenken.
Aber schon jetzt möchte ich auf diesen Vers eingehen: „Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung,
Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die Größte unter ihnen.“
Mit diesem Wort gibt Paulus seine Antwort auf eine uralte Menschheitsfrage, auf die Frage
nämlich „Was bleibt?“ Was bleibt am Ende des Lebens?
Unser Leben ist einem steten Wechsel und Wandel unterworfen. Alles verändert sich. Wir
wissen nicht, wie die Welt aussehen wird, in der die Täuflinge, die wir heute taufen, ihr Leben
führen werden. Alles ändert sich, und viele sagen: Alles ändert sich immer schneller.
Was bleibt gleich in allen diesen Veränderungen?
Auf was kann man sich also verlassen im Leben?
Nun, die Täuflinge stellen sich solche Fragen noch nicht. Aber Sie liebe Eltern, werden
gelegentlich darüber nachdenken. Was bleibt also, was verändert sich nicht?
Der Glaube bleibt, sagt Paulus.
Und unsere Erfahrung sagt uns, dass Paulus Recht hat.
Bei allem Wissen, das wir ansammeln können, brauchen wir trotzdem immer noch den
Glauben, so etwas wie ein Vertrauen darauf, dass die Welt zuverlässig ist, weil sie von Gott
gehalten wird.
Und wir brauchen die Hoffnung. Wir brauchen die Zuversicht, dass die Zukunft nicht einfach
in Finsternis liegt.
Ohne Glauben und ohne Hoffnung können wir unser Leben nicht führen.
Und schließlich wäre unser Leben nicht lebenswert ohne die Liebe. Vielleicht könnte man ein
Leben ohne Liebe führen. Aber wäre das ein menschliches Leben?
Glaube, Hoffnung und Liebe: Das bleibt.
Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei.
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Aber wieso ist eigentlich die Liebe die größte unter diesen drei?
Nun, Paulus sagt es ein paar Verse früher im Text. Dort schreibt er: Die Liebe hört niemals
auf. Die Liebe ist ohne Ende.
Der Glaube kann überboten werden durch das Schauen. Wenn ich zum Schauen gelangt bin,
brauche ich nicht mehr zu glauben.
Die Hoffnung kann erfüllt werden. Auf das, was sich erfüllt hat, brauchen wir nicht mehr zu
hoffen.
Aber die Liebe, die Liebe hat kein Ende. Welche Erfahrung sollte denn auch die Erfahrung
der Liebe überbieten können? Was sollte nach der Liebe noch kommen können?
Man kann es allen Kindern nur wünschen, dass sie zu Beginn ihres Lebens die Liebe als etwas
überwältigend Verlässliches erleben.
Liebevoll gehen Sie, liebe Eltern, mit ihren Kindern um.
Und Ihre Verwandten und Freunde und Paten unterstützen Sie dabei.
Liebevoll haben Sie die Taufsprüche für Ihre Kinder ausgesucht.
Wir werden sie nachher hören.
Liebevoll gehen Sie auch als Ehepaare miteinander um.
Sie tun alles dafür, dass ihre Kinder die Liebe als den tragenden Grund des Lebens erleben.
Das ist gut. Bleiben Sie dabei.
Nichts, was in Liebe getan wird, ist vergeblich.
Es bleibt.
Es gibt nichts besseres, was Sie ihren Kindern angedeihen lassen können als Liebe.
Freilich gehört es zu den großen Aufgaben der Elternschaft, die jeweils angemessene Gestalt
der Liebe zu bestimmen. Auch Strenge, Klarheit und Konsequenz sind bisweilen
unvermeidliche Gestalten der Liebe.
Liebe Taufgemeinde:
Kinder werden getragen. Kinder werden gehalten.
Uns Erwachsenen kann nichts Besseres widerfahren, als dass sich dieses Gefühl auch bei uns
immer wieder einstellt: Wir werden getragen, wir werden gehalten.
Insofern wird an den kleinen Kindern deutlich, was auch für uns Erwachsene gilt:
Wir werden getragen, wir werden gehalten.
Irgendwann nicht mehr von unseren Eltern, am Ende nur noch von Gott.
In der Taufe sagt Gott den Täuflingen dies zu:
Ich will Euch tragen, Ich will Euch halten - bis ans Ende der Zeit, und darüber hinaus.
2
Predigt:
1 Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich
ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.
2 Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis
und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so
wäre ich nichts.
3 Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen1 und
hätte die Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze.
4 Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht
Mutwillen, sie bläht sich nicht auf,
5 sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie
rechnet das Böse nicht zu,
6 sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit;
7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.
8 Die Liebe hört niemals auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das
Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird.
9 Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk.
10 Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören.
11 Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie
ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war.
12 Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu
Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.
13 Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter
ihnen.
Die Liebe ist das Höchste, die Liebe bleibt.
Das hört sich an wie eine Zeile aus einem Schlager.
Aber es ist die Summe der Lebenserfahrung des Apostels Paulus.
Nun würde man gerne wissen, was das ist, die Liebe.
Nun hätte man vielleicht gerne eine klare und knackige Definition der Liebe.
Aber hier enttäuscht uns die Bibel.
Die Bibel setzt voraus, dass wir auf irgendeine Weise immer schon wissen, worum es sich bei
der Liebe handelt.
3
So, wie wir auch wissen, was das Leben ist, ohne dass wir eine klare Definition des Lebens
haben oder brauchen.
Leben ist „Stoffwechsel und Bewegung, Fortpflanzung und Ernährung“: So musste es meine
Tochter in der fünften Klasse lernen.
Das mag schon stimmen.
Aber ob einem solch eine dürre Definition hilft, das Leben zu verstehen?
Die Art der Bibel ist es nicht, Definitionen und Erklärungen aufzustellen.
So sagt man.
Die Bibel erzählt.
So sagt man.
Die Bibel erzählt Geschichten.
So sagt man, und was man da sagt, ist auch nicht falsch.
Und dann dreht man gerne die Schraube noch eine Windung weiter, und behauptet, dass die
biblischen Geschichten im Grunde allesamt Liebesgeschichten seien: Geschichten von der
Liebe Gottes zu seinen Menschen.
Freilich: Zu diesen Liebesgeschichten gehören auch Geschichten über enttäuschte Liebe, über
unerfüllte Liebe, und über den Zorn, der aus enttäuschter Liebe entstehen kann.
Niemand kann zornigere Phantasien entwickeln, als der, dessen Liebe enttäuscht wurde.
Wenn man es so betrachtet, dann kann man wirklich sagen:
Im Grunde lassen sich in der Tat fast alle biblischen Geschichten als Liebesgeschichten
auffassen.
Und man hat sie erst richtig verstanden, wenn man sie als Liebesgeschichten verstanden hat,
als Geschichten von der Liebe Gottes zu uns Menschen.
Das gilt selbstverständlich für die Geschichten, die uns Jesus vor Augen führen.
Wollen wir wissen, wie die Liebe aussieht, dann brauchen wir nur sein Leben und seine Taten
zu betrachten.
Wir haben vorhin in der Schriftlesung (Mk 8, 31-38) davon gehört, wie Jesus zu seinen
Jüngern zum ersten Mal von seinem Weg ins Leiden spricht.
Petrus wehrt sich gegen diese Leidensankündigung.
Er will Jesus den Todesweg ersparen.
Jesus aber lässt sich nicht abbringen.
Für ihn ist der Weg in den Tod der Weg in die Vollendung.
Er will sein Leben nicht behalten, er will es hergeben.
Und er ist überzeugt davon, dass er sein Leben auf diese Weise wieder neu gewinnt.
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Lebensgewinn durch Lebenshingabe.
Der Weg in den Tod ist für Jesus ein Weg der Liebe.
„Aus Liebe will mein Heiland sterben“ - so können wir es in einer wunderschönen Arie der
Matthäuspassion hören.
Der Weg der Liebe wird für Jesus zum Weg in den Tod.
Jeder Film, der mit dem Tod des Helden endet, spiegelt diese Logik wider.
Wir dürfen froh und Gott dankbar sein, wenn uns solche Opfergänge nicht abverlangt werden.
Freilich kommt es der Wucht eines solchen Opfergangs nahe, wenn wir einen geliebten
Menschen in den Tod begleiten.
Aus Liebe lasse ich den Liebsten nicht alleine.
Aus Liebe stehe ich der Liebsten bei.
Vielleicht ist das die schwerste Aufgabe, die uns Menschen auf Erden gegeben ist:
Unsere Liebsten in den Tod zu begleiten.
Und wenn wir solche Begleitung aus irgendeinem Grunde nicht leisten können, dann lastet
das schwer auf unserer Seele.
„Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die Größte unter
ihnen.“
Paulus erzählt gar keine Geschichten.
Und dennoch ist er ein wichtiger biblischer Autor.
Bei Paulus begegnen uns die Anfänge geordneten Denkens und geordneter begrifflicher
Arbeit in der Bibel.
Jene unter uns, die die Dinge gerne gedanklich sortieren, werden sich deshalb zu Paulus
hingezogen fühlen.
Eine schulgerechte Definition der Liebe bietet er uns zwar auch nicht.
Aber erzählt doch Eigenschaften der Liebe auf, die wir aus eigenem Erleben kennen.
Sei es, dass sie uns eigen sind; sei es, dass wir gerne über sie verfügen würden:
„Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht
Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre,
sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die
Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft
alles, sie duldet alles.“
Sind wir so? Immer langmütig, immer freundlich, frei von Eitelkeit, gut und wohlwollend?
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Jedenfalls wären wir es gerne und so wissen wir doch ziemlich genau, was Paulus meint,
wenn er die Liebe so beschreibt.
Ein Pfarrerskollege aus dem Kirchenbezirk, keiner meiner Kollegen aus Gerlingen, wollte mir
neulich klarmachen, dass Paulus, wenn er so von der Liebe redet, doch gar nicht die
menschliche Liebe meine.
Es sei doch die Liebe Christi, von der er rede. Wir Menschen seien doch zu solch großer
Liebe überhaupt nicht fähig.
Mir leuchtet das nicht ein. Denn Paulus redet von der Liebe und dem Glauben und der
Hoffnung doch ganz parallel. Sollte im Predigttext dann etwa auch von der Hoffnung Christi
und vom Glauben Christi die Rede sein? Nein, ich denke schon, dass Paulus hier von unserem
Glauben, von unserer Hoffnung und von unserer Liebe redet.
Freilich: Wenn wir diese Liebe in uns spüren, dann ist sie nichts, was wir aus eigener
Leistung hervorbringen: Die Liebe, die wir in uns spüren, die hat Gott in unsere Herzen
gegeben.
So wenig wir unseren Herzschlag selber hervorbringen, so wenig schaffen wir die Liebe in
uns aus eigener Anstrengung.
Paulus redet von unserer Liebe, die aber Gottes Geschenk an uns ist, Gottes überwältigendes
Geschenk.
Stückwerkhaft und unvollkommen erleben und üben wir die Liebe, die einst ihre Vollendung
erfahren wird. Im Glauben und in der Hoffnung richten wir uns aus auf Gott.
In der Liebe haben wir jetzt schon Anteil an ihm.
Und dieser Anteil wird uns nicht genommen werden.
Er bleibt, und er wird vollendet.
„Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die Größte unter
ihnen.“ Amen.
Pfarrer Dr. Martin Weeber
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