Beitrag von Pfr. Hans-Rudolf Bachmann an der Vernissage zur

„Gotteszeichen“
Beitrag von Pfr. Hans-Rudolf Bachmann
an der Vernissage zur Ausstellung „GottesZeichen“ am 18.03.2016
„Wenn ein Teil des Körpers leidet, leiden alle anderen mit, und wenn ein
Teil geehrt wird, ist das auch für alle anderen ein Anlass zur Freude.“ (1.
Korinther 12: 26)
Diese Ausstellung wurzelt in tiefer Betroffenheit. Was sich in unseren
Tagen ereignet, erschüttert auch uns als Kommunität zutiefst. An uralten
Stätten unseres Glaubens wütet brutale Zerstörungswut. Unseren
Glaubensgeschwistern, die während 2000 Jahren an diesen Orten gelebt,
geglaubt, gebetet und gewirkt haben, wird das Existensrecht
abgesprochen. Viele von ihnen sind bereits ums Leben gekommen,
unzählige aber sind auf der Flucht unter wahrhaft unmenschlichen
Zuständen. Wir leiden mit und wissen uns mit unseren Geschwistern im
Gebet tief verbunden.
Als wir die Kaligrafien von Maamun Kamran entdeckten, war uns ganz
schnell klar: die möchten wir hier ausstellen, mit ihnen ein Zeichen
setzen. Mit diesen „Gotteszeichen“, wie sie der Künstler nennt, wollen wir
daran erinnern, dass im Irak, in Syrien, im Libanon, in Libyen, im Iran und
in allen andern Ländern des Orients auch Christen wohnen. Christen,
deren Vorfahren oft schon vor dem Islam dort waren. Christen, die
kostbare Schätze hüten, Menschen, die Christusträger sind. Wir sind dem
Künstler und dem Ehepaar Josua sehr dankbar, dass sie so unkompliziert
Ja sagten, als wir bei ihnen anklopften. Genauso dankbar sind wir den
MitarbeiterInnen von Opendoors, die ebenfalls rasch zugesagt haben. Sie
alle sind heute Abend anwesend und werden drüben in der Ausstellung
aus ihrem Leben und Wirken berichten.
Für viele Europäer und für viele Schweizer war die Welt noch in Ordnung,
als die einen dort und wir hier lebten, als die einen ihre alten Stätten des
Glaubens hüteten und wir unsere Kirchen bauten. Nun aber geschieht ein
gewaltiges Erdbeben, welches ich - wie die Kaligrafien von Maamun
Kamran – nur als Gotteszeichen verstehen kann. Eine wahre
Völkerwanderung ist im Gange und Menschen, die wir höchstens auf
Ferienreisen aufsuchten, stehen plötzlich an unseren Grenzen und
begegnen uns unterwegs per Bahn von Basel nach Zürich, strecken uns
ihre leeren Hände entgegen. Ihre schreckliche Not trifft auf unseren
Wohlstand, ihre unerträgliche Ungeborgenheit auf unsere Sicherheiten, ihr
Glaubensmut auf unsern müden Wohlfühlglauben. Ja, wir befinden uns auf
dem Prüfstand, als Glaubende zuerst.
Erdbeben sind nie harmlos und Gotteszeichen auch nicht. Doch mit
unserer Ausstellung verbinden wir die Überzeugung, dass dort, wo Jesus
Christus in der Mitte ist, eine Oekumene in ganz neuen Dimensionen
möglich wird. Mit unserer Ausstellung reden wir von unserer Hoffnung,
dass dort, wo wir Christus im andern zu sehen vermögen, es auch Wege
geben muss, eine Willkommenskultur und eine Ankommenskultur zu
gestalten. Wir wissen sehr wohl, dass die Wege auf beiden Seiten steinig
und anspruchsvoll sind, denn weder sie noch wir, werden auf solchen
Wegen bleiben können wie wir sind.
Und etwas – für Schweizer scheinbar – Erstaunliches habe ich entdeckt in
der Begegnung mit arabischsprachigen Christen: Wir werden ganz viel von
ihnen lernen können, wenn wir nur den Mut haben, uns zu ihnen zu
setzen. Ganz besonders denke ich an die immer unausweichlicher
werdende Begegnung mit dem Islam. Es bleibt mir unvergesslich, was ich
in Bern während der Weihnachtsfeier der Evangelisch Arabischsprachigen
Gemeinde erlebte: Da war eine ganze Gruppe von Muslimen dabei. Sie
wurden liebevoll mit einbezogen und wichtige Punkte wurden ihnen
speziell erklärt. Oder ich denke an einen irakischen Gemeindeleiter in
Aarau, der regelmässig in der Stadt unter einem arabisch beschrifteten
Zelt nicht den Koran, sondern Bibeln verteilt… Ja, ich hoffe sehr und bete
dafür, dass es wenigstens uns Christen gut tun wird, wenn wir als
Schweizer und Europäer nicht mehr unter uns bleiben können.
So möge unsere Ausstellung ein Zeichen setzen, ein Zeichen, welches
durch das Wirken des Heiligen Geistes für viele zum Gotteszeichen werden
darf. Ich schliesse, womit ich begonnen habe:
„Wenn ein Teil des Körpers leidet, leiden alle anderen mit, und wenn ein
Teil geehrt wird, ist das auch für alle anderen ein Anlass zur Freude.“ (1.
Korinther 12: 26)