Universität Bethlehem

Praktikum an der Universität Bethlehem, Palästina
im Bereich Biodiversität
Durch ehrenamtliche Arbeit bei einer Menschenrechtsorganisation habe ich bei einem
Vortrag über die Menschenrechtslage in Palästina den Professor Dr. Mazin Qumsiyeh
kennengelernt. Ich war von seiner Rede so beeindruckt, dass ich mich im Anschluss
bei ihm persönlich bedanken wollte. Im Gespräch erfuhr ich, dass er von Beruf
Biologe ist, wie ich. Er hat mir die Möglichkeit gegeben, durch ein Praktikum an der
Universität Bethlehem naturwissenschaftliche Arbeit im Bereich Biodiversität mit
meinem Interesse an dem Nahost-Konflikt zu kombinieren.
Durch meine ehrenamtliche Arbeit hatte ich bereits Kontakt zu Palästinensern und
bekam Einblicke in deren Kultur und Traditionen. Die arabische Sprache studiere ich
seit einem Jahr in München.
Ich bin über Tel Aviv, Israel geflogen, ein Visum musste ich im Vorfeld nicht
beantragen sondern bekam es direkt am Flughafen. Die Flughafenkontrolle war kurz,
ich hatte keine Schwierigkeiten einzureisen.
Vom Flughafen aus gibt es Shuttle-Busse nach Jerusalem, von dort fährt ein weiterer
Bus im 20-Minuten Takt nach Bethlehem. Man kommt als Ausländer/Tourist
problemlos über die Checkpoints, der Reisepass wird von den israelischen Soldaten
meistens nicht einmal geöffnet.
Ich habe mich über das Deutsche Auswärtige Amt vor der Reise über die
Sicherheitslage informiert und war bei meiner Ankunft in Palästina positiv überrascht.
Man erlebt als Besucher dort natürlich einen ganz anderen Alltag als den der
Einheimischen, trotzdem spürt man nach einiger Zeit den täglichen Kampf ums
Überleben der Palästinenser.
Meine Gastfamilie habe ich über meinen palästinensischen Mitbewohner in München
kennengelernt. Ich habe für 150€ im Monat eine Wohnung für mich alleine gemietet,
seine Eltern wohnten unter mir. Es war wie dort üblich eine Familie mit vielen
Kindern, mit denen ich wunderbar mein Arabisch üben konnte. Ich habe mich bei
ihnen immer sehr wohl gefühlt. Religion spielte keine Rolle, verständigen konnte man
sich mit Händen und Füßen, Lachen und Essen tut man erfreulicherweise in jeder
Sprache gleich. Bethlehem ist eine Religion- und Kulturgemischte Stadt. Wegen der
Geburtskirche Jesus wohnen dort viele Christen und mehrere Millionen Turisten
besuchen Bethlehem jährlich. Andererseits ist in Palästina der Islam weit verbreitet
und der Moscheegesang erfüllt täglich die Gassen. Aus diesem Zusammenleben ist
eine Toleranz entstanden, wie ich sie zuvor nicht kannte. Christentum, Judentum und
Islam sind alles abrahamische Religionen, die denselben Ursprung haben und
denselben Gott anbeten. Es war sehr einfach mit den Menschen dort in Kontakt zu
treten. Wenn ich Palästina in einem Wort beschreiben müsste, wäre es
Gastfreundschaft. Ob in der Universität, auf dem Markt oder im Kaffee, man wird
überall angelacht und kommt sofort ins Gespräch.
Vor dem Praktikum hatte ich ganz andere Erwartungen als ich dann vor Ort war. Kurz
vor meiner Abreise wurde ich von Medienberichten und Menschen um mich herum so
verunsichert und beängstigt, dass ich mir viel Labor- und Büroarbeit wünschte, um
möglichst wenig Zeit draußen, im gefährlichen Palästina, zu verbringen. Als ich dort
ankam und diese wundervollen, herzlichen, gastfreundlichen, lachenden Menschen
vorfand, wollte ich möglichst wenig Arbeiten und viel Zeit mit Palästinensern
verbringen. Im Laufe des Praktikums hat sich die Perfekte Kombination ergeben. Die
Arbeit benötigte Freilandexkursionen im ganzen Westjordanland, wir haben
regelmäßig außerhalb von Bethlehem übernachtet und ich konnte Land und Leute
kennenlernen. Im Freiland haben wir Tiere gesammelt um anschließend im Labor
genetische Analysen durchzuführen. Skorpione, Frösche, Fledermäuse, es war toll!
Ich konnte meinen Augen kaum glauben als ich sah, wie Abwasserrohre der illegalen
israelischen Siedlungen direkt in palästinensisches Grundwasser fließen.
Ich habe Techniken gelernt, wie gezielt bestimmte Tiergruppen gefangen werden, wie
Proben genommen und verarbeitet werden. Oft waren wir zu dritt oder viert auf
Exkursion, mit weiteren Studenten der Universität Bethlehem. Die Studenten arbeiten
viel und selbstständig, mit wenig Mitteln und viel Motivation. Ich habe vieles von
ihnen gelernt und wurde hervorragend betreut. Außerdem habe ich das Herbarium
des Naturhistorischen Museums Palästina erweitert und spezialisierte Datenbanken
für die Verarbeitung unserer Ergebnisse erstellt. Ich konnte durchaus mein Wissen
aus dem Bachelorstudium für meine Arbeit gebrauchen und neue Ideen einbringen.
Auch der Kontakt zu anderen Wissenschaftlern und Professoren an der Universität
Bethlehem war interessant. Viele haben im Ausland studiert oder promoviert und
kehrten in ihr Land zurück um zu helfen es wieder aufzubauen. Obwohl es im Ausland
bessere Arbeits- Karriereaussichten gibt, wollen sie in Palästina leben. Dort zu sein
ist eine Art von friedlichem Widerstand. Das Leben der Palästinenser wird so schwer
und miserabel gemacht wie nur möglich, denn je mehr emigrieren, desto mehr Platz
bleibt für Israelis.
Zusätzlich zu der naturwissenschaftlichen Arbeit habe ich Dr. Qumsiyeh zu seinen
vielen Vorträgen zum Thema Nahost-Konflikt begleitet und an Workshops
teilgenommen. Dadurch habe ich ein sehr tiefes Hintergrundwissen bekommen und
konnte aktuelle Ereignisse sowie politische Züge besser verstehen. Ich habe viele
Internationale junge Leute kennengelernt, die als Praktikanten, Volontäre oder
Festangestellte in NGO´s arbeiteten. Wir waren alle da, weil wir innerhalb des
Nahostkonflikts auf der Seite der unterdrückten waren, wir waren alle schockiert von
den alltäglichen Menschenrechtsverletzungen und der politischen Apathie der
westlichen Länder. Wenige Tage vor meiner Abreise wurden die „Friedensdialoge“
wieder aufgenommen. Bis dahin war mir der Grund klar, warum Israel daran
interessiert ist. Seit Beginn des Friedensprozesses blüht die israelische Ökonomie,
diplomatische Beziehungen wurden aufgenommen und finanziellen Unterstützung
kommt von allen Seiten. Für Palästinenser ist der Friedensprozess ein Desaster. Es
wurde abermals versprochen, hunderte Checkpoints Siedlungen im Westjordanland
zu entfernen. Anstatt dessen träumen Palästinenser weiterhin davon, in Lebzeiten
Jerusalem oder das Meer zu sehen. Die Anzahl der Siedler im Westjordanland hat sich
seit 1993 verdreifacht, die Grenzen von 1967 werden nicht anerkannt, denn Palästina
soll „praktisch“ handeln und nicht auf seine Rechten beharren.
Obwohl es immer viel Arbeit gab, hatte ich genug Zeit die Kultur Palästina´s zu
erleben und Freunde zu treffen. Ich habe mich nie einsam gefühlt, es wurde nie
langweilig, ich habe mich immer gut aufgehoben gefühlt. Anders als ich erwartet
hätte, gibt es wunderbare Ausgehmöglichkeiten in Palästina, vor Allem in Ramallah,
der Hauptstadt im besetzten Land. Bethlehem hat von gemütlichen Cafe´s in denen
arabischer Kaffee getrunken und Wasserpfeife geraucht wird, über Restaurants mit
gutem Essen und dem palästinensischen Bier Taybeh bis Tanzbars mit lauter
elektronischer Musik.
Durch das Praktikum habe ich auf menschlicher Ebene sowie auf fachlicher Ebene
viel gelernt. Ich habe gemerkt, wie sehr mir systematisches und wissenschaftliches
Forschen Spaß macht und habe deshalb einen entsprechenden Masterstudiengang
wählen können.
Es war sehr beindruckend zu erleben, wie vielen Hindernissen die Menschen dort
ausgeliefert sind, und sie trotzdem -oder vielleicht genau deshalb- eine unglaubliche
Kraft haben und immer weiter machen.
Ich hatte außerdem das Glück, das biodiversitätsreiche Land erforschen zu dürfen
und bin meinem Betreuer unendlich dankbar dafür. Die Arbeitsgruppe in der ich tätig
war, nimmt gerne Studierende für die Arbeitsgebiete tierische Biodiversität,
Zellbiologie, Humangenetik und Toxikologie. Außerdem gibt es viele weitere
Arbeitsgruppen, die dich über jede Mitarbeit freuen. Die Universität Bethlehem ist
desweiteren für Geisteswissenschaften bekannt, es gibt also für diverseste
Fachgebiete Praktikumsmöglichkeiten!
Ich möchte alle Palästina bzw. Nahost-Konflikt interessierten Studierende dazu
ermutigen, sich von den oft verzerrten Bildern der Medien nicht beängstigen zu
lassen. Erlebt den Nahen Osten selbst, aus eigenen Erfahrungen lernt man am
meisten!
Ich habe über den DAAD den Gruppenvertrag (Kranken-, Unfall- und
Privathaftpflichtversicherung) abgeschlossen, ihn in den 2 Monaten glücklicherweise
nicht benötigt.
Vielen lieben Dank an Herrn Hoch von Student und Arbeitsmarkt für die unermüdliche
Unterstützung!
Gasse in Bethlehem.
Marktstand in Bethlehem.
Die Mauer,
Jerusalem.
trennt
Bethlehem
von
Feldarbeit im Norden Westjordanlands,
ich und mein Betreuer.
Feldarbeit im Süden Westjordanlands,
Biologiestudent.
Nach internationalem Recht illegale
israelische Siedlung in Bethlehem.
Christliches Monasterium
Umgebung zu Bethlehem.
in
naher
Junge Frau mit Maschinengewehr an der
Klagemauer in Jerusalem.