Einkehr bei den Durchhaltern

Gottesdienst und Migration
Einkehr bei den Durchhaltern
Wer diese Rucksäcke trägt, schleppt kaum Gewicht. Und nur wenig Wanderstaub ist auf ihren gepolsterten Trageriemen zu sehen. Vielmehr ist die Gruppe mit dem Kleinbus an den Hügel von „Dahers Weinberg“ gelangt - ganz komfortabel. Doch dann war noch eine kleine Strecke zu Fuß bergauf
zu laufen, denn riesige Steinblöcke versperrten den Fahrweg.
Mit noch viel mehr Blockaden und zahlreichen Rückschlägen hat das „Zelt der Völker“
(www.tentofnations.org) in der Nähe von Bethlehem zu kämpfen. Es ist ein Friedensprojekt auf dem
Grundstück, das die christlich palästinensische Familie Nassar seit vielen Generationen bebaut. Inzwischen sind ihre Olivenbäume, ihre Obst- und Gemüsesträucher nahezu vollständig von neu gebauten
Siedlungen umgeben. Doch die Nassars machen weiter: mit ihren Begegnungsaktionen und Workcamps für Menschen verschiedener Nationen und Religionen. Sie halten durch – allen Schwierigkeiten zum Trotz.
„Da machten sich auch auf Maria und Joseph…“ wird am 24. Dezember in den Kirchenwieder zu
hören sein. Von Nazareth nach Bethlehem mussten sie, weil der römische Kaiser es verfügt hatte.
Ohne Kleinbus und ohne Outdoor - Equipment mit Tragekomfort. Ohne vorgebuchte Hotels. Stattdessen war Maria hochschwanger - erzählt der Evangelist Lukas.
Die Reisegruppe, die im letzten Jahr auf „Dahers Weinberg“ eingekehrte, legte die 165 Kilometer
von Nazareth bis Bethlehem im klimatisierten Bus zurück. Wie lange braucht man zu Fuß? GoogleMaps berechnet dafür 36 Stunden Fußweg, das macht gut viereinhalb Kilometer in der Stunde. Also
neun Tage mit je vier Stunden Vorankommen. Oder eher zwei Wochen mit weniger Kilometern und
auch Rasttagen?
Im Zusammenhang der Weihnachtsgeschichte erzählt die Bibel etliche Reisegeschichten. Und in
den meisten davon ziehen die Menschen nicht freiwillig durch den alten Orient. Sondern sie sind
fremdbestimmt unterwegs oder sogar auf der Flucht. Dies berührt in diesem Jahr besonders. Weil
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uns Menschen aus dieser Region in großer Zahl erreichen. Auf gefährlichsten Wegen über Land und
über Wasser, weiter immer weiter. Und oft nicht einmal mit einem Rucksack als Gepäck, aber beladen mit schwersten Lasten.
Im letzten Frühjahr wurden die frisch angepflanzten und gegossenen Weinstöcke und Aprikosenbäumchen der Nassars von Bulldozern (der Siedler? der israelischen Armee?) niedergewalzt. Und
anders als in den Siedlungen rundum muss das allermeiste Wasser auf „Dahers Weinberg“ als Regen
in Zisternen gesammelt werden.
„Wir weigern uns, Feinde zu sein“ steht auf einem Stein am Eingang des Grundstückes. „Wir weigern uns, Feinde zu sein“ - eine Lesart von „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden“ aus dem
Bethlehem von heute? Jedenfalls bedeutet dies für Familie Nassar: Weitermachen. Wie Kamele in
der Wüste, auch wenn das Wasser knapp ist und die Verpflegung dürftig. Doch die Friedensbotschaft
von Weihnachten nährt hier den Alltag.
Andacht: Gudrun Mawick
Foto: ©Uwe Moggert-Seils, 2014
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