„Das Erbe des Ben-Ali“ – Kurzlösung Fragenkomplex A: Diplomatischer Schutz zugunsten von Ben-Ali I. Frage 1: Ausübung des diplomatischen Schutzes durch A? A kann den von Ben-Ali erlittenen Schaden gegenüber B im Wege des diplomatischen Schutzes geltend machen, wenn Ben-Ali die Staatsangehörigkeit von A besitzt, der interne Rechtsweg erschöpft ist sowie B eine Norm des Völkerrechts verletzt hat. 1. Staatsangehörigkeit der geschützten Person („Nationalität des Anspruchs“, Art. 44 StV) Die Staatsangehörigkeit ist grundsätzlich das notwendige und entscheidende Band zwischen der in ihren Rechten verletzten Privatperson und dem diplomatischen Schutz ergreifenden Staat. → Art. 44 StV. Wer Staatsangehöriger ist und wer nicht entscheidet sich grundsätzlich nach dem nationalen Recht des Schutz ausübenden Staates. → In seiner Funktion als Monarch war Ben-Ali Inhaber der Staatsangehörigkeit von A, die er auch nicht durch sein Abdanken als Monarch oder seine Vertreibung ins Exil verloren hat. Da A auch sein Herkunftsland ist, fehlt es überdies nicht an einem genuine link, sodass seine Staatsbürgerschaft auch als effektiv gelten darf. 2. Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges („local remedies rule“) Gegen das Urteil erster Instanz gab es im Land B keine Rechtsmittel. Ben-Ali hat damit den ihm zur Verfügung stehenden nationalen Rechtsweg erschöpft. 3. Verletzung einer Norm des Völkerrechts Die Behandlung des A durch die Polizeikräfte müsste zunächst eine dem Staat B zurechenbare Verletzung einer völkerrechtlichen Pflicht darstellen. a) Zurechenbarkeit Art. 4 StV (-) Art. 5 StV (+) Art. 7 StV (+) b) Verletzung internationalen Rechts Diplomatischer Schutz wird gegenüber Handlungen einer fremden Hoheitsgewalt, namentlich eines fremden Staates, gewährt, die nicht im Einklang mit dem Völkerrecht stehen. (aa) Folterverbot aus Art. 1 CAT (Convention against Torture) Dies würde voraussetzen, dass die genannte Behandlung Folter im Sinne des Art. 1 CAT darstellt. „durch die eine Person vorsätzlich große körperliche Schmerzen oder Leiden zugefügt werden.“ (Art. 1 CAT). Ziel-Mittel-Relation (Zweck), wie es Art. 1 CAT verlangt. → In jedem Fall aber stellen die Handlungen der Polizei eine grausame und unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 16 CAT dar. 1 (bb) Ferner kann davon ausgegangen werden, dass die Handlungen auch einen Verstoß gegen das Folterverbot aus Art. 7 IPbpR darstellen, wonach jede grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung untersagt ist. Mithin hat B auch gegen völkerrechtliche Normen verstoßen. 4. Ergebnis Da Ben-Ali die Staatsangehörigkeit von A besitzt, der interne Rechtsweg erschöpft ist sowie B eine Norm des Völkerrechts verletzt hat, kann A zugunsten von Ben-Ali im Wege diplomatischen Schutzes gegen B vorgehen. II. Frage 2: Anspruch von Ben-Ali gegen A? Ein völkerrechtlicher Anspruch von Ben-Ali auf Ausübung diplomatischen Schutzes zu seinen Gunsten kommt in Betracht, wenn er selbst Inhaber des Rechtes auf diplomatischen Schutz ist. Eine Ansicht: Traditionell besitzen Individuen grundsätzlich nur partielle Völkerrechtssubjektivität und sind deshalb völkerrechtlich nur in eingeschränktem Maße selbst Träger von Rechten und Pflichten. Bei der Ausübung des diplomatischen Schutzes handelt daher nach traditionellem Verständnis der Heimatstaat nicht als Sachwalter für den Einzelnen, sondern ist selbst Anspruchsträger; Es liegt daher allein im Ermessen des betreffenden Staates, über die Ausübung dieses Rechts zu entscheiden (IGH, Barcelona-Traction-Fall, 1970, S.44). → Demnach hätte Ben-Ali selbst keinen völkerrechtlichen Anspruch gegen A auf Ausübung diplomatischen Schutzes. Andere Ansicht: Da die Menschenrechte dem Individuum unmittelbar internationale Rechtspositionen verleihen, ist es schwer begründbar, warum diese Rechtspositionen zu Ansprüchen des Heimatstaates werden, sobald dieser die Ansprüche auf internationaler Ebene geltend macht.. → Folgt man dieser Auffassung, ließe sich ein eigener Anspruch von Ben-Ali auf Ausübung diplomatischen Schutzes bejahen. Hier waren beide Ansichten vertretbar! 2 III. Frage 3: Zuständigkeit des IGH? 1. Parteifähigkeit A und B sind als Staaten parteifähig vor dem IGH, Art 34 I IGH-Statut. 2. Zugangsberechtigung Der Zugang zum IGH steht in erster Linie den Vertragsparteien des Statuts offen. Diesen Status haben A und B als Mitglieder der Vereinten Nationen gemäß Art. 93 I UN-Charta i.V.m Art. 35 I IGH-Statut. 3. Unterwerfung a) ad-hoc-Zuständigkeit, Art. 36 Abs. 1, 1. Alt IGH-Statut Die Parteien könnten ad-hoc die Zuständigkeit des IGH erklärt haben. Der IGH ist gemäß Art. 36 Abs. 1, Alt. 1 IGH-Statut dann zuständig, wenn die Parteien einen Rechtsstreit der Zuständigkeit des Gerichtshofs unterworfen haben (sog. ad-hoc-Zuständigkeit). → Eine ad hoc-Unterwerfung durch beide Staaten ist vorliegend nicht ersichtlich. b) Kompromissarische Klausel, Art. 36 Abs. 1, Alt. 2 IGH-Statut Möglicherweise ist die Gerichtsbarkeit des IGH aber schon gemäß Art. 36 Abs. 1, Alt. 2 IGH-Statut durch die kompromissarische Klausel in Art. 4 des bilateralen Vertrages (bV) eröffnet worden. Art. 4 bV kann allerdings nur für „Streitigkeiten über Auslegung und Durchführung des Vertrages“ als Kompetenzgrundlage dienen Möglicherweise könnte die Prügel und das brutale Vorgehen der Polizeikräfte als Maßnahmen „zur Durchführung des Vertrages“ angesehen werden. Dagegen: → Art. 4 bV soll nur diejenigen Streitigkeiten erfassen, die sich aus etwaiger Unklarheit des Wortlauts oder der Interpretation des Vertrages sowie möglichen Differenzen über daraus resultierende Verpflichtungen ergeben. → Der Streit um Rechte des Staates A auf diplomatischen Schutz zugunsten von Ben-Ali beruht aber nicht auf der Auslegung des bilateralen Vertrages und betrifft auch nicht die Durchführung des Übereinkommens.. Eine Zuständigkeit des IGH in dieser Sache kann deshalb nicht auf Art. 4 bV gestützt werden. c) Art. 36 Abs. 2 IGH-Statut, sog. obligatorische Unterwerfung Die Staaten könnten sich dem IGH obligatorisch unterworfen haben. Die Unterwerfungserklärung von B ist allerdings durch einen Vorbehalt eingeschränkt, demzufolge B für alle Fragen, die – nach Ermessen seiner Regierung – seiner nationalen Kompetenz entspringen, die Zuständigkeit des IGH ausschließt (sog. Connally-Vorbehalt oder Selbstbeurteilungsklausel). Fraglich ist, ob eine solche Unterwerfungserklärung noch wirksam ist. aa) Zweifel sind zunächst hinsichtlich der Wirksamkeit des Vorbehalts angebracht. (1) Zunächst ist festzuhalten, dass die Zuständigkeitserklärung gemäß Art. 36 III IGH-Statut keine Vorbehalte verbietet. 3 (2) Die Frage, wann ein Vorbehalt dennoch unzulässig ist, muss auf Basis der WVK entschieden werden. Gemäß Art. 19 lit. c WVK sind Vorbehalte dann unzulässig, wenn sie mit dem Sinn und Zweck des Vertrages unvereinbar sind. → Dieser könnte gegen die in Art. 36 VI IGH-Statut normierte Kompetenz des IGH verstoßen, selbst über seine Zuständigkeit zu entscheiden (Kompetenz-Kompetenz). → Der Vorbehalt von B könnte dazu führen, dass in letzter Konsequenz nicht der IGH, sondern B im konkreten Fall über die Zuständigkeit entscheidet: B könnte sich immer unter Berufung auf seine Kompetenz für innere Angelegenheiten der Jurisdiktion des Gerichtshofes entziehen. → Auch bliebe dem Gerichtshof bei der Feststellung seiner Unzuständigkeit gemäß Art. 36 Abs. 3 IGH-Statut kein eigener Entscheidungsspielraum; faktisch ist es der sich auf den Vorbehalt berufende Staat, der die Entscheidung des Gerichts determiniert. Ergebnis: Der Selbstbeurteilungsklausel fehlt folglich jegliches Unterwerfungselement. Deshalb ist sie mit der Kompetenz-Kompetenz des IGH unvereinbar. bb) Betrachtet man den Vorbehalt als unzulässig, bleibt die Frage zu klären, welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben. Die Rechtswirkungen unzulässiger Vorbehalte regelt die WVK nicht. Art. 19 WVK spricht eher dafür, dass ein unzulässiger Vorbehalt unwirksam ist, also keine Rechtswirkung entfaltet. Allerdings bleibt das Schicksal der Norm, auf die sich der Vorbehalt bezieht (hier: Art. 36 II IGH), unklar. Nimmt man die Unwirksamkeit an, stellt sich die weitere Frage, ob der Staat, der den unwirksamen Vorbehalt erklärt hat, vorbehaltlos an den Vertrag gebunden ist oder ob die Vertragsbindung insgesamt entfällt. Dafür: → In völkerrechtlichen Verträgen gilt grds. Konsensprinzip → Hier bezieht sich der Vorbehalt gerade auf eine konkrete Norm (Art. 36 II IGH-Statut). → Nimmt man an, dass der Vorbehalt essentielle Basis der Anerkennungserklärung ist, so kann diese ohne den Vorbehalt nicht aufrechterhalten werden. Die Nichtigkeit des Vorbehalts muss dann die Nichtigkeit der gesamten Erklärung von B zur Folge haben. [andere Ansicht mit entsprechender Begründung vertretbar] d) Ergebnis: Daher stellt die Erklärung von B keine Kompetenzgrundlage für den IGH dar. Folglich kann A die Zuständigkeit des IGH nicht durch einseitiges Vorgehen erreichen1. 1 Zum gleichen Ergebnis führt auch die Annahme der Wirksamkeit der Unterwerfungserklärung. Dann erfasste sie sachlich nur, was B bestimmte. A könnte deshalb auch in diesem Fall nicht einseitig die Kompetenz des IGH begründen. 4 Fragenkomplex B: Haftung des Staates C für die Ereignisse vom 15. Juni 2001 I. Schadenersatzansprüche des Staates A gegen C A könnte gegen C einen Anspruch auf Schadenersatz nach den allgemeinen Regeln der Staatenverantwortlichkeit haben. Ein Schadenersatzanspruch setzt danach voraus, dass der geltend gemachte Schaden aus einem völkerrechtlichen Delikt resultiert (Art. 31 ILC-Entwurf). Dem Staat C müsste mithin ein Handeln oder Unterlassen zugerechnet werden können, durch das er eine ihm obliegende völkerrechtliche Pflicht verletzt hat (Art. 2 ILC-Entwurf). 1. Zurechenbares Verhalten a) Staaten sind grundsätzlich nur für das Handeln ihrer Organe, nicht jedoch für das von Privatpersonen verantwortlich (Art. 4 ILC-Entwurf). → Hier: Die Gruppe der Sympathisanten ist eine vom Staat C unabhängig agierende Gruppe, ihr Handeln kann C nicht zugerechnet werden. b) Allerdings haften Staaten im Völkerrecht für Unterlassen genauso wie für aktives Tun (Art. 2 ILCEntwurf). → Vorliegend kommt ein Unterlassen in Betracht, nämlich das Unterlassen einer völkerrechtlichen Verpflichtung → Beim Unterlassen ergibt sich die Zurechnung schon aus der Verletzung einer völkerrechtlichen Pflicht, ohne dass auf die (Nicht-) Handlung eines bestimmten Organs abgestellt werden müsste, sodass nur zu prüfen bleibt, ob C eine ihm obliegende völkerrechtliche Pflicht verletzt hat. 2. Verletzung einer völkerrechtlichen Pflicht a) Völkerrechtliche Pflicht Von C einzuhaltende Pflicht: Art. 3 S. 2 bV. Die rechtliche Beurteilung dieser Bestimmung richtet sich nach WVK. Der Vertrag zwischen A und C ist gemäß Art. 12 WVRK mit seiner Unterzeichnung wirksam zustande gekommen. Gemäß Art. 3 S. 2 bV war C daher verpflichtet, die Sicherheit der Kronjuwelen durch Polizeikräfte zu gewährleisten (pacta sunt servanda, Art. 26 WVRK). → Dadurch, dass C die Polizei nicht einsetzte, kam er seiner völkerrechtlichen Verpflichtung nicht nach. b) Innerstaatliches Gesetz Allerdings schließt Art. 27 WVRK eine Rechtfertigung entgegenstehendes innerstaatliches Recht explizit aus von Vertragsverletzungen durch c) C handelte somit völkerrechtswidrig. 5 2. Rechtsfolgen der Vertragsverletzung [hier wurde nur erwartet, dass Art. 36 ILC-Entwurf gesehen wird] Art. 35 StV: Vorrang hat die Herstellung des rechtmäßigen Zustands (Restitution) als primäre Haftungsfolge bei völkerrechtlichen Delikten. → Hier sind die von den Polizeikräften des Staates C unterlassenen Schutzmaßnahmen, deren Nichtvornahme zum Schadenseintritt führte, nicht mehr nachholbar. → Deshalb ist die Herstellung des rechtmäßigen Zustands tatsächlich unmöglich (Art. 35 Abs. 1 lit a ILC-Entwurf). → Eine Herstellung des rechtmäßigen Zustands als Rechtsfolge scheidet aus. Folglich kann A nach Maßgabe des in Art. 36 ILC-Entwurf zum Ausdruck kommenden Gewohnheitsrechts für den entstandenen Schaden von C vollen finanziellen Ersatz verlangen. II. Rechtmäßigkeit der Weigerung von A, die Ausstellungserlöse abzuführen Diese Pflicht obliegt A allerdings nur, wenn die entsprechende Vorschrift für ihn bindend ist und der Vertrag nicht „aufgehoben“ wurde. 1. Beendigung des Vertrages a) Einer Verpflichtung aus Art. 2 S. 2 bV könnte ein Recht von A zur Suspendierung oder Beendigung des Vertrages nach Art. 60 I WVRK entgegenstehen. Dies setzt eine erhebliche Vertragsverletzung durch C voraus. Eine erhebliche Vertragsverletzung wird von Art. 60 III lit. d WVRK als Verletzung einer für die Erreichung des Vertragsziels oder des Vertragszwecks wesentlichen Bestimmung definiert. Hier: → Nach Art. 3 bV stehen Überlassung und Sicherung der königlichen Kronjuwelen durch staatliche Polizeikräfte in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Das deutet darauf hin, dass für A die ausreichende Sicherung seiner Blue Eyes conditio sine qua non für den Vertragsschluss war und die Schutzpflicht von C nach diesem subjektiven Maßstab somit als wesentlich zu qualifizieren ist. → Berücksichtig man, dass die Parteien „Herren“ der Ausgestaltung ihrer vertraglichen Beziehungen sind, ist bei der Bestimmung der Wesentlichkeit von Vertragsbestimmungen zuvorderst auf die im Vertrag erkennbare Intention der Parteien abzustellen. Folglich ist der subjektive Maßstab einer formellobjektiven Abgrenzung vorzuziehen, so dass die in Art. 3 S. 2 bV vereinbarten Sicherheitsmaßnahmen eine wesentliche Pflicht darstellen A kann demnach materiell nach eigenem Ermessen entweder den Vertrag ganz oder teilweise beenden oder dessen Durchführung suspendieren. b) Jedoch hat der Vertragsbruch als solcher weder das Erlöschen des Vertrages zur Folge, noch ermächtigt Art. 60 I WVRK den verletzten Vertragspartner, den Vertrag ohne weiteres aufzuheben. Vielmehr kann A das Verfahren der Art. 65 ff. WVRK einleiten. Nachdem A die beabsichtigte Leistungsverweigerung C notifiziert und C widersprochen hat, muss der Streit nunmehr innerhalb eines Jahres durch die Mittel des Art. 33 UN-Charta beizulegen versucht werden (Art. 65 III WVRK). Eine sofortige Vertragsbeendigung durch A scheidet folglich aus. 6 2. Zurückbehaltung als Gegenmaßnahme (Repressalie) A könnte dessen ungeachtet entsprechend Art. 22 ILC-Entwurf berechtigt sein, die Zahlungen zu verweigern, um dadurch C zu Widergutmachung in Form von Schadenersatzzahlungen für die zerstörten Kronjuwelen zu bewegen. Dies setzt voraus, dass die Zahlungsverweigerung eine völkerrechtlich zulässige Repressalie war. a. Anwendbarkeit der allgemeinen Regeln zur Staatenverantwortlichkeit neben Art. 60 WVRK Die allgemeinen Regeln der Staatenverantwortlichkeit sind grundsätzlich neben denen der WVRK anwendbar (Art. 73 WVK). b. Rechtmäßigkeit der Zahlungsverweigerung als Gegenmaßnahme aa) Gegenmaßnahmen sind gemäß Art. 46 ILC-Entwurf grundsätzlich nur als Reaktion auf völkerrechtswidriges Verhalten mit dem Ziel zulässig, den betreffenden Staat zur Erfüllung einer ihm obliegenden Verpflichtung zu bewegen. C hat Art. 3 S. 2 bV verletzt und sich dadurch schadenersatzpflichtig gemacht. Indem A die Einnahmen aus der Ausstellung zurückbehält, soll C gerade zur Leistung des Schadenersatzes bewegt werden. Damit sind Grund und Ziel der Zahlungsverweigerung legitim. bb) Gegenmaßnahmen sind ferner gemäß Art. 51 ILC-Entwurf nur dann rechtmäßig, wenn sie verhältnismäßig sind. Mildere, gleich geeignete Mittel sind nicht ersichtlich. Angesichts der Tatsache, dass der von A zurückbehaltene Geldbetrag voraussichtlich wesentlich geringer als der von C verursachte und zu begleichende Schaden ist, ist die Maßnahme von A auch angemessen. cc) Durch seine diplomatische Note an C hat A diesen zur Erfüllung des Schadenersatzanspruchs aufgefordert und ihn gleichzeitig von der Gegenmaßnahme in Kenntnis gesetzt. Damit genügt die Gegenmaßnahme den formellen Voraussetzungen von Art. 52 ILC-Entwurf. dd) Folglich handelt A gemäß dem in Art. 22 ILC-Entwurf zum Ausdruck kommenden Gewohnheitsrechts rechtmäßig, wenn er den C versprochenen Ertrag der Ausstellung zurückbehält. Fragenkomplex C: Zuständigkeit des IGH Der IGH könnte gemäß Art. 36 II IGH-Statut seine Zuständigkeit auf die von den Staaten A und D abgegebenen unilateralen Anerkennungserklärungen seiner obligatorischen Gerichtsbarkeit stützen. Während die Anerkennung durch A vorbehaltlos ist, hat D in seiner Erklärung alle Streitigkeiten, die in Zusammenhang mit kulturellem Austausch stehen, von der Zuständigkeit des Gerichtshofes ausgeschlossen. Das Verfahren vor dem IGH beruht auf dem Grundsatz der Reziprozität der Unterwerfungserklärungen, nach dem nur derjenige Staat eine Streitigkeit vor den IGH bringen kann, der auch im umgekehrten Fall, nämlich dem, dass er selbst Klagegegner ist, die Rechtsprechung des IGH anerkennt. Daher ist bei der Bestimmung der Zuständigkeit des IGH immer von der restriktiveren Unterwerfungserklärung auszugehen. Die Organisation und Durchführung einer Ausstellung von Kronjuwelen ist als kultureller Austausch zwischen den Staaten A und D zu qualifizieren und damit dem Vorbehalt des Staates D umfasst; mithin ist die Streitigkeit nicht von seiner Fakultativklausel gedeckt. Folglich können die unilateralen Anerkennungserklärungen von A und D im vorliegenden Fall keine Zuständigkeit des IGH begründen. Ein einseitiger Klageantrag von D wäre daher unzulässig; D ist vielmehr auf die Zustimmung von A angewiesen. 7
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