S. shedid Attifa - Universität Heidelberg

Erasmus Toulouse 2014/2015
Sarah Shedid Attifa
Mein Erasmusjahr an der Université Capitole 1 in Toulouse
Toulouse
Toulouse gilt in Frankreich als eine der beliebtesten Studentenstädte und das nicht ohne Grund. Nicht
besonders schick oder sauber, aber auf jeden Fall mit viel Charme kann man sagen. Im Sommer ist
die Garonne kein schlechter Ersatz für den Neckar aus Heidelberg. Auch das Klima ist generell
einfach unschlagbar (auch wenn wir tatsächlich Schnee hatten!!!). Preislich ist Frankreich einfach
deutlich teurer als Deutschland und das lässt sich auch leider nicht umgehen. Praktika oder Jobs zu
finden ist dafür allerdings leider nicht gerade einfach. Zu machen gibt es in Toulouse ähnlich wie in
Heidelberg an Sehenswürdigkeiten nicht unendlich viel. Dafür ist die Stadt deutlich größer als
Heidelberg und hat alles, was es zum Leben braucht. Zu Beginn findet man sich schnell zurecht und
kann vieles dank dem VeloToulouse per Fahrrad oder auch fußläufig erreichen. Dazu liegt Toulouse in
Reichweite vieler schöner Ausflugsziele wie dem Meer, den Pyrenäen und Spanien. Die Menschen im
Süden haben außerdem den Ruf, grundsätzlich offener gegenüber Fremden zu sein und auch ein
verständlicheres Französisch zu sprechen – zumindest den ersten Punkt kann ich nur bestätigen.
Wohnung
Mit der Wohnung hatte ich einige Probleme: Das liegt zum einen natürlich daran, dass Frankreich da
weitaus bürokratischer ist als Deutschland. Man braucht einen Bürgen (der allerdings in Frankreich
wohnhaft sein muss) oder kann (Gott sei Dank) eine Versicherung bei der Universität beantragen, die
diese auch für ausländische Studenten ausstellt. Dazu benötigt man eine Wohnungsversicherung, die
sich bei der Bank abschließen lässt bspw. und gegen die gängigen Schadensfälle absichert. Zum
anderen muss man allerdings auch sagen, dass es nicht einfach ist, etwas einigermaßen Wohnliches
in Toulouse zu finden. Allzu hohe Ansprüche darf man nicht haben, oder muss eben entsprechend
zahlen. 500 € ist bisweilen nicht ungewöhnlich. Allerdings gibt es die CAF, eine Art
Wohnungszuschuss, den man innerhalb der ersten zwei Monate beantragen muss und der ca. bis zu
170€ ausmachen kann. Beantragen lohnt sich also (Geburtsurkunde nötig).
Ich habe anfangs in einer privaten Studentenresidenz gewohnt (La Gravette), die von der Lage her
wirklich gut, nur leider preislich im eher höheren Bereich lag. Aus dem Grund bin ich später auch in
eine private WG mit zwei anderen Jungs gezogen, die sich aber leider als kleine Katastrophe entpuppt
hat. Letztlich konnte ich doch noch ein Zimmer im Studentenwohnheim in Chapou ergattern und war
damit bis zum Ende hin sehr glücklich. Wer also sich Mieter eines renovierten Zimmers in einem der
Studentenwohnheime nennen darf, sollte definitiv zuschlagen: Zwar klein, aber preislich einfach
unschlagbar für Toulouse.
Wer auf dem privaten Wohnungsmarkt zu Beginn des Semesters sucht, sollte zumindest einen
Gedanken daran verschwenden, eine Agentur zu beauftragen. Je nachdem ist es die Monatsmiete
tatsächlich wert, erspart einem viel Ärger, und lässt sich teilweise auch über den dann eben gerechten
Mietpreis wieder rausholen. Wer so sucht, sollte im Bereich von Patte d’Oie und Arenes gucken, wo
sich meist gut was finden lässt und auch preislich erschwinglich ist. Die privaten Wohnheime sind
grundsätzlich wirklich dreist in Bezug auf ihre Mietforderungen – insbesondere Résidence de Brienne.
Empfehlen kann man aber das Wohnheim „Aragon“, wo auch einige meiner Freunde gewohnt haben.
Erasmus Toulouse 2014/2015
Sarah Shedid Attifa
Bank
Als Bank habe ich mich frühzeitig für die BNP Paribas entschieden. Mit der Wahl war ich immer
zufrieden. Die Credit Agricole lockt zwar immer mit sehr günstigen Angeboten, ist allerdings nicht
besonders zuverlässig, wie zumindest manche später erzählt haben. Mit der Paribas hatte ich nie
Probleme. Auf der Bank gibt es zudem die Möglichkeit, gleich zusätzlich eine Wohnungsversicherung
(assurance d’habitation) abzuschließen. Im Unterschied zu Deutschland wird in Frankreich zum Teil
noch mit Schecks bezahlt, man sollte sich daher direkt am Anfang von der Bank, das eigene
Scheckbuch mitgeben lassen. Immer einen im Portemonnaie zu haben, kann sich als sehr praktisch
erweisen.
Handy
Für mein Handy habe ich mich für Joe Mobile entschieden, den es allerdings mittlerweile nicht mehr
gibt. Dabei handelte es sich um einen monatlich kündbaren Prepaid-Vertrag. Die Angebote von Sfr
fand ich allerdings zu Beginn ebenfalls sehr gut. Orange ist dagegen grds. sehr teuer. Selbst Verträge
lassen sich allerdings eig. immer kündigen, sobald man nachweisen kann, dass man seinen Wohnsitz
in Frankreich aufgibt.
Studium
Bzgl. des Studiums und der Art zu studieren, muss man sich in Frankreich ein wenig umgewöhnen.
Wie bereits in den Erfahrungsberichten vor mir angemerkt, ist die Vorlesung nicht mehr als das
Rezitieren aus irgendwelchen selbstgeschriebenen Büchern. Zwischenfragen grundsätzlich nicht
erwünscht. Mitschreiben lässt sich besser mit dem Laptop als handschriftlich. Wenn man als Erasmus
am Anfang des Jahres dem Prof noch nicht so ganz folgen kann, gibt es grds. die Möglichkeit, in den
zahlreichen FB Foren oder direkt nach dem Kurs bei den frz. Mitstudenten nach einer Kopie des
Kurses zu fragen, die sie einem meist auch gerne aushändigen. Stoff in der Prüfung ist
dementsprechend nur, was zuvor in den TDs und im Kurs behandelt wurde. Selbststudium ist
deswegen nicht nötig, und demzufolge genauso wenig, irgendwelche Bücher zu kaufen. Deswegen
hier der dringende Rat, egal was einem in der Einführungswoche erzählt wird, keinen Code civil oder
ähnlich zu kaufen. Ist zum Teil in den Prüfungen noch nicht einmal zugelassen.
Die definitive Kurswahl ist erst nach 3 Wochen. Wozu ich grundsätzlich nur raten kann, ist,
überwiegend Masterkurse (Master 2 Kurse ausgenommen) und TDs zu wählen.
Durch die TDs bietet sich die Möglichkeit, die Kurse tatsächlich zu verstehen und ein gewisses
Verständnis für die Materie zu entwickeln. Zudem muss ich sagen, dass zumindest ich ohne die TDs
wirklich Motivationsschwierigkeiten bzgl. des Kurses hatte, da der Stoff dann wirklich trocken sein
kann. Mein Tipp wäre daher – selbst wenn die TDs ein wenig mehr Arbeit bedeuten – lieber weniger
Kurse und dafür ein oder zwei TDs zu wählen, denn davon hat man tatsächlich mehr.
Die Professoren sind in den höheren Semestern gegenüber den Studenten meist weitaus offener, und
der Vortragsstil ähnelt mehr dem unseren. Als Professoren kann ich prinzipiell Mme Gaudin, Mme
Erasmus Toulouse 2014/2015
Sarah Shedid Attifa
Olivia, M. Jerome und Mme d’Abbadie d’Arrast nur empfehlen, dringlichst abraten allerdings von M.
Paulin und M. Vigueur.
Auch die Themen fallen vermutlich mehr in den Bereich, den man in Deutschland im 4./5. Semester
macht. Ich war mit meiner Wahl von Internationalem Privatrecht I und II sowie Wettbewerbsrecht im
Endeffekt sehr zufrieden. Im ersten Semester hatte ich zudem noch einen Kurs zu Grundrechten aus
dem dritten Jahr und einen zu Menschenrechten aus dem Master 1. Meine Kurswahl war
dementsprechend auch an meinem persönlichen Interesse am Internationalen Recht und Europarecht
ausgerichtet. Wer sich für diese Richtung interessiert, hat in Toulouse eigentlich ein gutes Angebot.
Zusätzlich hatte ich das Europarechtsdiplom (DEUE), das ca. 350€ kostet und das ganze Jahr über
ging. Negativ war leider die Tatsache, dass man so 3 Mal die Woche für 2-3 Stunden abends noch
einen zusätzlichen Kurs hatte und sich speziell am Anfang des Jahres mit den Klausuren noch in
weiter
Ferne, oft schwerlich Motivation aufbringen ließ,
hinzugehen.
Auch die häufigen
Dozentenwechsel fand ich nicht allzu gelungen. Dazu - zumindest in meinen Augen – fand ich
manche Themen sehr oberflächlich behandelt, was allerdings natürlich aufgrund des Zeitmangels
absolut verständlich ist. Vorteil ist sicher, einen grundsätzlichen, groben Überblick übers Europarecht
zu bekommen, am Ende ein Diplom in den Händen zu haben und außerdem in einem Kurs zu sein,
der aufgrund seiner hohen ausländischen Beteiligung auch zum Teil sehr auf die Erasmusstudenten
Rücksicht nimmt. Wer allerdings nicht so Wert auf das Diplom selbst legt, dem würde ich aufgrund der
vertieften Behandlung eher zu einem Kurs aus dem generellen Vorlesungsverzeichnis raten.
Es ist noch anzumerken, dass es fast keine Kurse auf Englisch gibt und die in jedem Fall überlaufen
sind – wer sich entscheidet nach Toulouse zu gehen, sollte sich deshalb in jedem Fall darauf
einzustellen, überwiegend auf frz. studieren zu müssen.
Hinsichtlich der Prüfungen gilt: kein Stress. Es ist tatsächlich so, dass im Ausland lange kein derartiger
Arbeitsaufwand wie in Deutschland gefordert ist. Vor allem geht es – abgesehen von den TDs – in den
mündlichen Prüfungen tatsächlich nur darum, das vom Prof Gesagte zu wiederholen. Es handelt sich
allein um Auswendiglernen, wobei man bei den meisten Profs sogar noch einen gewissen Erasmus
Bonus genießt und somit eigentlich keine Angst haben muss, nicht zu bestehen. Die mündlichen
Prüfungen dauern so 10 Min. im Schnitt, grds. mit ein paar Minuten Vorbereitungszeit, in der man
zuerst ein Thema vorbereit und dazu vorträgt, und danach noch ein paar Fragen zu einem anderen
gestellt bekommt. Ich habe daneben auch einige Prüfungen schriftlich mitgeschrieben (die, die man
auch im TD hatte) und fand sie grds. machbar. Je nachdem in welchem Semester und welchem Kurs
man sich befindet, gibt es verschiedene Arten, eine Klausurübung zu stellen. Die „cas pratique“
ähneln am ehesten unseren Gutachten und fand ich auch am angenehmsten. Wer sich entscheidet,
eine schriftliche Prüfung als Erasmus abzulegen, sollte das frühzeitig im Prüfungsbüro klarmachen.
Ich hatte wahnsinnige Probleme damit, weil es grds. nicht üblich ist, dass Erasmus auch schriftliche
Prüfungen ablegen.
Sprache
Auch wenn es am Anfang wirklich anstrengend ist, sich den ganzen Tag auf einer Fremdsprache
abzumühen, lohnt es sich letztlich wirklich. Evtl. Ansprüche, i. S. seiner eigenen Sprachkenntnisse
Erasmus Toulouse 2014/2015
Sarah Shedid Attifa
möglichst viel mit Franzosen zu machen, sollte man bei seiner Ankunft ein wenig an die Realität
anpassen. Es verbindet einen nun einmal während dieses Jahres deutlich mehr mit den anderen
Erasmusstudenten als mit Einheimischen und meine besten Freunde waren daher auch - bis auf eine
Ausnahme – durchweg Erasmusstudenten, mit denen sich natürlich trotzdem die Möglichkeit bietet,
sein Französisch zu üben. Franzosen lernt man am besten in irgendwelchen Mannschaftssportarten
kennen, über das Wohnheim oder bspw. die ESN-Vereinigung, die die ganzen Erasmus-Events
organisiert. Speziell in Toulouse muss man auch sagen, dass die Leute grds. sehr offen sind,
schwierig wird es dann, den Kontakt dann auch länger zu halten. Nach acht Monaten hatte ich
allerdings das Gefühl, mich mehr oder weniger flüssig in Französisch unterhalten und auch das meiste
verstehen zu können.
Fazit
Ich kann nur betonen, dass das Jahr wirklich eine ganz tolle Gelegenheit war, Kontakte mit Leuten
von überall her zu knüpfen. In jedem Fall sollte man es nicht nur zum studieren nutzen. Reisen bieten
sich insbesondere an nach Barcelona (Bus für 5 Euro!), Bordeaux, Montpellier, aber auch Nizza oder
Marseille. Auch Paris ist dank EasyJet für 40€ quasi in Reichweite. Die Pyrenäen sollte man direkt am
Anfang des Semesters machen, weil das danach wetterbedingt – zumindest, wenn man nicht Ski
fahren gehen will – nicht mehr möglich ist.
Jetzt nach Ende meines Auslandsjahres bin ich wirklich froh, mir quasi ein Jahr Auszeit gegönnt zu
haben. Auch wenn man es vielleicht in den ersten Monaten nicht sieht, hat Erasmus definitiv einen
Einfluss auf die eigene Persönlichkeit, es macht einen deutlich offener und weniger voreingenommen
gegenüber Neuem und bietet gleichzeitig die Möglichkeit, Jura einmal ganz frei nach eigenen
Interessen zu studieren. Dazu kommen natürlich die Sprachkenntnisse und hoffentlich langwährende
Freundschaften aus ganz Europa. Auch wenn es eher überschaubar ist, was sich zuhause für das
Studium anrechnen lässt – wenn man weiß, wie man die Zeit ansonsten nutzen kann, für den lohnt
sich Erasmus wirklich. Ich persönlich bin sehr zufrieden mit meiner Entscheidung.