25 Jahre Deutsche Evangelische Gemeinde

25 Jahre Deutsche Evangelische Gemeinde Toulouse
Die Anfänge
Wie bei so vielen « deutschen Kreationen » in Toulouse gehen auch bei uns die Anfänge
letztendlich auf Airbus zurück. Seit den 70er Jahren kamen vermehrt deutsche Familien nach
Toulouse, die meisten von Ihnen voller Enthusiasmus und Freude. Aber zwei Seelen schlagen da in
so mancher Brust: auch wenn der Wunsch nach Integration noch so groß ist, ein Stück der eigenen
Kultur bewahrt man sich trotzdem gerne. So gab es bald die ersten « Kinder »: die Deutsche Schule
und den Deutschen Kindergarten.
Die Deutsche Evangelische Gemeindegruppe ließ als Nachzügler noch etwas auf sich warten.
Die Anfänge der Gemeinde finden sich bereits im Jahr 1981. Zu diesem Zeitpunkt kam der deutsche
Vikar Matthias Teutsch für ein Jahr in die Eglise Réformée nach Toulouse. Er wurde auf die große
Gruppe der Deutschen aufmerksam, und von der französischen Gemeinde zeitweise freigestellt, um
diese zu betreuen. So gab es den ersten Konfirmandenunterricht in deutscher Sprache, gelegentliche
Gottesdienste und einen Bibelabend.
Als er nach Deutschland zurückkehrte, war es der Toulouser Pastor Gérard Gougne, der seine Hilfe
anbot, einen Kollegen für einen deutschsprachigen Weihnachtsgottesdienst fand und auch hin und
wieder selbst Gottesdienste hielt. Konfirmandenunterricht o.ä. fand aber nicht statt.
Gérard Gougne war es dann auch, der die Deutschen mit der deutschen Pastorin Elisabeth Wanjura
bekannt machte. Sie arbeitete in der französischen evangelischen Gemeinde in St. Gaudens. Einen
Teil ihrer Arbeitszeit widmete sie von 1985 bis 1989 mit dem Einverständnis ihrer Gemeinde den
Deutschen in Toulouse. Das hieß vor allem: es gab wieder Konfirmandenunterricht und
Festgottesdienste in deutscher Sprache.
Man sieht: so richtig gab es unser « Kind » noch nicht, aber der Wunsch danach wurde immer
stärker.
Bevor Frau Wanjura im Sommer 1989 die Region verließ, wurde mit ihrer Hilfe die
«Familienplanung » betrieben: Die « Eltern » standen fest: zum einen die französische Gemeinde,
zum anderen die Evangelische Kirche Deutschlands (EKD). Mit der französischen Gemeinde fühlte
man sich nach all den Jahren schon sehr verbunden, aber eine geregelte Betreuung durch eine
deutsche PastorIn konnte nur mit Hilfe der EKD gelingen.
Die betroffenen Familien taten sich zusammen und traten mit der EKD in Kontakt. Dies geschah
mit viel Engagement und Einfallsreichtum. Da wurden offiziell Briefe an die EKD geschrieben,
eine Unterschriftenaktion organisiert, aber auch private Kontakte zu kirchlichen Stellen in
Deutschland nach Möglichkeit genutzt.
Im Oktober 1989 kam es daraufhin zu einem ersten offiziellen Treffen der evangelischen Familien
mit Oberkirchenrat Krempkau von der EKD und dem deutschen Pastor von der Recke aus Paris (der
in dieser Funktion für alle in Frankreich lebenden deutschen Protestanten zuständig war). Dabei
waren auch Frau Wanjura und ein rheinischer Vikar, Thomas Trapp.
Eine Deutsche Evangelische Gemeindegruppe
Herr Trapp sollte der erste von Deutschland entsandte Pastor der Gemeinde werden. Zum
01.04.1990 kam er mit seiner Familie nach Toulouse, zunächst mit einem Vertrag für ein Jahr.
Mit einem Drittel seiner Arbeitszeit war er in der französischen Gemeinde tätig. 1990 konstituierte
sich die Gemeindegruppe als solche. Das « Kind » war auf der Welt. Es gab in diesem Jahr gleich
zwei Gemeindeversammlungen, und der erste Vertrauensausschuss (VA) wurde gewählt. Er bestand
anfangs aus vier Mitgliedern: Frau Dietz, Frau v. Linstow, Frau Vennemann und Herrn Wittneben.
Die Gemeindegruppe war in Aufbruchstimmung, die Gottesdienste mit durchschnittlich 40
anwesenden Erwachsenen gut besucht.
Aber : ein « 1-jähriges Kind » kann man nicht alleine lassen. Dieser Meinung war man auch bei der
EKD. So wurde mit dem Einvernehmen aller Beteiligten der Vertrag von Herrn Trapp verlängert. Er
blieb in Toulouse bis zum September 1992. In seine Zeit fielen auch alle entscheidenden
Verhandlungen zwischen der EKD und der Eglise Réformée (ERF).
Die « Eltern » regelten die Zukunft ihres « Kindes ». Das « Kind » lernte laufen und erhielt seinen
offiziellen Namen.
Eglise Réformée de Toulouse – Secteur Germanophone
Im Sommer 1992 wurden die Verträge zwischen der Commission Permanente Luthéro– Réformée
und der EKD unterschrieben. Damit fand die Gemeindegruppe ihre heutige Form als Teil der Eglise
Réformée de Toulouse, als „secteur germanophone“. Der VA vergrößerte sich von 4 auf 6
Mitglieder. Neu gewählt wurden Frau Darge-Farrell, Frau Mathews, Herr von Hössle und Herr
Keerl.
Vom Herbst 1992 an wurde die Gemeinde sehr engagiert für die Dauer eines Jahres von dem
emeritierten Pastor Johannes Hoffman betreut.
Aber noch lebte unser « Kind » faktisch mit „Übergangslösungen“. Eine geregelte Betreuung, also
eine Garantie, von der EKD eine Pastorin entsandt zu bekommen, gab es nicht.
Erst als dann im Dezember 1993 Pastor Udo Hoffmann mit seiner Familie nach Toulouse kam, gab
es ein wenig mehr Sicherheit. Mit seiner Entsendung war auch der Bestand der Gemeinde für drei
Jahre abgesichert. Diese 3-Jahres-Regelung gilt übrigens bis auf den heutigen Tag.
1993 war die Gemeinde von anfangs 14 Mitgliedsfamilien (1990) bereits auf 34 Familien
angewachsen. Vieles wurde ab diesem Zeitpunkt erstmals organisiert. Die Liturgie des
Gottesdienstes wurde festgelegt. Die Gemeinde gab sich eine Satzung, zum ersten Mal wurden
reguläre Mitgliedsbeiträge erhoben.
Udo Hoffman blieb bis zum Sommer 2000 der Pastor der Gemeinde. Er hat « das kleine Kind »
umsorgt, inzwischen wurde daraus ein « Jugendlicher ». Dieser wird von der Pastorin Heidrun
Kück-Witzig betreut. Und weil das nun einmal ein schwieriges Alter ist, muss ihr Mann auch gleich
mit ran. Nie zuvor war der Ehepartner oder die Ehepartnerin so wichtig für das Gemeindeleben
(siehe z.B. den « Auftakt »-Bericht).
10 Jahre später...
Inzwischen sind wir im Jahr 2015 angelangt, und werden in diesem Jahr unser 25jähriges Bestehen
feiern. Zeit wieder einmal zurückzublicken. Aus dem „Jugendlichen“ ist ein „Erwachsener“
geworden, und das war mit viel Freude und dem einen oder anderen Sturm verbunden. Wie das so
ist.
Als Heidrun Kück-Witzig, Matthias Witzig und ihr Sohn nach 9 Jahren in Toulouse nach
Deutschland zurückgingen, war das auf Grund der bestehenden Verträge zwar unvermeidlich, aber
der kaum „Volljährige“ tat sich schwer damit. Für einen jungen Erwachsenen war da eine ganze
Menge Trennungsangst dabei. Es war ein gutes, lebendiges Miteinander, viele Aktivitäten hatten
sich entwickelt, warum etwas ändern? Aber da ließ die EKD nicht mit reden.
So wurde die Stelle neu ausgeschrieben, drei BewerberInnen wurden für je ein Wochenende nach
Toulouse eingeladen.
Unsere jetzige Pastorin, Gesine Bertheau, wurde bei dieser Gelegenheit im wahrsten Sinne des
Wortes sehr stürmisch begrüßt. Orkan Klaus fegte über Südfrankreich, so manches
Gemeindemitglied hatte mit umgestürzten Bäumen im Garten zu kämpfen, und doch war der
Gottesdienst am Sonntagmorgen gut besucht. Und es hat an diesem Wochenende bei allen
Beteiligten „gefunkt“. Im Sommer 2009 kamen Gesine Bertheau und Matthias Albrecht als neues
„Pfarrpaar“ nach Toulouse.
Auch die Leitung des Vertrauensausschusses hat sich in diesen Jahren geändert, aber, bis heute hatte
den Vorsitz immer eine Frau. Hanna Dietz war bis 2005 unsere Präsidentin, danach
Eherenpräsidentin. Von 2005 bis 2009 hatte Anne Mathews das Amt inne und seitdem ist es Ina
Hiesener.
Die Gemeinde ist unter Leitung und Begleitung dieser Menschen und mit Hilfe der vielen
Ehrenamtlichen immer weiter gewachsen und erwachsener geworden. Obwohl in Toulouse ein ein
ständiges Kommen und Gehen herrscht, gibt es in der Gemeinde ein vielfältiges und über die Jahre
immer weiter gewachsenes Angebot von Aktivitäten, die natürlich auch Nicht-Gemeindemitgliedern
offen stehen. Neben Auftakt gibt es inzwischen einen Singkreis und eine Bläsergruppe, seit einigen
Jahren wird jedes Jahr ein Kindermusical einstudiert und aufgeführt, es gibt Fahrten nach Taizé und
nun schon im vierten Jahr ein Familienwochenende im Mai. Und, und, und...
Und so ist die Geschichte der Gemeinde für viele auch die Geschichte der Gruppe, in der sie sich
besonders einbringen, mit der sie private „Geschichten“ teilen.
Die wohl größte Umwälzung in den letzten Jahren ist die „Selbstständigkeit“ der Gemeinde. Bis
Ende 2013 waren wir ein Teil der französischen ERT (Église Réformée de Toulouse). Dieses
Konstrukt lag zwar allen am Herzen, und war doch so ungewöhnlich, dass die administrative Seite
sich immer schwieriger gestaltete. So sind wir seit dem 01. Januar 2014 ein selbstständiger Verein,
eine „association cultuelle“ nach dem Gesetz von 1905, das alles natürlich unter dem Dach der
EKD. Für den Vertrauensausschuss war es ein langer und arbeitsreicher Weg dorthin, die Gründung
der “neuen“ Gemeinde musste sogar einmal verschoben werden, schließlich müssen sowohl die
Anforderungen an eine deutsche Auslandsgemeinde sowie das französische Vereinsrecht
berücksichtigt werden.
Wir sind nun selbstständig, aber an der Zusammenarbeit mit der französischen Gemeinde hat dies
glücklicherweise nichts geändert. Außerdem sind wir Mitglied der „Église protestante unie de
France“.
Erwachsen werden heißt ja in der Regel auch, für sich selbst zu sorgen, und damit Sorgen um die
Finanzen. Nun waren die Finanzen zwar über 25 Jahre ein Thema, aber seit der Selbstständigkeit
noch ein wenig mehr, ganz einfach, weil unsere PastorInnen bis 2014 nur das sehr geringe Gehalt
ihrer französischen Kollegen bezogen. Und so ist Einfallsreichtum und Engagement auf allen
Ebenen gefragt.
25 Jahre – mitten im Leben – und gespannt auf alles, was so kommen mag.
Maren Silinski