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Asylbewerber wird wegen Straftaten nicht abgeschoben | Manuskript
Asylbewerber wird wegen Straftaten nicht abgeschoben
Bericht: Christine Schönfeld, Christian Werner, Ines Ziglasch
Das Berliner Gefängnis Moabit. Hier sitzt seit kurzem der Asylbewerber Alawad F. ein. Der
23-Jährige hat es als sogenannter Macheten-Mann zu einer gewissen Berühmtheit gebracht.
In Sachsen ist er als Mehrfachtäter bekannt.
In diesem Netto- Markt in der Universitätsstadt Freiberg spielen sich im Herbst letzten Jahres
dramatische Szenen ab. Alawad F. ängstigt eine Verkäuferin mit einer Machete. Droht ihr mit
Enthauptung. Sein Begleiter hat Pfefferspray dabei. Zuvor sind die beiden beim Stehlen
erwischt worden. Als die Polizei am Tatort erscheint, eskaliert die Situation weiter. Ein
Polizist weiß sich nicht anders zu helfen und gibt einen Warnschuss ab.
Wer heute hier einkauft , ist nachhaltig verunsichert und mit einfachen Lösungen rasch bei
der Hand.
„Sobald irgendwas ist, Ladendiebstahl egal was: sofort fort, weil bei uns Deutschen ist es ja
auch nicht anders.“
„Meine Frau geht gar nicht alleine einkaufen hier und ich geh bloß ausnahmsweise hier
einkaufen. Schreckt ab.“
„Wenn man kriminell wird und hier in Deutschland ist, da hat man kein Aufenthaltsrecht.“
„Wie es jetzt ist, ist es nicht schön und irgendetwas muss passieren. Ich glaube, das sagt
jeder.“
Interviewtermin mit Freibergs Oberbürgermeister Sven Krüger. Er möchte nicht, dass durch
solche Ereignisse die Stimmung in der Stadt kippt.
Sven Krüger Oberbürgermeister Freiberg (SPD)
„Ich denke die Vorfälle rund um den Nettomarkt im September waren einschneidend in
der Entwicklung, was das Thema Sicherheit angeht. Insbesondere die Situation, dass halt
auf eine Situation, die die Polizei nur mit einem Warnschuss bereinigen konnte, keine
Inhaftierung folgte, hat sicherlich das Gefühl der Freiberger und Freibergerinnen
nachhaltig negativ beeinflusst.“
Denn Alawad F. und sein Begleiter bleiben auf freiem Fuß. Und werden auch nicht, wie sich
das manch Bürger vorstellt, ohne Verfahren abgeschoben. Carsten Hörich, freier Dozent für
Migrationsrecht, erklärt warum:
Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers
verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Asylbewerber wird wegen Straftaten nicht abgeschoben | Manuskript
Carsten Hörich, freier Dozent für Migrationsrecht
„Das Asylverfahren und das Strafverfahren sind zwei staatlich getrennte Verfahren. Für
das Asylverfahren ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig, für
Strafverfahren die Staatsanwaltschaft und die Gerichte. Das Asylverfahren guckt dabei auf
die Herkunftsländer, wie ist die Situation dort? Werden die Menschen, wenn sie dorthin
zurückgehen verfolgt? Wurden sie verfolgt, warum sind die Menschen hier? Das
Strafverfahren guckt, haben sich die Menschen hier strafbar gemacht? Also rechtlich
gesehen zwei unterschiedliche Punkte. Als Deutscher verliere ich nicht meinen
Mietvertrag, wenn ich mich strafbar gemacht habe.“
Doch auch in Haft kommt Alawad F. nicht. Die bemerkenswerte Begründung der STA
Chemnitz: „… da die Beschuldigten weder unter Androhung von Gewalt einen Diebstahl
begangen, noch Gewalt angewandt haben.“ Für den bekannten Richter und Publizisten
Andreas Müller beginnt damit das Dilemma der Behörden im Umgang mit straffällig
gewordenen Ausländern.
„Aus meiner Erfahrung, weiß ich einfach, je schneller darauf reagiert wird, desto mehr
können Sie an Taten verhindern. Reagieren sie nicht schnell genug, regieren sie nicht
vernetzt genug, sagt sich der junge Täter und hier sind es Flüchtlinge oder Asylbewerber:
Hier passiert ja nichts in Deutschland und wenn der merkt, hier passiert nichts in
Deutschland, macht der immer weiter und weiter und das ist grauenhaft.“
Und genau das macht Alawad F. Er treibt weiter sein Unwesen. In einem Dönerimbiss
bedroht Alawad F. den Besitzer mit einer Schreckschusspistole.
Sobhi Ahmad, Imbiss-Besitzer
„Er trug eine Pistole. Und hat an meinen Kopf gehalten. Er hat gesagt, du hast noch zwei
Tage und dann musst du zumachen.“
Sobhi Ahmad ruft die Polizei. Alawad F. flieht zu Fuß, dann rast er mit einem roten
Kleinwagen durch die Stadt, baut einen Unfall und verschwindet spurlos. Erst nach einem
weiteren Delikt haben Berliner Polizisten Erfolg und verhaften den 23-Jährigen.
Inzwischen stellt sich heraus, gegen Alawad F. laufen rund 20 Verfahren .Warum das die
Chemnitzer Staatsanwaltschaft nicht schon früher wusste, bleibt ihr Geheimnis. Muss
Alawad F. nun das Land verlassen? Im Gegenteil, die Staatsanwaltschaft, die kein Interview
geben will, teilt uns nun schriftlich mit: „Der Beschuldigte hatte zuletzt nur den Status der
Duldung und sollte abgeschoben werden. Weder die StA Chemnitz noch – soweit bekannt –
die StA Berlin haben jedoch das Einverständnis hierzu erteilt, weil gegen den Beschuldigten
Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers
verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Asylbewerber wird wegen Straftaten nicht abgeschoben | Manuskript
eine Vielzahl von teilweise auch schwerwiegenden Verfahren anhängig ist und diese erst
abgeschlossen werden sollen.“
Absurd - Alawad F. ist also ein Asylbewerber, der abgeschoben werden sollte, aber bleiben
darf, weil er zum Straftäter wurde. Wird er dann nach seinem Prozess abgeschoben?
Vielleicht. Vielleicht auch nicht, denn der junge Mann gibt sich mal als Tunesier, mal als
Staatenloser aus. In den Akten wird er als Algerier geführt.
Carsten Hörich, freier Dozent für Migrationsrecht
Menschen, die abgeschoben werden sollen, müssen ja irgendwo hin. Und wenn die Länder
deren Staatsangehörigkeit sie haben, diejenigen nicht aufnehmen können, können wir
dahin nicht abschieben. Und dieser Grundsatz gilt auch dann für straffällige Asylbewerber.
Und das ist dann eine politische Frage, da muss man mit den Ländern dann tatsächlich
reden und Vereinbarungen treffen, dass die ihre eigenen Staatsangehörigen wieder
aufnehmen.
Und genau das ist das Problem: Weder Tunesien noch Algerien nehmen momentan
straffällig gewordene Flüchtlinge zurück. Doch bis das für Alawad F. überhaupt irgendwann
einmal relevant wird, kann es dauern. -Er sitzt zurzeit ohne Gerichtsverhandlungstermin in
Moabit.
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