Mitteilungen der Juristischen Zentrale VERTRAGSANWÄLTE Nr. 17/2016 17.02.2016 Wk Konkrete Abrechnung von Mietwagenkosten nach Unfall (Dreitagesschätzung) Sehr geehrte Damen und Herren, das Landgericht Braunschweig hat sich in vier Urteilen mit der Frage der Erstattung von Mietwagenkosten im Falle von längeren Anmietzeiträumen beschäftigt. Bei sofortiger Anmietung eines Ersatzfahrzeuges nach einem Unfall ist nach Ansicht des Gerichts für die ersten drei Werktage zuzüglich gegebenenfalls Sonn-und Feiertagen anteilig der konkret geforderte Mietpreis zu berücksichtigen (LG Braunschweig, Urteile vom 30.12.2015 - 7 S 328/14, 7 S 535/14, 7 S 3/15, 7 S 98/15). Sachverhalt In allen Entscheidungen geht es um eine längere Anmietung von Ersatzfahrzeugen nach einem Verkehrsunfall. Die Fahrzeuge wurden entweder direkt nach dem Unfall oder erst am Folgetag angemietet. Alle Geschädigten trugen vor, dass sie sich in einer Mobilitätsnotlage befanden. Entscheidungsgründe Für die Kammer sind das konkrete, individuelle Schadensbild sowie das Maß der Erforderlichkeit relevant. Im Rahmen des tatrichterlichen Schätzungsermessens könne bei sofortiger Anmietung eines Ersatzfahrzeuges der konkrete Aufwand für das Mietfahrzeug für die ersten drei Werktage gegebenenfalls zuzüglich Sonn- und Feiertagen rechnerisch vorrangig berücksichtigt werden. Das Gericht begründet dies damit, dass die konkrete Schadensberechnung es eigentlich sogar verlange, im Rahmen des Möglichen in die Abrechnung konkrete Positionen einzustellen und nicht stattdessen auf fiktive Einschätzungen auszuweichen. Der BGH habe in zahlreichen Entscheidungen ausgeführt, dass dem Tatrichter ein weites Ermessen bei der Schätzung zustehe. Die Dreitagesschätzung solle nur angewandt werden, wenn das Fahrzeug am Unfalltag ohne Verletzung der Schadenminderungspflicht angemietet werden durfte, weil der Geschädigte keine Zeit hatte, Alternativangebote einzuholen und zu prüfen. Schon bei Anmietung zwei Tage nach dem Unfall ohne nachgewiesenen Versuch, ein Mietfahrzeug zu einem günstigeren Tarif zu erhalten, stehe dem Geschädigten nur der ortsübliche Mietpreis für Selbstzahler zu (OLG Bamberg, Urteil vom 04.08.2015, AZ 5 U 272/14, DAR 2015, 639). 2 Die Einholung von Vergleichsangeboten könne aufgrund einer besonderen Eil- oder Notsituation des Geschädigten nicht möglich oder nicht zumutbar sein. Die Einschätzung einer bestimmten Situation als Notlage bereite Tatrichtern immer wieder Probleme. Die Dreitagesschätzung bringe hier eine Erleichterung. Praxishinweis Es gibt zwar bereits zahlreiche Entscheidungen zur Anmietung von Mietfahrzeugen in Eil-oder Notsituationen. Die Entscheidungen des LG Braunschweig eröffnen dem Anwalt mit der „Drei-Tage-Schätzung“ einen interessanten neuen Argumentationsansatz. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH ist der Geschädigte vor Anmietung eines Ersatzfahrzeuges verpflichtet, sich zumindest ein oder zwei Konkurrenzangebote – für „Normaltarife” – einzuholen (BGH, Urteil vom 02.07.1985 - VI ZR 177/84, NJW 1985, 2639). Vom Vermieter vorgelegte Preislisten ergeben kein solches konkretes Angebot. Zudem spricht die Lebenserfahrung dafür, dass der Vermieter potenzielle Kunden nicht auf günstigere Konkurrenzangebote hinweist, wozu er rechtlich auch nicht verpflichtet ist (BGH, Urteil vom 14.10.2008 - VI ZR 210/07, DAR 2009,32). Ist ein Geschädigter in einer Eil- oder Notsituation (hier lagen zwischen Unfall und Anmietung keine vier Stunden) in der Lage, Erkundigungen einzuholen und ist kein Normaltarif zugänglich ist, können Mietwagenkosten in Höhe des erforderlichen Unfallersatztarifs ersetzt verlangt werden (BGH, Urteil vom 09.03.2010 – VI ZR 6/09, DAR 2010, 462). Ist dem Kläger ein kostengünstigerer Normaltarif bekannt und zugänglich und nimmt er diesen nicht in Anspruch, weil er nicht bereit war, mit den Mietwagenkosten in Vorlage zu treten oder eine Kaution zu leisten, kann ein Verstoß gegen seine Schadenminderungspflicht in Betracht kommen. Dem Geschädigten ist grundsätzlich zuzumuten, die im Zusammenhang mit der Instandsetzung anfallenden Kosten ohne Rückgriff auf einen Bankkredit aus eigenen Mitteln vorzustrecken, wenn dies ohne Einschränkung der gewohnten Lebensführung möglich ist (BGH Urteil vom 6.3.2007 - VI ZR 36/06, DAR 2007, 328) Mit freundlichen Grüßen Dr. Markus Schäpe Leitung Juristische Zentrale
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