Die Demand Side:
Realitäten der Korruptionsbekämpfung in
Afrika
Dorothea E. Schulz
University of Cologne
Social Philosophy & Anthropology
1. Korruption als Praxis in afrikanischen
Ländern
Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf
Korruption:
•  Auslandsbestechung vs. ‘Korruption’
•  Diversität von Praktiken der Korruption à oft
mangelnde Differenzierung
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2. Ursachen für Korruption?
Erklärungsansätze:
1.  ökonomisch: profitmaximierendes Verhalten
angesichts finanzieller Engpässe
2.  ‘moralisierend’-erzieherisch: mangelnde Aufklärung
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2. Ursachen für Korruption?
Erklärungsansätze:
3. historisch/ modernisierungstheoretisch
• 
Geringe Erfahrung mit Rechtstaatlichkeit
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2. Ursachen für Korruption?
Geteilte Annahme dieser Erklärungsansätze:
•  Egoistische Erwägungen werden über das Gemeinwohl gestellt
•  Egoistisches Verhalten wird gesellschaftlich nicht sanktioniert
•  Keine verbindlichen Vorstellungen zu übergeordnetem
Gemeinwohl
•  Nationalgemeinschaft kein relevanter Bezugspunkt
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2. Passfähigkeit der drei Erklärungsansätze ist
situationsabhängig
Testfall: ökonomischer Ansatz
Mali, 1980er Jahre (Traoré):
•  niedrige Ränge des Staatsapparates: Bestechlichkeit wegen
unregelmäßiger Bezüge
Nigeria, 1999-2007 (Obansanjo)
•  erklärt nicht Bereicherung durch Staatsoberhäupter und ihr
unmittelbares Umfeld
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4. Kulturalistische & kultursensitive Ansätze
•  Korruption beruht weniger auf egoistischen Erwägungen
sondern auf Verpflichtung gegenüber sozialer Bezugsgruppe
•  Kulturelle Werte und Gewohnheiten sind dafür
verantwortlich, dass klientilistische Erwägungen über das
Wohl der Volksgemeinschaft gestellt werden
•  Privilegierung klientilistischer Interessen findet breite
Akzeptanz und wird nicht gesellschaftlich sanktioniert
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3. Kulturalistische Ansätze: offene Fragen
• 
Auf welche Akteursgruppen treffen kulturalistische
Interpretationen zu?
• 
Keine gesellschaftliche Opposition/ Kritik an Korruption?
à Deutet Korruptionsindex nicht auf Wahrnehnung eines
gesellschaftlichen Mißstandes hin?
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4. Korruption und ihre Bewertung
Akteursgruppe 1: bestechliche Amtsträger
•  Norm/ rechtlicher Rahmen für korrektes Verhalten im Amt
•  Praxis: ‚jeder tut es‘ à wird zur konkurrierenden Norm
•  2 normative Anforderungen: ‚keine Korruption praktizieren‘
ßà unmittelbarem sozialem Umfeld dienen
•  Rechtfertigung vs. Entschuldigung
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4. Korruption und ihre Bewertung
Akteursgruppe 2: Umstehende
•  ‚legal‘ vs. ‚legitim‘: legaler Charakter einer Handlung ist
relativ irrelevant; Legitimität einer Handlung zählt
•  Legitimität einer Handlung wird gemessen am Kriterium des
kollektiven vs. rein individuellen Nutzen
•  Konkurrenz zwischen sozialen Bezugsgruppen, denen sich
Amtsträger verpflichtet fühlen
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4. Korruption und ihre Bewertung
Akteursgruppe 2: Umstehende
FAZIT:
•  Verschiedene Praktiken der Vorteilsnahme & Bestechung
werden sehr unterschiedlich bewertet
•  Nicht jede korrupte Praktik gilt als legitim (aus Sicht lokaler
kultureller Wertvorstellungen)
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4. kulturalist. Ansätze: Gegenargumente
-  nicht jede korrupte Praktik ist kulturell ‚verankert‘, in dem
Sinne, daß Bekämpfung auf ‚kulturelle Widerstände‘ stößt
-  kulturelle Werte und soziale Regulierung sanktionieren rein
egoistisch-profitmaximierendes Verhalten negativ, gleichen
es mit Gemeininteresse ab
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4. kulturalist. Ansätze: Gegenargumente
-  ‘politischer Lernprozess’ auf der Grundlage historischer
Erfahrungen mit Agenten des Staats: eröffnet Blick auf
Nationalgemeinschaft als Referenzrahmen
-  Konkurrierende Vorstellungen von Gemeinwohl: Nation vs.
soziales Umfeld
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5. Zwei Konflikte
Konflikt A:
•  zwischen Eigeninteresse (unmittelbare Profitmaximierung) und
Interesse der Gemeinschaft
à Sanktion, Zwangsmaßnahme
Konflikt B:
•  Konfligierende Auffassungen von Gemeinwohl
•  Konfligierende normative Anforderungen
•  ‘Gemeinschaft’ als Referenzrahmen muss neu gefaßt werden (von
familiärem Verband zur Nation)
•  Verhaltensänderung erfolgt erst, wenn einsichtig ist, dass
Familienwohl von übergeordnetem Gemeinschaftswohl abhängt
à Lernprozeß, Überzeugungsarbeit