BUSINESS EXCELLENCE Korruptionswahrnehmungsindex 2007 Was ist Korruption? Von Anne Schwöbel Transparency International hat Ende September den Corruption Perceptions Index CPI 2007 veröffentlicht. Der CPI klassiert über 180 Länder nach dem Grad der im öffentlichen Sektor wahrgenommenen Korruption. Im Kampf gegen Korruption muss das Problem von beiden Seiten angepackt werden, auf der Angebots- wie der Nachfrageseite. Dem Schweizer Finanzplatz kommt hier eine wichtige Rolle zu. D as Ausmass der Korruption lässt sich nur schwer anhand von objektiven empirischen Daten ermitteln, da bei Korruptionsdelikten von einer sehr hohen Dunkelziffer ausgegangen werden muss. Gemäss Einschätzung von Experten liegt diese zwischen 90 und 95 Prozent. Stützt man sich beispielsweise auf die Summe der gezahlten Bestechungsgelder, die aufgrund von Ermittlungsverfahren und Gerichtsurteilen identifiziert werden können, wird damit nicht das tatsächliche Ausmass der Korruption erfasst, sondern vielmehr die Kompetenz respektiv Inkompetenz der Strafverfolgungsbehörden aufgezeigt, Korruptionsdelikte zu untersuchen und aufzudecken. Zur Messung der Korruption stützt sich der CPI des- Anne Schwöbel, Geschäftsführerin Transparency International Schweiz, Schwarztorstrasse 18, CH-3001 Bern, Tel. +41 (0)31 382 35 50, [email protected] MQ Management und Qualität 11/2007 halb auf verschiedene Umfragen und Analysen, die von einer Reihe namhafter unabhängiger Institutionen durchgeführt wer- Korruption hat weltweite Ursachen den. Er gibt auf der ganzen Welt gesammelte Meinungen von Experten wider und konzentriert sich ausschliesslich auf den öffentlichen Sektor respektive auf die bei Amtsträgern und Politikern wahrgenommene Korruption. Die aufgeführten Länder werden nach einer Skala von 0 bis 10 Punkten bewertet, wobei 0 für eine starke Wahrnehmung, 10 für eine geringe Wahrnehmung von Korruption im öffentlichen Sektor steht. Der diesjährige CPI umfasst insgesamt 180 Länder, so viele wie noch nie zuvor. Die Kluft zwischen Arm und Reich Wie bereits in den vergangenen Jahren zeigt der diesjährige CPI einen starken Zusammenhang zwischen Korruption und Armut. Während die wohlhabenden Länder den Index anführen, finden sich die ärmsten Länder am Ende der Liste: 40 Prozent der Länder, die von der Weltbank als einkommensschwach bezeichnet werden, erreichen nicht mal die Punktzahl drei (Grafik 1). Ausschlaggebend ist dabei das herrschende politische System eines Landes. Hängen politische Prozesse unter Missachtung des öffentlichen Interesses ausschliesslich von der Willkür einzelner Entscheidungsträger ab, erhält Korruption eine systemische Dimension, die der Entwicklung eines demokratischen Staa- cpi 2007 worldmap tes diametral entgegensteht. In Entwicklungs- und Schwellenländern, die im CPI schlecht abschneiden, müssen solche politische/demokratische Strukturen erst noch aufgebaut beziehungsweise gefestigt werden. Entscheidend dabei ist und bleibt jedoch der politische Wille eines Staates zu guter Regierungsführung. Transparenz und die Einhaltung der demokratischen Grundprinzipien gehören hier zu den Schlüsselfaktoren nachhaltiger Korruptionsbekämpfung. ▼ Wie die Kassen klingeln Unter Korruption versteht man den Missbrauch einer anvertrauten Machtstellung zu privatem Nutzen. In der Schweiz fallen darunter Tatbestände wie Bestechung (einschliesslich der Auslandskorruption), private Korruption, Vorteilsgewährung beziehungsweise -annahme sowie das gezielte Anfüttern. Der «klassische» Fall von Korruption ist die Bestechung eines Amtsträgers. Daneben muss auch die missbräuchliche Einflussnahme oder sogenannte Vetterliwirtschaft als Korruption bezeichnet werden, obschon sie in der Schweiz nicht strafbar ist. Bei Korruption fehlt die Täter-OpferBeziehung, beide Seiten, der Bestechende wie der Bestochene, profitieren von der Tat. Keiner von beiden hat somit ein Interesse, dass der Fall aufgedeckt wird. Grafik 1 11 BUSINESS EXCELLENCE Top-Länder nach cpi 2007 Rang Land 1 1 1 4 4 6 7 7 9 9 11 12 12 14 15 16 17 17 19 20 Dänemark Finnland Neuseeland Singapur Schweden Island Niederlande Schweiz Kanada Norwegen Australien Luxemburg Grossbritannien Hongkong Österreich Deutschland Irland Japan Frankreich USA Grafik 2 Punktwert 9,4 9,4 9,4 9,3 9,3 9,2 9,0 9,0 8,7 8,7 8,6 8,4 8,4 8,3 8,1 7,8 7,5 7,5 7,3 7,2 Doch die Schuld allein in den korruptesten Ländern zu suchen, wäre falsch. Auch die reichen Exportnationen tragen ihren Teil bei, den Teufelskreis von Korruption und Bestechung in ärmeren Ländern immer weiter und in höhere Beträge zu treiben. «Schlechtrangierte Länder müssen diese Resultate ernst nehmen und ihre öffentlichen Institutionen zur Rechenschaft ziehen», meint Hugette Labelle, Präsidentin von Transparency International, fügt aber an, dass auch die gut platzierten Länder handeln müssten, insbesondere im privaten Sektor. Denn Korruption ist ein Problem mit globalen Wurzeln: Werden Beamte in den armen Ländern bestochen, so stammen die Bestechungsgelder oft von multinationalen Unternehmen mit Sitz in topplatzierten Ländern. Ein Beispiel dafür ist der im vergangenen Jahr aufgedeckte Korruptionsskandal um den Technologiehersteller Siemens. Die Rolle der Schweiz Auch die Schweiz gehört zu einem topplatzierten Land: Bereits zum vierten Mal in Folge belegt sie den siebten Rang. Sie bleibt damit weiterhin unter den Top-Ten der Länder, in welchen die Korruption als ein marginales Problem in der öffentlichen Verwaltung empfunden wird (Grafik 2). Für die Schweiz ist die internationale Korruptionsbekämpfung ein wichtiges Anliegen. Sie war an der Erarbeitung der Konventionen von OECD, Europarat und UNO beteiligt und setzt sich für eine wirksame Umsetzung und Anwendung dieser Abkommen ein. Das Geldwäschergesetz gilt als streng und auch das oft kritisierte Bankgeheimnis schützt im Rahmen einer Strafuntersuchung keine kriminellen Gelder. Globale Koalition gegen Korruption In zahlreichen Ländern ist die Korruption das grösste Hindernis für die nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft. Nach einer Einschätzung der Weltbank werden jährlich 2000 Mia. Dollar Bestechungsgelder bezahlt, das entspricht ca. dem Dreifachen des Bruttoinlandproduktes der Schweiz. Wir alle sind bei der Bekämpfung der Korruption gefordert: die internationalen und nationalen Institutionen, die Wirtschaft, aber auch die Zivilgesellschaft. Zu diesem Zweck wurde 1993 Transparency International gegründet. Sie ist in kürzester Zeit zu einer Bewegung herangewachsen, die sich in bald gegen 100 Ländern im Kampf gegen die Korruption engagiert (www.transparency.org). Die Schweizer Sektion von Transparency International widmet sich ausschliesslich und mit ausgewiesenem Fachwissen dem Thema Korruption in der Schweiz. Im Vordergrund ihrer Arbeit stehen die Sensibilisierung der öffentlichen Meinung, die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren der Zivilgesellschaft sowie der Dialog mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft. Transparency International Schweiz wurde 1995 als unabhängiger, parteipolitisch neutraler Verein gegründet und finanziert sich durch Mitgliederbeiträge, Spenden sowie Zuwendungen der öffentlichen Hand. ___Infos: www.transparency.ch 12 Voraussetzung für eine Strafuntersuchung ist allerdings eine Meldung an die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) oder ein Auskunftsbegehren aus dem Ausland. Die Meldungen an MROS sind angesichts der Grösse des Finanzplatzes verschwindend gering. Finanzinstitute reagieren auf Korruptionsfälle im Ausland meist erst dann, wenn diese unwiderruflich ans Tageslicht kommen. Aus diesen Gründen gelangen immer wieder korrupte Gelder in die Schweiz. Hier kommt der Schweiz als einem der grössten Finanzplätze der Welt besondere Bedeutung zu. Denn im Kampf gegen die Korruption spielen die internationalen Finanzplätze eine Schlüsselrolle: Sie ermöglichen, dass korrupte Funktionäre unerlaubt gewonnene Vermögenswerte im Ausland investieren können und tragen also die Verantwortung beim Abzug von Devisen aus Entwicklungsund Schwellenländern wie Nigeria oder die Philippinen mit. Verbesserte Gesetze gefordert Finanzprodukte des Offshoregeschäfts verhindern in vielen Fällen die Zuordnung der Vermögenswerte zum kriminellen Ursprung und damit das Ausfindigmachen von Vermögenswerten korrupter Herkunft. Und umgekehrt wird die Rückführung korrupter Gelder in das Ursprungsland oft durch veraltete Gesetzgebung oder den Missbrauch von Rechtsmitteln erschwert, ja verunmöglicht. So können immer noch korrupte Gelder in die Schweiz gelangen. Deshalb fordert Transparency International Schweiz die Schweizer Gesetzeslage in den folgenden drei Bereichen zu verbessern: ■ Die Regelung der Banken zur Sorgfaltspflicht soll auf den NichtBankensektor ausgeweitet werden. Erst dadurch kann ein ge- Aus dem Siemens-Skandal gelernt Der Siemens-Skandal hat Massstäbe gesetzt – in jeder Hinsicht. Die Affäre um die Schmiergelder in Millionenhöhe machte nicht nur deutlich, in welchem Ausmass auch deutsche Unternehmen Kunden und Verwaltungen schmieren, um an Aufträge zu kommen. «Siemens hat ausserdem zu einem Bewusstseinswandel geführt, weil die Vorstände mit erschrecktem Staunen gesehen haben, was ein solcher Schmiergeldskandal für Folgen hat», sagt Hansjörg Elshorst, Deutschlandchef von Transparency International. Laut einer dpa-Meldung haben sich inzwischen über 400 Firmen – darunter jedes zweite Dax-Unternehmen – gemeinsam mit Transparency International zu einem Netzwerk zusammengeschlossen, das sich mit Korruption und Korruptionsbekämpfung beschäftigt. samtwirtschaftliches Vorgehen gegen Korruption in der Schweiz ermöglicht und die Kapitalflucht wirksam eingedämmt werden. ■ Der Vortatenkatalog zur Geldwäscherei soll auf alle Korruptionsdelikte ausgedehnt werden. Ohne eine solche Anpassung wird es für Banken und inländische und ausländische Unternehmen weiterhin möglich sein, Transaktionen aus Privatkorruption in der Schweiz in einem legalen Rahmen entgegenzunehmen. ■ Die Bundesanwaltschaft soll konsequent alle Formen der Korruption verfolgen. Dies erfordert eine Spezialisierung der Bundesanwaltschaft sowie der kantonalen Bundesanwälte. Erst durch eine stringente Vorgehensweise der Strafverfolgungsbehörden kann die Schweiz ihre Stellung als sicherer und integrer Finanzplatz aufrechterhalten. Deshalb setzt sich Transparency International Schweiz dafür ein, dass die oben aufgeführten Gesetzesanpassungen vorgenommen werden und sich der Finanzplatz Schweiz weltweit als Wirtschaftsstandort mit fairen Spielregeln präsentiert. ■ MQ Management und Qualität 11/2007
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