Hesekiel 37, 1-14 - web-portal

Predigt zu Hesekiel 37, 1-14 Pfingstsonntag 2015 Wetzlar Dom
Ihr Lieben,
letzte Woche war es mal wieder so weit:
Im Spiegel wird vor zunehmender Einflussnahme der Evangelikalen in
Deutschland gewarnt.
Der Vorwurf ist immer wieder ähnlich:
Wer an Gott glaubt, hat ein zu simples Weltbild.
Da wird schwarz – weiß gemalt. Und das sei gefährlich.
Denn wenn wir die Guten sind, dann sind die Anderen eben böse –
und das Böse muss bekämpft werden.
Und – so der Vorwurf – schon gibt es Krieg und Terror.
So ganz kalt lassen mich solche Vorwürfe nicht, muss ich sagen.
Ja, ich glaube wirklich, dass es neben der guten Macht Gottes auch andere
Mächte gibt. Auch Mächte, die Böses verursachen oder hervorrufen.
Anders kann ich fremdenfeindliche Hetze oder fanatisierte Mörder nicht
verstehen. Und die gibt es ja nun einmal. In jeder Couleur.
Wer eben hingehört hat, der hat gemerkt:
Wer sich zur Taufe entschließt, der weiß das:
es gibt Gutes und auch Böses in der Welt.
Wer sich zu Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist bekennt, der
erteilt damit bösen Mächten eine Absage.
Wer dagegen behauptet, es gäbe eigentlich gar nichts Böses, der greift zu kurz.
So gerne ich das hätte – eine Welt, in der alle in der Tiefe ihres Herzens gut
seien - ich fürchte, es ist eben nicht so.
Heute hören wir auf einen der Propheten aus dem Alten Testament, Ezechiel.
Was er beschreibt, das ist nur vor diesem Hintergrund zu verstehen:
Gott ist die gute macht, die das Leben will –
und dagegen steht die dunkle Macht, die Tod und Verderben will und bewirkt.
Ezechiel empfing eine erschreckende Vision – und bekam dann von Gott die
Deutung dazu.
1
Predigt zu Hesekiel 37, 1-14 Pfingstsonntag 2015 Wetzlar Dom
2
Des HERRN Hand kam über mich,
und er führte mich hinaus im Geist des HERRN
und stellte mich mitten auf ein weites Feld; das lag voller Totengebeine.
Und er führte mich überall hindurch. Und siehe, es lagen sehr viele
Gebeine über das Feld hin, und siehe, sie waren ganz verdorrt.
Und er sprach zu mir: Du Menschenkind, meinst du wohl, dass diese
Gebeine wieder lebendig werden?
Und ich sprach: HERR, mein Gott, du weißt es.
Und er sprach zu mir: Weissage über diese Gebeine und sprich zu ihnen:
Ihr verdorrten Gebeine, höret des HERRN Wort!
So spricht Gott der HERR zu diesen Gebeinen:
Siehe, ich will Odem in euch bringen, dass ihr wieder lebendig werdet.
Ich will euch Sehnen geben und lasse Fleisch über euch wachsen und
überziehe euch mit Haut und will euch Odem geben, dass ihr wieder
lebendig werdet; und ihr sollt erfahren, dass ich der HERR bin.
Und ich weissagte, wie mir befohlen war.
Und siehe, da rauschte es, als ich weissagte, und siehe, es regte sich,
und die Gebeine rückten zusammen, Gebein zu Gebein.
Und ich sah, und siehe, es wuchsen Sehnen und Fleisch darauf, und sie
wurden mit Haut überzogen; es war aber noch kein Odem in ihnen.
Und er sprach zu mir:
Weissage zum Odem; weissage, du Menschenkind, und sprich zum Odem:
So spricht Gott der HERR: Odem, komm herzu von den vier Winden und
blase diese Getöteten an, dass sie wieder lebendig werden!
Und ich weissagte, wie er mir befohlen hatte. Da kam der Odem in sie,
und sie wurden wieder lebendig und stellten sich auf ihre Füße,
ein überaus großes Heer.
Ein grauenhaftes Bild.
Ein Schlachtfeld, auf dem die Getöteten nicht bestattet wurden.
Predigt zu Hesekiel 37, 1-14 Pfingstsonntag 2015 Wetzlar Dom
3
Vielmehr hat man die Leichen liegen gelassen, nach Jahren sind Gebeine übrig,
die von der Sonne ausgebleicht sind.
Und dann geschieht etwas: Wie von Geisterhand fügen sich die Knochen
zusammen, es wachsen Sehnen und Muskeln neu an ihnen – Haut überzieht das
Ganze, Körper erstehen neu.
Aber sie liegen immer noch tot umher.
Bis der Prophet den Auftrag bekommt:
Blase sie an. Hauche ihnen neues Leben ein.
Ezechiel tut, was ihm befohlen wird – und die Toten werden wieder lebendig.
Also, eins ist mal sicher: das Genre Fantasy-Literatur ist Gottes Idee.
Wer Filme wie „Der Herr der Ringe“ mag, hat grade Kopfkino erlebt.
Es wirkt ein bisschen so, als habe jemand einen Film rückwärts laufen lassen.
Die Erschaffung des Menschen – umgekehrt.
So was ist eigentlich unvorstellbar – geht nur in einer Fantasy – Geschichte.
Was aber nun soll das alles? Ezechiel bekommt die Antwort von Gott:
Und er sprach zu mir: Du Menschenkind, diese Gebeine sind das ganze
Haus Israel. Siehe, jetzt sprechen sie: Unsere Gebeine sind verdorrt, und
unsere Hoffnung ist verloren, und es ist aus mit uns.
Darum weissage und sprich zu ihnen: So spricht Gott der HERR:
Siehe, ich will eure Gräber auftun und hole euch, mein Volk,
aus euren Gräbern herauf und bringe euch ins Land Israels.
Und ihr sollt erfahren, dass ich der HERR bin, wenn ich eure Gräber
öffne und euch, mein Volk, aus euren Gräbern heraufhole.
Und ich will meinen Odem in euch geben, dass ihr wieder leben sollt,
und will euch in euer Land setzen,
und ihr sollt erfahren, dass ich der HERR bin.
Ich rede es und tue es auch, spricht der HERR.
Aha! So ist das also gemeint. Es geht nicht um Unterhaltung für Fantasy-freaks.
Gott setzt für den Propheten etwas ins Bild, was man sonst nicht sieht.
Predigt zu Hesekiel 37, 1-14 Pfingstsonntag 2015 Wetzlar Dom
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Wir alle sollen etwas verstehen. Etwas davon, wie Gott uns Menschen sieht.
Israel – ein Volk aus ganz normalen, lebendigen Menschen ist in den Augen
Gottes ein Acker voller Totengebeine.
Also: Menschen können leben – und in den Augen Gottes doch mausetot sein.
Ohne einen Hauch von dem sein, wozu Gott einmal das Wunder des Lebens
erdacht hat. Ohne Odem, wie es in der altertümlichen Sprache heißt.
Das ist die Botschaft dieser schaurigen Vision.
Ein Leben, das nicht im lebendigen Bezug zu Gott ist, verdient diese
Bezeichnung nicht. Leben ohne Gott – das ist wie eine noch wandelnde Leiche.
Eine heftige Behauptung.
Nicht dass wir Gott hier missverstehen:
So ein Leben, das an seiner Bestimmung so vorbeigeht, das ist nicht der Wille
Gottes. Das ist auch keine Strafe von Gott für irgendeine Schuld.
Wer jenes Schlachtfeld hinterlassen hat, darüber schweigt der Prophet.
Gott war es jedenfalls nicht. Er will vielmehr neues Leben wecken.
Davon redet Ezechiel.
Die Pfingstgeschichte, die wir eben auch gehört haben, sie wird hier gleichsam
angekündigt.
In Jerusalem geschah nichts anderes als das, was Ezechiel hier beschreibt.
Gottes Geist erfasst Menschen und verwandelt sie.
Aus verängstigen Freunden von Jesus werden mutige Zeugen.
So hab ich es den Kindern im Kindergarten erzählt.
Die Jünger hatten sich in ihrem Haus versteckt – sie blieben unter sich.
Dann kam die Kraft Gottes über sie – und sie gingen raus auf die Straßen.
Redeten vom Sieg Gottes über den Tod.
Diese Verwandlung war schon bemerkenswert.
Die Vision des Ezechiel redet von einer noch viel stärkeren Verwandlung:
Aus Toten werden Lebendige. Geistlich gesprochen.
Wie könnten wir das verstehen?
Predigt zu Hesekiel 37, 1-14 Pfingstsonntag 2015 Wetzlar Dom
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Klar ist. Das können wir nicht selber machen!
Das Entscheidende im Glauben geschieht – wird nicht veranstaltet.
Für die Taufen heute: das, was wir erlebt haben, das ist nur die Außenseite.
Wir glauben: Gott selber handelt in unserem Tun – und das ist entscheidend.
Klar ist auch: wenn Gottes Kraft eingreift, dann haben wir keine Wahl.
Dann geht es nicht darum, ob wir grade Lust haben, Zeugen zu sein – oder nicht.
Für die Jünger damals blieb das Risiko ja bestehen.
Aber danach haben sie nicht gefragt.
Sie sind losgegangen – und lobten die großen Taten Gottes – ohne Hemmungen.
Pfingsten ist das Fest der Ermutigung für ganz normale Leute.
Gemeinde, die Gott lobt, das sind nicht die Anderen.
Das sind wir!
Seither kennt die Gemeinde dieses Gebet:
Gib uns allen deinen Geist!
Amen.