Zusatzmaterial für die Bibelarbeit

Zusatzmaterial für die Bibelarbeit
„Ezechiel isst ein Buch, Ezechiel ist ein Buch“…
… so beginnt eine Auslegung von Jürgen Ebach zu Ezechiel, der uns einstimmt auf diesen besonderen Propheten, der bei seiner Berufung (Ez 2,8-3,3) eine Schriftrolle essen
soll. Wir fanden es hilfreich, als Einstieg zunächst diese „Einverleibung von Worten“ als
Thema aufzunehmen.
Ebach schreibt dazu: „Bücherwürmer fressen Bücher, Menschen, die man Bücherwürmer
nennt, verschlingen Bücher und haben einen unstillbaren Lesehunger. Manche Bücher
sind leichte Kost, durch andere muss man sich mühsam durchfressen. Studierende, die
noch in Eile ein Buch für eine Prüfung lesen müssen, sagen, sie müssten es sich noch
reinziehen. (..) Es gibt schwerverdauliche Bücher, doch zuweilen hat man gerade die
bald satt, an denen man nichts zu kauen hat. Aber das ist eben Geschmackssache. Diese
und manche weitere Sprachbilder rufen in Erinnerung, dass uns ein metaphorisches Bücheressen allemal vertraut ist.“
Impuls für die Gruppe:
Welches biblische Wort habe ich in mir? Hat es mich durch bestimmte Lebenssituationen getragen? Habe ich darauf „herumgekaut“?
Der Prophet gehört zu den 587 v.Chr. nach Babylon Deportierten. Sein Bücheressen gehört hinein in die Phase der Entstehung des Judentums als Buchreligion. Denn das Judentum konnte im Exil nur geistig überleben, weil es anfing die Schrift auf Papierrollen
festzuhalten und damit eine „portable“, eine tragbare Heimat zu schaffen.
Gerade für verfolgte Juden haben und hatten Bücher immer eine besondere Bedeutung. Jürgen Ebach zitiert Amos Oz, der über seine Kindheit in Jerusalem erzählt: „Nur
Bücher gab es bei uns in Hülle und Fülle, sie waren überall, von Wand zu Wand, in den
Zimmern, im Flur und in der Küche und auf jeder Fensterbank. Tausende von Büchern in
allen Ecken der Wohnung. Ich hatte das Gefühl, Menschen kommen und gehen, werden
geboren und sterben, doch Bücher sind unsterblich. Als kleiner Junge wollte ich, wenn
ich einmal groß wäre, ein Buch werden. Nicht Schriftsteller, sondern ein Buch: Menschen kann man wie Ameisen töten. Auch Schriftsteller umzubringen ist nicht schwer.
Aber Bücher – selbst wenn man versuchte, sie systematisch zu vernichten, bestand immer die Chance, dass irgend ein Exemplar überlebte (…)1
Ideen:
Sinnliche Experimente für den Gottesdienst auf S.25 (Alternative zum
Honigbrot, s. AH S.34):
Bettina Rehbein
1
Beide Zitate aus: Jürgen Ebach, „Iss dieses Buch“, Erev-Rav 2008, S.11f
Zusatzmaterial für die Bibelarbeit
Ergänzende Informationen und theologische Gedanken zu Ezechiel
Der Prophet wirkt in Babylonien im Zeitraum 594 - 572 v.Chr. und blickt zurück auf die
geschehenen Katstrophen (597 und 587 v.Chr.) und macht von da aus eine Zeitansage
für die Zukunft. Aus babylonischen Quellen weiß man, dass die Exilierten Schreckliches
erlebt haben. Bei ihrer Eroberung gingen die Siegermächte barbarisch vor, brannten
Häuser und Felder ab, bluteten die Erde aus, übten (sexuelle) Gewalt aus, deportierten
die Intellektuellen, Priester und Fachkräfte, um das Land auch geistig auszubluten. Bei
der Belagerung Jerusalems (587 v.Chr.) muss vor allem eine grauenvolle Hungersnot
bestanden haben. Ezechiel beschreibt die Zerstörungen und die erlebte Gewalt und
fragt: Wie kann ein entwurzeltes und in der Fremde lebendes Volk mit dem Gott Israels
verbunden bleiben? Wie kommt neue Geistkraft und Hoffnung in die traumatisierten
Menschen, die so viel verloren haben?
Das Exil hat in Israel und Juda eine geistige und religiöse Krise ausgelöst. Hatte Gott
sein Volk verlassen und sich ohnmächtig gezeigt? Lag die Schuld für die Katastrophe
beim Volk selbst? Diese Fragen mussten bewältigt werden. Sie erinnern an Fragen, die
sich deutsche Menschen nach dem 2.Weltkrieg gestellt haben. Der Zusammenhang zwischen Gottes Willen und menschlichem Leiden, verbunden mit der Frage, ob man selbst
auf der Opfer- oder Täterseite (oder beides) steht, sind offene Fragen.
Ezechiel beantwortet die ethische Frage, ob der Mensch zum Guten und zur Umkehr
fähig ist so, dass Gott selbst letztlich die Veränderung im Herzen bewirken muss! Ezechiel ist davon überzeugt, dass Gott nicht länger als lokale Gottheit auf Jerusalem fixiert
werden kann, sondern im Herzen jedes Menschen Wohnung nehmen muss, ja, dass das
menschliche Herz der eigentliche Tempel Gottes ist. Wie nah ist die Botschaft Jesu diesem Propheten! Erstaunlich ist dabei, dass Gott die Wiederherstellung des Landes und
der Seelen um seinetwillen leisten will, weil ER nicht ohne die Gemeinschaft mit dem
Menschen leben will.
Umsetzung des Themas :
“Trauma/zerstörte Heimat“ in der Vorbereitungsgruppe – auch denkbar als
kreative Einheit im Gottesdienst
Möglichkeit 1: Frauen schlüpfen in verschiedene Rollen von Frauen, die die Zerstörung ihrer Heimat erlebt haben und erzählen davon.
Möglichkeit 2: Zerstörung des Landes und erlebte Gewalt und Hoffnungsbilder
werden mit verschiedenen Legematerialien und Egli-Figuren dargestellt.
(Beispiel einer kreativen Gruppenarbeit (S. 6f.):
Oben – Zerstörung/Angst/Trauer/Tod/Erstarrung
Unten – Hoffnung, neues Leben, Zukunft, grünendes Land)
Bettina Rehbein