Wie der Esel aus dem Brunnen kam Editorial

P.P.
3703 Aeschi b. Spiez
Post CH AG
„Zytig“ Kinderheimat TABOR – Ausgabe November 2015
3703 Aeschi b. Spiez Tel. 033 655 63 63 Fax 033 655 63 60 www.kinderheimat-tabor.ch [email protected]
Editorial
Je grösser die Auswahl, umso schwieriger wird die Entscheidung
Wie der Esel aus dem Brunnen kam
Beatrice Hänggi und das Schulteam
Wir haben die
Wahl!
Liebe Leserin, lieber Leser
Wiederum halten Sie eine Taborzytig in ihren
Händen. Relativ schnell hatten wir das Hauptthema gewählt, lag es doch auf der Hand, etwas
zu schreiben, was mit der gesellschaftlichen und
politischen Agenda übereinstimmte. Kaum hatten wir aber gewählt, zeigten sich erste Schwierigkeiten. Welche Artikel sollten das Thema wie
beleuchten, wie konnten Mitarbeiter und Schüler
oder gar Eltern einbezogen werden? Die Redaktionssitzung wurde zu einer mühsamen und unbefriedigenden Angelegenheit wie vorher noch
nie. Hatten wir wohl eine Fehlentscheidung getroffen? Wir spürten etwas vom Dilemma, das
uns immer wieder erfasst, wenn wir eine Wahl
getroffen haben. War es die richtige Wahl? Als
Menschen neigen wir dazu, lieber eine Wahl
rückgängig machen zu wollen, als die Verantwortung zu übernehmen. Nun wird alles sehr hoch
politisch, oder man könnte auch sagen, sehr pädagogisch. Für die uns anvertrauten Schüler ist es
wichtig, dass sie sich auf Entscheidungen abstützen können. Beliebigkeiten verunsichern und destabilisieren. Eine Wahl zu treffen hat aber auch
sehr viel mit Reife und Verantwortungsbewusstsein zu tun. Gesellschaftlich wird heute leider zu
stark die Betonung auf Autonomie, also auf die
Wahlfreiheit gelegt. Diese Einseitigkeit gibt mir
zu denken, weil ich den Eindruck habe, dass sehr
schnell die Verantwortung anderen auferlegt
wird oder man sich von einem Entscheid plötzlich distanziert. Auch Kinder sollen in angemessenem Rahmen Entscheidungen treffen können,
eigene Wege gehen dürfen! Ebenso wichtig ist es
aber zu beachten, dass dafür die entsprechende
persönliche Reife vorausgesetzt werden kann,
damit man dann auch die Verantwortung tragen
kann. Hier setzen wir im Tabor an, wir möchten
die Schüler befähigen, dass sie immer mehr Verantwortung für ihr Leben übernehmen können.
Das heisst aber auch, dass wir Kinder auch dann
ernst nehmen (müssen/wollen), wenn sie Entscheidungen getroffen haben die uns nicht gefallen. Kinder selber lernen dadurch, dass ihre Wahl
Konsequenzen für ihr unmittelbares Leben hat,
sei es zum Guten oder eben auch nicht. Wir propagieren deshalb im Tabor Autonomie mit Verantwortung! Aufgabe von uns Erziehenden ist es,
der Entwicklung des Kindes angepasste Entscheidungsräume zu geben, die das Kind dann eben
auch verantworten kann. Falls Ihnen unsere Zeitung Anregungen gegeben hat, so freut uns Ihre
Reaktion auf [email protected].
Sie haben die Wahl!
Freundliche Grüsse
Urs Klingelhöfer, Heimleiter
Die Schülerinnen und Schüler haben sich mit dem
Thema Wählen beschäftigt und dazu auf Fotos
und in kurzen Texten ihre Gedanken und Ideen
dargestellt. Sie finden in dieser Zytig eine Auswahl davon. Und zugegeben, die Auswahl der
Fotos und Beiträge war gar nicht so einfach.
Als wir den toten Vogel sahen, hatten wir die
Wahl, wegzulaufen, ihn zu vergraben oder zu
versuchen, ihn wiederzubeleben. Wir haben ihn
vergraben.
John, Jorge, Remo
Wenn man ein gutes Herz hat, dann hilft man
einer Person die Hilfe braucht. Wenn man ein
schlechtes Herz hat, dann lässt man eine Person
einfach links liegen.
Amanda
In meiner Freizeit game ich gerne, um aber nicht
die ganze Zeit vor dem PC zu verbringen, gehe
ich mit Kollegen aufs Trampolin. Im Tabor habe
ich auch die Möglichkeit Fussball zu spielen oder
baden zu gehen.
Daniel
Wir haben im Unterricht etwas gemacht, das mir
nicht Spass gemacht hat. Ich hatte die Wahl aufzuräumen, oder Unordnung zu machen. Ich entschied mich zum Weitermachen mit Unordnung,
will es mir Spass machte.
Joëlle
Die Mittelstufenschüler hörten eine Geschichte,
die illustriert, wie man auch in scheinbar aussichtslosen Situationen die Wahl hat, aus den eigenen Möglichkeiten das Beste zu machen oder
sich in eine Opferrolle zu begeben mit den entsprechenden Konsequenzen. Und diese Geschichte ging so:
Eines Tages fiel der Esel eines Bauern in einen
Brunnen. Das Tier schrie kläglich viele Stunden.
So versuchte der Landwirt herauszufinden, was
zu tun sei. Schliesslich beschloss er, da das Tier alt
war und es einfach nicht möglich war den Esel
zu befreien, seiner Not ein Ende zu machen. Der
Brunnen musste sowieso zugedeckt werden, da
der Esel dort drin am Sterben war. So lud der Bauer alle seine Nachbarn ein, zu kommen und ihm
zu helfen. Sie alle packten eine Schaufel und begannen, Schmutz in den Brunnen zu schaufeln.
Sofort erkannte der Esel, was los war und weinte
fürchterlich. Dann, zu jedermanns Erstaunen, beruhigte er sich. Ein paar Schaufellasten später sah
der Bauer in den Brunnen. Er war erstaunt, was
er sah. Jede Schaufel Schmutz, die seinen Rücken
traf, schüttelte der Esel ab und machte jedes Mal
einen Schritt nach oben. Die Nachbarn bemühten
sich weiter, Schmutz auf den Esel zu schaufeln.
Doch immer mehr konnte er Schritte nach oben
machen. Ziemlich bald war jeder erstaunt, als das
Tier über den Rand des Brunnens trat und glücklich davon trabte!
Und die Moral der Geschichte lautet: das Leben
wird alle Arten Schmutz auf dich schaufeln. Der
Trick, um zu überleben ist, den Schmutz abzuschütteln und einen Schritt nach oben zu wagen.
Jedes unserer Probleme ist wie ein Sprungbrett.
Wir können aus dem tiefsten Brunnen nur herauskommen, wenn wir niemals aufgeben.
Impressum
Texte und Beiträge: Redaktionsteam
Layout: Jürg Däpp
Erscheinungsform: viermal jährlich als
„Bericht“, „News“, „Live“ und „Thema“
Auflage dieser Ausgabe: 3‘500 Exemplare
Druck: Druckerei Jakob AG, Grosshöchstetten
Spendenkonto: PC 30-5441-2
© Verwendung von Bild- und Textmaterial ist
nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung der Kinderheimat Tabor gestattet!
Chaos im Pult oder Ordnung? Ich habe die Wahl
Ich muss!
Ich kann!
Leise und ruhig oder laut und bewegt, Beid
Ich will! Die richtige Wahl ge
Jürg Däpp
Es kommt immer wieder vor, dass eine Behörde
die Platzierung eines Kindes oder Jugendlichen
in unsere Institution verfügt. Solche Massnahmen können aus unterschiedlichen Gründen
ergriffen werden. Im Zentrum dieser BehördenEntscheide soll immer das Kindswohl stehen.
Andererseits ist auch klar, dass es für die betroffenen Eltern und Kinder oft schwierig ist, solche
Entscheide zur Fremdplatzierung zu akzeptieren. Aber sie haben ja scheinbar gar keine andere Wahl oder eben doch?
Auch wenn Entscheide oft nicht rückgängig gemacht werden können, so bleibt dennoch Spielraum vorhanden, sich auf die Platzierung einzulassen und die Möglichkeiten des professionellen
Settings zu nutzen oder eben auch nicht.
Auch Sabrina wurde behördlich im Tabor platziert. Sie berichtet, was das für sie bedeutete
und wie sie die Platzierung trotz Wiederständen
nutzte und den Weg vom Müssen zum Wollen
ging.
Ich MUSS!
Bevor Sabrina in unsere Institution eingewiesen wurde, war sie vier Monate in einer Notfallplatzierung, weil sie in der Schule zunehmend
gemobbt wurde. Es war für sie unvorstellbar,
dass sie nach der Notfallplatzierung nicht nach
Hause durfte, sondern ins Tabor eingewiesen
wurde. Sie verstand diesen Entscheid gar nicht
und aus ihrer Sicht gab es keinen Grund dazu.
Sabrina hatte das Gefühl, dass sie das Problem
sei und ins Heim „entsorgt“ werde. Nachdem
sie ein Mobbing-Opfer geworden war, wurde
sie nun noch mit dem Heimaufenthalt bestraft.
Mit diesen Gefühlen und Gedanken trat Sabrina
ein. Dementsprechend war es für sie am Anfang
schlimm, platziert zu sein. Sie wehrte sich innerlich dagegen und versuchte mit passivem Wiederstand, die Platzierung zu beenden. Weil dieser Plan nicht funktionierte, löste das bei ihr eine
gewisse Hilflosigkeit aus.
Ich KANN!
Je länger sie im Tabor war, umso mehr begann
sie mit den anderen Jugendlichen zu sprechen
und erkannte, dass sich ihr auch neue Möglichkeiten eröffneten. Besonders ein Gespräch mit
einem anderen Mädchen half ihr, die Dinge anders zu sehen. Sie realisierte, dass sie wählen
konnte zwischen einer positiven oder negativen
Haltung. Zudem hatte sie es gut mit den anderen
Urs Klingelhöfer
Jugendlichen, sie lachten viel und Sabrina genoss das Plaudern und das Zusammensein. Auch
die Gespräche mit den Sozialpädagogen hat
Sabrina geschätzt und als hilfreich erlebt. Dadurch konnte sie sich immer mehr auf die Platzierung einlassen, die Möglichkeiten nutzen und
an sich arbeiten. So hat sie aus den vorhandenen
Möglichkeiten das Beste gewählt und für sich
selber viel gewonnen.
Auf die Frage, wie es ihr heute geht, antwortete
Sabrina, dass es ihr gut geht, sie habe vieles verarbeitet und weggesteckt. Denjenigen, die die
Platzierung verfügt haben, habe sie vergeben,
vergessen sei es aber nicht. Sie hat während der
Tabor-Zeit, auch mit Hilfe der Sozialpädagogen,
viel an sich gearbeitet und Selbstvertrauen gewonnen. So ist es heute für sie kein Problem
mehr, in der Gewerbeschule einen Vortrag zu
halten oder fremde Schüler anzusprechen. Etwas, das für sie früher unmöglich war.
Ich WILL!
Sabrina wohnt mittlerweile freiwillig in der Jugend-WG und ist in der Ausbildung zur Milchtechnologin EFZ in Ostermundigen.
Nach welchen Kriterien wählt eigentlich ein Mitarbeiter das Tabor aus und welche Faktoren stützen
den Erstentscheid, dass Mitarbeiter über längere Zeit
im Tabor arbeiten?
Das Durchschnittsalter der 42 Voll- und Teilzeitmitarbeiterinnen betrug per Ende Juni 41½ Jahre.
(8 – 10 Praktikantenplätze und Lehrlinge werden
dabei nicht mitgezählt) Die durchschnittliche Dienstdauer zum gleichen Zeitpunkt über alle Funktionen
gezählt ganze 9½ Jahre. Alleine dieser Wert gibt Ausdruck davon, dass es sich im Tabor aushalten lässt.
In einer Mini-Umfrage bei einem Viertel alle Mitarbeitenden über alle Funktionen, hat sich folgendes
Bild gezeichnet. Besondere Beachtung als Kriterium für die Anstellung sind die konzeptuellen und
strukturellen Rahmenbedingungen. Die Verbindung
von ganzheitlichem und werteorientierten Arbeiten
findet am meisten Beachtung. Es wird besonders geschätzt, dass die Kinder auch Erfahrungen in praktischen Arbeiten, dem Garten, der Küche, Hauswirtschaft oder dem Erlebnishof Hatti machen können.
Wir danken Sabrina für das Gespräch und wünschen ihr weiterhin alles Gute auf ihrem Lebensweg.
Voranzeigen
Aeschimärit
am 3. November
und Gewerbeausstellung
Aeschi
vom 20. – 22. November:
Wir sind an beiden Anlässen
mit einem Stand dabei.
Weihnachtsfeier 2015:
Die Feier findet dieses Jahr
nicht öffentlich statt.
9%
14%
34%
14%
29%
des hat seinen Platz
Ich kann wählen, wie und mit wem ich unterwegs bin
etroffen!
Die Eltern sind gefragt
Sachsana Vigneswaran, Benjamin Zürcher
Dass im Tabor Werte vermittelt werden, die auf einer
christlichen Grundlage basieren, empfinden viele als
äusserst wertvoll. Weiter wird die Zusammenarbeit
im Tabor als sehr offen und wertschätzend erlebt,
die positiven Begegnungen und die Zusammenarbeitsform, das Arbeitsklima als zweitgrösster Indikator erwähnt. Mit je 14%-Punkten trug aber auch
die Zielgruppe (Kinder/Jugendliche) und die wundervolle Umgebung von Aeschi und moderne Infrastruktur zur Entscheidungsfindung bei. Ein einzelner
Mitarbeiter wurde sogar über Skype auf das Tabor
aufmerksam. Wie andere auch schätzt er die Klarheit in Bezug auf Arbeitszeiten und Ferien im Tabor.
Weitere 9% erwähnen, dass die Nähe zum Wohnort
oder die Aufgabe und das neue Einsatzgebiet mitentscheidend waren.
Als wenig relevant und nicht auschlaggebend wurden folgende Punkte erwähnt; Lohn, Ort, Funktion,
Einsatzbereich, Arbeitszeiten, Arbeitsweise
%
Konzept
Arbeitsklima
Zielgruppe
Ort Infrastruktur
Diverse
Passend zum Thema „Wählen“ haben wir mit
verschiedenen Eltern, von welchen ihr Kind
in der Kinderheimat Tabor wohnhaft ist, Interviews durchgeführt, aus denen wir herausfinden wollten, weshalb sie das Tabor für ihr
Kind ausgewählt haben.
In Leben gibt es viele Situationen, in denen
man sich für etwas entscheiden muss. Sei es,
das Gute zu wählen oder auch das weniger
Gute oder zu etwas sein „ja“ zu geben oder
sein „nein“. Aber manchmal wird für einen
entschieden, ohne dass man gross seine eigene Meinung äussern kann. Jedoch kommt es
danach darauf an, wie man mit der Situation
umgeht.
Ohne dieses Interview oder die verschiedenen
Meinungen der Eltern zu bewerten, zeigt die
Auswertung eine grosse Zufriedenheit der Eltern betreffend ihre Wahl des Tabors.
Wie sind Sie auf das Tabor aufmerksam geworden?
Die einen Eltern sind mit Hilfe der Kindes- und
Erwachsenenschutzbehörden (KESB) auf das
Tabor aufmerksam geworden. Ein anderes Elternpaar sagt, dass sie durch die KESB, sowie
der Unterstützung des Sozialamts auf dieses
Heim gestossen sind. Weiter gibt es Eltern,
die durchs recherchieren im Internet darauf
aufmerksam geworden sind. Sie haben eine
Platzierung für ihre physisch und psychisch angeschlagene Tochter gesucht – einen Ort, wo
man dem allem gewachsen ist.
Aufgrund wessen haben Sie gemerkt, dass die
Wahl des Tabors die richtige war?
Die einen Eltern haben eine Verbesserung der
schulischen Leistungen ihres Kindes festgestellt. Wiederum andere Eltern sind der Meinung, dass ihnen nur diese Lösung geblieben
ist und sie hoffen, dass sie damit die richtige
Entscheidung getroffen haben. Ein anderes
Elternpaar sagt, dass ihre Tochter nun seit etwas über einem Jahr im Tabor sei und dass sie
einen schweren Start hatte. Mit viel Geduld
und Unterstützung der Sozialpädagogen, der
Lehrpersonen und auch dem Willen ihrer Tochter dürfen sie jetzt alle wieder mit Freude und
guter Hoffnung in die Zukunft blicken. Auch
ihre Tochter habe wieder die Freude am Ler-
nen (bessere Noten) gefunden und sie habe
den Anschluss an den Lehrstoff geschafft, was
auch ihr Selbstbewusstsein gesteigert hat.
Wenn Sie die Zufriedenheit Ihrer Wahl auf
einer Skala von 1 bis 6 (1 = nicht zufrieden /
6 = sehr zufrieden) bestimmen könnten, welche Zahl würden Sie wählen?
Ein Elternpaar hat für die Schule die Note 5
gegeben und für die Gruppe die Note 4. Andere Eltern bewerten das Tabor mit der Note
4–5. Ein anderes Elternpaar sagt: „Für uns ist
das eindeutig eine 6.“
Würden Sie dieses Heim auch weiterempfehlen? Wenn ja, weshalb?
Die einen Eltern sagen: „Nicht unbedingt,
wenn es später nicht klappt, könnte es Unstimmigkeiten geben“. Die anderen Eltern sagen:
„Ja“, sie glauben, dass die Mitarbeiter auf die
Kinder eingehen und diese auch als solche behandeln. Ein anderes Elternpaar sagt: „Ja“.
Wenn man wieder eine Zukunft für sein Kind
finden will, ist das Tabor genau das richtige.“
Wir danken den Eltern für ihre Bereitschaft,
am Interview teilzunehmen.
Wir stellen immer wieder fest, wie wichtig die
Unterstützung der Eltern für das Gelingen einer Platzierung ist. Je mehr ein Kind spürt, dass
seine Eltern mit unserer Institution zusammen
arbeiten, umso sicherer kann es sein, dass es
mit allen Schwierigkeiten und Herausforderungen, die die Platzierung mit sich bringt,
dennoch am richtigen Ort ist. Mit dieser Wahl
helfen die Eltern ihrem Kind am meisten. In
diesem Sinn bedanken wir uns bei den Eltern
für alle Unterstützung und dass sie mit uns am
gleichen Strick ziehen.
Wer sind wir?
Bezeichnung
Schul- und Erziehungsheim auf christlicher
Basis für Kinder aus schwierigen Umfeldbedingungen, oft mit Schul- und Milieuproblemen.
Lage
Die Kinderheimat Tabor liegt auf knapp
1000 m ü.M., in landschaftlich schöner Umgebung auf einer Sonnen- und Aussichtsterrasse
über dem Thunersee und gehört zur Gemeinde Aeschi bei Spiez.
Anlage
9 Gebäude mit grossem Umschwung für familiäre Wohnatmosphäre (1 bis 2 PersonenZimmer, je nach Alter), Schule und Freizeitgestaltung.
Ich entscheide über meinen Einsatz und meine Motivation
Freie Berufswahl!?
Plätze
35 Kinder und Jugendliche, hauptsächlich im
Schulalter, Mädchen und Knaben.
Daniel Ammann
Wie hat bei Ihnen die Berufswahl stattgefunden? Durften Sie wählen oder hatten die Eltern klare Vorstellungen, was aus Ihnen werden
sollte? Waren Sie in der Wahl völlig frei oder gab
es da doch Einschränkungen? Konnten Sie Ihren
Traumberuf wählen oder mussten sie auf Plan B
ausweichen? Wenn ich in der Mitte des 7. Schuljahres den Berufswahltag durchführe, zeige ich
den Schülern auf, dass es grundsätzlich etwa
250 Lehrberufe gibt, aus denen sie auswählen
können. Grundsätzlich schon, aber… Die verschiedensten Faktoren und Umstände führen
dazu, dass diese freie Wahl nun doch eingeschränkt wird. Als erstes verunmöglicht der schulische Rucksack unter Umständen einen grossen
Teil an Möglichkeiten, weiter sind es die vorhandenen Angebote in der Wohnregion und das Interesse von anderen Schülern am selben Beruf,
die das Angebot einschränken. Vielleicht taucht
beim Schnuppern ein gesundheitliches Problem
auf, zum Beispiel eine Allergie, die das Erlernen
des Traumberufs verunmöglicht. Eine weitere
Herausforderung für unsere Schüler ist die Qual
der Wahl, die für viele ein Problem darstellt. Im
Alltag läuft das Wählen oft nach dem Lustprinzip und der kurzfristigen Bedürfnisbefriedigung
ab. Aber bei einem Beruf mit Sonn- und Schattseiten, den man über eine längere Zeit ausübt,
ist dies gar nicht so einfach. An was orientiere
ich mich bei meiner Wahl? „Bis jetzt sagten mir
die Eltern und Lehrer was gut für mich ist, und
nun muss ich selber meine Interessen entdecken,
schnuppern, abwägen und entscheiden.“ Ich erlebe in den Gesprächen, wie dieses Wählen oft
auch überfordert. Die einen Jugendlichen fixieren sich auf ein, höchstens zwei Berufe, die sie
von irgendwo her kennen und den anderen gelingt es kaum, ihre Auswahl bei den vielen Berufsmöglichkeiten, die interessant für sie wären,
auf eine realistische Anzahl zu reduzieren. In
der Diskussion mit den Lehrlingen in der Tabor
Jugend WG zeigten sich folgende Punkte: Man
muss flexibel sein und sich auch dem Angebot
anpassen können, sei dies zum Beispiel einen
Ein Anliegen in „eigener Sache“:
Bitte teilen Sie uns mit, wenn sich Ihre Adresse
geändert hat. Im blauen Balken auf der ersten
Seite dieser Zeitung finden Sie unsere Kontaktdaten.
anderen Beruf im selben Berufsfeld zu erkunden. Eine Jugendliche konnte die Ausbildung in
ihrem ersten „Traumberuf“ starten, die anderen
mussten alle nach Alternativen Ausschau halten. Grundsätzlich finden die Jugendlichen, dass
der zeitliche Faktor für eine solche Wahl unterschätzt wird. Lange denkt man: Ich habe ja noch
lang Zeit und plötzlich merkt man, dass sich die
ersten Türen schon schliessen. Wählen braucht
viel Zeit! Dies ist auch eine Frage der Berufsreife. Wie fördert man die Berufsreife? Für uns sind
die Aussenämtlis ein sehr wichtiges Gefäss. Jedes
Kind geht einmal in der Woche für 2 Std in einen
Arbeitsbereich, (Garten, Hauswartung, Lingerie,
Küche, oder in die Landwirtschaft (Hatti)) ins Aemtli. Zu Beginn des Semesters werden zwei Ziele
definiert, in denen die Kinder gefördert und gefordert werden. Ende Semester gibt es eine Auswertung und eine Beurteilung; bei den älteren
Schülern auch bezüglich der Berufsreife. Wichtig
sind für uns auch externe Wochenplätze in der
Region, bei denen die Jugendlichen bezüglich
Arbeitshaltung und Berufserfahrung viel lernen
können. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an alle Betriebe, die hier mithelfen und
ein sehr wertvolles Lernfeld anbieten.
Unsere Vereinsmitglieder kommen
zu Wort
Heute zum Thema:
Ich bin Vereinsmitglied
weil,
es ein Ort ist, wo Jugendliche eine Heimat finden
und es einen guten Start
ins Leben gibt.
Jean-Pierre Hofer, Bösingen
Form
Erziehung, Schulung und Betreuung in 4 Schüler-Wohngruppen und 3 Sonderschulklassen
sowie die Möglichkeit des Besuchs der öffentlichen Schule Aeschi, Jugendwohnen für
Schulabgänger in Frutigen, eigene Gärtnerei
und Einsatz in erlebnisorientierter Landwirtschaft, Berufswahl- und Elterncoaching.
Leitung/Mitarbeit
Heimleitung und Mitarbeiterschaft mit aufgabenspezifischer Ausbildung und Kompetenz.
Trägerschaft
Der Verein Kinderheimat Tabor als öffentlichrechtliche Körperschaft (ZGB), ist dem Bund
Freier Evangelischer Gemeinden FEG in der
Schweiz angegliedert.
Aufsicht
Vom Verein gewählter Heimvorstand sowie
die Gesundheits- und Fürsorgedirektion (GEF)
des Kantons Bern.
Finanzierung
Die Kinderheimat Tabor wird vom Kanton
Bern subventioniert, weitere Beiträge erfolgen durch die Versorger sowie freiwillige
Spenden.