«Wer alleine arbeitet, addiert, wer zusammenarbeitet, multipliziert ...»

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Interview
«Wer alleine arbeitet, addiert, wer
zusammenarbeitet, multipliziert ...»
Dr. Andreas Wendt, Chairman der European Foundation for Quality Management (EFQM)
und Leiter BMW Group Werk Regensburg, über die systematische Verbesserung der Wettbewerbsstärke als grösste unternehmerische Herausforderung und die Rolle der Führung.
››Das Gespräch führte Ruth Buholzer
Herr Dr. Wendt, Sie sind seit zwei Jahren Chairman
der European Foundation for Quality Management
(EFQM) in Brüssel. Was ist Ihr Hauptanliegen als
Chairman? Welche Ziele verfolgen Sie?
Die EFQM wurde vor 25 Jahren als Stiftung und Mitgliederorganisation gegründet, um die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen und Organisationen zu stärken und das
Streben nach «Business Excellence» zu fördern. Diese faszinierende Zielsetzung mit vielen Partnern und Netzwerken voranzutreiben sehe ich als mein Ziel in dieser Funktion.
«Mitarbeiter, die ja Kunden des Führungs­
prozesses sind, wünschen oft ganz tradi­
tionelle Werte: Orientierung, Anstand,
Wertschätzung, Teilhabe, Nachhaltigkeit.»
Was unterscheidet das EFQM-Modell von vergleich­
baren Modellen zur Entwicklung von Organisationen?
Das EFQM-Modell ist ein ganzheitlicher Ansatz, Organisationen zu nachhaltigem wirtschaftlichen Erfolg im Einklang mit
allen Interessengruppen – den Kunden, den Mitarbeitern und
der Gesellschaft – zu führen. Der Ansatz basiert somit auf dem
Grundgedanken einer erfolgreichen «sozialen Marktwirtschaft», also ethischen Werten in Verbindung mit wirtschaftlichem Erfolg und Zukunftsorientierung. Diese Kombination
kenne ich in dieser ganzheitlichen und vollständigen Form von
keiner anderen Methodik.
KMU-Magazin Nr. 9, September 2015
Der Weg zu Excellence ist anspruchsvoll und bedeutet für jedes Unternehmen einen relativ hohen Initialaufwand. Lässt sich dieser Aufwand auch für kleinere und mittlere Unternehmen rechtfertigen?
Wie bei jedem Weg wird einem der Anfang nicht geschenkt,
aber je weiter man vorankommt, desto mehr Freude macht es.
Es geht darum, Unternehmen den Spass am Lernen, Verbessern
und sich messen mit anderen näher zu bringen. Das kann nach
einiger Zeit eine solche Eigendynamik erzeugen, dass Unerwartetes erreicht wird und Führung und Zusammenarbeit sich
neu definieren können. Grosse Organisationen haben natürlich mehr Ressourcen, dafür sind sie aber auch komplexer. KMU
sind im Sinne ihrer unternehmerischen Fassbarkeit im Vorteil.
Die EFQM bietet für alle Unternehmensgrössen passende Einstiegsprogramme.
Was sind Ihrer Meinung nach die grössten Herausforderungen, um den Weg zu Excellence erfolgreich
zu gehen?
Die grösste Herausforderung ist der Entschluss der obersten
Leitung eines Unternehmens, als Organisation lernen zu wollen und sich damit selbst infrage zu stellen. Das bedeutet unter
anderem, Kunden und Mitarbeiter anzuhören und als die wesentlichsten Erfolgsfaktoren in den Mittelpunkt zu stellen.
Sie bewerben sich mit BMW regelmässig für den
EFQM Award. Neben dem Award haben Sie in den
letzten Jahren schon mehrere Preise gewonnen. Welchen Nutzen zieht BMW daraus?
Die Preise sind nicht das Wesentliche, aber sie spornen den Ehrgeiz unserer Mitarbeiter an – und der ist sehr gross. Das EFQMModell ist für uns inzwischen ein Führungsinstrument, ein Leit-
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KMU-Magazin Nr. 9, September 2015
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Interview
faden für Leitungskreise, und die Anwender sind nachweislich
und nachhaltig erfolgreich.
Voraussetzung, um heute und in Zukunft zu den Besten zu gehören, ist unter anderem eine Kultur der
Innovation und Kreativität zu entwickeln. Wie schaffen Sie die entsprechenden Rahmenbedingungen für
Ihre Mitarbeitenden?
Sieht man in Organisationen, so fressen ungeordnete Prozesse
oft die ganze Energie von Mitarbeitern. Für Kreativität und Innovation bleibt dann wenig Zeit. Prozesse strukturiert mit der
Kreativität der Mitarbeiter zu verbessern und damit mehr Zeit
für noch mehr Innovation zu erhalten, ist eine Win-win-Situation. Dieses Vorgehen kann man führen und man wird erstaunt
sein über die Fähigkeiten und Ideen der Mitarbeiter – vom
Bandarbeiter bis zur oberen Führungskraft. Unser Problem in
Europa sind niemals die Menschen, die hoch ausgebildet und
sehr engagiert sind. Das Problem sind eher Organisationen und
Führungskräfte, die eine noch steigerbare Fähigkeit besitzen,
dieses unglaubliche «Angebot» in strukturierter Weise abzugreifen und zum Leben zu bringen.
Stichwort: Excellence
Excellence auf der Basis des EFQM-Modells ist eine ganzheitliche Führungsphilosophie und ein Managementsystem, das den aktuellen und künftigen Anforderungen Rechnung trägt. Im Zentrum der Zielsetzung stehen nachhaltig
herausragende Ergebnisse in allen relevanten Bereichen
der Organisation.
Ganzheitliche Qualität beschränkt sich dabei nicht auf die Erbringung einer effizient und fehlerlos hergestellten Leistung
zum richtigen Preis. Im Zentrum stehen die Managementprozesse – zum Beispiel der Strategieentwicklungs- und -umsetzungsprozess, die systematische Nutzung des Mitarbeiterpotenzials oder der Auf- und Ausbau strategischer Partnerschaften und Allianzen – sowie die oft wenig effizienten
Support- oder Querschnittleistungen wie Information Technology (IT), Human Resources (HR) oder Infrastruktur. Hier
liegen die wirklich grossen Optimierungspotenziale. Sie zu
nutzen, erfordert ganzheitliche Systeme, welche die Organisation als Ganzes sowie das Umfeld erfassen.
Das Swiss Excellence Forum
... unterstützt Führungskräfte und Organisationen mit erprobten Instrumenten bei der Erreichung ihrer unternehmerischen Ziele und begleitet sie auf ihrem Weg zu Excellence. Interviewpartner Dr. Andreas Wendt sprach vergangenen Juni am Excellence-Talk zum Thema «Excellence als
Strategie».
KMU-Magazin Nr. 9, September 2015
Was bedeutet für Sie Innovation in der Führung und
wie entwickelt und fördert man sie?
Bei «Innovationen» in der Führung zögere ich. Ich glaube, dass
sich Mitarbeiter – die ja die Kunden des Führungsprozesses sind
– oft ganz traditionelle Werte wünschen: Orientierung, Anstand, Wertschätzung, Teilhabe, Nachhaltigkeit. Und Mitarbeiter wollen einen Sinn in ihrer Arbeit erkennen, einen Beitrag
zum Ganzen. Das sind ganz natürliche Bedürfnisse. Das fördert
man durch Offenheit, durch Vorleben und durch einen Wertekodex der Führung, den man mit seinen Führungskräften erarbeiten muss.
Globalisierung, hoher Wettbewerbsdruck, digitale
Transformation und vieles mehr fordern von Unternehmen und Mitarbeitenden eine permanente Veränderungs- und Leistungsbereitschaft. Viele Mitarbeitende stossen dadurch an ihre Grenzen. Wie gehen exzellente Organisationen damit um?
Jeder Generation scheinen die ihr gestellten Aufgaben besonders herausfordernd. Aber ich erkenne an, dass Arbeit in Organisationen heute verbindlicher ist und die Änderungszyklen
kürzer werden. Wie schützt man das Unternehmen und die Mitarbeiter also vor Überforderung? Indem man, wie schon angesprochen, seine heutigen «Hausaufgaben» in gemeinsam verbesserten Prozessen so effizient macht, dass man genügend Zeit
und Kraft hat, über seine zukünftigen Herausforderungen
nachzudenken und diese zu gestalten. Ebenfalls gemeinsam
mit den Mitarbeitern und Führungskräften.
Um an der Spitze zu bleiben, sind Unternehmen auf
die besten Mitarbeiter in der Branche angewiesen.
Was tut BMW dafür, um auch in Zukunft ein attraktiver Arbeitgeber zu bleiben?
BMW ist in der Tat stets auf den ersten Plätzen bei Vergleichen
der Arbeitgeberattraktivität. Dahinter stehen tolle Aufgaben
und Produkte, viel übertragene Verantwortung und ein grundsätzlich positives Menschenbild. Das wird auch zukünftig der
Erfolgsfaktor sein. Zusätzlich treten wir frühzeitig mit den besten Talenten in Kontakt, zum Beispiel im Rahmen von Hochschulkooperationen, und setzen uns intensiv mit modernen Arbeitsformen, Diversity und Nachwuchsförderung auseinander.
Die Führung nimmt im EFQM-Modell eine zentrale
Rolle ein, letztendlich ist sie für alles verantwortlich.
Sind Führung und Leadership lernbar oder braucht
man dazu eine bestimmte Art von Menschen?
Wer führen will, sollte Menschen mögen und gerne mit ihnen
zusammenarbeiten. Es geht darum, die Fähigkeiten, die diese
mitbringen, freizusetzen und das zu organisieren. Auf diesem
Grundverständnis basierend sind die Methoden erlernbar.
Es gilt also: Wer alleine arbeitet, addiert, wer zusammenarbeitet, multipliziert und wer dabei auch noch methodisch vorgeht,
quadriert. Führen zu wollen und damit Verantwortung für
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Interview
andere zu übernehmen, ist zuletzt aber immer noch eine
Persönlichkeitsfrage.
Heute fällen die Manager das Mehrfache an Entscheidungen in der gleichen Zeit als noch vor ein
paar Jahren. Zusätzlich ist durch den hohen Wettbewerbsdruck der Spielraum für Fehlentscheidungen
viel kleiner geworden. Über welche Skills beziehungsweise Fähigkeiten muss heute ein Manager
verfügen?
Ein Manager sollte ein Gefühl für die wesentlichen Treiber seiner Kernprozesse besitzen und eine Vorstellung, wohin er sein
Geschäft in einigen Jahren entwickelt haben will. Und er sollte
ein Gespür dafür haben, wie er Menschen hinter diese Gedanken bringen kann, so dass sie ihm mit Freude helfen, diese umzusetzen.
Welche strategischen Herausforderungen sehen Sie
am Horizont auf uns zukommen?
Die Herausforderungen in Bezug auf die Digitalisierung, Globalisierung, Dynamik im Wettbewerb und noch mehr wurden
ja schon genannt. Grundlage für die Auseinandersetzung mit
diesem Thema bleiben aber die «Klassiker». Also die Kundenorientierung, die Mitarbeiterorientierung, das Lernen organisieren, ein ausgewogenes Verhältnis von Befähigerinitiativen
und Ergebnisgrössen und die Menschlichkeit. Ich höre manchen über zukünftige Fragen sprechen oder über die Herausforderungen klagen, von dem ich nicht sicher bin, ob er diese
Grundlagen verinnerlicht hat oder ob sie ihn auch wirklich interessieren. «
Porträt
Dr. Andreas Wendt
Chairman EFQM und Leiter
BMW Group Werk Regensburg
Dr. Andreas Wendt ist Chairman
der EFQM (European Foundation for Quality Management) und
Leiter BMW Group Werk Regensburg. Mit seinem Werk gewann Dr. Wendt bereits mehrmals den European Excellence Award.
Die EFQM wurde 1988 von 14 europäischen Unternehmen ins Leben gerufen, um ein Modell zur
systematischen Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit von Organisationen in Wirtschaft und Verwaltung zur Verfügung zu stellen (vergleichbar mit
dem Malcolm Baldrige Modell in den USA und dem
Demingkreis in Japan). Nach heutigen Schätzungen
arbeiten weltweit über 30 000 Unternehmen mehr
oder weniger eng nach den Prinzipien der EFQM.
Kontakt
[email protected]
www.efqm.org
www.swiss-excellence-forum.ch
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Die mit dem Regenbogen
KMU-Magazin Nr. 9, September 2015