Immobilienrecht: FH-Doz. Mag. Kothbauer informiert Ausgabe 36/2015 | 09. September 2015 Zum Änderungsrecht der Wohnungseigentümer im Hinblick auf die Entfernung von (sichtschutz-)verglasten Balkonbrüstungen bei Erdgeschoßwohnungen (§ 16 Abs 2 Z 2 WEG) Der OGH (5 Ob 39/15v) hat vor dem Hintergrund des § 16 Abs 2 Z 2 WEG (sofern für eine vom Wohnungseigentümer beabsichtigte Änderung seines Wohnungseigentumsobjekts auch allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen werden, muss die geplante Maßnahme entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen) in Erinnerung gerufen, dass bloße Zweckmäßigkeitserwägungen und eine Steigerung des Wohnwerts einer Wohnung für die Annahme eines wichtigen Interesses in der Regel nicht ausreichen. RECHTLICHER HINTERGRUND: – durch einen Beschluss des Außerstreitrichters ersetzt werden (§ 52 Abs 1 Z 2 WEG), der somit über die Nach § 16 Abs 2 WEG ist der Wohnungseigentümer zu Genehmigungsfähigkeit einer genehmigungsbedürftigen Änderungen (einschließlich Maßnahme zu entscheiden hat. an Wohnungseigentumsobjekt seinem Widmungsänderungen) auf seine Kosten berechtigt; dabei gilt Folgendes: Die Änderung Wird eine Änderung vorgenommen, für die weder darf weder eine Schädigung des Hauses noch eine die Beeinträchtigung Zustimmung schutzwürdiger Interessen der (wenngleich aller bloß stillschweigend übrigen erteilte) Wohnungseigentümer anderen Wohnungseigentümer, besonders auch keine noch ein (diese Zustimmung ersetzender) Beschluss Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses, des noch eine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des eigenmächtige Änderung vor, gegen die sich die übrigen Hauses oder von anderen Sachen zur Folge haben (Z 1). Wohnungseigentümer im streitigen Rechtsweg zur Wehr Werden für eine Änderung auch allgemeine Teile der setzen können. Außerstreitrichters vorliegt, so liegt eine Liegenschaft in Anspruch genommen, so muss die Änderung überdies entweder der Übung des Verkehrs RECHTLICHE BEURTEILUNG DES OGH: entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen (Z 2). Zum Sachverhalt: Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist entgegen dem nach § 71 Abs 1 AußStrG in Verbindung mit § Erweist sich eine Änderung als genehmigungsbedürftig 52 Abs 2 WEG nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (= genehmigungspflichtig), weil das Vorliegen einer nicht zulässig. der genannten Voraussetzung für das Änderungsrecht zweifelhaft ist, so bedarf es der Zustimmung aller Sofern für eine vom Wohnungseigentümer beabsichtigte Wohnungseigentümer (= Sachverfügung nach § 828 Änderung Abs 1 ABGB), die aber keinen Formvorschriften unterliegt allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen und daher auch stillschweigend erteilt werden kann. Eine werden, müssen zu den in § 16 Abs 2 Z 1 WEG geforderten fehlende Zustimmung kann auf Antrag bei Vorliegen aller negativen Voraussetzungen für die geplante Maßnahme negativen Voraussetzungen (§ 16 Abs 2 Z 1 WEG) – sowie kumulativ auch die Voraussetzungen des § 16 Abs 2 bei Inanspruchnahme allgemeiner Teile der Liegenschaft Z 2 WEG erfüllt sein: Die geplante Maßnahme muss auch der positiven (§ 16 Abs 2 Z 2 WEG) Voraussetzungen entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder seines Wohnungseigentumsobjekts auch www.onlinehausverwaltung.at | Seite 1 von 2 Immobilienrecht: FH-Doz. Mag. Kothbauer informiert Ausgabe 36/2015 | 09. September 2015 einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers ANMERKUNG: dienen. 1 Auch wenn der OGH in letzter Zeit mitunter zur Frage Die eines der Genehmigungsfähigkeit im Sinne des § 16 Abs Wohnungseigentumsobjekts im Sinne des § 16 Abs Zulässigkeit einer Änderung 2 Z 2 WEG unter dem Titel des wichtigen Interesses 2 Z 2 WEG lässt sich nicht grundsätzlich bejahen des oder verneinen. Es kommt immer auf die Umstände lässt7, ist an der Grundvoraussetzung, dass nämlich des Einzelfalls an, die in ihrer Gesamtheit zu der Status Quo eine dem heute üblichen Standard beurteilen sind.2 Dabei ist dem Rechtsanwender ein entsprechend Wohnungseigentümers Nutzung nicht Großzügigkeit zulässt, walten festzuhalten. weiter Ermessensspielraum eingeräumt. Nur in Fällen Zwischen dem an der ortüblichen Nutzung des einer groben, die Rechtssicherheit in Frage stellenden Wohnungseigentumsobjekts orientierten wichtigen Fehlbeurteilung hat der OGH korrigierend einzugreifen. Interesse des Wohnungseigentümers im Sinne des 3 § 16 Abs 2 Z 2 WEG und bloßen an Komfort- und Zum Sachverhalt: Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Umstritten Wertsteigerungswünschen des Wohnungseigentümers ist die Entfernung der Balkonbrüstungen bei mehreren ausgerichteten Wohnungseigentumsobjekten, die im Erdgeschoß liegen. Der also zu differenzieren, wenngleich die Unterscheidung Wunsch der betroffenen Wohnungseigentümer, dadurch den naturgemäß nur einzelfallbezogen vorgenommen werden Lichteinfall zu erhöhen und den Zugang zu einer allgemeinen kann. Zweckmäßigkeitsüberlegungen ist Grünfläche sowie die nutzbare Freifläche zu verbreitern, ist durchaus verständlich. Nach der Rechtsprechung des OGH reichen aber bloße Zweckmäßigkeitserwägungen und eine Steigerung des Wohnwerts einer Wohnung für die Annahme eines wichtigen Interesses in der Regel nicht aus.4 Entscheidend ist, ob ein Wohnungseigentümer ohne Änderung sein Objekt nicht mehr dem heute üblichen Standard entsprechend nutzen kann.5 In einer Ausstattung mit (sichtschutz-)verglasten Balkonbrüstungen, die über eine Tür ohnehin bereits den Zugang zur Grünfläche ermöglichten, ist (im Vergleich zum gewünschten Zustand) keine wesentliche Beeinträchtigung der Nutzung von Erdgeschoßwohnungen zu erkennen. Für die Verkehrsüblichkeit der Änderung kommt es nicht auf eine ganz allgemeine, generalisierende Betrachtung einer vom Standort abstrahierenden Baupraxis an. Die Änderung ist insbesondere an der Beschaffenheit des Hauses und dessen Umfeld zu messen.6 Dass in der betroffenen Wohnanlage selbst sowie bei vergleichbaren Objekten in nächster Umgebung sämtliche Erdgeschoßwohnungen standardmäßig nicht mit Balkonbrüstungen ausgestattet sind, behaupten nicht einmal die Revisionsrekurswerber. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG). 1 2 3 4 5 6 RIS-Justiz RS0083233. RIS-Justiz RS0083309; vgl RS0109643. 5 Ob 63/08p mit weiteren Nachweisen. 5 Ob 98/11i [Dachterrasse] mit weiteren Nachweisen. RIS-Justiz RS0083341 [T18]; RS0083345 [T16]. Vgl 5 Ob 137/12a mit weiteren Nachweisen. 7 Leitsatz: „Je geringer die Inanspruchnahme allgemeiner Teile, umso geringere Anforderungen sind an die Wichtigkeit des Interesses zu stellen.“ Vgl etwa 5 Ob 183/12s (= Newsletter vom 20. März 2013), 5 Ob 154/13b (= Newsletter vom 8. Jänner 2014) und 5 Ob 150/14s (= Newsletter vom 18. März 2015). www.onlinehausverwaltung.at | Seite 2 von 2
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