Gemeindeschreiber muss loslassen

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Gemeindeschreiber muss loslassen
SIRNACH Gemeindeschreiber Peter Rüesch wird nach 15 Jahren Verwaltungstätigkeit in Sirnach pensioniert – das Loslassen fällt ihm aber schwer
Ende Jahr geht Peter Rüesch in
den Ruhestand. Ein Moment,
der dem langjährigen Gemeindeschreiber nicht leicht
fallen wird. Er beeinflusste das
Geschehen und begleitete jeden Schritt der Gemeinde.
Zur Person
Am 24. Dezember geht in Sirnach
Peter Rüeschs Ära als Gemeindeschreiber zu Ende. Sein Nachfolger Roland Toleti übernimmt nach
und nach Rüeschs Aufgaben, die
Entspannung sollte sich eigentlich
bemerkbar machen. Doch scheint
etwas an Peter Rüesch zu nagen.
Die 15 ereignisreichen Jahre gingen nicht spurlos an ihm vorbei.
Herr Rüesch, ist es schwierig, nach
so vielen Jahren die Zügel loszulassen?
«Und wie. Sirnach ist eine Gemeinde mit Visionen, zu denen ich
viel beigetragen habe. Ich hege Befürchtungen, dass die Essenz einiger dieser Visionen mit meinem
Weggang verloren gehen könnte.
Was ich in den 15 Jahren erarbeitet habe, liegt mir sehr am Herzen. Zahlreiche Projekte betrachte ich als 'meine Kinder', die ich
künftig nicht mehr hüten kann.»
Man munkelt, Sie waren der heimliche Gemeindepräsident ...
«Tatsächlich vertreten die Bürger
vieler Gemeinden die Meinung,
dass der Gemeindeschreiber die
wichtigste Person im Dorf ist. Ich
transportiere Botschaften zwischen Gemeindepräsident und
Gemeinderat, zwischen Gemeinderat und Bürger und ich trage die
operative Verantwortung für die
Gemeindeverwaltung.
Insofern
würde ich mein Amt schon als sehr
wichtig bezeichnen. Es ist aber
auch mein Job zu erkennen, wann
dem Gemeindeoberhaupt oder
dem Gemeinderat das Wort allein
gehören muss.»
Wie beschreiben Sie denn das Verhältnis zwischen Ihnen und Ge-
Kantonsratskandidaten für die EVP
MÜNCHWILEN Im «Schäfli» fand
unter Leitung von Thomas Kauth
und dem Vorstand der EVP Bezirk
Münchwilen kürzlich die Nomination der Kandidaten für die Kantonsratswahlen im Frühjahr 2016
statt. 2012 verlor die EVP Bezirk
Münchwilen ihren Sitz. Um dies zu
ändern, seien vielfältige Anstrengungen nötig. Der Präsident stellte
den Kostenrahmen der Wahlen vor.
Die Wahlprospekte werden in rund
22'000 Haushaltungen verteilt.
Weitere Werbemittel seien nötig.
Dem Wahlbudget wurde schliesslich zugestimmt. Es wurden folgende Personen für die Kantonsratswahlen nominiert: Fritz Rupp,
Tobel, Harry Leutert, Aadorf, Cornelia Krüsi, Braunau, Kathrin
Gamper, Tuttwil, Simon Gasser,
Tuttwil, Judith Stahl, Busswil, Edith
Rohrer Hess, Münchwilen, Walter
Tschabrun, Eschlikon, Rica Brülisauer, Münchwilen, Paul Stump
Sirnach.
pd/kat
Bild: Katja Fässler
«Die Gemeinde ist mein Kind, das ich künftig nicht mehr hüten kann», sagt Gemeindeschreiber Peter Rüesch.
meindepräsident Kurt Baumann?
«Als sehr freundschaftlich. Ich wäre traurig, wenn sich dies nach meiner Pensionierung ändern würde,
was ich allerdings nicht glaube. Natürlich gab es auch Momente, in denen wir unsere Differenzen hatten. Das war manchmal aber nötig, denn nur am Widerstand kann
man wachsen. Ich bin überzeugt,
dass ohne unsere Auseinandersetzungen und gemeinsamen Diskurse die Gemeinde Sirnach heute nicht so wäre, wie sie ist.»
Welche Geschäfte haben am meisten von Ihnen abverlangt?
«Die Realisierung des Mehrzweckgebäudes «Kett» (Werkhofund Feuerwehrdepot) als absolute
Notwendigkeit und ihn auch beim
Stimmbürger
durchzubringen.
Ähnlich ist es mit der Spange Hofen. Ein jahrzehntelanges Traktandum, das nach vielen emotionalen Stunden und harter Knochenarbeit nun endlich in die Wege geleitet ist. Und nicht zuletzt die
Wohnüberbauung Frecht, anlässlich dieser wir uns an der Immobilienmesse in St.Gallen während
mehrerer Jahre immer wieder neu
'verkaufen' mussten. Wir erarbeiteten unsere Vorzüge gegenüber
anderen Gemeinden immer wieder aufs Neue. Ich denke, damit
konnten wir beweisen, wozu wir fähig sind. Es gab aber auch strukturelle Herausforderung wie beispielsweise die Etablierung unseres Geschäftsleitungsmodells oder
die Einführung der Einheitsgemeinde.»
Und welches sind diese Vorzüge?
«Insbesondere das unternehmerische Denken und unser proaktives Handeln. Lassen Sie mich,
stellvertretend für viele andere
Projekte, ein Beispiel nennen. Vor
etwa vier Jahren wollte die Firma
Hawle den Standort Sirnach verlassen, weil sie in Sirnach kein geeignetes Industriebauland finden
konnte. Innert absolut kürzester
Zeit war es möglich, der Firma
Peter Rüesch ist kein Mensch,
der sein Büro mit Diplomen ziert.
Das Leben habe ihn geschult. So
amtete er wenige Jahre nach seiner Ausbildung zum Maschinen-Mechaniker 16 Jahre lang
als Gewerkschaftssekretär in
Winterthur. Zudem war er dort
20 Jahre als Pfarreipräsident tätig. 1990 wechselte er in die Stadt
Bülach wo er elf Jahre als Leiter
der Sozialen Dienste tätig war.
Rüesch ist verheiratet und in Wil
aufgewachsen, wo er auch Bürger ist. Wegen eines engeren Bezugs zur Gemeinde ist er nach
Sirnach umgezogen, wo er mittlerweile seit 10 Jahren lebt. «Ein
Gemeindeschreiber muss die
Gemeinde spüren und für die
Gemeinde spürbar sein», so der
65-Jährige.
kat
Hawle am heutigen Standort in
Gloten Land zu vermitteln, einen
Gestaltungsplan zu erarbeiten und
das Landwirtschaftsland einzuzonen. Damit sicherten wir 100 regionale Arbeitsplätze.»
Was wünschen Sie sich für Sirnachs Zukunft?
«Dass die Weichen für den Entwicklungsschwerpunkt Wil West
richtig gestellt werden. Wir müssen heute klug darüber entscheiden, was wir in 30 Jahren erreichen wollen. Des Weiteren hoffe
ich, dass das Legislaturziel, einen
neuen Gewerbeverein ins Leben zu
rufen, erreicht werden kann – wir
brauchen starke Partner bei der
Suche nach tragfähigen Entscheiden. Dass das Projekt 'Haus der Jugend', welches Tagesstruktur, Mittagstisch, Jugendtreff, Spielgruppen, Schulsozialarbeit sowie Mütter- und Väterberatung unter einem Dach vereinen sollte, in absehbarer Zeit wieder aktiviert werden kann. – wenn vielleicht auch
eher als 'Haus der Generationen'.
Und nicht zuletzt hoffe ich, dass die
Bürger wieder mehr Vertrauen in
die Politik und die Verwaltung setzen. Dies scheint aufgrund der zunehmenden Individualisierung der
Gesellschaft etwas verloren gegangen zu sein.»
Sie sagten zu Beginn, dass Sie etwas Mühe haben loszulassen. Aber
es gibt sicher auch Dinge, die Sie
gerne den anderen überlassen?
«Ja, allerdings. Denn nichts ist für
mich wohl schwieriger zu ertragen
als Dummheit. Dass ich mich in Zukunft nicht mehr mit sinnlosen und
kleinkarierten Streitigkeiten befassen muss, ist eine Erleichterung. Bei all den Bagatellen, über
die sich gewisse Leute aufregen,
fragt man sich schon, ob wir angesichts der Probleme unserer Zeit
keine anderen Sorgen haben.»
Sie sind ein Mensch, der nicht gerne dasitzt und Däumchen dreht.
Sie werden wohl auch als Rentner
etwas bewirken wollen?
«Ich werde sicherlich nicht die
graue Eminenz sein, die von aussen her wettert und versucht Einfluss zu gewinnen. Ich kenne meine Stärken und Schwächen, weiss,
wer ich bin und was ich kann. Dieses Wissen möchte ich irgendwann in einer beratenden Funktion weitergeben können. Doch zunächst will ich einmal ankommen
in diesem neuen Lebensabschnitt.
Wissen Sie, es ist wie mit Beziehungen: Wenn eine zu Ende ist,
sollte man sich nicht gleich in die
nächste stürzen. Es braucht Zeit,
die Gedanken neu zu ordnen. Zudem habe ich drei Enkel, die sich
sicher freuen, wenn Opi etwas mehr
Zeit und Gelassenheit hat.»
Und wo werden Sie die ordnen?
«Ich plane mit meiner Frau eine
längere
Frankreichreise.
Ein
Traum, den wir uns nächstes Jahr
erfüllen werden.»
Interview: Katja Fässler
Komturei Tobel wird zur Filmkulisse
TOBEL-TÄGERSCHEN Eine Szene des Spielfilms «Walking to Paris» von Peter Greenaway spielt in der Komturei Tobel
Der englische Regisseur Peter
Greenaway drehte am Dienstagabend in Tobel. Der Film
«Walking to Paris» spielt im
Jahr 1903, weshalb die Komturei Tobel als ideale Kulisse
fungiert habe.
Es ist die Geschichte des Bildhauers Constantin Brancusi auf
seinem Weg von Rumänien nach
Paris, die der englische Regisseur
Peter Greenaway derzeit verfilmt.
Es handelt sich dabei um eine italienisch-französisch-schweizerische Co-Produktion mit dem
Schweizer Fernsehen wie Produzentin Susann Rüdlinger erklärt.
Eine Festszene mit rund 50 Statisten wurde am Dienstagabend in
der Komturei Tobel gedreht.
Regieassistent und Locationscout
Arnold Bucher ist während seiner
Recherchearbeiten zu geeigneten
Bild: Katja Fässler
Regieassistent Arnold Bucher entdeckte die Komturei Tobel als idealen Drehort.
Drehlokalitäten auf die Komturei
gestossen. Eigentlich habe er die
Komturei in einer Szene für den
zweiteiligen Spielfilm 'Gotthard'
ins Auge gefasst, dessen Dreharbeiten im September gestartet sind.
«Schnell stellten wir fest, dass die
Komturei für eine Szene in 'Walking to Paris' noch besser geeignet
ist», sagt Bucher. Auch Regisseur
Peter Greenaway liess sich von dieser Ansicht überzeugen. «In der
Schweiz gibt es viele geschichtsträchtige Gebäude. Die Komturei
zeichnet sich jedoch durch ihren
ursprünglichen und unveränderten Charakter aus», sagt Bucher. Es
seien keine auffälligen «kosmetischen Eingriffe» an den Gebäuden
vorgenommen worden, was die Kulisse authentisch erscheinen lasse.
«Nicht zuletzt schätzen wir die
Komturei als Drehort, weil man uns
hier sehr freundlich und unkompliziert empfangen hat», so Bucher weiter. Die Hauptrollen in
«Walking to Paris» werden gespielt
vom schottischen Schauspieler
Emun Elliot, der unter anderem in
der US-amerikanischen Fernsehserie «Game of Thrones» zu sehen
ist und der Schweizer Schauspielerin Carla Juri, welche die Hauptrolle in der Verfilmung von Charlotte Roches «Feuchtgebiete» gespielt hat. «Walking to Paris» soll
im Winter 2016/2017 in den Kinos
zu sehen sein.
Katja Fässler