News Sujay Shah, BMO Global Asset Management: „Ein Brexit würde die Finanzmärkte belasten – auch wenn die möglichen Konsequenzen nicht eindeutig absehbar sind“ London, 4. Februar 2016 – Die Volksabstimmung über den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union (EU) dürfte dieses Jahr an den Kapitalmärkten hohe Wellen schlagen. Das britische Pfund zum Beispiel hat handelsgewichtet bereits stark an Wert verloren, obwohl der Termin für das Referendum noch nicht einmal feststeht. Auch wenn EU-Ratspräsident Donald Tusk mit seinem jüngst vorgeschlagenen Reformpaket der britischen Regierung entgegenkommt, ist ein Brexit noch nicht vom Tisch. Die EU-Regierungen müssen den Vorschlägen erst zustimmen und beraten darüber beim EU-Gipfel am 18. und 19. Februar in Brüssel. Sujay Shah, Fondsmanager im Global Rates Team bei BMO Global Asset Management, erläutert Risiken und Auswirkungen eines möglichen Brexit im Interview. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit für einen EU-Austritt Großbritanniens? Sujay Shah: Nach einem jüngst ermittelten Durchschnitt aus sechs Umfragen wird das Rennen denkbar knapp: 51 Prozent der Briten würden derzeit für und 49 Prozent gegen den Verbleib in der EU stimmen. Die Umfrageergebnisse sind damit so eng wie nie zuvor. Interessant ist dabei die Antwort auf folgende Frage: „Wie würden Sie abstimmen, wenn die britische Regierung die Bedingungen der EU-Mitgliedschaft neu verhandeln und erklären würde, dass die Interessen Großbritanniens jetzt geschützt sind?“ In diesem Falle läge die Zustimmung zum EU-Verbleib bei satten 60 Prozent. Meiner Meinung nach wird die Entscheidung zugunsten eines Verbleibs in der EU ausfallen, wenn auch nur knapp. Welche wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen hätte ein Brexit? Shah: Die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Brexit sind extrem schwer zu fassen, weil hierzu unterschiedliche Aspekte quantifiziert, ungewisse Entwicklungen prognostiziert und enorm viele Annahmen getroffen werden müssen. Die von diversen Studien vorhergesagten Effekte einer britischen EU-Mitgliedschaft sind daher sehr unterschiedlich. Der Effekt einer – weiterhin bestehenden – EU-Mitgliedschaft gemessen als Anteil am BIP rangiert dabei in verschiedenen Studien zwischen -5 Prozent und +20 Prozent. Sollte Großbritannien die EU verlassen, bedeutet das im Umkehrschluss einen Effekt auf das BIP, der zwischen +5 Prozent und -20 Prozent liegen kann. Nach einem Brexit käme es vor allem darauf an, wie die künftigen Handelsbeziehungen ausgestaltet werden. Auch politisch könnte ein Brexit in Großbritannien spürbare Auswirkungen haben. Denkbar wäre etwa ein Wechsel auf dem Posten des Premierministers, was Austrittsverhandlungen erschweren könnte. Außerdem hat der schottische Ministerpräsident bereits angekündigt, dass Schottland nach einem Brexit unter Umständen erneut über die Unabhängigkeit abstimmen werde. Wie würde sich der Brexit auf die Finanzmärkte auswirken? Shah: Die vielen wirtschaftlichen Unklarheiten im Zusammenhang mit einem Brexit würden fast zwangsläufig dazu führen, dass die Bank of England den Zinserhöhungszyklus vertagt. Schon jetzt rechnen die Märkte erst Mitte 2017 mit Zinserhöhungen in Großbritannien. Trotz des sich kontinuierlich aufhellenden Klimas am Arbeitsmarkt in Großbritannien, könnte die Zentralbank 1 angesichts niedriger Produktivität und Inflation ihre Politik sogar weiter lockern, wenn es tatsächlich zum Brexit käme. In Erwartung steigender Risikoprämien und aufgeschobener Zinserhöhungen oder sogar Zinssenkungen dürfte wohl auch das britische Pfund kurzfristig erheblich an Wert verlieren. Wie es danach mit der Währung weitergeht, wird davon abhängen, wie Großbritannien sein hohes Leistungsbilanzdefizit und die ausländischen Direktinvestitionen in den Griff bekommt. Britische Aktien könnten unter den sich eintrübenden Wachstumsaussichten leiden. Da ausländische Investoren 50 Prozent des britischen Aktienmarktes ausmachen, würden die Risikoprämien vermutlich steigen. Dabei wären britische Standardwerte vergleichsweise weniger betroffen als Nebenwerte, weil erstere stärker mit den Rohstoffmärkten als mit dem Zustand der britischen Wirtschaft korreliert sind. Wie sieht es mit dem Anleihenmarkt aus? Shah: Wie sich britische Staatsanleihen entwickeln, ist schwer vorherzusagen. Möglicherweise wollen sich Anleger im Falle eines Brexit weiterhin am britischen Zinsmarkt engagieren, um von einer potenziellen Lockerung der Geldpolitik zu profitieren. Denkbar ist aber auch, dass sie der britischen Regierung nur ungern Geld leihen wollen, besonders wenn sich die Schuldendynamik weiter verschlechtert. Nicht zuletzt ausländische Anleger, die in britischen Staatsanleihen investiert sind, befürchten angesichts der hohen britischen Schuldenquote und des hohen Leistungsbilanzdefizits im Falle eines Brexit negative Auswirkungen auf ihre Portfolios. Tatsächlich ist das ausländische Engagement in britischen Staatsanleihen schon im dritten und vierten Quartal 2014 im Zusammenhang mit dem schottischen Referendum und vor den britischen Unterhauswahlen um 3,5 Prozent gefallen und hat sich bis jetzt nicht wieder erholt. An den Märkten für Sovereign Credit Default Swaps haben sich einige Akteure klar für einen Brexit positioniert und sorgten damit dafür, dass die Prämien um ein paar Basispunkte gestiegen sind. Die Grundannahme ist hier, dass die nachteiligen wirtschaftlichen Auswirkungen eines Brexit und das sinkende Engagement ausländischer Anleger der Kreditwürdigkeit Großbritanniens schaden. Neuverhandlung der EU-Mitgliedschaft – Kernforderungen Politikbereich Einwanderung Detail Vierjähriger Aufenthalt im Land, bevor Einwanderer Lohnergänzungsleistungen beanspruchen können Kommentar Widerspricht vor allem dem EU-Diskriminierungsverbot, mögliche Klauseln könnten den Weg freimachen Schwierigkeitsgrad Sehr schwierig Rechtlich bindende Zusicherung, dass die Euroländer EU-Ländern keine Entscheidungen aufzwingen Anerkennung von Nicht-EuroWährungen und keine Währungsdiskriminierung von Unternehmen Wirtschaftsverfassung Die meisten EU-Länder akzeptieren dies, auch wenn Frankreich für den Vorschlag weniger empfänglich ist. Erfordert eine Änderung der Verträge Schwierig Steuerzahler in Ländern außerhalb des Euroraums sollten nicht an den finanziellen Kosten einer Euro-Stützung beteiligt werden Souveränität Formelle und rechtsverbindliche Ausnahme Großbritanniens aus dem in den EU-Verträgen festgeschriebenen Ziel einer „immer engeren Union“ Die EU hat der Ausnahme aus der immer engeren Union bereits zugestimmt Stärkung der Stellung nationaler Parlamente Die Verträge von Lissabon stärken bereits die Stellung der nationalen Parlamente Unproblematisch 2 Wettbewerbsfähigkeit Abbau von Bürokratiehürden und Ausbau des Binnenmarktes Keine Vertragsveränderungen Machbar Medienkontakt: Stefanie Henn, Köln, [email protected], +49 (0) 221 912 887 15 Richard Janes, London, [email protected], +44 (0) 20 7011 4298 Über BMO Global Asset Management BMO Global Asset Management ist ein globaler Investmentmanager, der Kunden auf fünf Kontinenten über 27 Niederlassungen in 14 Ländern einen herausragenden Service bietet. Einschließlich der in Portfolios mit und ohne Verwaltungsmandat betreuten Anlagen verwaltete BMO Global Asset Management per 31. Juli 2015 ein Vermögen von über 244 Milliarden US-Dollar. Die Organisation stützt sich auf vier multidisziplinäre Teams an den Firmensitzen in Toronto, Chicago/Milwaukee, London und Hongkong. Diese werden durch ein Netzwerk von BoutiqueManagern von Weltformat an strategischen Standorten in aller Welt ergänzt. Hierzu zählen unter anderem BMO Real Estate Partners, LGM Investments, Monegy Inc., Pyrford International Ltd. und Taplin, Canida & Habacht, LLC. Mit Aktivitäten in ganz Nordamerika und Europa sowie in Abu Dhabi, Mumbai, Peking, Schanghai, Hongkong, Melbourne und Sydney wurde BMO Global Asset Management von Pension & Investments als einer der 100 größten Vermögensverwalter der Welt anerkannt. Diese Beurteilung stützt sich auf das insgesamt verwaltete Vermögen per 31. Dezember 2014. Das Unternehmen ist Unterzeichner der von den Vereinten Nationen unterstützten Initiative Principles for Responsible Investment (UNPRI, Grundsätze für verantwortungsbewusste Investments). BMO Global Asset Management ist ein Teil der BMO Financial Group (NYSE: BMO), einer breit diversifizierten Finanzdienstleistungsorganisation mit einer Bilanzsumme von 672 Milliarden Kanadischen Dollar per 31. Juli 2015 und über 47.000 Mitarbeitern. 3
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