Wdh: Abgabe und Zugang von Willenserklärungen Beachte:

Wdh: Abgabe und Zugang von Willenserklärungen
Beachte:
 Die Abgabe ist immer Wirksamkeitsvoraussetzung bei
Willenserklärungen
 Der Zugang ist nur eine Wirksamkeitsvoraussetzung bei
empfangsbedürftigen Willenserklärungen (Regelfall)
I.
Abgabe von Willenserklärungen
1. Abgabe nicht empfangsbedürftiger Willenserklärungen
- Mit Abschluss des Erklärungsvorgangs
- z.B.: Verfassen und Unterschreiben eines Testaments (§ 2247
BGB); Verfassen und Veröffentlichen einer Auslobung (§ 657
BGB)
2. Abgabe empfangsbedürftiger Willenserklärungen
Eine Willenserklärung gilt als abgegeben, wenn die Erklärung vom
Erklärenden willentlich so in den Verkehr gebracht wurde, dass unter
normalen Umständen mit dem Zugang gerechnet werden kann, d.h. er
muss alles seinerseits Erforderliche getan haben, damit die Erklärung
ohne sein weiteres Zutun dem Empfänger zugehen kann.
 tatsächliche Kenntnis des Empfängers irrelevant!
- Mündliche Erklärung unter Anwesenden/am Telefon (§ 147 I BGB):
akustische Wahrnehmungsmöglichkeit entscheidend
- Mündliche Erklärung unter Abwesenden:
o z.B. bei Einschaltung eines Boten
o (+) bei Abschluss der Erklärung gegenüber dem Boten und
Beauftragung zur Übermittlung
Schriftliche (= „verkörperte“) Erklärung:
o Unter Anwesenden: Überreichen der Nachricht
o Unter Abwesenden:
 Möglichkeit der Kenntnisnahme entscheidend (s.o.)
 z.B. Absenden eines Briefes/Faxes
 Problem: Abhanden gekommene Willenserklärung
(s. Fall 17 „Übereifrige Sekretärin“)
 e.A.: Keine Abgabe  WE nicht wirksam
o Abgabe muss vom Willen des Erklärenden
getragen sein
o Ggf. aber Schadensersatzanspruch aus §
122 I BGB analog
o PRO: Schutz des Erklärenden/§ 130 II BGB
spricht nur von Abgabe des Empfängers
 a.A.: Vertretenmüssen des Erklärenden?
o Behandlung wie Fälle des fehlenden
Erklärungsbewusstseins
o Abgabe, wenn Erklärender hätte
erkennen/verhindern können, dass der
Empfänger die WE als abgegeben auffasst
o Aber: Möglichkeit der Anfechtung
o Berücksichtigung von Treu und Glauben mit
Rücksicht auf die Verkehrssitte (§ 242
BGB)
o PRO: Verkehrsschutz; Keine
Einflussmöglichkeit des Empfängers auf
Verhalten des Erklärenden
II.
Zugang von Willenserklärungen
1. Definition
Eine empfangsbedürftige Willenserklärung geht spätestens in dem
Zeitpunkt zu,
- in dem sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt
- dass für ihn unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit besteht,
vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (normativer
Zugangsbegriff)
 Tatsächliche Kenntnisnahme nicht erforderlich
- Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein (bloßes Gelangen in
den Machtbereich des Empfängers reicht nicht aus)
- Aber:
o Zugang jedenfalls mit tatsächlicher Kenntnisnahme
o Wenn tatsächliche Kenntnisnahme ausnahmsweise früher als
Zeitpunkt, zu dem unter gewöhnlichen Umständen mit
Kenntnisnahme zu rechnen ist: Zugang zum Zeitpunkt der
tatsächlichen Kenntnisnahme
- Bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen ist der Zugang
nicht erforderlich  WE ist bereits mit Abgabe wirksam, s.o.
2. Sonderfall Einschreiben:
- Übergabeeinschreiben
o Einschreiben wird dem Empfänger gegen Empfangsbestätigung
ausgehändigt
o Bei Abwesenheit des Empfängers: Benachrichtigung und
Hinterlegung bei der Post
(P): Bei Abwesenheit des Empfängers bereits kein Gelangen
in seinen Machtbereich
- Einwurfeinschreiben
o Einwurf des Einschreibens in Briefkasten/Postfach des
Empfänger
o Bestätigung durch Unterschrift des Zustellers
(P): Geringerer Beweiswert im Vergleich zum
Übergabeeinschreiben, da keine persönliche Übergabe
3. Zugangsvereitelung
= Verhinderung des Zugangs durch den Empfänger
Empfänger muss Vorrichtung für den Empfang einer WE
bereitstellen, wenn mit dem Zugang rechtsgeschäftlicher
Erklärungen zu rechnen ist (heutzutage wohl ganz überwiegend)
a) Fahrlässige Zugangsvereitelung
- z.B.: Versehentliche Mitteilung einer nicht mehr aktuellen Adresse
- Unverzüglich neuer Zustellungsversuch erforderlich
- Empfänger muss sich bei verspätetem Zugang so behandeln lassen,
als sei die Erklärung rechtzeitig zugegangen
- Ausnahmen in Sonderfällen (bestehende Geschäftsverbindung etc.)
b) Vorsätzliche/arglistige Zugangsvereitelung
- z.B.: Abmontieren des Briefkastens, damit Zustellung unmöglich ist
- Kein neuer Zustellungsversuch erforderlich
- Wahlrecht des Erklärenden, ob er die Erklärung gelten lassen will
(dann Fingieren des rechtzeitigen Zugangs)
III.
Widerruf von Willenserklärungen
- § 130 I 2 BGB: Nur bei gleichzeitigem Zugang von Willenserklärung
und Widerruf oder vorherigem Zugang des Widerrufs
- Widerruf = eigenständige Willenserklärung (Tatbestand, Abgabe,
Zugang erforderlich)
- Bsp. 1: A schickt B einen Brief mit einem Kaufvertragsangebot. Kurz
nach dem Abschicken überlegt er es sich anders und schickt dem B
ein Fax, dass er sich an sein Angebot in dem Brief nicht mehr
gebunden fühlt. B liest das Fax sofort. Den Brief liest B erst einen Tag
später
o Widerruf vor Zugang
o WE unwirksam
- Bsp. 2: Siehe Bsp. 1. Nur schickt A anstelle des Faxes sogleich einen
zweiten Brief ab, in dem er erklärt, er fühle sich an den Inhalt seines
ersten Briefs nicht mehr gebunden. Am nächsten Tag holt B beide
Briefe aus seinem Briefkasten
o Widerruf gleichzeitig mit Zugang
o WE unwirksam