Der verbotene Umgang mit Kriegsgefangenen im Dritten Reich.
Beziehungen deutscher Frauen zu ausländischen Kriegsgefangenen anhand von
Akten aus dem Landesarchiv Saarbrücken.
GESETZESLAGE
Der Ministerrat für Reichsverteidigung erließ am 25. November 1939 die Verordnung zur
Ergänzung der Strafvorschriften zum Schutz der Wehrkraft des deutschen Volkes. 1 Die
Wehrkraftschutzverordnung stellte den Kontakt zu Kriegsgefangenen unter Strafe, wenn
dieser nicht durch die gemeinsamen Arbeiten zwingend erforderlich war. Frauen, die sich
dennoch auf ein Verhältnis mit einem ausländischen Kriegsgefangenen einließen, wurden
nach §4 der Wehrkraftschutzverordnung verurteilt,2 denn Kontakte zu Ausländern
gefährdeten - gemäß der nationalsozialistischen Rassenideologie - die „Reinheit der deutschen
Rasse“. §4 der Verordnung lautet:
„(1) Wer vorsätzlich gegen eine zur Reglung des Umgangs mit Kriegsgefangenen erlassene Vorschrift verstößt
oder sonst mit einem Kriegsgefangenen in einer Weise Umgang pflegt, die das gesunde Volksempfinden gröblich
verletzt, wird mit Gefängnis, in schweren Fällen mit Zuchthausbestraft bestraft.
(2) Bei fahrlässigem Verstoß gegen die zur Reglung des Umgangs mit Kriegsgefangenen erlassenen Vorschriften
ist die Strafe Haft oder Geldstrafe bis zu hundertfünfzig Reichsmark. “ 3
Die Verordnung über den Umgang mit Kriegsgefangenen wurde ergänzt:
§1 (1) Sofern nicht ein Umgang mit Kriegsgefangenen durch die Ausübung einer Dienst- oder Berufspflicht oder
durch ein Arbeitsverhältnis der Kriegsgefangenen zwangsläufig bedingt ist, ist jedermann jeglicher Umgang mit
Kriegsgefangenen und jede Beziehung zu ihnen untersagt. 4
Der „verbotene Umgang“ musste nicht gleich Geschlechtsverkehr bedeuten, schon ein Duzen,
eine freundschaftliche Verabschiedung oder die Anrede beim Vornamen reichten aus, um die
Gestapo aufmerksam zu machen. Man kann die verschiedenen Vergehen des „verbotenen
Umgangs“ unterscheiden in Vergehen, die politisch motiviert waren, etwa Sabotage,
Widerstand oder Fluchthilfe, Vergehen aus humanitären Gründen wie Unterstützung durch
Lebensmittel oder Kleidung und schließlich dem Vergehen der Liebesbeziehung.5 Kleinere
1
Vgl. Mechler, Wolf-Dieter: Kriegsalltag an der „Heimatfront“. Das Sondergericht Hannover im Einsatz gegen
„Rundfunkverbrecher“, „Schwarzschlechter“, „Volksschädlinge“ und anderer „Straftäter“1939 – 1945, Hannover
1997, S. 227.
2
Vgl. Tidl, Georg: Die Frau im Nationalsozialismus, Wien 1984, S. 40. Und Kundrus, Birthe: Forbidden Company:
Romantic Relationships between Germans and Foreigners, 1939 to 1945, in: Herzog, Dagmar (Hrsg.): Sexuality and
German fascism. Journal of the History of Sexuality, Volume 11, New York 2005, S. 201-222, S. 211.
3
Rothmaler, Christiane: Fall 29 – Umgang mit Kriegsgefangenen – 1944, in: Justizbehörde Hamburg (Hrsg.): „Von
Gewohnheitsverbrechern, Volksschädlingen und Asozialen…“. Hamburger Strafurteile im Nationalsozialismus,
Hamburg 1995, S. 364-379, S. 367.
4
Zitiert nach: Mechler, S. 228.
5
Vgl. Heusler, Andreas: „Strafbestand“ Liebe. Verbotene Kontakte zwischen Münchnerinnen und ausländischen
Kriegsgefangenen, in: Krafft, Sybille (Hrsg.): Zwischen den Fronten. Münchner Frauen in Krieg und Frieden 1900 –
1950, München 1995, S. 324-341, S. 327. Und Heusler, Andreas: Ausländereinsatz. Zwangsarbeit für die Münchner
Kriegswirtschaft 1939-1945, München 1996, S. 395f.
1
Vergehen, wie etwa kleine Geschenke zustecken, wurden vor einem Amtsgericht behandelt,
während der intime Kontakt oder Fluchthilfe, vor einem Sondergericht verhandelt wurden. 6
Schon bei den kleinsten Gerüchten konnten Frauen denunziert werden. Als Strafen kamen in
Frage: Gefängnis- oder Zuchthausstrafen, Geldstrafen, den Verlust der Bürgerrechte, die
Veröffentlichung ihres Namens in der Lokalpresse und die öffentliche Demütigung durch die
Haarschur mit anschließendem Vorführen vor der Dorf- oder Stadtgemeinschaft.
DIE SITUATION IM SAARLAND (POLITIK, WIRTSCHAFT, SOZIALES)
Ab 1.3.1935 gehörte das Saargebiet nach der Volksabstimmung am 13.1.1935 (90,5 %) zum
Deutschen Reich und wurde fortan als Saarland bezeichnet.
Die Wirtschaft, vor allem aus der Hütten-, Nahrungsmittel-, Textil- und holzverarbeitenden
Industrie boomte, vor allem ab 1937/38 durch die Aufrüstung, sowie den Baus des Westwalls
und der Reichsautobahn.
Während des Zweiten Weltkrieges belieferte der Saarbrücker Großhandel die Wehrmacht. Die
wirtschaftlichen Schwerpunkte lagen im Bergbau und der Schwerindustrie, in der während
des Krieges auch Frauen für die Rüstungsproduktion eingesetzt wurden. Allein durch den
Einsatz der tausenden Kriegsgefangenen und ausländischen Zivilarbeitern konnte die
saarländische Wirtschaft bis zum Ende des Krieges leistungsfähig bleiben.
Im Sommer 1941 wurden zuerst Kartoffeln Mangelware. .7 Im Winter von 1941/42 konnte der
Kartoffelbedarf nicht mehr für die gesamte saarländische Bevölkerung gedeckt werdend,
daher wurden die Lebensmittel ab Frühjahr 1942 rationalisiert.8
EINSATZ DER KRIEGSGEFANGENEN
Die
ersten
ausländischen
Kriegsgefangenen
im
Saarland
waren
1939
polnische
Kriegsgefangene, ab 1940 kamen Franzosen hinzu, ab 1941 vermehrt Ostarbeiter und Spanier.
Anfang 1942 kamen Sowjetische Kriegsgefangene und Ostarbeiter/innen. 9
Die Kriegsgefangenen kamen aus dem Stammlager in Forbach in Lothringen (Stalag XII F)
und wurden an der Saar, in der Pfalz und in Lothringen eingesetzt. Im Oktober 1944, als das
6
Vgl. Heusler: Ausländereinsatz, S. 397.
Vgl. Ebd., S. 300.
8
Vgl. Lemmes, Lemmes, Fabian: Zwangsarbeit in Saarbrücken. Stadtverwaltung, lokale Wirtschaft und der Einsatz
ausländischer Zivilarbeiter und Kriegsgefangener 1940 – 1945, St. Ingbert 2004, S. 208.
9
Vgl. Ebd., S. 205.
7
2
Lager evakuiert wurde, waren 78.507 Gefangene in Forbach interniert, darunter rund 30.000
Russen sowie etwa 16.000 französische Kriegsgefangene, 5.000 Serben und 2.500 Polen.10
Die meisten Ausländer wurden im Saarland in der Schwer- und metallverarbeitenden
Industrie sowie in der Landwirtschaft eingesetzt. Im Februar 1944 waren in den
verschiedenen Saarhütten (Burbach, Dillingen, Halberg, Neunkirchen, Völklingen, Bous, St.
Ingbert) insgesamt 49.941 Beschäftigte gemeldet, davon 772 russische Kriegsgefangene und
3.261 Kriegsgefangene aus anderen Ländern.11 Weitere Arbeitsbereiche für Kriegsgefangene
lagen z.B. auch in kleinen Handwerksbetrieben und Privathaushalten.
DIE AKTEN DES SAARLÄNDISCHEN LANDESARCHIVES
STATISTIK
In den Akten der Staatsanwaltschaft Saarbrücken (StAnw), der Justizvollzugsanstalt
Saarbrücken (JVA SB) und des Landesentschädigungsamtes (LEA) fanden sich 60 Frauen,
die im Zusammenhang mit „verbotenem Umgang mit Kriegsgefangenen“ standen. 39 Frauen
führten
nachweislich
eine
sexuelle
oder
Liebesbeziehung
bzw.
tauschten
mit
Kriegsgefangenen Küsse, Zärtlichkeiten oder Briefe aus. Zwölf Frauen mussten sich vor
Gericht verantworten, weil sie Kriegsgefangene mit materiellen Hilfeleistungen unterstützten,
etwa indem sie ihnen Brot oder Zigaretten gaben, ihre Wäsche wuschen oder ihnen bei der
Flucht halfen. Bei neun Frauen war den Akten leider nicht zu entnehmen, welcher Art von
„verbotenem Umgang“ sie sich schuldig machten. Meistens beschränken sich die Aussagen
dieser Arbeit auf die 39 Frauen.
In dem überwiegenden Teil der Fälle der „Beziehungen“, nämlich in 34 der 39 Fällen,
handelte es sich um französische Kriegsgefangene, fünf Mal um einen polnischen
Kriegsgefangenen, eine Frau führte eine Beziehung zu einem Franzosen und einem Polen und
eine Frau ließ sich auf einen russischen Kriegsgefangenen ein.
25 Frauen waren ledig, acht waren Ehefrauen, zwei geschieden und vier verwitwet. Zur
Kategorisierung wurden die 39 Frauen eingeteilt in: ledige Frauen, verheiratete Frauen,
geschiedene Frauen, Witwen, schwangere Frauen, Frauen im mittleren Alter und drei
Sonderfälle. Die Beziehungen zu Polen und Russen werden gesondert aufgeführt. Nicht jeder
Fall ist allein einer Kategorie zuzuweisen, häufig überschneiden sich diese auch.
10
Vgl. Plettenberg, Inge: ausländische Zwangsarbeiter im Saarland während des Zweiten Weltkrieges, in: Ames,
Gerhard (Hrsg.): Zehn statt tausend Jahre. Die Zeit des Nationalsozialimus an der Saar (1935-1945). Katalog zur
Ausstellung des Regionalgeschichtlichen Museums im Saarbrücker Schloss, Saarbrücken 1988, S. 237-252, S. 237.
11
Vgl. Krämer, Hans-Henning/ Plettenberg, Inge: „Feind schafft mit.“ Ausländische Arbeitskräfte im Saarland
während des Zweiten Weltkrieges, Ottweiler 1992, S. 54.
3
Bei einem Drittel der Frauen blieb die Beziehung nicht ohne Folgen. Neun ledige Frauen,
aber auch eine Ehefrau und drei Witwen wurden von dem Kriegsgefangenen schwanger.
Die meisten Frauen, 24 an der Zahl, wurden zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, zehn Mal
wurde die Zuchthausstrafe ausgesprochen, drei Mal fehlen die Angaben zur Verurteilung, eine
Frau war wohl in einem Konzentrationslager interniert und eine Frau erhielt einen Freispruch.
Der „Freispruch“ wird an späterer Stelle ausführlich vorgestellt. Die Strafen reichen von sechs
Monaten Gefängnis bis zu vier Jahren Zuchthaus.
Auffällig ist zwar, dass Frauen aus allen Altersstufen mit Kriegsgefangenen in „verbotenem
Kontakt“ standen. Die älteste Frau war bei ihrer Verurteilung 46 Jahre alt, die jüngste 16.
Mehr als die Hälfte der Frauen waren bei ihrer Verurteilung zw. 18 und 23 Jahren alt.
Die erste im Archiv registrierte Verurteilung fand bereits am 1.11.1939 statt, Die meisten
Strafen wurden in den Jahren 1941, 1942 und 1943 ausgesprochen. Das letzte Urteil wurde
am 30.11.1944 durch das Sondergericht Saarbrücken verhängt. Es ist zwar noch eine
Anklageschrift auf dem 22.2.1945 datiert, doch kam es in diesem Fall zu keiner Verurteilung
mehr.
Denunziert wurden die Frauen häufig von ihren Arbeitskollegen. Dies war in 11 der 39 Fälle
der Fall. Aber auch Polizei, Nachbarn, Wachmänner, Familienangehörige sowie Vorgesetzte
und Arbeitgeber gehörten zu den Denunzianten. Zwei Mal fiel die Beziehung durch eine
Razzia im Gefangenenlager bzw. durch die Aussage eines anderen Gefangenen auf. Als
Einzelfälle traten auf, dass Passanten auf der Straße oder ein Arzt, der die Schwangerschaft
einer Frau feststellte, die Beziehung denunzierten. Die Frauen kamen meist aus der
Arbeiterklasse. 14 der 39 Frauen arbeiteten in einer Fabrik, zwölf in der Landwirtschaft. Drei
Frauen waren als Haushaltshilfe beschäftigt, eine war noch Schülerin und vier Frauen übten
keinen Beruf aus. Fünf Frauen waren Angestellte.
12 der 39 Frauen gaben tatsächlich an, aus Liebe zu dem Kriegsgefangenen gehandelt zu
haben. Zwei Frauen ging es lediglich um die Befriedigung ihrer sexuellen Lust und alle
anderen Fälle sind nicht eindeutig zuzuordnen.
Aus zeitlichen Gründen lasse ich die Fälle der Hilfeleistung außen vor.
DIE BEZIEHUNGEN ZU FRANZOSEN
Da es sich bei dem größten Teil der Fälle aus dem Landesarchiv um intime Kontakte zu
Franzosen handelt, widmet ich mich diesen Fällen auch am ausführlichsten. Dass sich in der
Mehrzahl Beziehungen zu französischen Kriegsgefangenen entwickeln konnten, lag vor allem
daran, dass im Oktober 1941 die Bewachung der Gefangenen gelockert wurde und dadurch
4
die direkte militärische Überwachung entfiel. Die Sprachbarriere war nicht sonderlich groß. 12
Das tägliche Zusammensein bei der Arbeitsstelle ließ auch menschliche Nähe zu.
DER AUSTAUSCH VON ZÄRTLICHKEITEN MIT LEDIGEN FRAUEN
Die ledige Margarete Ecker wurde 1922 geboren und wohnte in Homburg. Sie arbeitete dort
seit Oktober 1941 als Fabrikarbeiterin bei der Firma Pumpen A.G. Sie gab einem
französischen Kriegsgefangenen am 20.11.1941 ihr Butterbrot, obwohl man sie darauf
hinwies, dass dies verboten sei. Eine Woche später bat der Franzose um ein Rendezvous, was
sie erst ablehnte, ihm dann aber doch auf einen Zettel Treffpunkt und Uhrzeit mitteilte und
diesen in seiner Nähe fallen ließ. In den folgenden Tagen traf sie sich häufiger mit dem
Franzosen am Waschraum und in der Toilette und tauschte dort mit ihm Küsse und
Berührungen aus. Ihr häufiges Fehlen an der Arbeitsstelle fiel auf, der Betriebsobermann
erwischte sie und erstattete Anzeige. Das Sondergericht Saarbrücken verurteilte sie am
11.2.1942 wegen verbotenen Umgangs mit Kriegsgefangenen zu einer Gefängnisstrafe von
acht Monaten und rechtfertigte dies mit:
„In der Folgezeit hat aber die Angeklagte von sich aus in schamloser Weise versucht, zu dem Kriegsgefangenen
Richard in nähere Beziehung zu treten, und dabei noch ihre Arbeit in einem wehrwichtigen Betrieb
vernachlässigt. […] Wer wie die Angeklagte in ehrvergessener Weise das Ansehen der deutschen Frau aufs
schwerste schädigt, der muss zu seiner eigenen Abschreckung und zur Abschreckung der Allgemeinheit hart
13
bestraft werden.“
DER GESCHLECHTSVERKEHR MIT LEDIGEN FRAUEN
Maria Weber aus Landstuhl, Packerin in einer Landstuhler Fabrik und lernte dort einen
französischen Kriegsgefangenen kennen mit dem sie eine Beziehung führte. Dazu ist in der
Akte überliefert:
„Der Kgf. ist ein ganz sauberer Mensch und ich war wirklich verliebt in ihn. […] Im Februar ds. Jhrs.
vereinbarten wir, Georg und ich, daß wir uns nach Feierabend hinter der Fabrik treffen würden. […] Nach
vorherigen Liebkosungen hatte ich dann zweimal mit ihm Geschlechtsverkehr. Nachträglich hat er mich noch
mehrfach in die Beizerei bestellt. Ich ging aber nicht mehr hin. Vermutlich hatte er deswegen Zorn und erzählte
14
der Frieda Steigert, was zwischen uns beiden geschehen ist.“
Die Arbeitskollegin denunzierte sie. Das Sondergericht Saarbrücken verurteilte die damals
19-Jährige im September 1943 zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr.
DIE EHEFRAUEN
Von insgesamt 35 Frauen, die eine Beziehung zu einem franz. KG eingingen, waren acht
verheiratet, die meisten sogar mit einem Frontsoldaten.
12
Vgl. Mallmann, Klaus Michael/ Paul, Gerhard: Widerstand und Verweigerung im Saarland 1935-1945, Band 2:
Herrschaft und Alltag. Ein Industrierevier im Dritten Reich, Bonn 1991, S. 396f.
13
JVA SB 5077, Seite 4 des Urteils, S. 15.
14
StAnw 694, Vernehmung mit Maria Weber am 28. Juni 1943 in Landstuhl, S. 6.
5
Katharina Märkl geb. Kirch, Ehefrau eines seit Februar 1940 kämpfenden Soldaten, wurde
1914 in Mehlbach geboren und war Mutter von vier Kindern. Über mehrere Monate führte sie
eine Liebesbeziehung mit einem französischen Kriegsgefangenen. Der Meister der
Gendarmerie fand den geflüchteten Kriegsgefangenen Guy Jaussant am 5.11.1942 in ihrem
Ehebett. Vier Wochen zuvor war dieser von seiner Arbeitsstelle auf dem Hof des Vaters von
Katharina Märkl geflüchtet. Bei ihrer Vernehmung gab sie den „verbotenen Umgang“ zu:
„Den heute in meiner Wohnung von der Gendarmerie aufgegriffene franz. Kriegsgefangenen beherberge ich
seit anfangs Oktober 1942 heimlich. Er befand sich seit März 1942 bei meinen Eltern in Mehlbach in Dienst.
Dort habe ich ihn auch kennengelernt. Als er noch bei meinen Eltern in Diensten war, hat sich zwischen ihm und
mir ein Liebesverhältnis entwickelt, das seit Juni 1942 besteht. […] Während dieser Zeit fanden sich
verschiedentlich Gelegenheiten während der Arbeit auf dem Felde und auch im elterlichen Anwesen, in Stall,
Scheune und Futterküche zu heimlichen Liebkosungen.“ [Nach seiner Flucht kam er zu ihr zurück. Sie ließ ihn
bei sich und ihren Kindern wohnen, gab ihm Essen und Zigaretten.] „Wir haben während dieser Zeit wie
Eheleute zusammengelebt und es ist zwischen uns wiederholt zum Geschlechtsverkehr gekommen. […] Ich habe
dem Franzosen ebenso wie er mir, Liebe entgegengebracht. Meinen Mann liebe ich aber mehr. Dem Franzosen
habe ich mich in jedem Falle freiwillig hingegeben, obwohl mir bekannt war, daß jeglicher Verkehr mit
Kriegsgefangenen verboten und strafbar ist. […]Ich bereue meine Handlungsweise mit diesem Franzosen und
bitte im Hinblick auf meine Verhältnisse um eine milde Strafe.“15
Guy Jaussant gab zu, dass er flüchtig wurde, um zurück zu seiner Einheit zu gelangen und so,
wieder gegen die Deutschen kämpfen zu können. Er gab ebenfalls den Geschlechtsverkehr
und den Aufenthalt in der Wohnung zu. Die Kinder hätten ihn allerdings nie gesehen.
Das SG Saarbrücken verurteilte Katharina Märkl am 16.2.1943 zu einer Zuchthausstrafe von
drei Jahren und zur Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte für die Dauer von drei Jahren.
„Ohne jede Rücksichtnahme auf ihren Ehemann, der […] in Rußland kämpft, hat die Angeklagte sich mit dem
Kriegsgefangenen eingelassen. Besonders erschwerend ist, daß sie ihm nicht nur Unterschlupf auf seiner Flucht
gewährt hat, sondern in der Zeit, in der er sich bei ihr im Hause aufhielt, in Gegenwart der Kinder […] sogar
wie Mann und Frau zusammengelebt hat. Diese Tat ist als ein besonders schwerer Fall zu werten“ 16
Es zeigt sich, dass das Gericht bei verheirateten Frauen empfindlichere Strafen aussprach als
bei unverheirateten Frauen, da sie mit einem „Feind“ Ehebruch beging, und das Ansehen der
deutschen Ehefrau und Mutter befleckte. Die Hälfte der verheirateten Frauen bekam eine
Zuchthausstrafe, drei Mal wurde ein Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte für die Dauer von
drei Jahren ausgesprochen. Nur eine bekam eine Gefängnisstrafe unter einem Jahr, da nur
nachgewiesen werden konnte, dass sie franz. KG Lebensmittel gab, nicht aber, dass sie auch
in einem engeren Verhältnis zu ihm stand. Alle anderen Strafen beliefen sich auf mindestens
ein Jahr Gefängnis.
DIE WITWEN
Katharina Fischer geb. Moser, war eine Witwe aus Eschringen. Sie wurde 1917 geboren und
hatte mit ihrem Ehemann, der im Mai 1942 an der Ostfront verstarb, vier Kinder. Auf einem
15
16
StAnw 620, Vernehmung mit Katharina Märkl am 5. November 1942 in Otterberg, S. 3f.
Ebd., S. 35.
6
Kartoffelacker hatte sie den französischen Kriegsgefangenen Adrien Bonyeron kennengelernt
und sich mit ihm unterhalten. Dieser war bei einem Bauern angestellt und übernachtete auch
auf dessen Hof. Sie erledigte kleine Gefälligkeiten für ihn, z.B. brachte sie seine kaputten
Schuhe zu einem Schuster. Denunziert wurde sie von ihren Nachbarinnen, die an der
Wohnungstür lauschten und beobachteten, dass das Licht gelöscht wurde, sich die beiden aber
noch unterhielten. Eine Nachbarin will gehört haben, dass die beiden sich küssten und sie
nimmt an, dass Fischer nackt war, weil sie hörte „dass der Kriegsgefangene mit der Hand auf
den nackten Körper patschte.“ 17 Auch hätte Katharina Fischer erst nach längerem Zögern,
nach dem Klopfen, die Tür geöffnet. Katharina Fischer gab bei ihrer Vernehmung zu, dass der
Kriegsgefangene insgesamt drei Mal in ihrer Wohnung war. Den intimen Kontakt stritt sie,
wie auch der Kriegsgefange ab. Das Gericht verurteilte sie zu einer Gefängnisstrafe von
einem Jahr und drei Monaten. Als Gründe werden aufgeführt:
„Das Gericht glaubte von einer Zuchthausstrafe absehen zu sollen, einmal weil Geschlechtsverkehr nicht
erwiesen ist, sodann auch, weil die Angeklagte ihrem Volkes vier Kinder geschenkt hat, die sie bisher ordentlich
erzogen hat und weil sie durch den Heldentod ihres Ehemannes hart getroffen worden ist. Andererseits konnte
der Fall aber nicht milde behandelt werden. Die Angeklagte hat sich trotz der Warnung durch die Zeugin Kaiser
in nähere Beziehung zu dem Kriegsgefangenen eingelassen und hat dabei ein Verhalten an den Tag gelegt, das
in hohem Masse geeignet war, Ärgernis zu erregen und Ansehen und Würde der deutschen Frau herabzusetzen.
[…]Auch aus Abschreckungsgründen gegenüber der Allgemeinheit musste die zu verhängende Freiheitsstrafe
eine recht empfindliche sein.“18
Es handelt sich um eine recht harte Strafe, obwohl nicht nachweisbar war, dass es sich
tatsächlich um einen intimen Kontakt handelte. Dieses Beispiel zeigt, dass Witwen, ähnlich
wie verheiratete Frauen, härter bestraft als ledige junge Mädchen.
DIE SCHWANGEREN
Die 1922 geborene Elfriede Oberhauser aus Rohrbach arbeitete seit Juli 1940 als Küchenhilfe
in der Burbacher Hütte. Dort arbeiteten auch viele Kriegsgefangene. Sie lernte den
französischen Kriegsgefangenen Oskar Hollemaer kennen und führte mit ihm eine Beziehung.
Als sie merkte, dass sie schwanger war, wandte sie sich aus Angst vor ihrem Vater an den
Hilfswachtmann Peter Fuchs. Er sollte ihr helfen, dass Kind abzutreiben. Dieser nahm
Einspritzungen bei ihr vor, um einen Schwangerschaftsabbruch zu bewirken. Sie gab ihm kein
Geld dafür, sondern schlief mit ihm, weil er sagte, dass das für den Erfolg der Spritzen
wichtig sei. In ihrer Vernehmung sagt sie weiterhin aus:
„Zu dem Geschlechtsverkehr mit dem Kriegsgefangenen ist nur aus unserer gegenseitigen Liebe gekommen. Ich
tat dies, obwohl mir bekannt war, dass der Verkehr bzw. der Umgang mit Kriegsgefangenen verboten ist. Zu
meiner Entschuldigung kann ich nur angeben, daß eben meine Liebe größer war, als mein Ehrgefühl als
deutsche Frau.“19
17
StAnw 624, Vernehmung der Nachbarin Maria Fuchs geb. Götsch in Ensheim am 2. Februar 1943, S. 4.
Ebd., Gründe für das Urteil, S. 25f.
19
StAnw 598, Vernehmung mit Elfriede Oberhauser am 20. Juli 1942 in Saarbrücken, S. 11.
18
7
Der Franzose, der in der Schreinerei der Burbacher Hütte arbeitete, gab den
Geschlechtsverkehr mit Elfriede ebenfalls zu. Er versprach ihr die Ehe und versuchte ihr die
Abtreibung auszureden. Im September 1942 brachte sie einen Sohn zur Welt. Das
Sondergericht Saarbrücken verurteilte sie im Dezember 1942 zu einer einjährigen
Gefängnisstrafe. Die Strafe wurde im Februar 1943 ausgesetzt. Sie wurde aus der Haft
entlassen mit einer Bewährungsfrist von drei Jahren und zahlte für die Umwandlung der
Strafe in eine Geldbuße 400,- Reichsmark.
DIE WIEDERHOLUNGSTÄTERIN
Erika Kirchner wurde am 1903 in Erfurt geboren und lebte in Ludwigshafen. Zwölf Jahre
lange wohnte und arbeitete sie bei dem Schneidermeister Rosenbach, mit dem sie auch ein
Verhältnis hatte. Dieser wandte sich dann von ihr ab und heiratete eine andere Frau.
Erika Kirchner lernte in einer Gaststätte den französischen Kriegsgefangenen Jean Pietriga
kennen, der einem dort ansässigen Kriegsgefangenenarbeitskommando angehört und als
Dolmetscher fungierte. Er wurde in Deutschland als Sohn eines Deutschen und einer Polin
geboren und befand sich seit seinem vierten Lebensjahr in Frankreich. Dort war er
Staatsbürger. Im Juni 1941 wurde Erika Kirchner angezeigt, als Passanten sahen, dass sich die
beiden unterhielten. Durch das Amtsgericht Frankenthal wurde Kirchner zu einer Geldstrafe
von 50.- Reichsmark verurteilt. Die Liebesbeziehung wurde aber weiter geführt. Im August
1941 floh der Kriegsgefangene aus seinem Lager und wurde von Kirchner versteckt. Kirchner
beschaffte dem Franzosen außerdem das Arbeitsbuch eines Schneidergesellen. Sie lebte
zusammen mit dem Kriegsgefangenen und verkehrte mehrmals geschlechtlich mit ihm.
Schließlich konnte sie dem Franzosen die Flucht nach Frankreich ermöglichen. Im Dezember
1942 wurde Erika Kirchner festgenommen. Das Sondergericht Saarbrücken verurteilte Erika
Kirchner 1943 zu vier Jahren Zuchthaus und drei Jahren Ehrverlust. 20
Sie bekam die härteste Strafe für dieses Vergehen. Das kann nur damit erklärt werden, dass
sie „Wiederholungstäterin“ war und, dass sie einem geflüchteten „Staatsfeind“ falsche Papiere
besorgte und somit auch seine Flucht ermöglichte. Alle anderen Strafen reichen nie über drei
Jahre Zuchthaus hinaus.
SONDERFALL: EINE HAARSCHUR IN MITTELBEXBACH
zweierlei Besonderheiten: Sieben Arbeiterinnen einer Firma standen zusammen vor Gericht
und sechs von ihnen wurden für ihr „unwürdiges“ Verhalten der öffentlichen Demütigung des
Scherens ausgesetzt.
20
Vgl. StAnw 673, Urteil vom 25. August 1943, S. 134.
8
Im Falzziegelwerg in Höcherberg wurden seit August 1940 französische Kriegsgefangene
eingesetzt und arbeiteten mit deutschen Frauen an den gleichen Arbeitsstellen. Die Frauen
wurden darauf hingewiesen, dass sie sich den Gefangenen gegenüber zurückhaltend verhalten
sollten.
Die ledige Auguste Annweiler, geboren 1918, war bereits sieben Jahre beim Falzziegelwerk
als Hilfsarbeiterin tätig. Im September 1940 hatte sie sich verlobt, doch ihr Bräutigam fiel im
Sommer 1941 an der Front. Zu einem Kriegsgefangenen, der in ihrer Abteilung arbeitete,
begann sie ein Verhältnis. Es kam zum Austausch von Zärtlichkeiten, Küssen und schließlich
zum Sex. Mit ihren 23 Jahren war sie die Älteste der verurteilten Frauen aus dem
Falzziegelwerk, sie wurde, zur allgemeinen Abschreckung, mit einer Zuchthausstrafe von
zwei Jahren, von allen, am härtesten bestraft.
Alle sechs weiteren Frauen, zwischen 1920 und 1922 geboren, (vier Mal ledig, zwei Mal mit
einem Frontsoldaten verheiratet), tauschten mit Kriegsgefangenen Zärtlichkeiten aus. Sie
bekamen zwischen neun Monaten und zwei Jahren Gefängnisstrafen, nur die ledige Katharina
Griebelbauer bekam nur sechs Monate Gefängnis, da sie nur ihr Pausenbrot mit Franzosen
teilte.
Die Frauen wurden am im Juni 1941 jeweils von mehreren SA-Männern festgenommen und
zum Bürgermeisteramt in Mittelbexbach gebracht. Dort schnitt man allen, mit Ausnahme der
schwangeren Hedwig Weihermann, vor Zuschauern die Haare ab. Danach kamen sie nach
Saarbrücken in die Strafanstalt Lerchesflur in eine dreimonatige Untersuchungshaft. Eine der
Frauen wurde bereits im Mai 1941 auf ihrer Arbeitsstelle von zwei Männern überfallen, die
ihr einen Sack über den Kopf stülpten, sie in den Kartoffelkeller brachten und ihr dort die
Haare abschnitten. Eine der Frauen berichtete über die Haarschur:
„Wir mußten uns auf die Stühle setzten und die Friseure Weiß und Didion schnitten uns die Haare ab.
Anschließend wurden uns von Kerner die Hände auf den Rücken gebunden und jedem ein Schild angehängt, die
Inschriften wie „Ich bin ein ehrloses Mädchen“, „Ich habe mich mit Kriegsgefangenen abgegeben“ oder so
ähnlich trugen. Wir wurden dann in ein Pissoir geführt, in welchem Freiler Adam mit einem Topf schwarzer
Farbe stand und uns Kopf und Gesicht schwarz anstrich. Vor dem Bürgermeisteramt hatte sich inzwischen eine
große Menschenmenge eingefunden, der wir nun zur Schau gestellt wurden, wobei uns der Fotograf Zentz
21
fotografierte. Die SA führte uns nun mit Musik durch den ganzen Ort.“
Den Befehl zum Haare abschneiden soll von der Gauleitung der NSDAP in Neustadt
gekommen sein, sowie durch Druck der Gestapo-Beamten.
1948, nach dem Krieg, verklagen die sieben Frauen einige der Männer, die an ihrer
Denunziation beteiligt waren, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Im Juni 1949
werden die Angeklagten freigesprochen mit der Begründung:
21
StAnw 2577, Vernehmung der Else Collmar geb. Bleyer am 26. Februar 1948 in Mittelbexbach, S. 8.
9
„Zweifellos stellen sie [die Demütigungen] auch ein Verstoss gegen die Menschenwürde der Zeuginnen dar. Für
die Feststellung des Vorliegens eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit bieten sie jedoch keine
ausreichende Grundlage, da, das Vorliegen eines solchen im Übrigen unterstellt, weiterhin in Art. 2 1 c . a.a.O.
erfordert wird, dass es sich um ein Vergehen aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen handelt. […]
Nach Auffassung des Gerichts haben die Angeklagten nicht aus politischen Gründen gehandelt. Die Zeuginnen
waren keine Gegnerinnen des Nazi-Regimes, sondern haben sich nur aus geschlechtlichen Gründen mit den
Kriegsgefangenen eingelassen, nicht aber, um ihren Abscheu vor den damaligen Machthabern zu
demonstrieren.“22
Erst nachdem die Frauen Berufung einlegten verurteilte das Landgericht Saarbrücken die
Angeklagten zu drei bis fünf Monaten Gefängnis mit einer Bewährungsfrist von 3 Jahren.23
„Die an den Frauen und Mädchen öffentlich vorgenommenen Handlungen (Haarabschneiden, Beschmieren der
Köpfe, Umhängen der Schilder mit beleidigenden Aufschriften, zweimaliges Zurschaustellen, sogar vor
Schulkindern, Führen durch den Ort mit auf dem Rücken zusammengebundenen Händen unter Vorantritt der
Fanfarenbläser, Trommler, HJ, SA, Photographieren unter höchst unwürdigen Umständen) stellen nicht nur
eine hochgradige Entwürdigung der von ihnen betroffenen Personen dar, sondern enthalten darüber hinaus
auch eine grobe Missachtung der ideellen Menschenrechte und damit einen Angriff gegen die Menschheit als
Träger und Hüter dieser Rechte überhaupt.“24
DIE BEZIEHUNGEN ZU POLEN
In den Akten des Landesarchives tauchen fünf Frauen auf, die eine Beziehung bzw. Kontakt
zu polnischen Kriegsgefangenen hatten. Alle lernten die Polen bei der Arbeit kennen. Eine
Frau saß deswegen im Konzentrationslager in Ravensbrück, zwei Frauen wurden mit
Zuchthausaufenthalten bestraft, eine bekam mit einer Gefängnisstrafe ein vergleichsweise
mildes Urteil, weil der Pole ausgab, Deutscher zu sein und die fünfte Frau wurde
freigesprochen. Letzer Fall verlangt eine besondere Betrachtungsweise, da er einzigartig in
den Akten des Archives war, da diese Frau unter den 60 Frauen die einzige war, die durch die
Nationalsozialisten zwangssterilisiert wurde.
Elisabeth Müller, geb. Forth, aus Niedermoschel bei Rockenhausen, wurde 1898 als
uneheliches Kind geboren und war von Beruf Hausgehilfin. Sie heiratete 1929 einen
Waldarbeiter, mit dem sie ein gemeinsames Kind hatte. Da ihr Mann ihr untreu war, wurde
die Ehe 1931 geschieden.
Sie wurde angeklagt, im Zeitraum von Ende 1941 bis Anfang 1942, mit dem polnischen
Kriegsgefangenen Franciszek genannt Franz Blachuta, der mit ihr im gleichen
landwirtschaftlichen Betrieb tätig war, wiederholt geschlechtlich verkehrt zu haben.
Denunziert wurde sie durch einen anderen polnischen Kriegsgefangenen, der bei einer
Kontrolle einen Brief von Elisabeth an Franz vorzeigte. Blachuta sagte bei seiner
Vernehmung aus, dass sie die Annäherung vorantrieb. In ihrer Vernehmung gestand sie:
22
StAnw 2577, S. 150f.
Vgl. Ebd., S. 198.
24
Ebd., S. 208.
23
10
„Als der Pole Franz etwa zwei Wochen bei uns gewesen ist, stellte er mir immer nach. Ich habe dann einmal
seine frische Wäsche in das Zimmer getragen, wo er sich gewaschen und rasiert hat. Hier […] hat mich nun im
November 1941 der Pole Franz das 1. Mal geschlechtlich gebraucht. Ich wollte zwar nichts von ihm wissen, er
hat mich aber hierzu gezwungen. Er hat mir die Ehe versprochen und erklärt, daß er, wenn der Krieg zu Ende
ist, kommen werde und mich holen wolle. Ich habe seinen Worten geglaubt und hätte ihn auch geheiratet. In der
Folgezeit haben wir dann bis zu seinem Wegkommen im Mai 1942 in der Woche 2-3 Mal miteinander den
Geschlechtsverkehr ausgeübt. Ich bin seit 1937 sterilisiert und brauche deshalb keine Angst zu haben, daß ich
ein Kind bekommen könnte. Daß der Umgang mit Kriegsgefangenen und insbesondere der Geschlechtsverkehr
verboten ist, war mir bekannt. Ich habe mich ihm aber deshalb hingegeben, weil er mir das Heiraten
versprochen hatte.“25
Im Schlussbericht nach der Vernehmung heißt es: „Die Elisabeth Forth ist geistig stark
zurückgeblieben […], dass sie der Tragweite ihrer Handlung nicht voll bewußt ist.“26
Im gefängnisärztlichen Gutachten heißt es:
„Bei der M. handelt es sich um eine Frau, die an angeborenem Schwachsinn leidet und die wegen dieses
Leidens bereits unfruchtbar gemacht wurde, deren Urteilskraft so geschwächt und deren sittliche Vorstellungen
derart primitiv sind, daß die Fähigkeit, das Unerlaubte ihres Handelns einzusehen, als nicht vorhanden
betrachtet werden muß.“27
Elisabeth Müller wurde vom Gericht freigesprochen. Allerdings liegt keinerlei Begründung
dafür in der Akte vor. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kam sie auch nicht auf freien Fuß,
sondern wurde aufgrund ihres „angeborenen Schwachsinns“ in ein Krankenhaus,
beispielsweise nach Merzig, gebracht.
Die relativ geringe Anzahl an Liebesbeziehungen zu polnischen Kriegsgefangenen, obwohl
diese auch zahlreich in der saarländischen Industrie und Landwirtschaft beschäftigt waren,
lässt sich durch die Wirksamkeit der rassistischen antipolnischen Propaganda und den
drohenden harten Strafen begründen.28
DIE BEZIEHUNGEN ZU RUSSEN
Es ist nur ein Fall aus dem Saarländischen Landesarchiv bekannt, in den ein russischer
Kriegsgefangener verwickelt war. Luise Hagenest, eine 1910 geborene Witwe aus
Queichhambach,
wurde
angeklagt,
mit
einem
sowjetrussischen
Kriegsgefangenen
geschlechtlich verkehrt zu haben und von diesem schwanger zu sein. Ihr Ehemann, mit dem
sie einen vierjährigen Sohn hatte, fiel 1940 in Russland. Sie wohnte mit ihrem Sohn bei einem
Landwirt und half diesem ab und zu bei der Landwirtschaft. Seit April 1943 war auch der
Russe auf dem Hof beschäftigt. In den Vernehmungen beschrieb sie, wie der Russe sie
überraschte und „in gebückter Stellung“ mit ihr den Geschlechtsverkehr ausübte.29
Als sie Anfang Juni bemerkte, dass sie schwanger war, wandte sie sich an einen Arzt und bat
darum, dass Kind abzutreiben. Dieser zeigte sie an.
25
StAnw 639, Vernehmung mit Elisabeth Müller am 9. März 1943 in Neustadt an der Weinstraße, S. 4-6.
Ebd., S. 6.
27
Ebd., gefängnisärztliches Gutachten vom 5. Mai 1943, S. 26.
28
Vgl. Mechler, S. 230.
29
Vgl. StAnw 866, S. 4.
26
11
Luise Hagenest wurde am 29.8.1944 wegen „verbotenen Umgangs mit einem russischen
Kriegsgefangenen einer Zuchthausstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Die
Ausführung des Geschlechtsverkehrs, „im Stehen“ oder auch „von hinten“, galt als
unnatürliche oder widernatürliche Sexualpraktik, die das rein sexuelle Verlangen, somit das
hemmungslose und triebhafte Verhalten ausdrückte. Auffällig ist allerdings, dass das Gericht
anhand einer Sexualpraktik entschied, ob es sich um freiwilligen oder erzwungenen
Geschlechtsverkehr handelte.
FAZIT UND AUSBLICK
Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges wurden Millionen Kriegsgefangene für den
Arbeitseinsatz in das Deutsche Reich gebracht. Damit die deutsche Wirtschaft und die
Kriegsproduktionen nicht zusammenbrachen, wurde ihr „Ausländereinsatz“ in Fabriken und
der Landwirtschaft unverzichtbar. Durch den Arbeitseinsatz von Frauen in Fabriken kam es
zu Annäherungen zwischen ihnen und den Kriegsgefangenen.
Viele Verordnungen und Gesetze bezüglich der nationalsozialistischen Familien- und
Rassenpolitik zielten darauf ab, das „arische Blut“ reinzuhalten, Mischehen zu verhindern,
sich „Minderwertiger“ zu entledigen und Liebesbeziehungen zwischen deutschen Frauen und
ausländischen Kriegsgefangenen und die dadurch entstehende geschlechtliche Vermischung
von „fremden Rassen“ zu Deutschen zu unterbinden. Jeder geschlechtliche oder
gesellschaftliche Verkehr zwischen deutschen Frauen und Kriegsgefangenen war daher
verboten. Doch obwohl das nationalsozialistische Regime permanent durch Verordnungen,
Gesetze, den Aufruf zur Denunziation, harte Strafen und durch abschreckende Propaganda,
die deutschen Frauen warnte, zeigen die vielen Beispiele aus den Akten des Landesarchives,
dass es trotzdem viel „verbotenen Umgang“ mit Kriegsgefangenen gab.
Ausschlaggebend für die Missachtung der nationalsozialistischen Idealvorstellung einer
„reinrassigen Volksgemeinschaft“ waren die natürlichen Annäherungen, die während des
alltäglichen Umgangs und den gemeinsamen Arbeiten entstanden sind.
Ein Verhältnis zu einem Franzosen wurde zwar bestraft, doch war dieses Vergehen längst
nicht so schlimm, wie wenn man sich mit einem Russen, Sowjetbürger oder Polen einließ, da
diese nach der nationalsozialistischen Rassenideologie als „minderwertig“ galten.
Die Akten des Landesarchives bestätigen größtenteils die Ergebnisse, die Birthe Kundrus,
Andreas Heusler, Gabrielle Hauch, Eginhard Scharf und Wolf-Dieter Mechler bei ihren
Recherchen gemacht haben. Allen regionalen Studien ist gemein, dass es sich bei dem
12
„verbotenen Umgang“ meist um französische Kriegsgefangene handelt und der erste Kontakt
durch den Arbeitsplatz erfolgte. Außerdem lassen sich die Haarschur auch in Rheinland-Pfalz
und an der Oberdonau nachweisen. Der Vergleich zu den regionalen Studien zeigt aber auch
Unterschiede, so sind für das Saarland beispielsweise keine Fälle von Kindstötung, wie in
Hannover, oder Selbstmorde der Frauen, wie in Rheinland-Pfalz, bekannt.
Die Ergebnisse der Akteneinsicht zeigen, dass die unterschiedlichsten Frauen Beziehungen zu
Kriegsgefangenen eingingen, sowohl jungfräuliche Mädchen, Unverheiratete, Witwen oder
auch Ehefrauen von Soldaten. Größtenteils handelte es sich bei den Frauen um ledige, junge
Frauen zwischen 18 und 23 Jahren, die sich auf einen französischen Kriegsgefangenen
einließen. Sie arbeiteten meist als Arbeiterinnen in Fabriken oder in der Landwirtschaft. Ein
Drittel der Frauen, die sich geschlechtlich auf den Kriegsgefangenen einließen, wurden
schwanger. Wenn sie ein Kind zur Welt brachten, führte dies in der Regel zu einer
Erleichterung der Strafe, und nicht wie eher vermutet, zu härteren Strafen, da den Frauen
immer wieder Strafunterbrechungen zugesprochen wurden, um das Kind zu gebären oder zu
stillen.
Geldstrafen wurden als eine Art Verwarnung ausgesprochen, wenn die Frau erstmalig mit
einem Kriegsgefangenen gesehen wurde, Zuchthausstrafen wurden für „schwere“ Verstöße
gegen den „verbotenen Umgang“ ausgesprochen. Die Ergebnisse zeigen, dass junge ledige
Frauen milder bestraft wurden als ledige „ältere“ Frauen oder als verheiratete Soldatenfrauen.
Die Höhe der Strafe ist somit nicht nur von der Nationalität des Kriegsgefangenen abhängig,
sondern auch vom Familienstand der Frau, ihrem Alter, ihrem Verhalten vor dem Vergehen
und ihren sexuellen Erfahrungen. Auch spielten die sexuellen Praktiken eine Rolle bei der
Verurteilung.
Die Beispiele aus den Nachbarländern und auch der Vergleich zum Ersten Weltkrieg sind
wichtig, damit nicht der Eindruck entsteht, dass allein das nationalsozialistische Regime,
Frauen für ihre Liebe zu Männern einer feindlichen Nation denunzierte und bestrafte. Frauen
in Frankreich und Nordeuropa als „Deutschenflittchen“ der „horizontalen Kollaboration“
beschuldigt wurden und sie öffentlichen Denunziationen (Scheren, anspucken, verprügeln,
Entkleiden, ein Hakenkreuz aufmalen, durch die Straßen jagen) ausgesetzt wurden. Auch
während des Ersten Weltkrieges wurden Frauen denunziert und mit Gefängnis bestraft, wenn
sie sich mit einem Kriegsgefangenen einließen.30
30
Vgl. Grabinski, Bruno: Weltkrieg und Sittlichkeit, Hildesheim 1917, S. 196.
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Leider ist das Thema des „verbotenen Umgangs“ noch nicht vollständig erforscht, lediglich
wenige regionale Studien liegen dazu vor. Diese Untersuchung konnte einen kleinen Beitrag
dazu leisten. Zahlen für Gesamtdeutschland sowie mehr Forschung über die Bestrafung der
betroffenen Kriegsgefangenen und die aus den Beziehungen entstandenen Kinder, wären ein
lohnendes und wünschenswertes Forschungsziel.
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