Dietrich Bonhoeffer - Glauben, Verantwortung und Diesseitigkeit

Dietrich Bonhoeffer: Glauben, Verantwortung und Diesseitigkeit
Bei Bonhoeffer kommt die Theologie am Ende eines Lebens ganz aus dem eigenen Erleben. Sie ist weniger Kopfsache, fast niemals bloße Behauptung. Seine
theologischen Sätze sind erfahrungsgesättigt. So dürfen wir vermuten, dass eine
tiefe persönliche Erfahrung im Hintergrund steht, wenn Bonhoeffer schreibt:
„Gewiss ist, dass wir immer in der Nähe und der Gegenwart Gottes leben dürfen
und dass dieses Leben für uns ein ganz neues Leben ist; dass es für uns nichts
Unmögliches mehr gibt, weil es für Gott nichts Unmögliches gibt; [...] gewiss ist,
dass wir in dem allen in einer Gemeinschaft stehen, die uns trägt. Zu all dem hat
Gott in Jesus Ja und Amen gesagt. Dieses Ja und Amen ist der feste Boden, auf
dem wir stehen."
Dietrich Bonhoeffer nennt dieses Leben in der Gegenwart Gottes in seinem Brief
vom 21. Juli 1944 (einen Tag nach dem Scheitern des Attentats gegen Hitler) ein
Leben „in tiefer Diesseitigkeit":
„Ich habe in den letzten Jahren mehr und mehr die tiefe Diesseitigkeit des Christentums kennen und verstehen gelernt. [...] Später erfahre ich und erfahre es bis
zur Stunde, dass man erst in der vollen Diesseitigkeit des Lebens glauben lernt.
Wenn man völlig darauf verzichtet hat, etwas aus sich zu machen -sei es einen
Heiligen oder einen bekehrten Sünder oder einen Kirchenmann (eine so genannte priesterliche Gestalt!), einen Gerechten oder einen Ungerechten, einen
Kranken oder einen Gesunden - und dies nenne ich Diesseitigkeit, nämlich in der
Fülle der Aufgaben, Fragen, Erfolge und Misserfolge, Erfahrungen und Ratlosigkeiten leben"
(Brief vom 21.7.1944, DBW 8, 551).
Für Dietrich Bonhoeffer ist die Welt nicht verworfen, sondern in Jesus angenommen. Nicht obwohl sie ist, wie sie ist, sondern einfach so. Dieser Gott nimmt
seine Welt nicht nur „trotzdem", trotz ihrer Gottlosigkeit, trotz ihrer „Sünde" an,
sondern so, wie eine Mutter ihr Neugeborenes annimmt: Unbedingt und ganz.
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