42020 – KE3 – Anreize in Zulieferer – Abnehmer - Beziehungen Im Rahmen der Gestaltung von Verträgen zwischen Zulieferern und Abnehmer spielen Anreizsysteme und ihre Wirkungen eine entscheidende Rolle. Definition Anreiz: Anreize sind an bestimmte Bezugsgrößen gekoppelte Belohnungen oder Bestrafungen, die die Entscheidung des Anreizempfängers beeinflussen sollen. Komponenten eines Anreizsystems: a) Bezugsgröße (z. B. Bemessungsgrundlage und Beurteilungskriterien) (muss so gewählt werden, dass eine objektive Kontrolle möglich ist, da ansonsten das Anreizsystem wirkungslos ist) b) Anreize c) Funktionaler Zusammenhang zwischen Bezugsgröße und Anreizen Anreizsysteme verändern nicht die Ziele des Zulieferers, sondern beeinflussen seine Entscheidungsgrundlage und damit seine Handlungen. Entscheidender Punkt für das Verständnis von Anreizsystemen ist die Motivation des Zulieferers durch die Ex-ante-Wahrnehmung der zukünftigen Anreize, d.h. der Zulieferer zieht seine Motivation rein aus der Tatsache, dass seine momentane Kooperation nachträglich gemessen wird. 2 Arten von Anreizen: a) intrinsische Anreize (werden durch die eigenen Ziele des Zulieferers bestimmt und bedürfen keines externen Anreizsystems) b) extrinsische Anreize (setzen einen Anreizgeber (Abnehmer) voraus, dessen Zielerreichung durch die Handlungen des Anreiznehmers (Zulieferer) beeinflusst werden) Anreizsysteme haben nicht nur Vorteile für den Abnehmer, sondern so ein System kann auch Fehlsteuerungen begünstigen, da nicht alle denkbaren Aspekte abgedeckt werden können und der verbundene Aufwand ökonomisch nicht zu vertreten ist. Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen sind in der Regel komplex und daher langfristig ausgelegt. Hierdurch wird die Ausbildung unvollständiger und / oder asymmetrischer Informationen begünstigt. Verträge mit Anreizsystemen contra Festpreisverträgen: · Komplexere Produkte, welche eher selten benötigt werden => Festpreis · Komplexere Produkte, welche über einen längeren Zeitraum benötigt werden => Anreizverträge Ó Rolf Baumanns/ Kristina Pelzel SS09 Seite 1 42020 – KE3 – Anreize in Zulieferer – Abnehmer - Beziehungen Folgende Arten von Anreizen können in Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen wirken: · · · · · · · Investitionsanreize Qualitätsanreize Prozess-, Forschungs- und Entwicklungsanreize Mengenanreize Risikoteilung Serviceanreize Drohungen des Abnehmers (negative Anreize) Investitionsanreize sind vor dem Hintergrund zu setzen, dass spezifische Investitionen sich nur dann für einen Zulieferer lohnen, wenn sichergestellt ist, dass sich diese Investitionen auch über eine bestimmte Laufzeit amortisieren. Insbesondere bei Kurzzeitverträge ist dies nicht unbedingt der Fall. Bei langfristigen Verträgen besteht hingegen für den Zulieferer die Gefahr, dass der Abnehmer einen nicht im Vertrag geregelten Sachverhalt als Vorwand für Nachverhandlungen sucht. Beispiel: Investitionsanreiz (Gefangenendilemma: Opportunistisches Verhalten lohnt sich nicht, die beste Lösung für beide Seiten ist wenn beide Seiten sich bewegen) Ausgangspunkt: 1. Zulieferer und Abnehmer sind über einen langfristigen Vertrag miteinander verbunden. 2. Zulieferer steht vor der Entscheidung eine spezifische Investition in Qualitätssicherung durchzuführen, wobei sich deren Auswirkung erst nach einiger Zeit bemerkbar machen. 3. Abnehmer sichert Investitionsbeihilfe zu 4. Verhalten der beiden Spieler kann erst nach einer gewissen Zeit vom jeweils anderen beobachtet werden Fall A: Vertrag ohne Anreizsystem Fall B: Vertrag mit Anreizsystem · Nichteinhaltung der Investitionsbeihilfe durch Abnehmer: 6 Einheiten Strafe · Nichteinhaltung der Investition durch Zulieferer: 6 Einheiten Strafe · Beobachter zur Überwachung der Einhaltung der Investition: 1 Einheit Kosten für Abnehmer Ó Rolf Baumanns/ Kristina Pelzel SS09 Seite 2 42020 – KE3 – Anreize in Zulieferer – Abnehmer - Beziehungen Ohne eine vertragliche Garantie (Fall A) wird weder der Abnehmer A eine Investitionshilfe leisten noch der Zulieferer Z die Investition tätigen, da ohne Kooperation zwischen den Partnern die dominante Lösung (5/5) gewählt wird. Würden sich die Partner absprechen und sich auch an ihre Absprache halten, so wäre für beide das bessere Kooperationsergebnis (7/7). Aber wer garantiert, dass sich die jeweils andere Partei an die Abmachung hält? Opportunismus im Sinne einer Nichteinhaltung der Absprache wäre für beide Parteien die interessanteste Lösung, da dies – auf Kosten des Partners – den meisten Profit einbringen würde. Fall B zeigt das Rückzahlungsergebnis, welches auf ein Anreizsystem basiert. Deutlich wird, dass sich Opportunismus nun weder für den Zulieferer noch für den Abnehmer lohnt. Aus Eigeninteresse wird also nun die beste Lösung gewählt. Würden sich die Partner vertrauen, so könnte auch die 1 Einheit für die Kontrollinstanz gespart werden. Qualitätsanreize werden gewährt, um die Leistungsfähigkeit und die Nutzungsdauer der zugekauften Produkte zu verbessern oder auch die notwendigen Wartungsintervalle zu verkürzen. Wenn ein Zulieferer rein nach Kostengesichtspunkte ausgewählt wird, besteht die Gefahr, dass dieser auf z. B. Qualitätskontrollen verzichtet oder billigere Produktionsverfahren oder Materialien einsetzt. Zwar hätte der Abnehmer hierdurch ggfl. Preisvorteile, jedoch kann es im Falle von Qualitätseinbußen zu gravierenden Problemen wie z. B. Produktionsausfällen oder Schadensersatzansprüche von Endkunden kommen. Folglich soll ein Anreizsystem bei hoher Qualität belohnen (z. B. Folgeaufräge) und bei mangelhafter Qualität bestrafen (z. B. durch verlängere Gewährleistungsfristen). Von Prozess-, Forschungs- und Entwicklungsanreizen wird gesprochen, wenn ein Abnehmer (auch wenn er es ungern tut, da er Angst vor der Transparenz und deren Wirkungen hat) Einblick in seine Produktions- und Kostenstruktur gibt und im Gegenzug hierfür vom Abnehmer Produktionsund Organisations-Know-How erhält. Mengenanreize können von beiden Seiten ausgehen. Der Abnehmer könnte z. B. die Anzahl seiner Lieferanten reduzieren und das höhere Volumen dann den verbleibenden Zulieferern als Anreiz geben. Zulieferer können dem Abnehmer einen Mengenanreiz in Form von Mengenrabatten geben und hierdurch die Erhöhung des Volumens von ihrer Seite aus vorantreiben. Risikoteilung wird vor dem Hintergrund als Anreiz angesetzt, dass Zulieferer eher risikoscheu sind und daher eher auf potenzielle Zusatzgewinne zugunsten einer höheren Sicherheit verzichten. Abnehmer sind in der Regel größere, diversifiziertere und finanzstärkere Unternehmen die mögliche Verluste besser ausgleichen können. Solche Unternehmen haben tendenziell ein risikoneutral Verhalten, d.h. sie werden unabhängig vom Risiko die Variante mit der höheren Gewinnchance wählen. Bietet der Abnehmer nun einen Anreizvertrag, welcher den Zulieferer bezüglich des zu erwartenden Risiko entlastet, so wird erst durch den „Tradeoff“ zwischen Anreiz und Risiko eine Zusammenarbeit möglich (d.h. ohne diese Risikoteilung wäre es nicht zu einer Geschäftsbeziehung gekommen). Ó Rolf Baumanns/ Kristina Pelzel SS09 Seite 3 42020 – KE3 – Anreize in Zulieferer – Abnehmer - Beziehungen Häufig wird der Abnehmer seine dominante Position ausnutzen und den Zulieferer in Bezug auf seinen Preis unter Druck setzen. Eine Möglichkeit für den Zulieferer dieses Kräfteverhältnis wieder ins Gleichgewicht zu bekommen, stellt der Anreiz des Zulieferers an den Abnehmer dar, für diesen bestimmte Serviceleistungen durchzuführen. Gerade im Rahmen der JIT-Produktion können hier verschiedenste Elemente übernommen werden (Logistikelemente wie Transportübernehmen, termingerechte Anlieferung, Lagerhaltung, Übernahme der Qualitätssicherung, Beratung, Werbung). Auch negative Anreize in Form von Drohungen oder Bestrafungen können als Anreize eingesetzt werden. Beispiele hierfür sind: a) Multiple Sourcing (hierbei werden identische Produkte bei verschiedenen Lieferanten bezogen, was einen Performancevergleich erlaubt. Hierdurch ergeben sich Möglichkeiten des Austausches von Lieferanten und der schlechteren Bezahlung. Weitere Vorteile sind Sicherstellung der Lieferbereitschaft und eine bessere Verhandlungsposition beim Auslaufen der Verträge, da alternative Bezugsquellen bestehen. Als nachteilig sind hierbei die doppelten Entwicklungskosten und der Verlust von Economies of Scale zu sehen). b) Partielle Eigenfertigung (hierbei wird ein Teil der Komponenten selber gefertigt, wodurch ein Unternehmen einen Einblick in die Kostenstruktur des Zulieferers gewinnen kann. Vorteilhaft ist ebenfalls eine Pufferfunktion für Zeiten hoher Nachfrage anzusehen) c) Auktionen Bei einer Auktion handelt es sich um eine Versteigerung von z. B. Fertigungsaufträgen über das Internet. Eine Auktion hat die Aufgabe, den Informationsvorsprung des Zulieferers (bzgl. seiner Preisuntergrenze) zu reduzieren. Da der Zulieferer weiß, dass in der Regel der günstigste Anbieter vom Abnehmer den Zuschlag bekommt, wird dieser ein Angebot nahe seiner Preisuntergrenze abgeben. Generell kann im Gegenzug auch der Zulieferer drohen die Verbindung mit dem Abnehmer zu lösen und seine Produkte der Konkurrenz anzubieten. Dies ist aber aufgrund der überwiegend herrschenden Marktverhältnisse eher selten. Ó Rolf Baumanns/ Kristina Pelzel SS09 Seite 4
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