Die Unterrichtsvorbereitung für einen transparenten Unterricht

Ilona Esslinger-Hinz
Die Unterrichtsvorbereitung für einen transparenten Unterricht
Der Informationsgehalt des Unterrichts als Element in Unterrichtsdokumentationen
Zusammenfassung: Der Transparenzbegriff ist – wiewohl er innerhalb der Unterrichtsforschung an Bedeutung gewonnen hat – für konkrete didaktische Überlegungen zu unspezifisch. In der Konsequenz muss er für die Unterrichtsvorbereitung konkretisiert und näher
ausdifferenziert werden. Da Transparenz immer auf das Medium der Information angewiesen ist und diese im Gehalt näher bestimmt werden kann, wird der Informationsgehalt von
Unterricht genauer beschrieben. Damit Lehrpersonen in der Praxis den Informationsgehalt
ihres Unterrichts tatsächlich berücksichtigen, stellt der Beitrag eine Heuristik vor, die im
Rahmen einer Unterrichtsdokumentation Orientierung und Hilfestellung gibt.
Schlüsselwörter: Unterrichtsplanung, Informationsgehalt, Transparenz, Unterrichtsentwurf
Lesson Plans Designed to Facilitate Transparency in Teaching
Abstract: Even though the concept of “transparency” has gained increasing importance in
several research studies on teaching quality, it is much too vague to promote specific didactical considerations. Consequently, it is necessary to specify the concept of transparency for precise descriptions for lesson planning. Information is an indispensable medium
for transparency. Therefore, teachers’ information and messages have to be analyzed.
Teachers need a frame to integrate transparency in their lesson plans. This article introduces a heuristic to facilitate transparency in teaching.
Keywords: lesson planning, information content, transparency, lesson plans
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Hinführung
Im aktuellen schulpädagogischen Diskurs ist „Transparenz“, verstanden als „Klarheit“, „Strukturierung“ oder „Feedback“ ein selbstverständlich gewordenes Merkmal guten Unterrichts,
das inzwischen über die Rezeption in der Lehre sowie über die Reproduktion in Prüfungssituationen nahezu unhinterfragt Eingang in den pädagogischen Wissensbestand von Lehrpersonen gefunden hat (vgl. Kiel 2010). Gestützt wurde diese Entwicklung durch die im
deutschsprachigen Raum stark rezipierte Studie Hatties (2009) und so werden die Stichwörter „Transparenz“ und „Strukturierung“ von Studierenden der Lehrämter als eines von zehn
Gütekriterien guten Unterrichts gelernt und abgerufen (vgl. Meyer 2010; Meyer 2013). Zwar
sind diese Wissensbestände über guten Unterricht theoretisch und empirisch gesichert,
nachzudenken ist jedoch über den universalen Anspruch dieser Qualitätsaussagen. Gebote
sind grundsätzlicher Natur; hier zählt – anders als im Strafgesetzbuch – keine Form der Differenzierung – weder qualitativ noch quantitativ: Du sollst nicht stehlen, nicht töten, nicht
falsch Zeugnis reden, stellen absolute Forderungen dar, denen es nachzukommen gilt. Lässt
sich die Forderung nach „Transparenz“, „Klarheit“ und „Strukturierung“ als Qualitätsmerkmal
von Unterricht gleichermaßen grundsätzlich behandeln – unabhängig vom Lehr-Lernformat?
Bildet „Transparenz“ ein Unterrichtsparadigma? Handelt es sich um einen pädagogischen
Grundsatz, um ein Unterrichtsprinzip, das bei der Unterrichtsplanung einbezogen werden
sollte? Kann man die an bestimmten Lehr-Lernformaten und Schulfächern generierten Ergebnisse der empirischen Unterrichtsforschung in Faktoren guten Unterrichts generalisieren
und als Handlungskonzepte in unterschiedlichste Praxen des Lehrens und Lernens überführen?
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Will man die Frage nach der Beschaffenheit der Transparenz von Unterricht genauer beantworten, benötigt man zunächst einen Maßstab, der guten Unterricht bestimmt. Dieses Maß
leitet sich von der grundsätzlichen Vorstellung davon ab, was Unterricht generell leisten soll.
Hier lassen sich grob folgende Antworten differenzieren, die sich in Schultheorien und Praxen in Mischverhältnissen finden und die sich auch gegenseitig bedingen:
Erstens: Guter Unterricht ist ein Unterricht, bei dem die Schülerinnen und Schüler nachweisbar das lernen, was in den jeweiligen Fächern gelernt werden soll. Das zu Lernende ist
als gesellschaftsrelevant eingestuft und über Bildungs- und Lehrpläne definiert.
Zweitens: Guter Unterricht ist ein Unterricht, bei dem die Schülerinnen und Schüler ihre
Persönlichkeit entwickeln. Insbesondere die Stärkung der Selbst- und Mitbestimmung ist im
aktuellen gesellschaftlichen Kontext bedeutsam.
Drittens: Guter Unterricht ist ein Unterricht, in dem Schülerinnen und Schüler soziale Erfahrungen machen können, die in unserer Gesellschaft erwünscht sind, d.h. sie können emphatisch auf andere reagieren; sie verhalten sich so, dass andere nicht geschädigt werden.
Für die hier vorgestellten Überlegungen ist nun wichtig, danach zu fragen, inwiefern
„Transparenz“ einen Beitrag zur Erfüllung der genannten Aufgaben leistet. Zu fragen ist folglich, ob Transparenz zum Lernen, zur Persönlichkeitsentwicklung sowie zum friedlichen sozialen Leben beiträgt
Im aktuellen schulpädagogischen Diskurs wird dabei von einem „generalisierten“ Transparenzbegriff ausgegangen. Ein Phänomen, das sich durch alle Gesellschaftsbereiche zieht
und eine Art „Heilsversprechen“ nach Autonomie und Gerechtigkeit in sich birgt. Manfred
Schneider (2013) spricht vom „Transparenztraum“ und zeichnet historisch nach, welche
Hoffnung und Faszination in Politik, Wissenschaft, Kunst und Philosophie von der Transparenzidee ausgehen, welche Objektivationen die Transparenzidee generiert, angefangen vom
Glashaus bis hin zum gläsernen Menschen; ebenso dass und wie der Traum zum Alptraum
gerinnt. Byung-Chul Han (2015) beschreibt den systemischen Zwang zur Transparenz als
problematischen Ersatz für verloren gegangene, brüchige und abgelegte Wertvorstellungen
(Vgl. die Rezension von Lübbecke in diesem Heft). Will man im Kontext von Schule und Unterricht keiner Transparenzideologie aufsitzen, tut man gut daran, näher hinzusehen und
darüber nachzudenken, ob der Transparenzbegriff überhaupt taugt, über Unterricht zu reden
und welche Anteile des Gemeinten wichtig sind für die Professionalität von Lehrpersonen
hinsichtlich der Konstruktion von Lehr-Lernsettings.
Denkbar wäre beispielsweise, dass Transparenz zwar teilweise, nicht aber generell zur
Aufgabenerfüllung von Unterricht beiträgt. Es könnte neben dem Maß an Transparenz auch
auf bestimmte Bereiche, bei denen Transparenz wichtig ist, ankommen. Nicht zuletzt wäre
auch denkbar, dass Transparenz in manchen Ausformungen oder in manchen Ausmaßen
womöglich zum Gegenteil des Erwünschten beiträgt. Deshalb sei die Konjunktion „ob“ durch
das Adverb „inwiefern“ ersetzt: Inwiefern trägt Transparenz zum Lernen, zur Persönlichkeitsentwicklung, zum friedlichen sozialen Leben bei? An der Antwort auf diese Frage bemisst
sich die Qualität von Transparenz. Dieser Transparenzanspruch ist dann wiederum über den
geplanten Unterricht in Praxen zu überführen.
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Transparenz und Information
2.1 Der Informationsgehalt von Unterricht
Die Forderung nach Transparenz oder nach „mehr“ Transparenz folgt im gesellschaftlichen
Diskurs einem Problem; zuweilen einer Katastrophe: Stürzt ein Flugzeug ab, havariert ein
Schiff, wird von Personen, die im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen, ein Fehlverhalten
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vermutet, dann wird der Ruf nach „Transparenz“ laut. Mit der Klärung und Veröffentlichung
von Ursachen – also mit der Transparenz –, verstanden als veröffentliche Rekonstruktion der
Ereignisse und ihrer Kausalitäten, ist dann schon eine Wegstrecke zur Verarbeitung gegangen; und gibt es kein Mehr an herstellbarer Transparenz, wird die bereits gefundene in den
Medien auf allen Kanälen wieder und wieder wiederholt. Transparenz ist somit ein gesellschaftliches Mittel zur Problembearbeitung geworden: Indem die Kausalitäten offengelegt
werden, können Vorgänge rekonstruiert und damit verstanden, schuldhaftes Handeln geahndet und künftige Ereignisse besser kontrolliert werden. Der Terminus ist daher positiv
konnotiert; kaum jemand würde die Forderung nach Transparenz einschränken oder ablehnen, solange sie nicht mit anderen Grundrechten konfligiert (z.B. Schutz der Privatsphäre).
Schneider (2013) geht in seiner Einschätzung weiter und spricht von einem „politischen
Psychopharmakon“ (S. 20). Will man näher hinsehen, fällt der Blick auf das Medium der
Transparenz: die Information. Transparenz ist nur herstellbar über Informationen.
Nun geht es im Hinblick auf Unterricht zunächst nicht um Rechenschaftslegungen durch
Lehrpersonen gegenüber Schülerinnen und Schülern. Diese geschehen über vielfältige Evaluationsformen an anderer Stelle (z.B. über Tagebücher oder über Examina oder andere
Formen externer Evaluation). Informationen, die Lernenden gegeben werden, folgen unterrichtstheoretischen Überlegungen bzw. dem Beitrag dieser Auskünfte für die Erfüllung des
Bildungsauftrags von Unterricht. Deshalb geht es nicht um Durchsichtigkeit als Kontrollinstrument, sondern um Nachvollziehbarkeit zur Stützung des Lernprozesses. Diese Nachvollziehbarkeit erfolgt über Informationen, die dem Lernen, der Persönlichkeitsentwicklung
sowie dem sozialen Miteinander dienlich sein sollten. Auch hierbei kommt es auf das Maß
und die Qualität an; die Inhalte von Informationen sind nicht a priori gut oder sinnvoll. Werden sie im Übermaß gegeben, tragen sie zur Desorientierung bei und behindern das Lernen.
Sie können unvollständig sein. Sie können auch falsch sein. Die Informationsgebundenheit
von Transparenz birgt somit immer die Gefahr von Teil-, Fehl-, Über-, oder Falschinformiertheit. Diese quantitativen und qualitativen Differenzen hinsichtlich des Informationsgehalts
spiegelt der Transparenzbegriff nicht. Von jeder Sache, über die Informationen gegeben
werden – unabhängig von der Informationsqualität –, lässt sich Transparenz behaupten. Im
politischen Feld ist daher so etwas wie eine sog. „Salamitaktik“ erst möglich. Jansen (2010)
spricht hier von „undurchsichtiger Transparenz“. Unterricht ist in dieser Hinsicht immer auch
„irgendwie“ transparent. Damit ist für die Güte von Unterricht zunächst nichts ausgesagt oder
gewonnen. Weil der Begriff „Informationsgehalt“ oder „Informationsqualität“ Merkmale von
Informationen (Menge, Differenziertheit, Wahrheitsgehalt) prädiziert, ist er für den Diskurs
hilfreicher. Transparenz kann immer behauptet werden; der Terminus ist ohne Maß. Der Begriff „Informationsgehalt“ referiert hingegen auf Merkmale von Informationen (vgl. Tab. 1) und
ermöglicht damit einen beschreibenden bzw. analytischen Standpunkt diskursiver Unterrichtspraxen bereits im Planungsprozess.
Tab. 1: Informationsgehalt in Lehr-Lernsituationen
Kernmerkmale von
Informationen
Menge
Differenzmerkmale
Folgen bei Lernenden
zu viel
angemessen
zu wenig
Differenziertheit
zu differenziert
angemessen differenziert
zu undifferenziert
wahr bzw. richtig
teilweise wahr bzw. richtig
unwahr und falsch
Desorientierung, Überforderung, Inkompetenzerfahrung
Verstehen, Lernen, Kompetenzerfahrung
Unterforderung, keine Kompetenzerfahrung
Desorientierung, Überforderung
Verstehen, Lernen
Oberflächlichkeit, Teilverständnis
Zuverlässigkeit, Vertrauen, Wissen
Unsicherheit, Misstrauen, Halbwissen
Ablehnung, Unwissen, Fehlwissen
Richtigkeit/Wahrheitsgehalt
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Zusammenfassend sollten daher bei der Unterrichtvorbereitung angemessen viel, angemessen differenzierte sowie ausschließlich wahre bzw. richtige Informationen vorgesehen werden. Dies gilt insbesondere für den Gegenstand bzw. die Sache, um die es geht. Lehrpersonen treffen hier eine Auswahl und müssen sehen, dass durch Vereinfachung und Weglassung die Richtigkeit nicht eingeschränkt wird. Auf diesem Prozess der Anpassung der Sache
an Schülerinnen und Schüler sowie an gesellschaftliche Qualifizierungsnotwendigkeiten
stößt jede bzw. jeder Unterrichtende bei jedem Unterricht. Die Vereinfachung komplexerer
Sachverhalte sedimentiert sich im Unterricht über gewählte Aufgaben und angebotene LehrLernmaterialien. Dies geschieht auch dann, wenn Schülerinnen und Schüler sich in Projektarbeitsformaten oder in kooperativen Arbeitszusammenhängen mit einer Sache auseinandersetzen: In diesen Settings entscheiden die Schülerinnen und Schüler selbst über die Informationsqualität, zuweilen auch so, dass sie sich für eine hohe Differenziertheit entscheiden. Und schließlich lässt sich dieser Vorgang auch aus konstruktivistischer Perspektive
buchstabieren: Lernende können nicht anders, als die Sache an sich anzupassen. Generationen von Lehrpersonen haben für diese Aufgabe des Passungsgeschehens von Sache,
Lernendem und Gesellschaft bei der Vorbereitung von Lehr-Lernprozessen den Begriff der
„Didaktischen Reduktion“, er wurde von Gustav Grüner in Anbindung an eine Publikation
Dietrich Haags (1958) 1967 eingeführt, oder den der Elementarisierung kennengelernt. Für
den hier vorgestellten Zusammenhang ist von Interesse, dass Informationen, die über Unterricht gegeben werden, immer Auswahlentscheidungen vorausgehen, dass sie von unterschiedlicher Qualität im Hinblick auf Menge, Differenziertheit und Wahrheit bzw. Richtigkeit
sind. Soll die Sache bzw. der Unterrichtsgegenstand angemessen transparent werden d.h.
einen günstigen Informationsgehalt aufweisen, so geschieht dies über das Medium der Information. Da unabhängig von der Informationsqualität Transparenz immer behauptet werden kann, solange Informationen, unabhängig von ihrer Qualität – sie können auch unwahr
und falsch sein – überhaupt gegeben werden, ist der Transparenzbegriff für die Qualität der
Unterrichtsvorbereitung nicht geeignet und wird hier durch den des Informationsgehalts ersetzt. Der Informationsbegriff ist nicht a priori positiv belegt und kann im Vergleich zum Terminus „Inhalt“ auch die Mängel, Schattenseiten und Unzulänglichkeiten von Informationen
bzw. die Gehaltlosigkeit von Inhalten mitdenken (kritisch hierzu Aden 2004, S. 64f., ByungChul Han 2015, S. 62ff.; vgl. auch Kirschner 2014, die die Leugnung von Negativität im
Transparenzdiskurs herausarbeitet). Klafkis Antwort auf den hier beschriebenen „Informationsgehalt“ ist an einen Bildungsbegriff geknüpft, der im Rahmen dieses Beitrags in den eingangs genannten Zielperspektiven von Schule und Unterricht als Basis des Gesamtvorhabens „Unterricht“ ebenfalls vorausgesetzt ist. Der Informationsgehalt des Unterrichts bildet
somit einen Transformationsriemen für Lernerfahrungen, die zur Aufgabenerfüllung von
Schule und Unterricht beitragen sollen.
2.2 Informationsebenen im Unterricht
Überträgt man die Überlegungen zum Informationsgehalt auf das Praxisfeld Unterricht und
fragt, welche Informationen Schülerinnen und Schülern gegeben werden, so sind zunächst
drei Ebenen zu differenzieren: die Ebene der Informationen zu den Lerninhalten, die Ebene
der Informationen zum geplanten Lehr-Lernprozess sowie Informationen über die Begründungen dieser Planungsentscheidungen. Die lerninhaltsbezogenen Informationen beziehen
sich auf Aussagen zur Sache. Sie geben an, was „Sache“ ist bzw. worum es im Unterricht
geht (z.B. „Der Bau der pflanzlichen Zelle“) und was zur Sache zu sagen ist (z.B. a2+b2=c2).
Informationen zum Lehr-Lernprozess geben Auskunft über Lernwege („Wir arbeiten zunächst
in Kleingruppen“), genutzte Medien („Wir arbeiten heute mit den Rechnern“), zu bearbeiten4
de Aufgaben („Wir spielen die Szene in verteilten Rollen“), gewählte Sozialformen („Arbeitet
bitte mit einem Partner“) und die gedachte Progression („Wir mikroskopieren zunächst und
zeichnen dann die Zelle in unser Heft“).
Ebene 3: Informationen zur Begründung des Lehr-Lernsettings
•Weiß der/die Lernende, warum eine Lehr-Lernsituation in bestimmter Weise konstruiert
wurde?
Ebene 2: Informationen zum Lehr-Lernprozess
•Weiß der/die Lernende, wie die Lehr-Lernsituation konstruiert ist?
Ebene 1: Informationen zu den Lerninhalten
•Weiß der/die Lernende, worum es fachlich geht? Sind die Informationen hinsichtlich Menge,
Differenziertheit, Wahrheit/Richtigkeit angemessen?
Abb. 1: Ebenen von Informationen in Unterrichtszusammenhängen
Darüber hinaus könnten Lehrpersonen Begründungen für didaktische, methodische oder
fachbezogene Entscheidungen mitteilen. Die Informationen beziehen sich dann auf die Auskünfte von Lehrpersonen zur Begründung der gefällten Planungsentscheidungen. Hier geht
es um das Planungsgeschehen selbst; es bildet den Referenzpunkt für die Information: Die
Lehrperson erklärt, warum etwas gemacht werden soll oder vorgesehen wurde. Die Informationen bewegen sich auf einer Metaebene, da sie sich auf die Logik und Konstruktion des
Unterrichts beziehen. Aussagen wie: „Wir führen einen Versuch durch, damit ihr unmittelbar
sehen könnt, welche Materialien den Strom leiten“, oder „Ich zeige euch diesen Film, weil er
nochmal festigt und zusammenfasst, was wir bisher erarbeitet haben“ oder „Wir nehmen uns
heute viel Zeit, um eine Zelle zu zeichnen, weil ihr dadurch lernt, genau hinzusehen“ liegen
auf einer Begründungsebene. Lehrpersonen begründen, warum sie bestimmte Schwerpunkte setzen, warum sie bestimmte Medien einsetzen oder einen bestimmten methodischen
Zugang präferieren. Systematisiert man die Begründungen der Ebene 3, die im Unterricht
gegeben werden, so sind auch hier Unterschiede festzustellen (vgl. Abb.2).
Denkt man in Anlehnung an Schleiermachers Dialektik in einem Minimum-MaximumKontinuum, so würde ein Maximum an Informationen auf Ebene 3 dazu führen, dass Lernzeit
verloren geht, dass Schülerinnen und Schüler stark unter diagnostischer Perspektive wahrgenommen werden, dass Lehrpersonen (zu) viel über sich reden und dass die Lernbedingungen stark institutionell bestimmt sind. Ein Minimum an Metainformationen hinterlässt hingegen den Eindruck, dass die Lehrperson das Lehr-Lernsetting bestimmt. Werden Schülerinnen und Schülern Informationen auf der Metaebene vorenthalten, dann müssen sie Energien aufwenden, um eine mögliche Logik selbst zu konstruieren. Ermüden sie in diesem Prozess, dann werden die Anweisungen der Lehrperson befolgt, ohne dass sich der Sinnzusammenhang kontinuierlich erschließen würde. Außerdem können die Schülerinnen und
Schüler nicht sicher sein, dass der Unterricht überhaupt auf einer längerfristig geplanten Logik basiert, auf sie als individuelle Lernende zugeschnitten ist oder dass die Lehrperson einen besonderen persönlichen Bezug zur Sache hat.
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Beispiele:
… wenn wir das so machen, könnt ihr/können wir auch die Aufgaben X leicht lösen…
… damit du dir das besser vorstellen kannst,…
… diese Abbildung verdeutlicht…
… wenn du das selbst ausprobiert hast, kannst du dir das besser merken…
Lernprozess
zu viel
Schule
angemessen
Beispiele:
… leider ist heute der Beamer ausgeliehen, wir
können den Film erst
morgen ansehen…
… wegen der Abschlussprüfungen muss es heute
sehr ruhig sein. Wir
können daher nicht in den
Fluren arbeiten…
zu wenig
zu wenig
Lehrperson
Beispiele:
… hier eine Buntnessel aus
meinem Garten …
… wir lesen ein Gedicht von X; das
ist mein Lieblingsautor…
Sonstiges
Beispiele:
… gestern wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben: „Mit
dem Fahrrad unterwegs“ . Deshalb habe ich mir überlegt,
dass…
… Tinas Onkel ist Pantomime und hat angeboten, dass er
heute spontan in den Unterricht kommt…
Schülerinnen und Schüler
Beispiele:
… das ist allen sehr gut gelungen, sodass wir jetzt darauf
aufbauen können…
… ich habe gemerkt, dass wir das nochmal wiederholen
sollten …
… Einige von Euch haben einen Hund, Deshalb besprechen
wir die Merkmale von Säugetieren an diesem Beispiel.
Abb.2: Merkmale von Informationen zur Begründung des Lehr-Lernsettings (Ebene 3)
Die Lehrperson hat demnach immer nach einem Informationsmaß zu suchen, das angemessen ist (innerer Kreis). Diese Rückbindung der Logik und Funktion des eigenen Tuns über
begründende Aussagen ist auch in Lehr-Lernprozessen mit instruktionsärmeren LehrLernsettings notwendig; sie werden in diesem Fall von den Lernenden selbst generiert und
formuliert. Begründungen bilden eine Rückversicherung, dass die Handlungsentscheidung
sinnvoll und zielführend ist. Sie bietet Sicherheit hinsichtlich des eigenen Tuns und ist in
manchen von Schülerinnen und Schülern gestalteten Lehr-Lernformaten im Rahmen von
Reflexionsphasen explizit vorgesehen. Auf den drei Ebenen (Abb. 1) können die Informationsgehalte in ihrer Qualität somit sehr unterschiedlich ausfallen. Die professionelle Zielperspektive im Planungsprozess ist dadurch gekennzeichnet, dass ein angemessenes Maß an
Informationen auf den drei Ebenen vorgesehen wird und dass diese Informationen wahr bzw.
richtig und differenziert genug sind.
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2.3 Information, Macht und Demokratie
Transparenz scheint zunächst demokratische Strukturen zu sichern, denn Informationen klären Vorgehensweisen, die Dinge, die Gründe. Allerdings stellen Informationen Propositionen
dar, die Mitteilungscharakter haben. Sie werden weitergegeben oder zurückgehalten. Darüber entscheidet der jeweilige Akteur bzw. die jeweilige Akteurin. In Bezug auf Unterricht ist
die Lehrperson „im Besitz“ relevanter Informationen bezüglich des Lehr-Lernprozesses. Gibt
sie Informationen mit hohem Informationsgehalt weiter, sind Hierarchien in Anteilen aufgelöst. Allerdings muss dies nicht zwangsläufig bedeuten, dass Intransparentes damit eingeschränkt wäre bzw. abnehmen würde. Überinformationen führen auf den beschriebenen drei
Ebenen zu Desorientierung, Unsicherheit und Verlust an Lernzeit. Demnach bietet ein bloßes „Mehr“ an Information, das die Schülerinnen und Schüler erhalten, keine Garantie für
effektiveres Lernen; es leistet auch nicht zwangsläufig einen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung oder zur Stärkung des Sozialverhaltens. Gerade die Forderung nach Transparenz
kann durch ein Übermaß an Informationen, durch Fehl- und Falschinformationen Intransparenz steigern und Machtstrukturen etablieren bzw. stabilisieren. Diese Überlegung auf die
Planung und Analyse von Unterricht gewendet, führt zur Forderung, den Informationsgehalt
für einen bestimmten vorzubereitenden Unterricht jeweils zu bestimmen.
Auf der Metaebene geben Lehrpersonen Begründungen (vgl. Abb. 2). Rechenschaftslegungen zum Unterricht bergen die Möglichkeit, dass Schülerinnen und Schüler diese infrage
stellen („Muss heute schon wieder eine Gruppenarbeit sein?“, „Dann müssten Sie den Beamer früher bestellen“, „Ich würde lieber in Einzelarbeit lernen“, „Wochenpläne mag ich
nicht“…). Begründungsinformationen geben Erklärungen. Erklärungen können von Adressaten akzeptiert, hinterfragt oder abgelehnt werden. Damit beinhalten sie ein Potenzial, dass
Lehrpersonen sich in Anteilen in ihrer Professionalität erklären bzw. bereit sind, Begründungen kommentieren, hinterfragen oder kritisieren zu lassen. Lehrpersonen, die Begründungen
geben, folgen damit einer Interaktion, die weniger direktiv ist als Interaktionen, die auf Erklärungen vollständig verzichten. Schülerinnen und Schüler haben mit diesen Einspruchsmöglichkeiten eher die Möglichkeit, sich als Subjekt ihres Lernprozesses zu erfahren. Begründungen zum Lehr-Lernprozess beinhalten das Potenzial, dass Schülerinnen und Schüler den
Unterricht als für sie „gemacht“ erleben und bereit sind, über Lehr-Lernarrangements nachzudenken und diese mitzugestalten. Damit ist nicht gesagt, dass alle möglichen Begründungen gegeben werden sollten. Fragt man nach einem Maßstab für die Auswahl von Begründungen, so sollten sie die oben genannten Funktionen von Schule und Unterricht unterstützen; d.h. den Lernprozess stützen, die Persönlichkeitsentwicklung stärken und zum sozialen
Miteinander beitragen. Alle Begründungsinformationen, die dies nicht leisten, sind wenig hilfreich. Begründungen, die offensichtlich sind, sind beispielsweise nicht unnötig. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Begründungen wichtig sind, um die Leerstellen bei den
Schülerinnen und Schülern zu schließen, die dazu führen, dass Schülerinnen und Schüler
den Sinnzusammenhang im Unterrichtsprozess verlieren. Begründungsinformationen tragen
dazu bei, dass Schülerinnen und Schüler verstehen, warum sie das, was sie tun, so tun und
nicht anders. Weiterhin signalisieren Begründunginformationen Wertschätzung gegenüber
den Schülerinnen und Schülern, weil sie ihnen über die möglichen Stellungnahmen auch
Mitbestimmungsmöglichkeiten einräumen. Informationsgehalte leisten somit einen Beitrag
zur Selbst- und Mitbestimmung und somit dazu, dass die Erwachsenen von morgen Demokratie leben und stabilisieren können (vgl. Aden 2004, S. 16).
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Intransparenz als Existenzvoraussetzung: Unterrichtskultur
Kulturen sind Wert- und Normkoordinaten, die nicht hinterfragt werden. Sie manifestieren
sich im Verhalten, in den Wertvorstellungen, in Vergegenständlichungen sowie durch die
Emotionen der Akteure (vgl. Esslinger-Hinz 2010). Die Verzahnung dieser Elemente findet
sich auch im Unterricht. Kulturen werden von den Akteuren nicht hinterfragt, sondern reproduziert. Sie bieten Handlungssicherheit und sind ökonomisch, weil sich die Entscheidungsfrequenz verringert. Gehört es beispielsweise zur Unterrichtskultur, dass Akteure respektvoll
miteinander umgehen, dann wird dieses Verhalten von den Akteuren erwartet; Abweichungen werden korrigiert und gegebenenfalls sanktioniert. Unterrichtskulturen sind für die Akteure selbst schwer beobachtbar. Insbesondere Kulturfremdlinge (z.B. Personen, die hospitieren) können die Besonderheiten identifizieren. Die temporäre Verankerung einer bestimmten
Kultur (z.B. in einer Klasse gehen die Schülerinnen und Schüler seit Jahren unhöflich miteinander um), die Breite der Verankerung (nahezu alle Schülerinnen und Schüler agieren
gleichermaßen unhöflich) sowie das Maß der Verankerung (in jedem Unterricht zeigt sich
das Verhalten, herrscht eine aggressive Stimmung, finden Einträge ins Tagebuch statt usw.)
bilden Bestimmungsgrößen für Veränderungspotenziale. Unterrichtliche Kulturen, verstanden
als je eigene Normalitäten des Unterrichts, verändern zu wollen, ist schwierig, wenn sie eine
starke Verankerung in den genannten Dimensionen aufweisen. Eine erste Voraussetzung
hierfür stellt die Wahrnehmung und Beschreibung der vorhandenen kulturellen Strukturen
dar. Hierzu ist zumeist eine externe bzw. kulturfremde Unterstützung notwendig. Eine unterrichtskulturelle Analyse arbeitet mit Offenlegung: die unterrichtskulturellen Merkmale werden
in ihrer Beschaffenheit sowie in ihren Wirkungen beschrieben. Bei der Planung von Unterricht unterrichtskulturelle Änderungen anzustreben, ist ein sensibler, schwieriger und komplexer Prozess, weil die kulturellen Regulierungen stark verankert sein können. Ein solches
Vorgehen ist dann zu rechtfertigen, wenn die Akteure einen Leidensdruck verspüren (z.B.
Krankheit, Formen von Schulverweigerung, Abwertungen, Passivität, Ängste). Eine Offenlegung unterrichtlicher „Normalitäten“ (Schlüsselkonzepte, vgl. Esslinger-Hinz 2010) über Unterrichtskulturanalysen muss längerfristig angelegt sein, da die Benennung von kulturellen
Manifestationen immer Irritationen auslöst. Menschen, die längerfristig interagieren, bilden
immer Kulturen aus, weil ein abgesteckter Handlungsrahmen für die rasche und subjektiv
gelungene Bewältigung von Interaktionen wichtig ist. Werden diese Habitualisierungen über
Offenlegungen freigelegt und hinterfragt, müssen neue Handlungsrahmen ausgebildet werden. Die Aufgabe in diesem Prozess besteht darin, Kulturänderungen eine Richtung zu geben. Der Begriff „Steuerung“ ist hier unangebracht, weil Kulturen nicht der Logik folgen, dass
einzelne Akteure zielgerichtet Kulturen etablieren könnten. Dies ist selbst in Diktaturen oder
Gefängnissen nicht möglich. Selbst wenn Akteure aktiv einen Kulturwandel anstreben, haben
sie es mit einem etablierten System zu tun, das sich zu reproduzieren sucht. Sind die Akteure in der Lage, diesen Reproduktionsprozess partiell über Kulturwissen zu unterbrechen,
sind die Konsequenzen für das System und die Akteure nur eingeschränkt „kalkulierbar“.
Hier sind insbesondere die Schülerinnen und Schüler einzubeziehen, wobei ihre Möglichkeiten sowie ihr Wille zur Kulturentwicklung eingeschränkt sein können. Eines ist jedoch ganz
sicher: (irgend-)eine Kultur entwickelt sich immer, die wiederum auf Intransparenz gründet.
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Selbstbestimmtheit und Vertrauen
Angenommen eine Lehrperson würde von Schülerinnen und Schüler Handlungen verlangen,
die in keinem Kontext zu Schule und Unterricht stehen: Öffne deinen linken Schnürsenkel,
falls vorhanden; wir heben alle den rechten Arm; wir stellen uns alle auf unseren Stuhl usw.
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Wie lange würden die Schülerinnen und Schüler mitmachen? Wann beginnen die ersten aufzubegehren und die Anweisungen der Lehrperson in Frage zu stellen? Vermutlich später als
wir uns das von mündigen, selbstbestimmten jungen Menschen wünschen würden. Und
doch hat der Umstand, dass Schülerinnen und Schüler im Vertrauen, dass die Lehrperson
schon wissen wird, was sinnvollerweise zu tun ist, auch ihre Berechtigung: Es tut sich das
Spannungsfeld zwischen Kritik und Vertrauen auf und klar ist, wir brauchen Schülerinnen
und Schüler, die beide Haltungen einnehmen können: Die kritische, um nicht manipuliert
werden zu können; die vertrauensvolle aus ökonomischen (dauernd kritisch zu hinterfragen
wäre ressourcenintensiv; vgl. Luhmann 1989) sowie aus anthropologischen Gründen (Bedürfnis nach sozialer Einbindung; Orientierung an der Erwachsenengeneration).
Der sogenannte „stumme oder stille Impulse“ stellt ein Beispiel für Unterrichtsphasen dar,
in denen Schülerinnen und Schüler sich auf Impulse einlassen, ohne zu wissen worum es
geht. Besonders Lehrpersonen, die in den 1980er Jahren studiert haben, vermitteln noch
heute Studierenden, dass die Schülerinnen und Schüler selbst auf das Thema des Unterrichts kommen sollten. Das Format stand seinerzeit unter dem Vorzeichen nicht-direktiven
Unterrichts; oberflächlich betrachtet lenkt die Lehrperson über ein Medium bzw. dem Verzicht auf sogenannte W-Fragen auf ein Thema hin. Das Argument lässt sich jedoch auch
wenden: Schülerinnen und Schüler müssen sich im Vertrauen, dass die Lehrperson etwas
Sinnvolles geplant hat, auf etwas einlassen, das sie zunächst nicht einordnen können. Das
Informationsdefizit entmündigt den Schüler bzw. die Schülerin und entbindet die Lehrperson
von jeglicher Information auf der Metaebene. Die geforderte Einlassung ohne Sinnzusammenhang kann einerseits mit dem Vertrauen in die Kompetenzen der Lehrperson begründet
werden, sie kann andererseits aber auch als Negativbeitrag zur Erziehung zu Selbstbestimmtheit und Mündigkeit eingestuft werden. Insbesondere Lehramtsnovizen gehen von der
Annahme aus, dass die Suche nach dem Thema einen Motivationsgehalt beinhalte – angesichts motivationstheoretischer Ansätze (z.B. Deci & Ryan 1993) eine subjektive Theorie, die
dazu führt, dass der Informationsgehalt im Unterricht dieser Lehrpersonen gemindert wird.
Das Gegenstück bilden gezielte Informationen zum Unterrichtsverlauf („Advance Organizer“). Sie bieten den Vorteil, dass Schülerinnen und Schüler erkennen können, dass Unterricht vorbereitet und wie er strukturiert ist. Allerdings besteht hier der Nachteil, dass damit
Festlegungen über den Gang des Lernprozesses vorab festgeschrieben sind. Je nach Maß
dieser Festschreibung sind Abweichungen und Änderungen schwierig und damit die Direktivität hoch. Ein Problem des informierenden Unterrichtseinstiegs besteht weiterhin darin, dass
ohne inhaltliches Wissen der Sinn des geplanten Verlaufs nicht eingeschätzt werden kann.
Ein weiteres Problem liegt in der Fülle der Ablaufinformationen oder in Formaten, die inhaltlich das Themenfeld abstecken („mind maps“) und neue komplexe Zusammenhänge skizzieren, ohne dass die Funktion dieser Begriffssammlungen an eine Fragestellung gebunden
wäre und irgendwie in einen Lernhorizont gesetzt werden könnte (vgl. Moegling & Schude
2015). Wird der Unterricht hingegen mit den Lernenden konstruiert und zunächst ein Handlungs- und Aktionsplan innerhalb einer Lerngruppe entwickelt, so generiert die Lerngruppe
die Informationen und der Unterricht trägt zur Selbst- und Mitbestimmung bei.
Fehlende oder mangelnde Transparenz einzufordern, erweist sich für Schülerinnen und
Schüler angesichts der machtstrukturellen Gegebenheiten in Schule und Unterricht als
schwierig. Schülerinnen und Schüler mit Transparenzforderungen stehen in der Gefahr insbesondere bei ihrer Leistungsfeststellung benachteiligt zu werden. Angenommen ein Schüler
würde bei einem stummen Impuls anfragen, warum er herumraten muss und nicht gleich
erfahren kann, worum es geht. Die Unterrichtsplanung wird hinterfragt und damit auch die
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Lehrperson und ihre Expertise. Deshalb ist es zunächst und in erster Linie die Aufgabe einer
professionalisierten Lehrperson, den notwendigen Informationsgehalt zu bieten.
Damit der Anspruch, den Informationsgehalt geplanten Unterrichts bei der Planung mitzudenken nicht nur als konsequenzenlose Forderung besteht, ist es wichtig, diesen Aspekt bei
der Unterrichtsvorbereitung innerhalb der verwendeten Darstellungsformate zu verankern.
Dies gelingt, wenn im Rahmen von Planungsrastern und Planungsstrukturen wie Unterrichtsskizzen und ausführlichen Unterrichtsentwürfen der Informationsgehalt aufgenommen
wird. Schriftliche Unterrichtsvorbereitungen tragen dazu bei, den analytischen und kritischen
Blick auf vorgesehene Planungsentscheidungen zu schärfen. Daher wird im nächsten Abschnitt dargestellt, wie der Aspekt „Informationsgehalt des Unterrichts“ in Unterrichtsskizzen
sowie in ausführliche Unterrichtsentwürfe aufgenommen werden kann.
Neben der Kompetenz von Lehrpersonen, den Informationsgehalt ihres Unterrichts zu rekonstruieren, ist für Schülerinnen und Schüler wichtig, dass sie Vertrauen in diese Kompetenz der Lehrperson setzen können, dass sie es also mit einem Professionellen zu tun haben. Dann können Schülerinnen und Schüler im Vertrauen, dass die Lehrperson weiß, was
sie tut, Einlassungen zulassen. Wird die Kompetenz der Lehrperson kontinuierlich hinterfragt, stagniert der Lernprozess und die Professionalität der Lehrperson bietet keine Handlungssicherheit. Vertrauen in die Kompetenzen eines Professionellen ist in allen Professionen grundlegend; fragt oder hinterfragt beispielsweise ein Patient jede Einzelhandlung eines
Arztes, wäre dies mühsam. Auch Lehrpersonen, die dauernd rechtfertigen und erklären
müssten, was sie gerade tun, wären in ihrer Professionalität eingeschränkt. Deshalb ist es
wichtig, dass Lehrpersonen ihren Schülerinnen und Schülern die Vertrauensgrundlage, die
für schulisches Lernen relevant ist, bieten. Sie basiert auf der fachlichen Kompetenz der
Lehrperson sowie auf dem Interesse der Lehrperson am Lernprozess der Lernenden und
damit auch an der Person des Schülers bzw. der Schülerin.
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Der Informationsgehalt von Unterricht in Unterrichtsdokumentationen
5.1 Der Informationsgehalt von Unterricht in der Unterrichtsskizze
Eine in Deutschland weit verbreitete Kurzdarstellung der Unterrichtsvorbereitung bildet die
Unterrichtsskizze. Sie ist als Dokument von Unterricht deshalb geeignet, weil sie das Ergebnis der Unterrichtsvorbereitung in Kurzform spiegelt und geplante Interaktionen (z.B. Lehreraussagen, erwartetes Schülerverhalten) dokumentiert. Die Unterrichtsskizze akzentuiert die
Progression von Unterrichtsphasen und kommt dem Format eines fragend-entwickelnden
Unterrichts eher entgegen als andere Formen der Kurzdarstellung (z.B. Verlaufsfries, Arbeit
mit Grafik- oder Cloudprogrammen wie C-Maps oder Prezi; vgl. Esslinger-Hinz/Wigbers et al.
2013, S. 95ff.). Sie ist dennoch das in Deutschland am häufigsten genutzte Format der Darstellung von geplantem Unterricht. Zumeist gibt sie Auskunft über die Zeit- und Phasenstruktur, über methodische und mediale Entscheidungen, ablesbar an den Bezeichnungen der
Tabellenspalten. Eine ausführliche Form der Darstellung bildet die Textgattung „Unterrichtsentwurf“. Er zwingt Lehrpersonen, ganz bestimmte Aspekte des Unterrichts zu bedenken.
Die Elemente des Entwurfs werden über Praxiszusammenhänge und Prüfungsordnungen
tradiert und reproduziert. Sie sind weitgehend akzeptiert und werden nur eingeschränkt diskutiert. Will man erreichen, dass Transparenz, hier näher in ihrem Informationsgehalt beschrieben, Eingang in die Praxis von Lehrerinnen und Lehrer findet, muss dieses Kriterium in
der Struktur von Unterrichtsdokumentationen enthalten sein. Das ist bislang nicht der Fall.
Innerhalb einer Unterrichtsskizze kann schon ein sehr einfaches und schlichtes Verfahren
dazu führen, den Informationsgehalt des Unterrichts sichtbar zu machen: Die Skizze wird um
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drei schmale Spalten erweitert, welche die in Abb. 1 beschriebenen Informationsebenen
markieren. Je nach Informationsgehalt werden die Sequenzen des Unterrichts farblich gekennzeichnet (vgl. Tab. 2). Dieser Zugang ermöglicht einen sehr raschen Überblick über den
Informationsgehalt des Unterrichts im Hinblick auf die drei beschriebenen Informationsebenen, weil die Informationsstruktur des Unterrichts optisch modelliert ist.
Die folgende Skizze wurde von zwei Lehramtsstudentinnen (Novizinnen) im Semesterpraktikum 2015 erstellt. Der Unterricht erfolgte im Team. Die eben beschriebenen drei Spalten zum Informationsgehalt sind in der Skizze ergänzt (Tab. 2). Im Idealfall wissen die Schülerinnen und Schüler im Unterricht immer, worum es gerade geht, was im Moment zu tun ist
und können das Tun in einen Sinnhorizont stellen; d.h. sie bekommen auch Informationen zu
den Begründungen hinsichtlich der Konstruktion des Lehr-Lernprozesses. Das Beispiel zeigt
auf einen Blick, dass die Studierenden vorbereitend darauf geachtet haben, dass alle Schülerinnen und Schüler wissen, was sie zu tun haben, indem sie durchgängig Informationen
zum Lehr-Lernprozess gaben. Die dunkle Linie auf Ebene 2 ist daher durchgehend vorhanden. Die Praxis des Unterrichtens zeigte, dass im Unterricht an keiner Stelle bei den Schülerinnen und Schülern Unsicherheiten aufkamen, was nun zu tun sei. Fehlten Informationen
zum Lehr-Lernprozess, dann würde der Informationsmangel im Unterricht offensichtlich, z.B.
indem gewünschte Handlungen ausbleiben, Dinge unsachgemäß behandelt werden, Dinge
nicht funktionieren, der Geräuschpegel steigt. In Ausbildungssituationen wird deshalb großen
Wert auf die Arbeitsanweisung – hier verstanden als Information zum Lehr-Lernprozess –,
ihren Umfang, ihre Vermittlung bzw. optische Modellierung und zeitliche Platzierung im LehrLernprozess gelegt. Im Idealfall zieht sich, wie im Beispiel (vgl. Tab. 2), eine dunkle Linie
durch.
Anders sieht es bei Ebene 1 aus. Die Schülerinnen und Schüler folgen im ersten Drittel
des geplanten Unterrichts der Choreographie der Lehrpersonen, ohne über das Thema des
Unterrichts informiert zu sein. Auch Ebene 1 lässt sich nach Menge, Differenziertheit und
Richtigkeit der Informationen ausdifferenzieren. Hier liegen die fachdidaktisch wichtigen
Überlegungen zur fachlichen Korrektheit sowie zur angemessenen Auswahl der zu erreichenden Ziele und Kompetenzen. Für ein 9. Schuljahr (Realschule) ist die Information, dass
ein Argument aus den Elementen These, Begründung, Beispiele, Forderung besteht, eher
schmal bzw. erschließt den Schülerinnen und Schülern nichts Neues. Die Schülerinnen und
Schüler tun etwas, was sie schon können: sie argumentieren. Sie können es auch am Ende
des Unterrichts nicht besser. Obwohl die Schülerinnen und Schüler entsprechend der Unterrichtsplanung (Tab. 2) ca. 28 Minuten lang nicht wissen, worum es geht und obwohl der
Lernzuwachs für ein 9. Schuljahr randständig ist, „funktioniert“ die Planung hinsichtlich der
Ablaufstruktur auch in der praktischen Umsetzung dennoch, in dem Sinne, dass keine Störungen, verstanden als Brechungen des Unterrichtsflusses, vorhanden waren. Dies hat damit
zu tun, dass der geplante Unterricht über den Ablauf, das erwartete Verhalten, die vorgesehenen Methoden, also auf der 2. Ebene durchgängig Informationen bietet. In der Konsequenz kann der Unterricht unter der Bedingung, dass Ebene 2 durchgängig informationshaltig ist, störungsfrei stattfinden, auch wenn er aus fachlicher und erzieherischer Perspektive
wenig oder wenig Erwünschtes erreicht. Im obigen Beispiel ist der Lernzuwachs als eher
gering einzustufen. Hospitierende Personen könnten, da die Schülerinnen und Schüler methodisch informiert sind, von Transparenz sprechen – auch wenn die Schülerinnen und
Schüler gar nicht wissen, worum es gerade geht (Ebene 1) und warum sie etwas Bestimmtes
tun (Ebene 3).
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Tab. 2: Unterrichtsskizze
Schule: Realschule X
Stundenthema: Der Aufbau von Argumenten
Fach: Deutsch
Phase
Handlungsschritte
10.1010.12
10.1210.20
Begrüßung
Namen anschreiben
Einstieg I
10.2010.21
Überleitung I
10.2110.35
Erarbeitungsphase I
L. legt Folie mit Karikatur auf
L. „Was könnt ihr auf diesem Bild sehen?
L: „Weswegen streitet ihr Euch mit euren Eltern?
L sammelt Antworten in Form eines Clusters
L „Wir haben ein solches Streitgespräch als Rollenspiel für euch vorbereitet und brauchen nun vier Freiwillige, die gerne etwas vorspielen
möchten. Am besten zwei Mädchen und zwei Jungen. Wer hätte
Lust?“
L wählt S aus.
L1 bereitet die S vor der Türe für das Rollenspiel vor.
L2 bespricht die Beobachtungsanweisungen mit den restlichen S.
Beobachtungsanweisungen:
Welcher der beiden Jugendlichen hat mehr Erfolg mit seiner Forderung?
10.3510.38
Überleitung II
10.3810.50
Erarbeitungsphase II
Sicherungsphase I
10.5010.54
Sicherungsphase II
Ebene 3
Informationsgehalt
zur Begründung
des LehrLernprozesses
Zeit
Ebene 2
Informationsgehalt
Lehr-Lernprozess
Klasse: 9
Stundenziel: Die Schülerinnen und Schüler formulieren eigenständig Argumente und beachten hierbei den Aufbau von Argumenten (These, Argumente und Belege, Forderung).
Ebene 1
Informationsgehalt
Inhalt
Zeit: 10.10-10.55 Uhr
Woran könnte das liegen?
L „Habt ihr auf meine erste Frage, welcher Jugendliche mit seiner
Forderung mehr Erfolg hat, eine Antwort?“
L „Sind euch Besonderheiten aufgefallen? Wenn ja, welche?“
L „Warum ist denn der Sohn so erfolgreich beim Umstimmen des
Vaters?“
L legt Folie auf.
L und S besprechen den typischen Aufbau eines Arguments.
L teilt Kärtchen aus („Jetzt dürft ihr alle ein Kärtchen bei mir ziehen.
Jetzt gibt es Gruppenarbeit“).
L bespricht Gruppenarbeit
Jeweils zwei S treffen sich und formulieren 2-3 Argumente
S treffen sich in 4er Gruppe und tauschen ihre Argumente aus (2 Min.)
S notieren sich die Argumente der anderen Gruppe (3 Min.)
S ordnen ihre Argument hierarchisch in die ausgeteilte Tabelle ein
Lerntagebucheintrag:
Wir haben heute erarbeitet, dass ein Argument aus vier Teilen besteht:
einer These, mehreren Begründungen, mehreren Belegen und einer
Forderung.
Keine oder zu viel Informationen, Schülerinnen und Schüler wissen nicht, worum es geht; keine oder zu viel Informationen zur Sache (Ebene 1)
Keine Information oder zu viel Information, wie die Lehr-Lernsituation konstruiert ist (Ebene 2)
Keine Information oder zu viel Information, warum die Lehr-Lernsituation so konstruiert ist (Ebene 3)
Schülerinnen und Schüler ahnen, vermuten worum es gehen könnte; geringe oder zu umfängliche Informationen zur
Sache (Ebene 1)
Schülerinnen und Schüler vermuten, wie die Lehr-Lernsituation konstruiert ist (Ebene 2)
Schülerinnen und Schüler werden ansatzweise informiert, warum die Lehr-Lernsituation so konstruiert ist (Ebene 3)
Schülerinnen und Schüler sind informiert, worum es geht; Schülerinnen und Schüler; angemessene Informationen zur
Sache (Ebene 1)
Schülerinnen und Schüler wissen, wie die Lehr-Lernsituation konstruiert ist (Ebene 2)
Schülerinnen und Schüler wissen, warum die Lehr-Lernsituation so konstruiert ist (Ebene 3)
Weiterhin erleben die Schülerinnen und Schüler in diesem Unterricht Lehrpersonen, die an
keiner (!) Stelle ihre Planungsentscheidungen begründen. Wäre dies durchgehend so, wären
Schülerinnen und Schüler in der Rolle der Ausführenden, der Statisten oder Mitspieler – oh12
ne dass die Regeln bzw. die Choreographien begriffen werden und ohne dass sie kommentiert, diskutiert oder geändert werden könnten. So werden die Schülerinnen und Schüler im
obigen Beispiel aufgefordert, Kärtchen zu ziehen, ohne zu wissen, warum. Auch sollen sich
vier Freiwillige melden und vor die Tür gehen, ohne dass sie einschätzen können, weshalb.
Im konkreten Unterrichtsverlauf zögerten die Schülerinnen und Schüler an dieser Stelle und
brachten den beiden Praktikantinnen hier nur zögernd Vertrauen entgegen.
Hätten die beiden Studierenden die drei Spalten zum Informationsgehalt bei ihrer Planung
berücksichtigt, dann hätten sie bereits im Planungsprozess erkennen können, dass keinerlei
Begründungsinformationen vorgesehen sind. Sie hätten auch erkennen können, dass die
Schülerinnen und Schüler über weite Teile des Unterrichts nicht wissen, worum es geht. Diese beiden optisch sichtbar gemachten Mängel des Informationsgehalts hätten somit bereits
im Vorfeld erkannt und modifiziert werden können. Auf der anderen Seite bestätigt die dunkle
Linie zum Informationsgehalt des Lehr-Lernprozesses, dass die Studierenden hier sorgfältig
geplant haben.
Zusammenfassend wäre die Einführung einer Spalte „Informationsgehalt“ innerhalb von
Unterrichtsdokumentationen wichtig, weil sie Leerstellen, Informationsmängel sowie Informationsüberschüsse sichtbar macht und dazu beiträgt, den geplanten Informationsgehalt des
Unterrichts an die Schülerinnen und Schüler, an die Sache und an die Lehrperson anzupassen. Tab. 3 zeigt die Profile, die sich theoretisch ausdifferenzieren lassen:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
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25.
26.
27.
*
*
*
*
*
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Anmerkungen zum
Informationsgehalt
insgesamt
Ebene 3
Informationsgehalt
Begründung des
Lehr-Lernprozesses
Ebene 2
Informationsgehalt
Lehr-Lernprozess
Ebene 1
Informationsgehalt
Inhalt (2-schichtig)
Profil
Tab. 3: Profile zum Informationsgehalt des Unterrichts
hoch Sehr angemessen
unangemessen - schlecht
noch angemessen
langfristig problematisch
Profil existiert in der Praxis nicht
problematisch
problematisch
problematisch
Profil existiert in der Praxis nicht
hoch, angemessen
hoch, angemessen
angemessen
angemessen
problematisch
langfristig problematisch
langfristig problematisch
problematisch
Profil existiert in der Praxis nicht
Profil existiert in der Praxis nicht
langfristig problematisch
problematisch
langfristig problematisch
problematisch
angemessen
angemessen
problematisch
Profil existiert in der Praxis nicht
Sind nun alle Ebenen gleichermaßen wichtig? Eine Bewertung der denkbaren Fälle, ergibt
folgenden Befund: Ist Ebene 1 nicht realisiert, wissen die Schülerinnen und Schüler nicht,
worum es geht und die Differenziertheit, Menge sowie der Wahrheitsgehalt der Sache sind
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nicht auf den Unterricht abgestimmt. Ein Mangel wie auch ein Überangebot an Informationen
auf dieser Ebene schränkt Lernen ein. Unter motivationstheoretischer Perspektive ist die
Kompetenzerfahrung eingeschränkt bzw. nicht vorhanden; die Motivation sinkt, sichtbar daran, dass die Schülerinnen und Schüler nicht mehr aktiv mitarbeiten oder sich anderen Inhalten zuwenden. Unterricht, dessen Informationsgehalt auf der Inhaltsebene problematisch ist,
d.h. nichts bzw. nichts Neues bietet oder so viel Neues bietet, dass der einzelne Schüler
bzw. die einzelne Schülerin bei aller Differenzierung überfordert ist, bindet potenzielle Lernzeit – ein Befund der auch immer wieder repliziert wurde (z.B. Helmke 2005). Deshalb sind in
Tab. 3 die Profile als problematisch eingestuft, bei denen die Schülerinnen und Schüler keine
bzw. zu viele, zu differenzierte oder falsche Informationen zur Sache erhalten.
Die Informationsgehalte auf den anderen Ebenen werden hinsichtlich des Lernzuwachses
unwichtig, wenn Ebene 1 keinen vertretbaren Informationsgehalt bietet. Dennoch kann der
Unterricht in seiner Ablaufstruktur „reibungslos“ stattfinden (vgl. Profil 8, Profil 14).
Ist Ebene 2 nicht realisiert (z.B. Profil 7), wird der Unterricht im Ablauf gebrochen und
Lernzeit geht verloren. Die Schülerinnen und Schüler sind desorientiert und wissen nicht,
was zu tun ist. Ein problematischer Informationsgehalt auf dieser Ebene ist aus Beobachterperspektive sowie für die Lehrpersonen rasch erkennbar, weil der geplante Verlauf dadurch
gebrochen ist. Dies gilt für alle Lehr-Lernformate. Je nach gewohntem Unterrichtshabitus
können die Schülerinnen und Schüler diesen Informationsmangel bzw. -Überschuss in Anteilen selbst kompensieren.
Ist Ebene 3 nicht realisiert, ist dies auf der Oberflächenebene zunächst nicht sichtbar.
Dennoch ist diese Ebene von Bedeutung, denn eine Lehrperson, die auf dieser Ebene auf
Informationsgehalt Wert legt, bietet Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, sich zu den
geplanten didaktischen und methodischen Entscheidungen zu äußern und ist bereit, Unterricht kooperativ zu konstruieren. Dies gilt für alle geplanten Lehr-Lernformate. Wird diese
Ebene vernachlässigt, definiert eine Lehrperson ihre Rolle stark instruktiv und weniger kooperativ. Hier werden Entwicklungsmöglichkeiten im personalen Bereich vernachlässigt, da
Schülerinnen und Schüler langfristig erleben, dass sie sich in eine von der Lehrperson vorgesehene Struktur von Unterricht einzufinden haben, ob sie das wollen oder nicht. Dies gilt
auch für sogenannte offene Unterrichtsformen. Hier besteht zudem die Gefahr, dass auf der
Oberflächenebene der Eindruck von Freiheiten und Mitbestimmung entsteht, beispielsweise
durch Formate wie „Lerntheken“, „Stationenarbeit“. Auch hier verdecken minimale Mitbestimmungsfenster, dass die Konstruktion von Unterricht durch die Lehrperson vorgenommen
wird und die Rolle der Schülerinnen und Schüler darin besteht, sich in dieser Konstruktion
ein- und zurechtzufinden. Wird zu viel begründet, ohne dass dadurch der Lernprozess bzw.
die gemeinsame Konstruktion von Lehr-Lernsituationen begünstigt werden, geht ebenfalls
aktive Lernzeit verloren. Da ein ungünstiger Informationsgehalt bezogen auf die Begründungen (Ebene 3) langfristig die kooperativen Möglichkeiten zwischen Lehrperson und Schüler
bzw. Schülerin mindert, sind diese Profile in Tab. 3 als „langfristig problematisch“ markiert.
Einige Profile existieren in der Praxis nicht; auch sie sind entsprechend gekennzeichnet.
Betrachtet man Tab. 3 in der Zusammenschau wird deutlich, dass nur wenige Profile ein
Transparenzformat generieren, das aus schulpädagogischer Perspektive verantwortbar ist.
Diese angemessenen Profile sind markiert (*). Die Vielzahl an problematischen Profilen verdeutlicht, dass Unterricht hinsichtlich des Informationsgehalts zu reflektieren und vorzubereiten ist und somit zum Aufgabenfeld einer professionalisierten Lehrperson gehört.
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5.2 Heuristik zur Ermittlung des Informationsgehalts
Die vorgeschlagene Aufnahme des Informationsgehalts von Unterricht steht in Passung zu
den vorliegenden Ergebnissen der Unterrichtsforschung. Die entwickelte Heuristik (Abb. 3)
zeigt auf, wie der in der Planung vorgesehene Informationsgehalt von Unterricht rekonstruiert
werden kann. Diese Rückversicherung ist deshalb besonders wichtig, weil Lehrpersonen so
aufgefordert sind, den Unterricht aus der Schülerperspektive zu denken; ein Vorgang, der
zuweilen schwerfällt, da sich die planenden Lehrpersonen auf die Logik der Planungsschritte
und Handlungsanweisungen konzentrieren und die Ablaufstruktur im Blick haben. Dieser
Informationsvorsprung kann dann auch zu Unangemessenheiten führen: zu rasches Voranschreiten, Ungeduld, Ärger, wenn etwas anders verläuft als geplant.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Informationsgehalt des Unterrichts in
den drei beschriebenen Ebenen bedeutsam ist: Ist den Schülerinnen transparent und verständlich, dass und was sie lernen, wie sie lernen und können sie sich hierzu auch äußern
und gegebenenfalls andere Formate vorschlagen, trägt der Unterricht zur Selbst- und Mitbestimmung bei. Unterrichtsbeobachter/-innen sollten sich nicht von einer gut konstruierten
Ebene 2 (Informationen zum Lehr-Lernprozess) darüber hinwegtäuschen lassen, dass gegebenenfalls die Ebene 1 nur schwach ausgebildet ist, denn sie ist ebenso grundlegend für den
Lernprozess. Werden den Schülerinnen und Schülern keine neuen Lernchancen eröffnet,
kann auch nichts Neues gelernt werden (auch wenn oberflächlich der Unterricht „läuft“).
Schließlich sind für Beobachter/innen von Unterricht die Begründungen, die Lehrpersonen
geben, nicht aus dem Blick zu verlieren. Das ist leicht möglich, weil die Konsequenzen für
die Schülerinnen und Schüler auf der Ebene der Mitbestimmung schwer bestimmbar und
kaum operationalisierbar sind. Wissen die Schülerinnen nicht, was zu tun ist (Ebene 2) und
haben sie nichts, zu wenig oder zu viel zu lernen (Ebene 1) ist dies ablesbar am Schülerverhalten. Anders verhält es ich bei Ebene 3. Da für die Lehrperson kein Druck zur Verhaltensänderung über die Erfahrung des konkreten Unterrichts entsteht, besteht die Gefahr, dass
Anteil des Informationsgehalts vernachlässigt wird. Die analytische Berücksichtigung der
Ebene 3 ist daher besonders wichtig und auf planende Reflexivität angewiesen. Hierzu trägt
die Dokumentation in ausführlichen Unterrichtsentwürfen bei.
Der Informationsgehalt des Unterrichts
Ebene 1: Informationsgehalt zu den Unterrichtsinhalten
 Sind die Inhalte in Menge, Umfang und Differenziertheit angemessen, um die angestrebten Kompetenzen
zu
erreichen?
 Wissen die Schülerinnen und Schüler zu jedem Zeitpunkt des Unterrichts, worum es geht?
Ebene 2: Informationsgehalt zum Lehr-Lernprozess
 Wissen die Schülerinnen und Schüler, was sie im Augenblick zu tun haben?
Ebene 3: Informationsgehalt zur Begründung des Lehr-Lernprozesses
 Wissen die Schülerinnen und Schüler, warum sie das, was sie gerade tun, so tun und nicht anders?
Abb. 3: Heuristik zur Ermittlung des Informationsgehalts
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Die Berücksichtigung des Informationsgehalts von Unterricht in die Unterrichtsvorbereitung
einzubinden und seine analytische Ausdifferenzierung auf den beschriebenen Ebenen ist
daher wichtig. Hierzu tragen die in Abb. 3 formulierten Leitfragen bei. Sie bilden – ähnlich
der bewährten Heuristik Wolfgang Klafkis zur didaktischen Analyse – eine Analyse und Reflexionshilfe.
Das vorgestellte Konzept zur planenden Einbeziehung des Informationsgehalts von Unterricht strebt Unterricht an, der die beschriebenen Aufgaben von Schule und Unterricht umsetzt. Hierbei ist „Transparenz“ für die Schülerinnen und Schüler notwendig. Notwendig sind
jedoch auch transparenzfreie Räume. „Impermeabilität“, Intransparenz, informationsfreie
Räume sind für jeden Menschen wichtig (vgl. Byung-Chul Han 2015); das gilt auch für den
schulischen Kontext. Schülerinnen und Schüler schaffen sich diese intransparenten „Räume“
zumeist selbst und zuweilen heimlich. Die hier vorgeschlagene Heuristik zur Ermittlung des
Informationsgehalts schließt lernfreie, zweckfreie und unbeobachtete Zeit-Räume nicht aus.
Sie zuzulassen und in das schulische Leben und Lernen aufnehmen zu können, wird möglicherweise eine neue Herausforderung in der Zukunft der Lehrerbildung sein.
Um den Informationsgehalt von Unterricht für eine Praxis guten Unterrichts sicht- und reflektierbar zu machen, braucht es momentan Orientierungspunkte in der Phase der Konstruktion von Unterricht, d.h. bei der Unterrichtsvorbereitung. Die vorgeschlagene Heuristik
stellt hierzu grundlegende Fragen und wird aktuell in schulpraktischen Kontexten eingesetzt
und evaluiert.
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Dr. habil. Ilona Esslinger-Hinz,
ist Professorin für Schulpädagogik an der Pädagogischen Hochschule
Heidelberg. Arbeitsschwerpunkte: Lernen in schulpraktischen Zusammenhängen, Schulkultur, Allgemeine Didaktik, Schulentwicklung.
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