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Auf Krölle-Bölles Spuren
Reportage von Antonia Hauser
Immer dunkler und geheimnisvoller wird der Pfad, denn nur wenige Sonnenstrahlen
blinzeln durch die dichten Kronen der Laubbäume. Wir folgen einem kleinen Bachlauf, der
sich ruhig durch das Tal schlängelt, um dann plötzlich unseren Weg zu kreuzen. Keines der
neun Mädchen, mit denen ich mich von Rügen aus aufgemacht habe, um die Nachbarinsel
Bornholm zu erkunden, spricht. Konzentriert weichen wir den glitschigen, mit Moos
bewachsenen Steinen aus, suchen Halt an den rauen, feuchten Felswänden. Das Paradisdal,
wie dieses Spaltental genannt wird, ist das kleinste seiner Art auf Bornholm. Es ist sehr
schwer zu finden, weil nur ein unscheinbarer, handbeschriebener Stein darauf hinweist.
Mehrmals haben wir uns verlaufen und entgegenkommende Wanderer und Fahrradfahrer
nach dem Weg gefragt. Als wir das Ende des Tales erreichen und auf eine Anhöhe
hinaufklettern, wissen wir, dass sich unsere Mühe und Geduld gelohnt haben. Ein
atemberaubender Blick auf die mittelalterliche Burg Hammershus, der größten in
Skandinavien, überrascht und fesselt uns. 74 Meter über der Ostsee thront die Ruine auf
einem beeindruckenden Granitblock. Nach einer kurzen Erholungspause machen die
Mädchen Fotos. Ist das ein Piratennest? Eine Wikingerburg? Wer mag dort wohl gelebt
haben? Vielleicht treiben die Trolle von Langebjerg auch hier ihr Unwesen? Die Kinder
überlegen. Der Legende zufolge erwacht der in der Nähe der Burgruine gelegene Hügel
Langebjerg um Mitternacht zum Leben und der Troll Krölle-Bölle bricht zu einem seiner
Bornholm-Abenteuer auf. Das freche Kerlchen, das gleichzeitig Maskottchen der Insel ist,
bezaubert mit seinem Charme auch meine Mädchen. Besonders beliebt ist Krölle-Bölle als
Softeis. Unsere sechstägige Reise – wir fahren mit dem Fahrrad von Rønne über die Städte
Hasle, Allinge nach Svaneke – führt uns auch nach Gudhjem. In der malerischen Hafenstadt
befindet sich die weltberühmte Eisdiele Gudhjem Special. Ungeduldig hüpfen die Mädchen
vor mir auf und ab und diskutieren die Wahl des Toppings. Es gibt alles, was ihr Herz
begehrt: Kokosraspel, Schokoladensplitter und bunten Streuzucker. Von unserem
Begleitfahrzeug jedoch, in dem sich die Tourkasse befindet, ist weit und breit nichts zu
sehen. Voll Mitleid sieht uns der Eisverkäufer an. Ich versuche ihm auf Englisch
verständlich zu machen, wo unser Problem liegt und er erlaubt uns, in der Eisdiele zu
warten. Ein Gewitter zieht auf, es schüttet wie aus Eimern. Wilde Theorien über den
Verbleib unserer Tourbegleiterin machen die Runde: Ob sie von Trollen überfallen oder gar
entführt worden ist??? Doch da kommt Kerstin endlich angelaufen und eine glückliche
Kinderschar überfällt nun ihrerseits den freundlichen Eisverkäufer. Augenblicklich sind das
schlechte Wetter und das lange Warten vergessen. Unsere Suche nach Trollen und anderen
Schauergestalten kann weitergehen...