Presseinformation Saaltexte „Cowboy & Indianer – Made in Germany“ (19.3. – 3.10.2016, Schloss Karlsruhe) Kennst Du das Land, wo die Indianer wohnen? Wohl in keinem anderen Land – außer den USA – sind seit der Tour von Buffalo Bills Wild-West-Show 1890/91 die Bilder von Cowboys und Indianern in der Kultur so verankert wie in Deutschland. Waren es zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch literarische Beschreibungen und Reiseberichte, die die Fantasie des Lesers in Gang setzten, so verfestigten später populäre Bildwerke und die Darsteller in Shows, im Zirkus und in Völkerschauen einen bis heute populären Typus des „echten‛ Cowboys und Indianers. Edle „Rothäute‛ und raue Kerle wie Winnetou und Old Shatterhand hielten Einzug in die Freizeit und Unterhaltungsindustrie. Westernvereine, Filme, Karneval und Freilichtspiele zeugen von einer bis heute anhaltenden Faszination. Nicht zuletzt hatten und haben Kinderspielzeuge und Romane wie von Karl May einen großen Anteil an der Begeisterung für den Wilden Westen. Aber auch politisch wurde das Thema vom Kaiserreich über den Nationalsozialismus bis in das geteilte Deutschland hinein vereinnahmt und ideologisiert. Aufgeladen mit Sehnsüchten und verfestigten Klischees bietet es sich von jeher als Projektionsfläche an. Den Wandlungen deutscher Bilder von Cowboys und Indianern will diese Ausstellung nachspüren, die sich an kleine wie „große‛ Kinder richtet. Bilder in den Köpfen In der Betrachtung des „Fremden‛ spielen Stereotypen oder Klischees eine zentrale Rolle. Sie verhelfen zu Vereinfachung und Struktur und bestätigen auch die Werte der eigenen Kultur. Gleiche Bilder können jedoch unterschiedlich interpretiert und genutzt werden. Daher ist es wichtig, Klischees zu erkennen und zu hinterfragen oder ihre Wandlungsfähigkeit aufzuzeigen. Verkleidungen greifen stereotype Vorstellungen auf und verdeutlichen oft, was den einzelnen im Alltag beschäftigt. Sie treffen Aussagen über Geschlechterrolle, Status oder wie jeder sich selbst sieht. Die einen zeigen mit ihrem Kostüm, dass sie sich vom Täglichen befreien wollen, andere verwirklichen ein Ideal. Der Wilde Westen bekommt ein Gesicht Die Vorstellungen vom Wilden Westen waren zunächst hauptsächlich literarisch geprägt. Wie etwa bei den ab 1823 erschienenen Lederstrumpf-Romanen von James Fenimore Cooper war der Leser gefordert, sich in der Phantasie ein eigenes Bild zu schaffen. Bald jedoch gaben Illustratoren und Maler detaillierte Einblicke in die Weiten Nordamerikas. Über Bücher und illustrierte Zeitschriften trugen ihre Bilder den Wilden Westen nach Europa. Rudolf Daniel Ludwig Cronau (1855 – 1939), der unter anderem für die populäre Zeitschrift „Gartenlaube‛ arbeitete, lernte in den USA Buffalo Bill und Häuptling Sitting Bull kennen. Mit seinen Bildern und Reisebeschreibungen bereitete er den Erfolg Buffalo Bills in Deutschland vor. Bis heute gilt er als wichtiger Dokumentar indianischer Kultur im späten 19. Jahrhundert. Buffalo Bill – Ein Entertainer William Frederick Cody (1846 – 1917), genannt Buffalo Bill, arbeitete unter anderem als Zugführer, Post-Reiter und Goldsucher, bevor er Bisonjäger und Kundschafter für die US-Armee wurde. Beeindruckt von der Person Buffalo Bills verfasste der Journalist Ned Buntline erfolgreiche Romane über ihn. 1883 gründete Buffalo Bill seine eigene Wildwest-Show. Sein Geschäftspartner war der Schauspieler Nate Salsbury – ein Meister der Finanzen und Logistik. Die Show stellte Büffeljagden, Postkutschenüberfälle und Indianerkämpfe nach und tourte 30 Jahre durch die USA und Europa. Maßgeblich für den Erfolg war Buffalo Bills Talent als Marketingstratege. Das Interesse an der Show und somit der Erfolg ließen allerdings immer mehr nach, bis sie 1913 eingestellt wurde. Finanziell ruiniert starb Buffalo Bill 1917 in Denver, Colorado. Die Show kommt nach Deutschland Buffalo Bill gastierte auf seiner Europatournee 1890/91 in 22 deutschen Städten, darunter vom 23. bis zum 26. April 1891 in Karlsruhe. Auch 1906 machte die Show erneut in Deutschland Halt. Buffalo Bill war nicht der Erste und Letzte, der Indianer im deutschsprachigen Raum präsentierte. Aber er verstand es, „völkerkundliche‛ Aspekte mit dem Showevent zu verbinden. Gerade die Reitkultur der Prärie-Indianer und Cowboys begeisterte das Publikum, da sie durch Adel und Militär ein hohes Ansehen genoss. Buffalo Bill stand mit seinen Schieß- und Reitkünsten und seiner Rolle als Freund der Indianer stets im Mittelpunkt. Die Zahl der Darsteller und Tiere nahm immer weiter zu. Der dafür notwendige technische und logistische Aufwand war enorm und begeisterte die Menschen ebenso wie die Show selbst. Die Stars der Show – Indianer von Beruf Buffalo Bill engagierte Indianer aus unterschiedlichen Stämmen mit ihren Häuptlingen. Drei der Häuptlinge erregten besonderes Interesse, da sie direkt aus der Widerstandsbewegung von 1889/90 nach Deutschland kamen. Statt in Haft zu gehen, wurden sie und 20 weitere Krieger von Buffalo Bill für seine EuropaTour angeworben. Für die Indianer eröffnete sich ein ganz neues Berufsfeld: „Wild Westing‛, eine Bezeichnung für die Arbeit in Wild-West-Shows oder Rodeos. Während in den Reservaten traditionelle Lebensweisen verboten waren, um die Indianer zu „guten‛ Staatsbürgern zu machen, boten die Shows eine Nische, die eigene Kultur und Identität zu bewahren. Wild Westers arbeiten heute noch beim Film, bei Rodeos und in Westernshows. In einigen indianischen Familien hat dies seit Buffalo Bills Show Tradition. Heiße Eisen und wilde Reiter Keine Wildwest-Show ohne Cowboys! Mit Pferderennen, Reit- und Lassokünsten nahmen sie Bezug auf die klassische Cowboy-Periode zwischen 1865 und 1880, als große Rinderherden zusammengetrieben wurden. Viele Viehtreiber waren Afroamerikaner, andere mexikanischer oder indianischer Herkunft. Die Cowboys in den Wildwest-Shows und ihre Kleidung prägten das gängige Cowboy-Bild mit, das später auch Hollywood übernahm. Zwischen all den Männern war die zartgebaute Kunstschützin Annie Oakley (1860 – 1926) eine Hauptattraktion bei Buffalo Bill. Aufgewachsen in einer armen Familie, brachte sie sich mit 8 Jahren selbst das Schießen bei. Mit Auftritten, bei denen sie ihrem Mann die Zigarette aus dem Mund schoss oder Karten in der Luft durchlöcherte, avancierte sie zum internationalen Star. Faszination Wilder Westen Die wachsende Faszination am Wilden Westen in Deutschland gründete sich auf der Sehnsucht nach Ursprünglichkeit, denn die Industrialisierung und Verstädterung empfanden viele als negativ. Die Sozialgesetzgebung Bismarcks Ende des 19. Jahrhunderts ermöglichte zudem den mittleren und unteren Schichten erstmals „Freizeit‛. Die Bevölkerung wurde immer jünger und der Bedarf nach Unterhaltung größer. Neben neuen Techniken in der Herstellung von Printmedien kam der Siegeszug von Fotografie, Kinematograph und Unterhaltungsliteratur: Grundlagen der „Massenkultur‛. Buffalo Bills Show ließ die bereits bestehenden populären Bilder Nordamerikas geradezu lebendig werden. Auf seinen Erfolg reagierten deutsche Spielzeughersteller und Verlage bereits während der Tournee 1890/91. Völkerschauen – Indianer gibt’s zu sehn Buffalo Bills Show reihte sich in die damals beliebten „Völkerschauen‛ ein. Carl Hagenbeck – der erfolgreichste im Metier – organisierte zwischen 1875 und 1930 jährlich mindestens eine Völkerschau. Sie besaßen einen bildungsbürgerlichen Anspruch. Unter dem breiten Spektrum der präsentierten „Völkerschaften‛ nahmen die Indianer eine Sonderstellung ein. So lockten 1910 Oglala-Sioux 1.100.000 Besucher in Hagenbecks Tierpark in Hamburg. Die Show orientierte sich an dem Vorbild Buffalo Bills. Spätestens jetzt war das deutsche Indianerbild auf die Stämme der nordamerikanischen Prärie verfestigt. Die Darsteller wurden entsprechend ausgesucht und von den Unternehmern oft eigens eingekleidet. Häufig wurden indianische Namen und der Stammesstatus der Darsteller von den ShowBetreibern erfunden. „Rotes Dresden“ – Hans Stosch Sarrasani Hans Stosch Sarrasani (1873 – 1934) baute zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen modernen Zirkus auf. Sein elektrisch beleuchtetes Zirkuszelt, mit dem er europaweit gastierte, bot 3.600 Menschen Platz. Bereits 1907 waren Indianer Bestandteil seines Zirkusprogramms, darunter 1913/14 Häuptling Edward Two-Two. Sich selbst inszenierte Sarrasani gern als Cowboy. 1912 eröffnete er in Dresden einen festen Zirkusbau. Dort wurden zwischen den Darbietungen eigens gedrehte Wild-West-Szenen gezeigt. Mehrmals besuchte Sarrasani mit seinen Indianern medienwirksam das Grab Karl Mays in Radebeul. In den 1930er Jahren griff Sarrasani auch auf Mitglieder des ersten Dresdner „Indian- und Cowboy-Klubs‛ als Darsteller zurück: Sie waren optisch bereits die perfekte Wildwest-Illusion. Zuschauen genügt nicht mehr... Bis 1914 stellte sich der Wilde Westen in Deutschland noch vorwiegend im Spiegel umherreisender Western-Shows und der reichlich erscheinenden Romane dar. Die Menschen konnten sich mithilfe dieser Geschichten in den Wilden Westen träumen und gleichzeitig „echte‛ Westernhelden aus den USA in den Shows und Völkerschauen bewundern. Der Wilde Westen stand spätestens seit Buffalo Bill für Abenteuer und Freiheit. Gefahren und Konflikte bei der Erschließung dieses Landes hatte man in Europa nahezu ausgeblendet. So dauerte es auch nicht lange, bis die Begeisterung sich vor allem bei Heranwachsenden neue Bahnen brach. Man eiferte den Helden aus dem Wilden Westen nach und wollte so sein wie sie. So machte man ihr Leben zu einem wichtigen Teil des eigenen. Indianerpädagogik Der kanadische Naturforscher Ernest Thompson Seto hatte 1902 eine besondere Form der Jugenderziehung entwickelt: „Woodcraft‛ – eine Erziehung basierend auf Naturerleben, Handwerk und „indianischen‛ Elementen. Damit beeinflusste er den Gründer der Pfadfinder-Bewegung, Robert Baden-Powell, und schloss seine „Woodcraft Indians‛ daran an. Das erlebnispädagogische „Indianertum" breitete sich international aus und wurde von vielen Jugendverbänden aufgegriffen. Auch die Gründung des Deutschen Pfandfinderbundes war 1911 von Setos „Woodcraft Indians‛ beeinflusst. Organisationsformen („Stämme‛), Gemeinschaftsrituale (Zeltlager, Lagerfeuer, Waldläufe) sowie das Ideal eines Lebens in Harmonie mit der Natur – all dies sind Elemente, die die Erlebniswelt von Boy Scouts, Pfadfindern und der bündischen Jugend prägten. Heidelberg statt Hollywood Die deutsche Filmindustrie erlangte in der Weimarer Republik internationalen Rang. Bereits 1919 waren Heidelberg und das Neckartal Schauplatz des ersten deutschen Westernfilms. „Bull Arizona – Der Wüstenadler‛ bietet Westernstoff wie er klassischer kaum sein könnte: Postkutschenüberfälle, Saloonschlägereien, Kämpfe mit Indianern und auch eine Liebesgeschichte. Hauptdarsteller Hermann Basler hatte mehrere Jahre in den USA verbracht und dort dieses neue Filmgenre für sich entdeckt. Seine Eltern waren für Regie und Drehbuch verantwortlich. 1920 folgte die Fortsetzung „Das Vermächtnis der Prärie‛. Der dritte Neckarwestern „Feuerteufel‛ des Heidelberger Stummfilmstudios Glashaus fiel 1921 der Filmzensur zum Opfer. Die Konkurrenz aus der Filmmetropole Berlin führte 1924 schließlich zum Aus des Heidelberger Studios. Die ersten deutschen Wildwestclubs Mit einem Freund gründeten 1913 die Brüder Sommer den „Losverein ‚Wild West’‛, um mit den Spielgewinnen später in die USA auszuwandern. Etwa 1920 erfolgte die Namensänderung in „Cowboy-Club München-Süd‛. Man beteiligte sich am Fasching, organisierte eigene Feste oder trat bei Zirkus Krone auf. Die in den Vereinsstatuten verankerten Ansprüche, möglichst authentische Requisiten zu haben, führten dazu, dass die Ausrüstung akribisch nach Fotos, Büchern oder Museumsoriginalen gefertigt wurde. Auf den ersten Wildwestclub Deutschlands in München folgten bald weitere Gründungen in deutschen Städten. So etwa in Freiburg, wo gleich zwei Vereine entstanden: Der Cowboy Club Buffalo 1919 sowie der Wild-West Club Freiburg 1921. Alle drei Vereine existieren noch heute. Tom Mix – Vom Filmstar zum Comic-Helden Tom Mix (1880 – 1940) war einer der frühen Westernfilmstars und in Deutschland besonders in den 1930er Jahren beliebt. Nachdem er zunächst als „Cowboy‛ in Wild-West-Shows aufgetreten war, spielte er bis 1917 in Stummfilmen mit, war Stuntman, Regisseur, Autor und Produzent. Bei „Fox Film‛ wurde er mit dem Pferd „Tony the Wonderhorse‛ endgültig zum Star. Mit dem Ende des Stummfilms um 1928 wechselte er zu „Universal Pictures‛. 1935 zog er sich aus dem Filmgeschäft zurück. Er war an über 300 Produktionen – davon neun Tonfilme – beteiligt. Ein Stern auf dem „Hollywood Walk of Fame‛ erinnert heute an ihn. Auch nach seinem Tod wurde der Cowboy-Filmstar vermarktet und gelangte 1953/54 in Deutschland als Comic-Held noch einmal zu Berühmtheit. Billy Jenkins – Ein deutscher Show-Cowboy Erich Otto Rosenthal (1885 – 1954), alias „Billy Jenkins‛, machte in den USA eine Ausbildung in artistischer Reit- und Lassokunst und erlernte den Umgang mit Feuerwaffen, Pfeil und Bogen. Erste Auftritte hatte er 1909 in Berlin. Später trat er auch vereinzelt in Filmen neben Tom Mix auf. Der Halbjude nahm den Namen seiner arischen Mutter an und hieß ab 1933 Erich Fischer. Ein Eintritt in die NSDAP verhalf ihm zu regelmäßigen Varieté-Auftritten und der Aufmerksamkeit Hitlers und Goebbels. Engagements hatte Billy Jenkins auch beim Zirkus Sarrasani. Ein Zugunglück beendete jedoch seine Show-Karriere – er musste ein Stahlkorsett tragen. Ab 1949 zog Billy Jenkins mit der eigenen „Wild-West Show – American Cowboy Sport‛ durch Deutschland. Recht und Ordnung Im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten‛ kann ein Cowboy zum Präsidenten werden, wenn er nur rechtschaffend genug erscheint. So wie Ronald Reagan, der zunächst im Film „Law and Order‛ (1953) für Ordnung sorgte – und ab 1960 in den deutschen Kinos „Die Hand am Colt‛ hatte. „Law and Order‛ zieht sich als roter Faden durch das Bild des amerikanischen Westens und des Western als Filmgenre. Zwei Motive bestimmen dabei das Western-Bild bis heute: Selbsterfahrung im Unwirtlichen und Sieg über das Unrecht. „Westmen‛ sind Ikonen der Männlichkeit. Sie kämpfen für ihre Ziele. Mit klarer Trennung von Gut und Böse und klarer Festlegung der Geschlechterrollen. Diese Stereotypen wurden erst in den 1960er Jahren mit dem Beginn von Studenten-, Bürgerrechts-, Frauen- und Antikriegsbewegung in Frage gestellt. Was wäre Karl ohne seine Klara? Er war schillernd und umstritten: Karl May (1842 – 1912) gehört zu den meistgelesenen deutschsprachigen Autoren und seine Werke wurden in 37 Sprachen übersetzt. Als Sohn erzgebirgischer Weber war er am Lebensabend gutsituiert und wohlhabend. Karl May behauptete, als Old Shatterhand die Ereignisse seiner Romane selbst erlebt zu haben. Nach seinem Tod 1912 wurde seine Frau Klara (1864 – 1944) Universalerbin. 1913 gründete sie den Karl-May-Verlag und glättete das Image ihres Mannes. Später erlaubte sie Bearbeitungen und Änderungen seiner Bücher. Mit dem Artisten Patty Frank eröffnete sie 1928 in der Villa Bärenfett im Garten der Villa Shatterhand in Radebeul das Karl May-Museum. Es wurde zum Multiplikator für das Image Karl Mays als Western-Autor. Klara Mays Geschäftssinn hatte dies ermöglicht. Marlene – Ein deutsches Cowgirl Marlene Dietrich (1901 – 1992) ist Hollywood- und Stilikone. Der internationale Durchbruch gelang ihr 1930 mit „Der blaue Engel‛ von Josef von Sternberg. Mit ihm ging sie Anfang der 1930er Jahre auch nach Hollywood. Der Film „Der große Bluff‛ (1939) wandelte ihr Image: von der Unnahbaren zur sich prügelnden Barfrau, die schlüpfrige Lieder singt. 1939 legte Dietrich die deutsche Staatsbürgerschaft ab und nahm die US-amerikanische an. Während des 2. Weltkriegs sang sie für US-amerikanische Soldaten und besuchte deren Lazarette. Während „die Dietrich‛ im Film die klassische weibliche Westernrolle mimt, zeigt sie privat auch mit ihrer Vorliebe für Westernkleidung die Bindung an ihre neue Heimat. Bereits in den frühen 1930er Jahren hatte sie Hosen für Frauen gesellschaftsfähig gemacht. Politisch vereinnahmt Der Wilde Westen war wegen seiner Popularität im Nationalsozialismus kaum angreifbar. Auch Adolf Hitler und andere Parteigrößen bekannten sich zu ihren Indianerbüchern. Aspekte wie Kampfgeist, Kameradschaft, Treue oder die Verbundenheit zur Natur ließen sich mit der nationalsozialistischen Ideologie in Einklang bringen. Sie stützten den Führerkult und das politische Konstrukt der Deutschen als „Volk aus den Wäldern‛. Wie die Jugendbewegung zuvor, übernahm auch die Hitlerjugend „indianische‛ Elemente. 1938 fanden im sächsischen Rathen die ersten Karl-May-Spiele statt und fügten sich in das politische System ein: Ein großer Teil der Besucher bei der Uraufführung waren Mitglieder der Hitlerjugend. Bereits in der ersten Saison sahen 350.000 Besucher diese Inszenierungen. Winold Reiss – Sie nannten ihn Biberkind Winold Reiss (1886 – 1953) wurde als Sohn des „Schwarzwaldmalers‛ Fritz Reiss in Karlsruhe geboren. Nach Abschluss seines Malereistudiums reiste er 1913 in die USA, wo er zunächst als Pionier der „Modern Decorative Art‛ Karriere machte. Seine Faszination für die amerikanischen Ureinwohner führte ihn im Winter 1919/20 erstmals zu den Blackfeet-Indianern nach Montana. Dort verbrachte er fortan jeden Sommer und machte die Blackfeet mit der Malerei vertraut. Seine Indianerbilder erlangten nicht nur in den USA große Bekanntheit, sondern waren auch in Deutschland weit verbreitet. Nachdem Winold Reiss 1953 verstorben war, verstreuten die Blackfeet-Indianer seine Asche in einer Zeremonie über ihr Heiliges Land – als „Biberkind‛ hatten sie ihn noch zu Lebzeiten in ihren Stamm aufgenommen. Der Wilde Westen lebt weiter Nach 1945 knüpfte man schnell wieder an die Wildwest-Begeisterung der Vorkriegszeit an. Bis heute hat der Wilde Westen nichts an Attraktivität verloren, viele Bilder haben sich fest in die Köpfe eingebrannt. Sorgten in den 60er Jahren die Winnetou-Filme für eine Westernmanie, liefert das Genre auch heute noch erfolgversprechende Stoffe für die Filmindustrie. Auch in der Mode bleibt der Westernstyle Trend: Jeans, Stiefel, „Ethnomuster‛ oder Schmuck mit Federn gehören fest zum Alltagsbild. Die Figur des Indianers wird seit den 1980er Jahren in esoterisch-ökologischer Richtung mit dem „Hüter der Erde‛ assoziiert. Ganz aktuell führt das Westernreiten die traditionelle Arbeit der Cowboys als Sport weiter. Mit dem Motorrad fährt der Biker Sonnenuntergang, Abenteuer und Freiheit entgegen. Immer der Sehnsucht „Wilder Westen‛ hinterher … Symbole politischer Freundschaft Als Konrad Adenauer 1956 vom Staatsbesuch in den USA zurückkehrte, präsentierte er stolz einen Indianerkopfschmuck. In Milwaukee/ Wisconsin war er von einer Abordnung der Indianerstämme empfangen worden. Sie setzte dem deutschen Gast einen Kopfschmuck auf und führte ihm danach die Friedenspfeife an den Mund. Der Bundeskanzler wurde zum lebenslangen Ehrenmitglied der Indianer Wisconsins ernannt und erhielt den Beinamen „la ya da no lú‛ - „Weiser Häuptling vieler Menschen‛. Beim Staatsbesuch 1961 bekam er noch einen Cowboyhut. Konrad Adenauer blieb nicht der einzige deutsche Politiker, weitere Bundeskanzler folgten… Wildwest als Hobby Von jeher besitzen Wild-West-Vereine einen hohen Anspruch an Authentizität in Kostümen und nachgestellten indianischen Brauchhandlungen. Was in der BRD als Vorsprung durch den Zugang zu Information aus den USA bestand, wurde in der DDR durch Recherchen in Museen und Improvisation beim „Klamottenbau‛ wettgemacht. Schwer zu erhaltende ethnologische Fachbücher kopierte man auch handschriftlich. In Ost wie West etablierten sich Zeitschriften, die Wissen um den Wilden Westen fundiert bereitstellen wollten. Heute sind im „Western Bund e. V. Deutschland‛ rund 105 Vereine organisiert, davon 28 allein aus Baden-Württemberg. Zwar sind Cowboys und Indianer immer noch prägend, inzwischen erweitern Trapper, Siedler, Mexikaner und Südstaatler das Feld. Auch öffnen sich viele dem indigenen Powwow aus den USA. Faszination über alle Grenzen Seit den 1950er Jahren bildete sich in der Bundesrepublik eine spezifische Teenager-Industrie aus. Sie war beeinflusst von amerikanischen und englischen Moden und der Ausprägung von „Freizeit‛. Dies spiegelt sich in der Mode, dem Musikkonsum und dem Freizeitverhalten, aber auch im deutschen Kinofilm und seinen Idolen. Cowboy- und Indianerfilme faszinierten, wo Familie und Gesellschaft Grenzen setzten. Denn mit den Wild West-Helden war man schon auf halbem Weg ins „Land der unbegrenzten Möglichkeiten‛. Auch jenseits des „Eisernen Vorhangs‛ ging mitten im Kalten Krieg eine Strahlkraft von Amerika aus, die gerade junge Menschen in der DDR erreichte. Die Produktion der DEFA-Indianer-Filme lief zwar „systemkonform‛, konnte jedoch individuelle Freizeitgestaltungen in Indianistikvereinen und vor allem die Faszination am Wilden Westen nicht beschränken. Winnetou auf der Freilichtbühne 1952 begannen auf dem Kalkberg über Bad Segeberg die Karl May-Festspiele. Neben professionellen Schauspielern standen zunächst auch ortsansässige Bürger auf der Bühne. Kostüme wurden genäht, Kulissen gebaut und Ackerpferde als Mustangs ausgegeben. Der Erfolg: fast 100.000 Besucher. Auch die Freilichtbühne Elspe im Sauerland hatte ab 1958 „Winnetou‛ im Programm. 1975 baute man auf dem Gelände eine Western-Eisenbahn und einen Saloon. Mit dem Engagement bekannter Film- und Fernsehdarsteller, darunter Pierre Brice, entwickelten sich die Aufführungen auf den Freilichtbühnen zu aktionsgeladenen Spektakeln mit Spezialeffekten und Stunts. Im deutschsprachigen Raum gibt es derzeit rund 10 Freilichtbühnen, die nach dem Vorbild von Rathen, Bad Segeberg und Elspe Karl May-Spiele aufführen.
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