Ostern 2015 - Erasmus-alberus

(1) Mt 28,1-8; Lk 24,1-12; Joh 20,1-13. Und als der Sabbat vergangen
war, kauften Maria Magdalena und Maria, die [Mutter] des Jakobus, und
Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben.
(2) Und sie kommen sehr früh am ersten Wochentag zu der Gruft, als die
Sonne aufgegangen war.
(3) Und sie sprachen zueinander: Wer wird uns den Stein von der Tür der
Gruft wegwälzen?
(4) Und als sie aufblickten, sehen sie, daß der Stein zurückgewälzt ist; er
war nämlich sehr groß.
(5) Und als sie in die Gruft eintraten, sahen sie einen Jüngling zur Rechten
sitzen, bekleidet mit einem weißen Gewand, und sie entsetzten sich.
(6) Er aber spricht zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus, den
Nazarener, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe
da die Stätte, wo sie ihn hingelegt hatten.
(7) Aber geht hin, sagt seinen Jüngern und Petrus, daß er euch nach
Galiläa vorausgeht! Dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat.
(8) Und sie gingen hinaus und flohen von der Gruft. Denn Zittern und
Bestürzung hatte sie ergriffen, und sie sagten niemand etwas, denn sie
fürchteten sich. Erscheinungen des Auferstandenen.
Drei Frauen machen sich am Ostermorgen auf um Jesus, dem
Gekreuzigten die letzte Ehre zu erweisen. Sie wollen seinen Leichnam
salben mit kostbaren Ölen.
Das erinnert mich an unsere Friedhöfe. Meist sind es auch hier Frauen,
die sich auf den Weg machen, um die Grabstätte ihres verstorbenen
Ehemannes zu besuchen.
Auch sie wollen dem Toten noch eine Ehre erweisen, in dem sie das
Grab pflegen und frische Blumen dort hinbringen.
Meist verweilen sie noch eine Zeit am Grab, denken an den
Verstorbenen zurück, erinnern sich an Augenblicke, die sie zusammen
verlebt haben oder führen in der Stille ein Gespräch mit ihm.
Vielleicht erzählen sie ihm, was es neues gibt in der Familie oder sie
fragen sich, was der Verstorbene wohl zu diesem oder jenem Thema
gesagt hätte.
Auch diese Witwe ist nicht allein auf dem Friedhof. Dort sind noch
andere, die ihr Schicksal teilen, meist auch Frauen, die die Gräber ihrer
verstorbenen Männer besuchen.
Manchmal sitzen sie zusammen auf einer Bank, sprechen miteinander
über vergangene Zeiten oder darüber was es neues Im Dorf gibt.
So geschieht es auch am Ostermorgen. Drei Frauen besuchen zum
ersten Mal zusammen das Grab Jesu.
Sie waren nicht mit ihm verheiratet, aber er war ihnen ganz nah, er hat
das Leben mit ihnen geteilt. Sie waren zusammen auf der Wanderschaft
durch Palästina, sie sind zusammen durch dick und dünn gegangen. Sie
haben zu ihm aufgeblickt, sie haben ihn verehrt. Er hat ihrem Leben Sinn
gegeben.
Und dann geschah das Schreckliche. Vor wenigen Tagen waren Jesus
und seine Anhänger in Jerusalem noch stürmisch begrüßt worden. Mit
Palmzweigen haben sie die Straßen geschmückt. Manche haben ihre
Kleider ausgebreitet als Teppich, damit Jesus, der auf einem Esel saß
darüber reiten konnte.
Dann kam es zum Eklat: Jesus hat die Geldwechsler und Händler mit
einer Peitsche aus dem Tempel vertrieben und hat gerufen: Dieses Haus
soll ein Bethaus sein und ihre habt eine Räuberhöhle daraus gemacht.
Kurz darauf wurde Jesus am Sederabend von der römischen Polizei
verhaftet. Nur einen Tag später wurde er hingerichtet. Unfassbar.
Die drei Frauen hatten in Jesus den Messias erblickt, den, den Gott
senden wollte um sein Volk zu befreien. Es schien so, als würden auch
die Menschen in Jerusalem das begreifen. Die Jesusbewegung wurde
immer größer, immer mehr schlossen sich ihr an.
Und dann dieses schreckliche Ende. Die qualvolle Kreuzigung, der Tod.
Manche der Frauen und der Männer, die auf dem Friedhof um ihre
verstorbenen Ehepartner trauern, ist es ähnlich gegangen.
Nichts hatte auf den Tod ihres geliebten Partners hingedeutet. Alles
schien in Ordnung zu sein. Gemeinsame Aktivitäten und Reisen waren
geplant.
Und plötzlich geschieht das Unfassbare. Eine plötzliche Herzattacke, der
Notarzt muss kommen, Verlegung auf die Intensivstation und dann der
Anruf, wir müssen Ihnen mitteilen dass heute Nacht ihr Ehepartner
gestorben ist.
Verzweiflung, Fassungslosigkeit.
So müssen sich die drei Frauen gefühlt haben, als sie sich am
Ostermorgen zusammen auf den Weg gemacht haben um dem
gekreuzigten Jesus die letzte Ehre zu erweisen.
Und wieder geschieht das unglaubliche: Der Stein ist weggewälzt. Die
Frauen wundern sich. Wer hat den weggerollt? Der Stein war groß und
schwer.
Der Stein ist ein Sinnbild für den Stein, den die Frauen auf dem Herzen
hatten, als sie auf dem Friedhof ankamen. Sie hatten einen großen und
schweren Stein auf dem Herzen. Den Stein der Trauer, der Klage, der
Verzweiflung, der Fassungslosigkeit.
Und nun ist dieser Stein auf einmal weg gerollt.
Auch das ist ein Sinnbild.
Wie oft haben die Frauen die Erfahrung machen können, als Jesus noch
bei ihnen war, wie er Kranke wieder gesund machen konnte, wie Lahme
wieder gehen konnten, wie Blinde wieder sehen konnten, wie Taube
wieder hören konnten. Sogar Tote, den Lazarus und die Tochter des
Jairus, hat er wieder zu neuem Leben erweckt.
Und auch jetzt machen sie wieder diese Erfahrung. Der Stein ist
weggewälzt. Der Tod hat nicht das letzte Wort, Jeus ist von den Toten
auferstanden. Er ist nicht hier, sagen die Engel.
Der Stein ist weggewälzt, der Tod ist besiegt, die Verzweiflung ist
überwunden, die Angst ist überwunden.
In dieser Geschichte von der Auferstehung wird etwas verdichtet erzählt,
was wir auf die eine oder andere Weise immer wieder erfahren dürfen.
Da ist etwas, was uns in tiefe Verzweiflung stürzt, etwas, woran wir zu
zerbrechen meinen, was wir nicht aushalten und nicht tragen können.
Das kann der Tod eines geliebten Menschen sein, oder eine andere
schwere Krise, eine Krankheit, die nicht heilbar ist oder eine Sucht von
der wir nicht loskommen, ein Trauma, das unser ganzes Leben belastet.
Der Auferstandene gibt uns neue Hoffnung. Der Stein ist weggewälzt,
der Gekreuzigte ist nicht hier.
Immer wieder haben das Menschen erfahren dürfen. Ein Problem, dass
eine Zeit lang übermächtig erschien, hat sich in Luft aufgelöst, es ist
einfach nicht mehr da, und wir verstehen im Nachhinein nicht mehr,
warum wir uns so darüber aufgeregt haben.
Manchmal sind wir selbst es, die die Probleme festhalten. Vielleicht
haben wir uns in unserer Kindheit von unseren Eltern ungerecht
behandelt gefühlt und können es unser Mutter oder unserem Vater
einfach nicht vergeben. Wir tragen es ihnen nach, auch dann noch, wenn
sie verstorben sind.
In der Familientherapie tritt es häufig zu Tage, dass die Verstorbenen
Verwandten einen großen Einfluss auf die jetzt Lebenden haben. Einen
schlechten Einfluss, einen belastenden Einfluss, der den Hinterbliebenen
die Lebensfreude nimmt.
Der Stein ist weggewälzt. Der Gekreuzigte ist nicht hier.
Der Stein ist noch da, er ist noch sichtbar, man hat ihn nur weggewälzt,
der Gekreuzigte aber ist weg, einfach nicht mehr da.
Dieser Unterschied von nur weggewälzt und einfach nicht mehr da,
erinnert mich an den Unterschied von Vergeben und Vergessen.
Bei einer schweren Verfehlung sagt man: Das kann ich vergeben aber
nicht vergessen.
Die Geschichte der Auferstehung lehrt uns, dass beides dazugehört:
Vergeben und vergessen.
Vergebung fällt schwer, sie kann so schwer sein, wie der Stein, der vom
Grab weggerollt wurde. Vergebung ist aber notwendig.
Alles, was wir uns selbst und anderen nicht vergeben können, belastet
uns, drückt uns nieder und macht uns unfrei.
Neues Leben und neue Freiheit kann nur entstehen durch die
Auferstehung, indem wir Dinge die uns belasten und unfrei machen,
bereit sind herzugeben.
Nichts ist schlimmer als sich in der Rolle des Opfers einzurichten, sich
selbst als das Opfer schlechter Erziehung, schlechter Erbanlagen,
schlechter Umstände, und einer schlechten Gesellschaft zu begreifen.
Es ist als schlösse man sich freiwillig in ein Grab ein, verbarrikadiere den
Eingang mit einem schweren Stein. Dort ist es dunkel und dort soll es
ewig dunkel bleiben.
Nicht so am Grab Jesu: Der Stein ist weggewälzt und der Gekreuzigte ist
nicht mehr da. Die Schuld ist vergeben, dafür ist Jesus gestorben und all
das Schreckliche ist vorbei. Es ist einfach nicht mehr da. Es ist nicht nur
vergeben sondern sogar vergessen, nicht mehr da!
Der Stein ist aber nicht einfach wegerollt, sondern er wurde weggewälzt.
Es braucht also einen, der die Kraft hat, ihn weg zu wälzen oder
mehrere, die es gemeinsam schaffen.
So ist es auch im Leben. Wenn wir eine tiefe Krise durchmachen, dann
brauchen wir Menschen, die uns beistehen, die uns aufhelfen und die
uns heraushelfen, wenn wir uns in etwas verrannt haben.
Jesus, so heißt es, ist der Erstling unter den Entschlafenen. Seine
Auferstehung ist das Symbol dafür, dass auch wir mit ihm auferstehen
können, aus den Gräbern, in denen wir uns manchmal selber vergraben
haben mit Schuldgefühlen und Vorwürfen. Die Auferstehung aus
Gräbern, in denen wir es uns häuslich eingerichtet haben in der Rolle
des Opfers.
Die Auferstehung ist ein Zeichen der Vergebung. Und das Licht der
Auferstehung strahlt so hell, dass es uns sogar vergangenes Leid und
vergangene Schuld vergessen machen kann.
Amen.