Wenn Rendite Sünde ist

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FINANZEN
BÖRSENWOCHE
Nervenprobe
für Anleger
Frankfurter Rundschau
Montag, 15. Juni 2015
Waffen, Alkohol, Zigaretten, Glücksspiel: Solche Geschäfte sind besonders lukrativ
Auch die Tatsache, dass viele
Anleger von solchen Unternehmen die Finger lassen, belastet
ihren Aktienkurs nicht. Denn es
finden sich immer andere Investoren, die die Lücke schließen,
sobald ihnen der Aktienkurs attraktiv erscheint: „Wenn genügend Anleger diese unmoralischen Unternehmen meiden, fallen deren Aktienkurse und dies
bietet Anlegern, die weniger ethische Bedenken hegen, Aussichten
auf höhere Renditen“, erläutert
Elroy Dimson, einer der Autoren
der Studie, die Mechanismen des
Marktes.
I
m Leben gibt es vieles, das
zwar legal, aber ethisch und
moralisch eigentlich nicht in
Ordnung ist. Leider sind das oft
gerade die Dinge, die am meisten
Spaß machen – oder die einem
selbst die meisten Vorteile bringen. Und das gilt im Prinzip auch
für die Geldanlage: Wer sein Geld
in Waffenkonzerne, in Hersteller
von hochprozentigen alkoholischen Getränken, in Zigarettenproduzenten, Glücksspielunternehmen oder in Erotikfirmen investiert, kann sich Hoffnung auf
überdurchschnittlich hohe Gewinne machen.
Eine aktuelle Studie der
Schweizer Großbank Credit Suisse und der London Business
School untermauert diese Aussage: Die Autoren der Studie haben
die
Kursentwicklung
eines
ethisch sauberen Fonds mit einem „Sündenfonds“ verglichen.
Stellvertretend für das Gute wählten sie den Vanguard FTSE Social
Index Fund, der nur in Unternehmen investiert, die bestimmte soziale und ethische Kriterien erfüllen. Die Rolle des Bösewichts bei
der Geldanlage fiel dem amerikanischen Vice Fund zu – auf
Deutsch: Laster-Fonds. Dieser
Fonds der US-Fondsgesellschaft
USA Mutuals investiert vor allem
in Rüstungskonzerne, Zigarettenund Alkoholhersteller sowie in
Casino-Betreiber.
Nachhaltig
wirtschaften
Woran liegt es, dass Geschäfte
mit der Sünde besonders
hohe Gewinne abwerfen?
Das Ergebnis fiel eindeutig aus:
Der „böse“ Vice Fund schlug den
„guten“ Vanguard Social Index
Fund um Längen. So hätte ein Anleger, der im Jahr 2002 für 10 000
Dollar Anteile des Vice Funds
kaufte, daraus bis Anfang dieses
Jahres 33 655 Dollar gemacht. Er
hätte damit auch besser abgeschnitten als der S&P 500-Index,
der praktisch den ganzen US-Aktienmarkt abbildet. Wer stattdessen zum gleichen Zeitpunkt für
10 000 Dollar Anteile des Social
Index Fund kaufte, hätte daraus
bis Anfang 2015 „nur“ 26 788
Dollar gemacht.
So ungleich also ist die Börsenwelt. Doch woran liegt es eigentlich, dass ausgerechnet die Spekulation mit der Sünde so vielversprechend ist? Einen wichtigen
Grund sieht Vermögensverwalter
Frank Wieser von der PMP Vermögensmanagement
Donner
& Reuschel in Luxemburg darin,
dass solche Branchen kaum Beschränkungen unterworfen seien.
Der Pharmabereich, die Nahrungsmittelindustrie oder die
Banken hätten wesentlich höhere
regulatorische Auflagen, weil sie
volkswirtschaftlich
bedeutend
seien. „Glücksspiel, Alkohol oder
Erotik sind für die Höhe des Bruttosozialproduktes dagegen nicht
besonders relevant“, erklärt Wieser. „Außerdem müssen solche
,Sündenunternehmen‘ auf weitere Befindlichkeiten wie ethische
Standards oder Nachhaltigkeit
keine Rücksicht nehmen. Das
sorgt für deutlich niedrigere interne Verwaltungskosten“, so
Wieser.
SASCHA JAECK
D
ie Anlageprofis waren in der
abgelaufenen Handelswoche
an den Aktienmärkten wieder
einmal hypernervös. Und so ging
es mit den Kursen ständig kräftig
auf und ab. Leiten ließen sich die
Investoren von der Entwicklung
der Nachrichtenlage über Griechenland: Mal schien es so, als sei
eine Einigung mit den Geldgebern zum Greifen nah, dann stiegen die Kurse. Mal schien eine Lösung wieder in weite Ferne gerückt, dann fielen sie.
Privaten Anlegern kann in einer solch diffusen Lage nur zu Besonnenheit geraten werden. Am
besten sollten sie die Lage beobachten und im
Athen macht Moment nichts
tun. Wer allerdie Märkte
dings noch gar
nervös
keine
Aktien
besitzt,
der
kann schwache Tage durchaus für
einen vorsichtigen Einstieg nutzen. Denn tendenziell wollen die
Kurse nach oben, sagen viele Aktienstrategen. Die Aktienkurse
würden nur von den Störfeuern
aus Athen gebremst.
In der neuen Woche dürften
die Anleger ihre Aufmerksamkeit
aber zumindest am Mittwoch ausnahmsweise einmal wieder kurzzeitig von Athen nach Washington lenken. Dann steht nämlich
der Zinsentscheid der US-Notenbank Fed an. Die meisten Beobachter gehen zwar nicht davon
aus, dass die Fed schon im Juni
die Zinsen anheben wird. Denn
im ersten Quartal hatte die USWirtschaft einen Schwächeanfall.
Die Anleger werden aber gespannt auf die Erläuterungen
zum Zinsentscheid hören und dabei wieder einmal jedes Wort von
Notenbankchefin Janet Yellen auf
die Goldwaage legen. Denn von
ihren Aussagen erhoffen sie sich
neue Erkenntnisse über den Zeitpunkt der schon lange angedeuteten Zinswende in den Vereinigten
Staaten. Kommt sie noch in diesem Jahr oder womöglich doch
erst 2016? Weitere Hinweise über
den Zustand der US-Wirtschaft
liefern unter anderem die Zahlen
zur US-Industrieproduktion am
Montag und die US-Frühindikatoren am Donnerstag.
Was Griechenland angeht,
drängt die Zeit. Gibt es nicht bald
eine Einigung mit den Geldgebern droht am Monatsende, wenn
weitere Kreditraten fällig werden,
die Staatspleite und der Austritt
des Landes aus der Eurozone
(Grexit).
In Deutschland werden die Investoren am Dienstag auf den
ZEW-Konjunkturindex schauen.
Viele Analysten rechnen im Juni
mit einem weiteren Rückgang.
Zum Abschluss der Woche ist
schließlich wegen des sogenannten Hexensabbats mit größeren
Kursausschlägen zu rechnen. Am
Freitag verfallen nämlich Terminkontrakte auf Indizes sowie Optionen auf einzelne Aktien. Dies
löst häufig hektische Handelsaktivitäten aus, weil Investoren die
Kurse in eine für sie günstige
Richtung lenken wollen, damit
ihre Spekulationen aufgehen.
Nr. 135
Wenn Rendite Sünde ist
Von Sebastian Wolff
Von
Sebastian Wolff
71. Jahrgang
DER SÜNDENFONDS
Sorge um das Image: Der Vice Fund
(„Sündenfonds), dem inzwischen der
weniger offensichtliche Name Barrier
Fund verpasst wurde, wird in Deutschland nicht vertrieben. Auch sonst gibt
es in Deutschland keine speziellen
Sündenfonds. Vermögensverwalter
Frank Wieser erklärt das damit, dass die
Fondsanbieter um ihr Image fürchten,
wenn sie solche Produkte anbieten
würden. „Auch will sich keine Bank im
Vertrieb dabei erwischen lassen, wie sie
solche Produkte aktiv bewirbt.“
Investitionen: Der Barrier Fund
investiert in Unternehmen mit frag-
würdigen Geschäftsmodellen und verdient so an den Sünden und Lastern
dieser Welt. Kandidaten gibt es viele,
zum Beispiel Tabakkonzerne wie British
American Tobacco (BAT) oder Reynolds.
Des Weiteren favorisiert der Fonds
Rüstungskonzerne wie BAE Systems,
Northrop Grumman oder Raytheon.
Darüber hinaus zählen die BrauereiMultis Diageo und Constellation Brands
zu seinen Investitionsobjekten. Und
auch Kasino-Betreiber wie Las Vegas
Sands und Wynn Resorts sind Teil des
Portfolios. Die meisten dieser Aktien
sind in der Vergangenheit hervorragend
gelaufen. sw
Die Studienautoren finden
noch weitere Gründe für die gute
Entwicklung der sündigen Unternehmen an der Börse: So seien
Produkte wie Bier, Zigaretten,
Glücksspiel & Co. praktisch krisensichere Geschäfte. Selbst oder
sogar besonders in wirtschaftlich
schwierigen Zeiten wollen Verbraucher nicht darauf verzichten.
Zudem seien in diesen Branchen
die Gewinnmargen vergleichsweise hoch, heißt es in der Untersuchung.
Die Studienautoren fanden auch
heraus, dass ein negativer ImageWandel eines Produkts für dessen
Aktienkurs sogar von Vorteil sein
kann und nennen als Beispiel die
Aktien von Tabakkonzernen: So
habe Tabak bis in die 60er Jahre
hinein nicht als schädlich gegolten. Aktien von Tabakkonzernen
entwickelten sich bis dahin trotzdem unterdurchschnittlich im
Vergleich zum Gesamtmarkt. Als
dann das Bewusstsein über die
gesundheitlichen Gefahren von
Zigaretten und anderen Tabakprodukten aufkam, verkauften
viele Anleger ihre Tabakaktien.
Aus
Renditegesichtspunkten
machten sie einen Fehler: Von da
an nämlich entwickelten sich Aktien von Tabakkonzernen an der
Börse sogar etwas besser als der
Durchschnitt aller Aktien.
Und noch etwas fiel den Forschern auf: So erzielten Spekulanten auf den Aktienmärkten
von Ländern, die im Allgemeinen
als die korruptesten der Welt angesehen werden, bessere Renditen als anderswo. Eine Erklärung
dafür liefert die Untersuchung allerdings nicht.
Wer sich nun die Frage stellt,
ob es sich moralisch nicht doch irgendwie rechtfertigen ließe, Profit aus solchen Anlagen zu ziehen,
muss enttäuscht werden. Wer solche Aktien halte, solle die Gewinne daraus spenden, rät Vermögensverwalter Wieser. Damit würde der Gewinn aus unethischen
Geschäften einem guten Zweck
zufließen. Der Anleger hätte eine
moralische Rendite, finanziell
würde es sich aber nicht lohnen.
Die Rendite wäre null (und inklusive der Kosten sogar negativ).
Die Autoren der Credit-SuisseStudie empfehlen Eigentümern
von Sündenaktien, dem Management die Leviten zu lesen – zum
Beispiel auf der Hauptversammlung. So könnten sie dazu beitragen, das Unternehmen zu verbessern. Das dürfte allerdings kaum
funktionieren. Kleinanleger haben in der Regel wenig zu sagen.
Der saubere Weg scheint es
dann doch zu sein, auf unethische Geschäfte zu verzichten.
Dass man auch mit nachhaltiger
Geldanlage gute Renditen erwirtschaften kann, zeigen Indizes wie
etwa der Global Challenges Index, der sich in den vergangenen
fünf Jahren besser als der Dax,
der EuroStoxx 50 oder der Dow
Jones Index entwickelt hat.